OGH 6Ob661/87

OGH6Ob661/8722.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg S***, Juwelier, 6020 Innsbruck, Anichstraße, vertreten durch Dr. Peter Riedmann und Dr. G. Heinz Waldmüller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Waltraud M***, Pensionistin, 6020 Innsbruck, Pfarrgasse 4, vertreten durch Dr. Heinz Bauer und Dr. Harald E. Hummel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. Mai 1987, GZ 1 a R 222/87-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30. Dezember 1986, GZ 11 C 312/85-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Mieterin der im 2. Stock des Hauses in Innsbruck, Pfarrgasse 4, gelegenen Wohnung, bestehend aus Vorraum, Küche, 4 Zimmern, WC, Bad und Abstellraum, welche inklusive Balkon eine Gesamtfläche von 159 m2 aufweist.

Der Kläger ist seit noch nicht 10 Jahren Eigentümer dieser "Wohnung" (gemeint wohl: des Hauses; Außerstreitstellung ON 15, AS 77). Er hat das Haus vor etwa drei oder vier Jahren käuflich erworben.

Mit der beim Erstgericht am 11. März 1985 eingelangten Aufkündigung kündigte der Kläger der Beklagten die von ihr gemietete Wohnung zum 30. April 1985 aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4, 6 und 8 MG (richtig: MRG) gerichtlich auf. Der ergangene Gerichtsbeschluß vom 12. März 1985 wurde der Beklagten am 16. März 1985 zugestellt.

In der Aufkündigung machte der Kläger geltend, die Beklagte benötige die Wohnung nicht zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses. Sie sei ortsabwesend und habe die Wohnung zum überwiegenden Teil bzw. "offenbar zur Gänze" (ON 6, AS 20) an einen Untermieter weitergegeben. Für die Beklagte sei die Wohnung nur mehr Absteige oder Zweitwohnsitz. Sie scheine im Telefonbuch nicht auf und habe auch keinen Stromlieferungsvertrag mit den Stadtwerken Innsbruck abgeschlossen. Sowohl der Stromlieferungsvertrag als auch der Telefonanschluß der Wohnung lauten auf den Namen des Untermieters Rudolf M***. Der Kläger benötige die Wohnung für seine volljährige und berufstätige Tochter. In seinem Haus sei für deren beabsichtigte Familiengründung nicht genügend Platz. In der Folge stellte der Kläger für den Fall der Aufhebung seiner Aufkündigung einen Antrag gemäß § 31 Abs 2 MRG. Er behauptete, die 157 m2 große Wohnung könne leicht geteilt werden, indem aus den rechts und links des nach dem Wohnungseingang befindlichen langen Querganges gelegenen Räumen zwei selbständige abgeschlossene Wohneinheiten geschaffen werden könnten (ON 6, AS 20 bis 21).

Gegen die vom Erstgericht erlassene Aufkündigung vom 12. März 1985, GZ K 18/85-1, erhob die Beklagte rechtzeitig Einwendungen. Sie brachte im wesentlichen vor, daß sie sich nur deshalb fallweise in Überlingen am Bodensee aufhalte, weil sie dort schon seit Jahren als Realschullehrerin beschäftigt sei. Sie benötige aber die aufgekündigte Wohnung dringend, weil sie diese ab ihrer Ende Juli 1985 erfolgenden Pensionierung ohne beruflich bedingte Ortsabwesenheit ununterbrochen benützen müsse. Sie habe nur fallweise ein einziges Zimmer untervermietet. Überdies seien zwei von vier Kindern der Beklagten unverheiratet und noch im Studium. Diese hielten sich nur fallweise im Ausland auf und benötigten daher zusammen mit ihr auch dringend die aufgekündigte Wohnung. Das Erstgericht erklärte die von ihm erlassene Aufkündigung vom 12. März 1985, K 18/85, für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es stellte nachstehenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Beklagte bewohnt die nunmehr aufgekündigte Wohnung seit ihrer Geburt, sie ist nach dem Tode ihrer Eltern in die Mietrechte eingetreten. Ein Zimmer der Wohnung hat sie schon seit vielen Jahren an den Fotografen Rudolf M*** vermietet, der außerdem berechtigt ist, die Küche und das Bad zu benützen. Als Stromabnehmer scheint bei den Stadtwerken Innsbruck für die gesamte Wohnung der Untermieter Rudolf M*** auf. Die an ihn übersendeten Stromrechnungen werden im Innenverhältnis zwischen ihm und der Beklagten je zur Hälfte aufgeteilt. Auch das in der Wohnung befindliche Telefon ist auf den Namen des Untermieters Rudolf M*** angemeldet. Dieser bezahlt die Telefonkosten alleine, die Beklagte oder ihre Familienangehörigen dürfen das Telefon nur mit Zustimmung des Untermieters benutzen.

Bis zum Sommer 1985 war die Beklagte in Überlingen am Bodensee (Bundesrepublik Deutschland) als Realschullehrerin tätig. Sie hatte deshalb bis Oktober 1985 in Überlingen auch eine größere Wohnung gemietet. Im Oktober 1985 gab sie diese Wohnung auf, mietete jedoch nach ihrer im Sommer 1985 erfolgten Pensionierung noch im Oktober 1985 neuerlich in Überlingen eine kleinere Drei-Zimmer-Wohnung an, die sie gemeinsam mit ihrem Sohn Matthias zu Wohnzwecken benützt.

Die Beklagte hat die aufgekündigte Wohnung in Innsbruck bis zu ihrer Pensionierung nur sehr unregelmäßig benützt. Sie hielt sich dort hauptsächlich in den Ferien, ab und zu auch an den Wochenenden auf. Diese Aufenthalte waren unterschiedlich lange, manchmal eine Woche manchmal auch drei Wochen und länger. Es war schon seit langem davon die Rede, daß die Beklagte nach ihrer Pensionierung wieder nach Innsbruck ziehen wolle. Aber auch nach ihrer Pensionierung im Sommer 1985 benützte die Beklagte die aufgekündigte Wohnung nicht ständig, wenngleich ihre Besuche häufiger wurden und auch länger dauerten. Die Beklagte war nunmehr manchmal ein Wochenende, manchmal auch bis zu zwei Wochen in der Wohnung, hielt sich aber dort über die Weihnachtsfeiertage 1985/86 nicht auf.

Matthias M***, der Sohn der Beklagten, hatte früher seinen ständigen Wohnsitz in der aufgekündigten Wohnung, benützt diese aber seit zwei Jahren nur mehr sehr sporadisch und noch seltener als die Beklagte. Maria M***, eine Tochter der Beklagten, studiert in Konstanz und benützt die aufgekündigte Wohnung nur sehr selten an Wochenenden oder während der Semesterferien.

Eine bauliche Trennung der Wohnung in zwei Wohneinheiten für einen jeweils drei Personen umfassenden Haushalt ist nicht möglich, unter großem technischen und wirtschaftlichen Aufwand wäre die Abtrennung einer Klein-Garconniere von der derzeitigen Wohnung möglich.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus, daß der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 (erster Fall) MRG verwirklicht sei. Dieser gehe als der speziellere Kündigungsgrund jenem der Z 6 des § 30 Abs 2 MRG vor. Die Beklagte habe einen Teil der Wohnung an Rudolf M*** untervermietet. Diese teilweise Weitergabe stehe einer gänzlichen Weitergabe gleich, weil der restliche Teil weder von der Beklagten noch von eintrittsberechtigten Personen zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendet werde. Die allenfalls eintrittsberechtigten Kinder Matthias und Maria M*** bewohnten die Wohnung überhaupt nur sporadisch und auch die festgestellten Aufenthalte der Beklagten könnten nicht die Annahme rechtfertigen, daß sie den nicht weitergegebenen Teil der Wohnung als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt regelmäßig benütze. Auch ein konkreter zukünftiger Bedarf an der Wohnung sei zu verneinen, weil die seit Sommer 1985 in Pension befindliche Beklagte entgegen ihrer behaupteten und festgestellten Planung in Überlingen neuerlich eine - wenn auch kleinere - Wohnung angemietet und die aufgekündigte Wohnung nicht wesentlich häufiger benützt habe als früher.

Der weiters geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG liege hingegen nicht vor, weil zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung des Hauses durch den Kläger und dem Kündigungstermin nicht die gemäß § 30 Abs 3 MRG erforderliche Mindestfrist von zehn Jahren verstrichen sei. Der nur eventualiter gestellte Antrag auf Teilkündigung komme nicht zum Tragen, weil die Aufkündigung als wirksam erkannt worden sei.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den entschieden habe, S 300.000,-- übersteige. Es erachtete die Beweis- und Tatsachenrüge der Berufung als unzutreffend, soweit die Beklagte darin erkennbar die Feststellung gewünscht habe, ihr Lebensmittelpunkt befinde sich in Innsbruck. Insoweit wurden daher die erstgerichtlichen Feststellungen über die Art und Dauer der Wohnungsbenützung durch die Beklagte übernommen. Das Berufungsgericht billigte im übrigen auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß der maßgebliche Termin für die Beurteilung des Vorliegens des Kündigungsgrundes der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung sei. Es dürften aber aus der Entwicklung der Sachlage bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz retrospektiv betrachtet Rückschlüsse darauf gezogen werden, ob der Kündigungsgrund im Zeitpunkt der Aufkündigung verwirklicht gewesen sei oder nicht. Dies könne allerdings nicht die Konsequenz haben, daß es dem Mieter an die Hand gegeben wäre, den Kündigungsgrund durch nachfolgende vermehrte Benützung zu beseitigen. Den von der Beklagten geltend gemachten Feststellungsmängeln komme keine rechtliche Relevanz zu. Selbst wenn die Beklagte nach ihrer Pensionierung die aufgekündigte Wohnung öfter als vom Erstgericht festgestellt und in regelmäßigen Abständen benützt haben sollte und Strom sowie Telefon nur aus steuertechnischen oder praxisbezogenen Gründen nicht auf ihren, sondern auf den Namen des Untermieters gelaufen sein sollten, so wäre damit noch nicht die Funktion der aufgekündigten Wohnung als ihr wirtschaftlicher und familiärer Mittelpunkt erwiesen. Sollte die Tochter Maria M*** ihr Studium im Laufe des Jahres 1987 zum Abschluß bringen und dann nach Österreich zurückkehren, so könne daraus für sie noch kein schutzwürdiges Interesse an der Wohnung abgeleitet werden, weil der Eintritt dieses Ereignisses weder ausreichend konkret sei noch in hinreichend naher Zukunft liege. Selbst wenn der Sohn Matthias M*** allein deshalb die Wohnung bloß sporadisch aufgesucht haben sollte, weil er beruflich als Pharmareferent tätig wäre, so könne daraus nicht sein dringendes Wohnbedürfnis abgeleitet werden. Auch bei einer Abwesenheit aus beruflichen Gründen dürfe es sich nämlich nur um eine vorübergehende Nichtbenützung der Wohnung handeln, nicht aber um eine Verlegung des wirtschaftlichen und familiären Schwerpunktes, ohne daß in absehbarer Zeit mit der Rückkehr zu rechnen wäre. Nach den Feststellungen benütze der Sohn die aufgekündigte Wohnung seit etwa zwei Jahren nur mehr sporadisch und es liege auch nach den Behauptungen der hiefür beweispflichtigen Beklagten nicht der geringste Anhaltspunkt dafür vor, daß er seine Arbeitsstelle als Pharmareferent aufgeben und daher der Wohnung in Innsbruck wieder dringend bedürfen werde.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 1 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Aufhebung der Aufkündigung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger stellt den Antrag, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Dem Einwand, das Urteil des Berufungsgerichtes sei im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nichtig, ist allerdings entgegenzuhalten, daß dieser Nichtigkeitsgrund nur dann vorliegt, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, daß sie sich nicht überprüfen läßt (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1760; EFSlg 47.258 ua.).

Mit ihren Ausführungen vermag aber die Beklagte keineswegs eine derart lückenhafte Begründung des Berufungsgerichtes aufzuzeigen, daß nicht mit Sicherheit überprüft werden könnte, ob dieses die von ihr im Berufungsverfahren als fehlend gerügten Feststellungen getroffen hat oder nicht. Den Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz ist vielmehr mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß es die im Berufungsverfahren urgierten ergänzenden und verdeutlichenden Feststellungen aus rechtlichen Gründen für entbehrlich gehalten hat. Ob dies zutrifft oder nicht, ist aber eine reine Rechtsfrage.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 1 ZPO liegt daher nicht vor.

Zufolge gehörig ausgeführter Rechtsrüge ist das angefochtene Berufungsurteil rechtlich allseitig zu prüfen. Diese Prüfung ergibt aber das Vorliegen von Feststellungsmängeln anderer Art als sie von der Beklagten im Berufungsverfahren geltend gemacht wurden. Diese erfordern bereits jedenfalls eine Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und eine Zurückverweisung der Rechtssache in die erste Instanz:

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß der Kläger mit seiner gerichtlichen Aufkündigung den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 geltend gemacht hat. Auf Grund des von ihm dazu erstatteten Sachvorbringens in der Aufkündigung hat der Kläger aber klargestellt, daß er nur den ersten Fall dieses Kündigungsgrundes, nämlich die gänzliche Weitergabe des Mietgegenstandes ohne Bedarf in naher Zukunft, anziehen will, dem gemäß § 30 Abs 2 Z 4 Satz 2 MRG die teilweise Weitergabe einer Wohnung ohne regelmäßige Benützung des Restes gleichgestellt ist (Würth in Rummel, ABGB Rdz 21 zu § 30 MRG). Von einer Weitergabe auch nur eines Teiles des Mietgegenstandes gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung war im Sachvorbringen der Aufkündigung keine Rede, sodaß dieser zweite Fall des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 4 MRG vom Kläger nicht geltend gemacht worden ist. Sein Versuch, diesen mit Schriftsatz ON 6 (AS 20) später nachzuschieben, scheitert daher an der Eventualmaxime des § 33 Abs 1 MRG, sodaß auf diesen Kündigungsgrund nicht mehr näher einzugehen ist (vgl. zum umgekehrten Fall: MietSlg 32.359/26).

Im übrigen haben beide Vorinstanzen zutreffend erkannt und es wird von der Revisionswerberin auch gar nicht in Zweifel gezogen, daß nach ständiger Rechtsprechung bei Weitergabe einer Wohnung nur der speziellere Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG, nicht aber jener nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG vorliegt (Würth a.a.O. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; MietSlg 37.416; JBl 1987, 447 ua.). Voraussetzung für den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG ist, daß der Mieter die teilweise weitergegebene Wohnung, deren nicht weitergegebene Teile von ihm oder von eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3 MRG) nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendet werden, offenbar in naher Zeit nicht für sich oder die eintrittsberechtigten Personen dringend benötigt. Ein dringendes Wohnbedürfnis des Mieters oder von eintrittsberechtigten Personen ist im Sinne eines schutzwürdigen Interesses zu verstehen und nur dann zu verneinen, wenn allen diesen Personen eine andere ausreichende (angemessene) Unterkunft zur Verfügung steht (Würth a.a.O. Rdz 26 und 33 zu § 30 MRG; MietSlg 37.421). Die Beweispflicht dafür, daß der Mieter das Bestandobjekt in offenbar naher Zeit für sich oder eintrittsberechtigte Personen dringend benötigt, trifft den Mieter (MietSlg 36.407, 37.419 ua.). In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht auch zutreffend darauf verwiesen, daß grundsätzlich für das Vorliegen eines behaupteten Kündigungsgrundes die Verhältnisse im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgebend sind. Doch ist zur Beurteilung des Mangels eines schutzwürdigen Interesses auch die Sachlage heranzuziehen, wie sie sich bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ergeben hat, soferne diese Entwicklung Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Kündigungsgrund schon im Zeitpunkt der Aufkündigung gegeben war (Würth a.a.O. Rdz 5 zu § 33 MRG; MietSlg 31.458; 1 Ob 566/87 ua.). Es wurde aber von den Vorinstanzen übersehen, daß bei der Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Weitergabe des Mietgegenstandes insoferne eine Zukunftsprognose zu erstellen ist, als zu beurteilen ist, ob der Mieter den Mietgegenstand offenbar auch in naher Zukunft nicht für sich oder eine eintrittsberechtigte Person (§ 14 Abs 3 MRG) dringend benötigt. Bei dieser zu erstellenden Zukunftsprognose ist aber nicht auf den Zeitpunkt des Zuganges der Aufkündigung, sondern auf jenen der Weitergabe des Mietgegenstandes abzustellen. Allerdings kann auch hier retrospektiv auf Grund von Umständen, die für das Gericht erst nach Zugang der Aufkündigung abschließend beurteilbar geworden sind, der Schluß auf den schon im Zeitpunkt der Weitergabe bestehenden Bedarf gezogen werden. Die Beurteilung kann aber nicht von Ereignissen abhängen, die auch für den Mieter unvorhersehbar erst nach der Weitergabe des Mietgegenstandes oder gar erst nach der Zustellung der Aufkündigung eingetreten sind (MietSlg 23.381, 36.407, 37.421).

Dieser maßgebliche Zeitpunkt der teilweisen Weitergabe der Wohnung an den Untermieter Rudolf M*** ist den Feststellungen ebensowenig zu entnehmen (es heißt dort nur: "Seit vielen Jahren") wie diese auch eine Antwort darauf vermissen lassen, ob zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt oder schon vorher bzw. erst danach die Beklagte ihren Dienstposten als Realschullehrerin in Überlingen angetreten und daher die nicht weitergegebenen Teile der Wohnung nicht mehr zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendet hat. Soweit die Beklagte aber ein dringendes Wohnbedürfnis ihrer beiden eintrittsberechtigten Kinder behauptet hat, ist in diesem Zusammenhang den Feststellungen gleichfalls nicht zu entnehmen, ob diese im maßgeblichen Zeitpunkt der teilweisen Weitergabe der Wohnung an den Untermieter dort überhaupt mit der Beklagten im gemeinsamen Haushalt gewohnt haben, was aber eine unabdingbare Voraussetzung für ihre Qualifikation als eintrittsberechtigte Person im Rahmen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 4 MRG darstellt (Würth a.a.O. Rdz 27 zu § 30 MRG; MietSlg 21.485, 21.487/49). Sollte dies zu bejahen sein, müßte auch geklärt werden, ob die beiden Kinder mit der Beklagten nach Überlingen übersiedelten oder ob sie damals in der Innsbrucker Wohnung verblieben. Für die zu erstellende Zukunftsprognose wären dann aber auch Feststellungen über den damaligen Ausbildungsstand der beiden Kinder und deren von der Beklagten behauptetes Studium erforderlich. Eine solche Feststellung liegt nur in Bezug auf das derzeitige Studium der Tochter Maria in Konstanz vor, aus welchen Gründen der Sohn Matthias aber die Wohnung etwa seit zwei Jahren nicht mehr regelmäßig zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses verwendet, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Daß diese Abwesenheit berufsbedingt gewesen wäre, hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet. Sie hat daher mit ihrer Rüge in der Berufung nur die (unzulässige) Vornahme von überschießenden Feststellungen begehrt.

Für die zu erstellende Zukunftsprognose wird auch zu berücksichtigen sein, daß eine berufs- oder studienbedingte Abwesenheit der Beklagten bzw. ihrer Kinder nur insoferne eine Ausnahme vom Kündigungsgrund darstellen kann, als es sich dabei um eine vorübergehende Nichtbenützung der Wohnung handelte. Auch eine jahrelange Abwesenheit aus diesen Gründen könnte aber die Aufkündigung nur dann rechtfertigen, wenn kein konkreter Rückkehrtermin feststeht, wobei allerdings auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten nicht Bedacht zu nehmen wäre (Würth a. a.O. Rdz 33 zu § 30 MRG; MietSlg 34.470 ua.). Wenngleich auch auf Grund der bisherigen Feststellungen bereits davon ausgegangen werden kann, daß der Zustand in bezug auf die Beklagte seit Jahren bestanden hat, so kommt es doch für den Fall der berufsbedingten Abwesenheit und die - bezogen auf den Zeitpunkt der Weitergabe der Wohnung - zu erstellende Zukunftsprognose stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an, sodaß auch hier ergänzende Feststellungen unbedingt erforderlich sind. Sollte sich auf Grund der noch zu treffenden Feststellungen die Eintrittsberechtigung der beiden Kinder ergeben, wären überdies auch noch zur verläßlichen Beurteilung ihres dringenden Wohnbedürfnisses in naher Zeit Feststellungen darüber erforderlich, ob ihnen eine andere ausreichende (angemessene) Unterkunft zur Verfügung steht und in bezug auf die Tochter Maria, ob das Ende ihres Studiums konkret in naher Zukunft zu erwarten ist und sie danach in Ermanglung einer anderen ausreichenden Unterkunft in die aufgekündigte Wohnung zurückkehren wird. Diesbezüglich liegt bisher nur die Feststellung vor, daß die von der Beklagten im Oktober 1985 neu angemietete Wohnung in Überlingen von ihr gemeinsam mit ihrem Sohn Matthias zu Wohnzwecken benützt wird. Mit Recht haben die Vorinstanzen dabei erkannt, daß dieser Tatsache bei der zu erstellenden Zukunftsprognose, rückblickend gesehen, eine gewichtige Bedeutung beizumessen sein wird.

Der Revision war daher schon aus allen diesen Gründen im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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