OGH 6Ob7/16x

OGH6Ob7/16x26.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. W***** L*****, vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei Dompfarre *****, vertreten durch Dr. Peter Wagner und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. November 2015, GZ 4 R 136/15w‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. Juli 2015, GZ 2 Cg 155/14p‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00007.16X.0426.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.332,54 EUR (darin enthalten 222,09 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Lärmimmissionen, die von Kirchenglocken ausgehen, wobei diese Rechtsfrage angesichts der Vielzahl von in Österreich geläuteten und geschlagenen Kirchenglocken an Bedeutung über den vorliegenden Fall hinausgehe.

Der Kläger begehrte zuletzt, die beklagte Pfarre für schuldig zu erkennen, „ab sofort bei sonstiger Exekution sämtliches Schlagen von Glocken (welche auch immer) zu den Zwecken von Zeitmessung (Zeitschlagen) zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr ‑ mit Ausnahme der Nacht vom 31. 12. auf 1. 1. (Silvesternacht) ‑ zu unterlassen“.

Diesem Begehren hielt die beklagte Pfarre bereits im Verfahren erster Instanz in formeller Hinsicht entgegen, es sei falsch gefasst, weil keine bestimmten Schutzmaßnahmen verlangt werden dürften, sondern die Auswahl der Schutzmaßnahmen der beklagten Pfarre vorbehalten bleiben müsse.

Dem entgegnete der Kläger lediglich, er habe keine bestimmten Schutzmaßnahmen verlangt.

Die Erstrichterin erörterte mit den Parteien, dass das Klagebegehren „zu wenig spezifiziert“ sei; es sei in dieser Art und Weise nicht exekutierbar.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0004649) ist der eigentliche Inhalt des nachbarrechtlichen Untersagungsanspruchs, dass der Verpflichtete dafür zu sorgen hat, dass sein Nachbar nicht durch Immissionen beeinträchtigt wird, wobei die Art, wie dies zu geschehen hat, dem Verpflichteten überlassen bleibt. Der Exekutionstitel richte sich daher auf eine im materiellen Recht vorgezeichnete Verpflichtung auf dauerndes, künftiges, inhaltlich vom Verpflichteten zu bestimmendes Handeln.

Dem entsprechend wies der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 135/06w (wobl 2007, 317/124 [Vonkilch] = RdU 2008/42 [Kerschner]) in einem dem vorliegenden insoweit durchaus vergleichbaren Fall eine Klage, mit der „die Verpflichtung der Beklagten zur Unterlassung der Zulassung von Flugbewegungen am Flughafen **** gemäß der mit Bescheid **** genehmigten Erweiterung der Betriebszeiten für die Durchführung von jeweils vier Bewegungen von Frachtluftfahrzeugen in der Zeit von Montag bis Samstag von jeweils 23:00 Uhr bis 5:30 Uhr bzw (am Samstag) 6:00 Uhr, wovon zwei Bewegungen jeweils in der Zeit von 0:30 Uhr bis 5:30 Uhr bzw 6:00 Uhr durchgeführt werden dürfen,“ begehrt wurde, ab. Das Urteil richte sich ‑ wie einleitend dargestellt ‑ auf eine im materiellen Recht vorgezeichnete Verpflichtung zu dauerndem, künftigem, inhaltlich aber vom Verpflichteten zu bestimmendem Handeln. Soweit das Begehren auf sichernde Vorkehrungen gerichtet sei, dürfe keine bestimmte Einrichtung verlangt werden; die Auswahl der Schutzmaßnahmen müsse vielmehr dem Beklagten überlassen bleiben. Ein dennoch auf bestimmte Vorkehrungen - und sei es auch in Form der Unterlassung der Fortführung eines Betriebs - zielendes Begehren stelle gegenüber dem Begehren auf Unterlassung von Emissionen ein aliud dar, dessen Stattgebung § 405 ZPO entgegenstehe. Das (dort) zu beurteilende Klagebegehren ziele dem gegenüber darauf ab, der Beklagten eine ganz bestimmte (besonders einschneidende und nicht auf die konkrete Lärmentwicklung abstellende) Vorkehrung vorzuschreiben. Dass das Verbot der genehmigten Nachtflugbewegungen der einzige Weg sei, der Beklagten unzulässige Immissionen zu untersagen, sei keineswegs erwiesen. Die Klägerin habe sich dazu auf die im Bescheid angeführten Lärmgrenzen berufen; es sei aber keineswegs als notorisch anzusehen, dass diese Grenzen wirklich ausgeschöpft werden müssen beziehungsweise dass es nicht möglich wäre, entsprechend gestaltete Nachtflugbewegungen mit einem Geräuschpegel abzuwickeln, der das ortsübliche Maß nicht übersteigt. Schon deshalb müsse dem Begehren der Klägerin, das nicht auf Untersagung von Immissionen, sondern auf eine ganz konkrete Maßnahme gerichtet ist, ein Erfolg versagt bleiben.

2. Auch im vorliegenden Fall hat sich der Kläger darauf berufen, dass das nächtliche Schlagen von Glocken schon bei einer Lärmimmission von 30 dB zu einer Aufwachreaktion und einer damit verbundenen massiven negativen Beeinflussung der Gesundheit der davon betroffenen Anwohner führen könne. Dennoch hat er es trotz entsprechender Einwendungen der beklagten Pfarre und einer Erörterung des Klagebegehrens durch die Erstrichterin unterlassen, sein Klagebegehren dahin umzuformulieren, dass der beklagten Pfarre näher definierte Immission verboten werden (vgl wiederum 8 Ob 135/06w; zur Untersagung der Überschreitung von konkreten, vom Kläger zu beantragenden Pegelwerten 2 Ob 166/14x RdU 2016/32 [Weiß]).

3. Damit haben aber die Vorinstanzen das Klagebegehren im Ergebnis zutreffend abgewiesen, ohne dass es einer weiteren Erörterung der im Revisionsverfahren aufgeworfenen meritorischen Fragen bedarf.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Pfarre hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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