Spruch:
1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf „D*****GmbH" berichtigt.
2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 2.196,94 EUR (darin enthalten 20 % USt 366,16 EUR) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
1. Die Parteienbezeichnung der Klägerin war aufgrund einer Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung dem Firmenbuchstand (FN *****) entsprechend zu berichtigen.
2. Die Klägerin betreibt ein Einkaufszentrum, die Beklagten sind darin mit ihrem Textilhandelsunternehmen seit vielen Jahren Bestandnehmer.
Gegenstand des wiederaufzunehmenden Verfahrens war der Anspruch der damaligen klagenden Parteien und nunmehrigen Wiederaufnahmsbeklagten auf Einhaltung einer zwischen Streitteilen geschlossenen Konkurrenzschutzvereinbarung, deren Inhalt von der damaligen Beklagten und nunmehrigen Wiederaufnahmsklägerin als bloße „Sprechklausel", von den Wiederaufnahmsbeklagten aber als durchsetzbares Verbot interpretiert wurde.
Das Erstgericht wies mit Urteil vom 31. Oktober 2002, AZ 6 C 853/02v, das Unterlassungsbegehren der damaligen klagenden Parteien, der damaligen Beklagten eine Inbestandgabe von 500 m² übersteigenden Flächen an Unternehmen der Bekleidungsbranche zu verbieten, ab.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung nach Beweiswiederholung mit seinem Urteil vom 26. November 2003, AZ 41 R 169/03m, im klagsstattgebenden Sinn ab. Aufgrund der Aussagen der am Zustandekommen der strittigen Vereinbarung beteiligten Zeugen, vor allem aber in Abwägung der wirtschaftlichen Interessenlage der Streitteile schloss sich das Berufungsgericht der Auslegung der klagenden und wiederaufnahmsbeklagten Parteien an, dass nicht nur eine wirtschaftlich praktisch wertlose schlichte Informationspflicht, sondern ein durchsetzbares Vetorecht gegen die Vermietung großer Verkaufsflächen an Konkurrenzunternehmen vereinbart wurde.
Die Revision der beklagten (und nun wiederaufnahmsklagenden) Partei gegen dieses Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen.
In ihrer Wiederaufnahmsklage bringt die vormalige Beklagte - soweit für das Rekursverfahren noch relevant - vor, sie sei in den Besitz eines neuen Beweismittels gelangt, dessen Benützung im früheren (Berufungs-)Verfahren geeignet gewesen wäre, eine für sie günstigere Entscheidung herbeizuführen. Sie verfüge seit 30. Dezember 2004 über eine schriftliche eidesstättige Erklärung des ehemaligen Geschäftsführers der Wiederaufnahmsbeklagten, wonach die im Vorverfahren strittige Klausel tatsächlich nur eine Informationsverpflichtung beinhaltet habe. Im Jänner 2005 habe dieser Zeuge diese Aussage auch in einem zwischen den Streitteilen anhängigen gerichtlichen Kündigungsverfahren getätigt.
Das für die Entscheidung über die vorliegende Wiederaufnahmsklage funktionell in erster Instanz tätige Berufungsgericht, an das die zunächst beim Erstgericht eingebrachte Klage nach § 474 Abs 1 iVm § 532 ZPO überwiesen worden war, wies die Wiederaufnahmsklage mit dem angefochtenen Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, aber (unstrittig, wenngleich aus dem rekonstruierten Akt nicht eindeutig nachvollziehbar) nach Zustellung der Wiederaufnahmsklage an die Wiederaufnahmsbeklagten, zurück.
Die vorgelegten schriftlichen Zeugenaussagen seien zwar für sich genommen neu und auch abstrakt nicht ungeeignet, eine Änderung der Beweiswürdigung im Vorverfahren im Sinn der Wiederaufnahmsklägerin herbeizuführen, sie habe jedoch schon nach ihrem eigenen Vorbringen schuldhaft die rechtzeitige Führung des Zeugen im wiederaufzunehmenden Verfahren unterlassen. Nach dem Akteninhalt sei der Zeuge bereits in erster Instanz namentlich bekannt und in den Aussagen anderer Beteiligter wiederholt als Teilnehmer an den Vertragsverhandlungen genannt worden. Dem Vorbringen der Wiederaufnahmsklägerin sei zu entnehmen, dass sie es aus bloß taktischen Überlegungen bewusst unterlassen habe, den Zeugen namhaft zu machen. Die Geltendmachung dieses Beweismittels erst in der Wiederaufnahmsklage sei daher verspätet.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der fristgerechte Rekurs der Wiederaufnahmsklägerin, in dem eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Rechtssache geltend gemacht wird. Die Beklagten beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben (§ 521a Abs 1 Z 3 ZPO aF).
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (RIS-Justiz RS0044587; Jelinek in Fasching/Konecny² § 533 ZPO Rz 38), aber nicht berechtigt.
Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Eine auf die behauptete Kenntnis neuer Beweismittel gestützte Wiederaufnahmsklage ist nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, die neuen Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen (§ 530 Abs 2 ZPO). Den Wiederaufnahmskläger trifft bei diesem Wiederaufnahmsgrund die Behauptungs- und Beweislast für sein mangelndes Verschulden. Nicht ausreichende Behauptungen machen die Wiederaufnahmsklage unschlüssig und führen schon im Vorverfahren zur Zurückweisung der Klage (6 Ob 15/03d mwN). Ein Verschulden liegt vor, wenn die Partei bereitstehende Beweismittel nicht anbietet, obwohl die Bedeutung der Beweismittel ohne weiteres erkennbar war. Schon benützbare Beweismittel dürfen daher nicht einem Wiederaufnahmsverfahren vorbehalten werden (1 Ob 258/02a; Jelinek in Fasching/Konecny² § 530 ZPO Rz 212 mwN).
Das Berufungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass das von der Wiederaufnahmsklägerin präsentierte neue Beweismittel nicht in der eidesstättigen Erklärung oder dem Protokoll aus einem anderen Verfahren bestehen kann, weil schriftliche Aussagen von Zeugen, deren persönliche Vernehmung möglich ist, in der ZPO nicht vorgesehen sind (ua Rechberger in Rechberger, ZPO³, Vor § 320 Rz 3). Den vorgelegten Urkunden ist nur die Bedeutung eines Hilfsbeweises, nämlich für die Rechtzeitigkeit und Relevanz des eigentlichen Beweismittels der Zeugenvernehmung, beizumessen.
Die Wiederaufnahmsklägerin hat aber gar nicht behauptet, den Namen des Zeugen und seine Rolle als Teilnehmer bei den Vertragsgesprächen im Vorverfahren noch nicht gekannt zu haben. Nicht zuletzt weil es sich beim Zeugen um den vormaligen Geschäftsführer der Vertragspartnerin handelt, lag die Bedeutung seiner persönlichen Wahrnehmungen für die Entscheidung auf der Hand.
Die Wiederaufnahmsklägerin argumentiert nun damit, dass ihr der rechtzeitige Antrag auf Vernehmung des Zeugen unzumutbar gewesen wäre, weil sie „nach der allgemeinen Lebenserfahrung" damit rechnen habe müssen, dass er mit seiner Aussage den Prozessstandpunkt der seinerzeit von ihm als Geschäftsführer vertretenen Gegenpartei bestärken würde. Es hieße die prozessuale Diligenzpflicht zu überspannen, einer Partei auch offenbar aussichtslose Beweisanträge zuzumuten.
Die Rekurswerberin führt allerdings keine konkreten Umstände ins Treffen, auf die sich ihre negative Erwartung im vorliegenden Fall gegründet hat. Soweit aus ihrem Vorbringen die Befürchtung hervorklingt, der Zeuge hätte vermutlich eine inhaltlich falsche Aussage getätigt, fehlt dafür ein hinreichendes Tatsachensubstrat. Das Argument eines früheren Naheverhältnisses des Zeugen zur Gegenpartei reicht dafür nicht aus, zumal unbeteiligte Zeugen gerade in Vertragsstreitigkeiten ohnedies einen Ausnahmefall darstellen. Auch alle im Vorverfahren tatsächlich vernommenen Zeugen standen jeweils in der einen oder anderen Weise in einer beruflichen Nahebeziehung zu einer der Parteien.
Die Möglichkeit, dass ein Zeuge - sei es aufgrund einer mangelhaften Erinnerung oder aus anderen Gründen - die vom Beweisführer in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt, ist nie völlig auszuschließen. Von einer Aussichtslosigkeit des gegenständlichen Beweisantrags im Vorverfahren kann nicht gesprochen werden, weil einem Zeugen nicht ohne konkrete Anhaltspunkte die Bereitschaft zu einer gerichtlich strafbaren falschen Aussage unterstellt werden darf. Es obliegt der Disposition der Parteien, ob sie das Risiko, sich durch die Aussage eines Zeugen allenfalls selbst zu schaden, im Einzelfall eingehen wollen oder nicht. Mit einer nachträglich erkannten Fehleinschätzung des Beweiswerts der unterbliebenen Zeugenaussage, worauf das Klagsvorbringen im Ergebnis hinausläuft, lässt sich die Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht erfolgreich begründen.
Dem Rekurs war daher keine Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)