Spruch:
Zur Führung des Pflegschaftsverfahrens ist das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig.
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. Jänner 2002 (ON 9), wird aufgehoben.
Text
Begründung
Das Bezirksgericht Kitzbühel nahm den Antrag der Eltern der Minderjährigen auf "Zurückführung der [in Irland befindlichen] Tochter in ihre Obsorge" am 16. 11. 2001 zu Protokoll (ON 2). Am 16. 11. 2001 sprach das Bezirksgericht Kitzbühel aus, dass es zur Verhandlung und Entscheidung in der Pflegschaftssache unzuständig sei und diese an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien überweise (ON 3). Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien sprach am 23. 1. 2002 aus, dass es einerseits die Übernahme der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache verweigere und andererseits für die Pflegschaftssache nicht zuständig sei. Auch dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.
Das Bezirksgericht Kitzbühel legt nunmehr die Pflegschaftssache dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vor.
Rechtliche Beurteilung
Es liegt aber richtigerweise beurteilt ein negativer Kompetenzkonflikt vor und ist nicht über eine Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 JN zu entscheiden. Letztere setzt nämlich voraus, dass das übertragende Gericht auch bisher nach dem Gesetz zur Besorgung der Pflegschaftssache zuständig war. Erachtet sich das Gericht aber für die Führung des Verfahrens (sogleich) für unzuständig, so hat es dies auszusprechen und die Sache an das zuständige Gericht gemäß § 44 JN zu überweisen (7 Ob 2435/96f). In der vorliegenden Pflegschaftssache haben sowohl das Bezirksgericht Kitzbühel als auch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien rechtskräftig ihre Unzuständigkeit ausgesprochen.
Gemäß § 47 Abs 1 JN sind Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gerichten erster Instanz über die Zuständigkeit für eine bestimmte Rechtssache von dem diesen Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichte zu entscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer solchen Entscheidung auf eine Bindungswirkung des ersten Beschlusses, auch wenn dieser allenfalls unrichtig war, Bedacht zu nehmen (5 Nd 5/99, RIS-Justiz RS0046391, RS0046135).
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Kitzbühel erweist sich daher - unabhängig davon, ob die darin vertretene Rechtsmeinung zutrifft - für das Bezirksgericht Innere Stadt Wien insofern bindend, als dieser Beschluss nicht nur die Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Kitzbühel ausgesprochen hat, sondern auch das Pflegschaftsverfahren an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien überwiesen wurde. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien konnte die Bindungswirkung nicht dadurch verhindern, dass es seinerseits die Unzuständigkeit aussprach und dadurch einen negativen Kompetenzkonflikt herbeiführte. Es war daher gemäß § 47 Abs 1 JN das Bezirksgericht Innere Stadt Wien in dieser Sache für zuständig zu erklären und dessen Beschluss aufzuheben (RIS-Justiz RS0046377).
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