OGH 7Ob104/09h

OGH7Ob104/09h28.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeindeverband W*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei N***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, in eventu 169.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. März 2009, GZ 4 R 8/09i-13, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Handelsgericht vom 22. Oktober 2008, GZ 2 Cg 21/08m-9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.268,54 EUR (darin enthalten 378,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bis zum 31. 12. 2004 Träger des Krankenhauses M***** und bei der Beklagten haftpflichtversichert. Dem Haftpflichtversicherungsvertrag lagen die AHVB 1993 zugrunde. Sie lauten auszugsweise:

„Art 7

...

6. Es besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden, die zugefügt werden

6.1. dem Versicherungsnehmer (den Versicherungsnehmern) selbst; ...

Art 8

...

2. Vollmacht des Versicherers

Der Versicherer ist bevollmächtigt, im Rahmen seiner Verpflichtung zur Leistung alle ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. ..."

Am 16. 10. 1996 wurde im Krankenhaus M***** ein Kind geboren, das infolge einer Fehlbehandlung geistig und körperlich schwerstbehindert und hochgradig pflegebedürftig war. Das Land Niederösterreich leistete Sozialhilfe und Pflegegeld. Soweit sich das Land Niederösterreich für solche bis Jahresende 2004 an das Kind erbrachte Leistungen beim Kläger regressierte, übernahm die Beklagte als Haftpflichtversicherer die Deckung.

Mit 1. 1. 2005 übernahm des Land Niederösterreich die Trägerschaft für das Krankenhaus M*****. Zuvor, nämlich am 30. 11. 2004, vereinbarten das Land Niederösterreich und der Kläger den Übergang von konkret angeführten Rechten und Pflichten auf das Land Niederösterreich mit Beginn 1. 1. 2005. Davon waren Schadenersatzforderungen und -haftungen aus dem Betrieb des Krankenhauses, die sich auf Ereignisse vor dem Stichtag gründeten (auch ausdrücklich hinsichtlich der oben genannten Fehlbehandlung), umfasst. Nach dem Willen der Vertragsparteien sollte der Kläger nicht aus seiner Haftung für die aus dem Schadensereignis vom 16. 10. 1996 resultierenden Forderungen entlassen werden, das Land Niederösterreich wollte also auf den Kläger als Schuldner nicht verzichten, zumindest insoweit nicht, als eine Versicherungsdeckung bestand.

Das vom Land Niederösterreich gegen den Kläger 1999 eingeleitete Verfahren auf Ersatz der geleisteten Pflegegelder und Sozialhilfen und Feststellung der Haftung für künftige Schäden wurde mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 2. 12. 2005 beendet. Der Kläger wurde schuldig erkannt, dem Land Niederösterreich einen Teil des geltend gemachten Betrags zu bezahlen. Weiters wurde seine Haftung für künftige Schäden und Nachteile ausgesprochen. Am 24. 10. 2006 schlossen das Kind auf der einen Seite und der Kläger sowie die Beklagte auf der anderen Seite einen Vergleich über die Schadenersatzansprüche aus der Fehlbehandlung vom 16. 10. 1996.

Die Beklagte verweigerte ab dem 1. 1. 2005 bis zum Tod des Kindes am 4. 12. 2007 die Bezahlung der erbrachten Pflegegeld- und Sozialhilfeleistungen in der Höhe von 169.000 EUR.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten, in eventu Zahlung der für das Kind aufgewendeten Pflegegeld- und Sozialhilfeleistungen im Zeitraum 1. 1. 2005 bis 4. 12. 2007. Die Regressforderung des Landes gegen den Kläger sei durch die Übernahme der Krankenanstalt durch das Land Niederösterreich nicht wegen „Konfusion" nach § 1445 ABGB erloschen, weil das Land Niederösterreich im Übergabsvertrag die konkret angeführte Verbindlichkeit zur alleinigen Erfüllung übernommen habe, sodass lediglich eine Erfüllungsübernahme nach § 1404 ABGB vereinbart worden sei. Diese komme aber auch nur dann zum Tragen, wenn der Kläger mangels Versicherungsdeckung aus dem bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag tatsächlich von Gläubigern belangt werde. Es sei im Rahmen des Übergabsvertrags ausdrücklich vereinbart worden, dass alle Schadenersatzverpflichtungen, die der Kläger wegen einer Versicherungsdeckung nicht selbst erfüllen müsse, nicht vom Land Niederösterreich übernommen würden. Im Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger habe sich die Person des Schuldners nicht geändert. Der Kläger sei daher berechtigt, diesen Anspruch einzuklagen. § 151 Abs 2 VersVG habe keine Auswirkung auf bestehende Haftungen. Ein Eigenschaden liege nicht vor.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil das Land Niederösterreich mit 1. 1. 2005 das Krankenhaus M***** übernommen und seine Ansprüche durch „Konfusion" nach § 1445 ABGB iVm § 151 Abs 2 VersVG ab dem Stichtag 1. 1. 2005 erloschen seien. Versicherungsrechtlich gesehen liege ab diesem Zeitpunkt ein sogenannter Eigenschaden vor, der nach Art 7.6.1. AHVB 1993 nicht gedeckt sei. Dem Kläger stehe auch kein Recht auf Deckungsklage zu, weil die Beklagte einen deckungspflichtigen Schaden nie bestritten, sondern im Hinblick darauf erhebliche Zahlungen geleistet habe. Der Kläger könne daher nur einen Befreiungsanspruch geltend machen, der voraussetze, dass der Versicherungsnehmer dem Dritten tatsächlich ersatzpflichtig geworden sei. Ob und in welchem Umfang eine Schadenersatzpflicht bestehe, ergebe sich aber nicht aus dem Versicherungsrecht, sondern aus dem allgemeinen Zivilrecht. Der Kläger hätte daher vor Gericht klären müssen, ob das Land Niederösterreich berechtigt sei, Zahlung zu fordern oder ob sein Anspruch durch „Konfusion" untergegangen sei. Im Hinblick auf Art 8.2 AHVB 1993 habe die Beklagte gegenüber dem Land Niederösterreich weitere Zahlungen ab 1. 1. 2005 abgelehnt.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab (dieses ist nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens) und gab dem Eventualbegehren statt. Das Land Niederösterreich sei infolge rechtskräftiger Erledigung des Prozesses mit dem Kläger nicht zur neuerlichen Klagsführung berechtigt. Die Beklagte bestreite sehr wohl ihren Deckungsanspruch durch den Hinweis auf die „Konfusion". Bei der zu verneinenden Frage, ob Eigenschaden vorliege, müsse auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abgestellt werden. Die Entschädigungssumme stehe nicht dem Erwerber zu, wenn der Versicherungsfall vor Veräußerung eingetreten sei. Gemäß § 1445 ABGB erlösche die Forderung trotz Vereinigung nicht, wenn es dem Gläubiger noch freistehe, eine Absonderung seiner Rechte zu verlangen oder wenn Verhältnisse von „ganz verschiedener Art" eintreten. Das Land Niederösterreich habe auf den Kläger als Schuldner nicht verzichtet. Die in der Literatur geäußerte Meinung, bei einer Schuldübernahme nach § 1409 ABGB trete hinsichtlich der Forderungen des Übernehmers gegen den Veräußerer „Konfusion" ein, sei in diesem Sinn zu relativieren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es verwies auf die überzeugenden Rechtsausführungen des Erstgerichts. Im zwischen dem Kläger und dem Land Niederösterreich ergangenen Feststellungsurteil gebe es keine Einschränkung der Haftung für den Zeitraum, in dem der Kläger Träger des Krankenhauses bleibe. Der Übergang der Rechtsträgereigenschaft ändere an der Haftung des Klägers nichts. Damit sei auch das Land Niederösterreich nach dem 1. 1. 2005 unverändert Gläubigerin und der Kläger unverändert Schuldner der Regressforderungen, sodass die Beklagte aus dem Vertrag Deckung zu leisten habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliege.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 dritter Fall ZPO liegt nicht vor. Das Berufungsgericht schloss sich den ausführlichen Rechtsausführungen des Erstgerichts an. Es ist nach § 500a ZPO zulässig, auf die Ausführungen des Erstgerichts zu verweisen.

Die Rechtsansicht der Beklagten, das Land Niederösterreich und der Kläger seien verpflichtet, in einem gesonderten Prozess die Frage klären zu lassen, ob die Forderung des Klägers durch Übernahme des Krankenhauses durch das Land Niederösterreich durch „Konfusion" erloschen sei, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte verweigert aufgrund der „Konfusion" die weitere Deckung des Schadensfalls. Ob „Konfusion" eingetreten ist oder nicht, ist im vorliegenden Prozess eine Vorfrage, die aber - wie noch ausgeführt wird - nicht entscheidend ist.

Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich daraus, dass er zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls Versicherungsnehmer war. Er ist nach dem eindeutigen Text des § 151 Abs 2 VersVG auch nach der Übertragung des versicherten Unternehmens weiterhin aktiv legitimiert. § 151 Abs 2 VersVG regelt nämlich, dass der Übernehmer an die Stelle des Versicherungsnehmers in die sich während der Dauer seiner Berechtigung aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt. Der Übernehmer tritt ein, sobald das Haftpflichtrisiko auf ihn übergegangen ist. Ansprüche, die vor der Übernahme eingetreten sind, stehen dem früheren Betriebsinhaber weiter zu (Voit/Knappmann in Prölss/Martin27, § 151 VVG Rn 12 f; Baumann in BK, § 151 VVG Rn 43; vgl zum gleichen Regelungsinhalt des § 69 VersVG: RIS-Justiz RS0080670, Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³, 291). Der Kläger ist also für die Deckung von Versicherungsfällen, die während der Dauer des Versicherungsvertragsverhältnisses mit ihm entstanden sind, forderungsberechtigt, der Übernehmer erst für Versicherungsfälle, die nach der Unternehmensübertragung eingetreten sind.

Die Vorfrage, ob im vorliegenden Fall durch die Übertragung des Krankenhauses vom Kläger auf das Land Niederösterreich „Konfusion" nach § 1445 ABGB eingetreten ist oder nicht, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil die Beklagte selbst im Fall der „Konfusion" nicht von ihrer Verpflichtung zur Deckung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag befreit wäre.

Im deutschen Schrifttum wird bei vergleichbarer Rechtslage weit überwiegend die Ansicht vertreten, dass es nicht einzusehen sei, dass der Versicherer durch die zufällige Vereinigung von Haftpflichtforderung und Haftpflichtschuld in einer Person einen Vermögensvorteil ziehen sollte, der ihm sonst nach der materiellen Rechtslage nicht zugestanden wäre (Späte, Haftpflichtversicherung 209; Voit/Knappmann in Prölss/Martin27 § 149 VVG Rn 19; Baumann in BK, § 149 VVG Rn 116; R. Johannsen, Versicherungsrechtliches - Handbuch, § 24 Rn 108; Wussow, dAHB, § 1 Rn 1; Bruck/Möller/Johannsen, Bd 4, B 41).

Auch der Oberste Gerichtshof vertritt die Ansicht, dass die „Konfusion" nicht dem Versicherer zugute kommt, weil diese unvorhergesehen eintritt und das bestehende Deckungsbedürfnis des Versicherungsnehmers für die Forderung (dafür wurden auch entsprechende Prämienzahlungen geleistet) dadurch nicht wegfällt. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein von der Deckung ausgeschlossener Eigenschaden nach Art 7.6.1. AHVB 1993 vorliegt, ist naturgemäß auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vorfalls abzustellen, weil geprüft werden muss, ob überhaupt ein gedeckter Versicherungsfall vorliegt. Eine „Konfusion" von Forderungen in der Person des Versicherungsnehmers kann eine einmal bestandene Deckungspflicht wegen des Eintritts eines Versicherungsfalls nicht nachträglich zum Erlöschen bringen.

Die Zahlungspflicht der Beklagten besteht daher jedenfalls. Der Revision war der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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