European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00657.840.1129.000
Spruch:
Dem Rekurs wird stattgegeben . Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über die gegen den erstgerichtlichen Beschluss vom 20. Januar 1984, ON 7, erhobenen Rekurse aufgetragen.
Die Kosten des Verfahrens über den Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss sind Kosten des weiteren Rekursverfahrens.
Begründung
Als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Grundstück 1071/6, Wiese, brachte der erste Antragsteller und als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Grundstück 1067/2, Garten, brachten die beiden weiteren Antragsteller gegen den Antragsgegner als den Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG K*****, zu deren Gutsbestand unter anderem das Grundstück 1065/5, Wald, gehört, einen Antrag mit dem ausdrücklichen Begehren
„auf Einräumung eines Notweges, und zwar in der Breite von 3 Metern, dergestalt, dass er sich zum Gehen und Fahren mit Fuhrwerken aller Art eignet“,
ein. In ihrem Antrag beschrieben die Antragsteller die örtliche Lage der von ihnen in Anspruch genommenen Wegeverbindung über das Grundstück des Antragsgegners näher. Dazu brachten sie vor, der Antragsgegner habe einer Voreigentümerin ihrer Grundstücke für sie und ihre Rechtsnachfolger mit dem Dienstbarkeitsvertrag vom 22. April 1975 in Ansehung des Grundstücks 1065/5 das Geh- und Fahrtrecht eingeräumt. Wörtlich führten die Antragsteller aus:
„Wir sind der Meinung, daß aufgrund der vertraglichen Einräumung des Geh‑ und Fahrtrechtes uns eine Benützung des über das Grundstück 1065/5 führenden Weges zusteht.“
Nach ihren weiteren Antragsbehauptungen benützten die Antragsteller auch die von ihnen bezeichnete Wegeverbindung über den Grund des Antragsgegners, ohne welche ihre Grundstücke keine Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz hätten. Der Antragsgegner verweigere nunmehr aber seine Zustimmung zu einer Benützung des über sein Grundstück 1065/5 führenden Wegs durch die Antragsteller und habe auch eine entsprechende Verbotstafel aufgestellt. Aus diesem Grund erachteten die Antragsteller ihre Liegenschaften in Ansehung einer – rechtlichgesicherten – Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz als notleidend. Sie beantragten ausdrücklich
„die gerichtliche Einräumung seines Notweges über die Liegenschaft 1065/5 des Antragsgegners, und zwar nach Maßgabe des Notwegegesetzes“.
Der Antragsgegner machte geltend, der Antrag auf Einräumung eines Notwegs sei unzulässig, weil die Antragsteller selbst die Einräumung einer Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens zugunsten ihrer als notleidend bezeichneten Grundstücke behaupteten, sodass es schon nach den Antragsbehauptungen an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Einräumung eines Notwegs fehle. Er stellte den formellen Antrag, den Antrag auf Einräumung eines Notwegs als nach dem eigenen Vorbringen der Antragsteller „nicht begründet zurückzuweisen oder allenfalls abzuweisen“.
Hierauf ergänzten die Antragsteller ihr Vorbringen, der Antragsgegner behaupte, dass die – grundbücherlich einverleibte – Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts infolge Änderung des herrschenden Grundes nicht mehr wirksam sei. Dazu führten die Antragsteller aus, sie behaupteten nicht, dass ihnen eine Dienstbarkeit zustünde, sie seien lediglich der Meinung, dass dem so sei. Sie motivierten ihren Antrag auf Einräumung eines Notwegs damit, dass sie wegen der voraussichtlich längeren Dauer eines Rechtsstreits über eine Klage nach § 523 ABGB „das zweckmäßige und rasche Außerstreitverfahren gewählt“ hätten.
Das Erstgericht wertete den Antrag nach seinem Begehren als solchen auf rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts nach dem Notwegegesetz. Es erachtete ihn aber wegen der – aufrecht bestehenden – Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens als nicht gerechtfertigt. Es wies den Antrag auf Einräumung eines Notwegs ab und hob die Kosten des Verfahrens gegenseitig auf.
Die Antragsteller erhoben gegen die Abweisung ihres Begehrens mit einem auf Stattgebung ihres Antrags gerichteten Abänderungsantrag Rekurs.
Der Antragsgegner ergriff mit dem Rechtsmittelantrag auf Nichtigerklärung des Verfahrens (wegen eines inzwischen behobenen Vollmachtsmangels) Rekurs; hilfsweise bekämpfte er die Entscheidung im Kostenpunkt.
Das Rekursgericht hob aus Anlass beider Rekurse den angefochtenen erstinstanzlichen Beschluss und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies den Antrag auf Einräumung eines Notwegs zurück.
Es legte dieser Entscheidung zugrunde, die Antragsteller hätten ausdrücklich behauptet, ihnen stünde ein Vertragsanspruch zum Gehen und Fahren über die beanspruchte Wegeverbindung zu, der Antragsgegner handle allerdings seiner – aus der Dienstbarkeitsbestellung erwachsenden Duldungs‑ – Verpflichtung zuwider.
Die Geltung des unbestritten abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrags zugunsten der Antragsteller sei im Rechtsstreit und nicht im Außerstreitverfahren zu klären. Das bisherige Verfahren leide daher an der von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO.
Die Antragsteller fechten den rekursgerichtlichen Nichtigerklärungsbeschluss mit dem Antrag auf dessen ersatzlose Aufhebung an.
Der Antragsgegner strebt die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses, hilfsweise dessen Abänderung im Sinne einer Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung an.
Der Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Beschluss auf Nichtigerklärung des Verfahrens und Antragszurückweisung ist – ohne Einschränkungen – zulässig. Die Anordnung des § 9 Abs 3 NotwegeG bezieht sich auch auf das Rechtsmittelverfahren. Soweit daher das Notwegegesetz selbst keine Sonderregelung trifft, sind auch im Verfahren über einen Antrag nach dem Notwegegesetz die §§ 9 ff AußStrG anzuwenden. § 16 NotwegeG enthält keine abschließende, sondern nur eine ergänzende Regelung des Rechtsmittelverfahrens (vgl hiezu grundsätzlich SZ 33/73 und seither viele andere). Nach den Grundsätzen der §§ 9 ff AußStrG unterliegt die Anfechtung einer rekursgerichtlichen Entscheidung auf Nichtigerklärung des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens und Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags nur den Rechtsmittelbeschränkungen nach § 14 Abs 2 AußStrG, einer dieser Rechtsmittelausschlüsse liegt aber nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist auch berechtigt.
Besteht das verfahrensauslösende Moment in einem Antrag, dann bestimmt dessen Eigenart darüber, in welchem Verfahren zu verhandeln und zu entscheiden ist. Für die Eigenart des Antrags ist die Ableitung des Begehrens aus dem vorgetragenen Sachverhalt und die danach in Anspruch genommene behördliche Tätigkeit bestimmend. Nach dem Punkt III des Antragsvorbringens und der inhaltlich damit übereinstimmenden Formulierung des Antragsbegehrens besteht kein Zweifel, dass die Antragsteller eine rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts auf Neubegründung eines Rechts zur Herstellung einer Wegeverbindung über den Grund des Antragsgegners anstrebten. Für die im gegenwärtigen Verfahrensstand allein zu entscheidende Frage nach der Zulässigkeit des außerstreitigen oder streitigen Rechtswegs gibt ohne Rücksicht auf die sachliche Rechtfertigung (also auch die Schlüssigkeit) das eindeutige – und von den Antragstellern in ihrer Äußerung ON 3 überdies ausdrücklich motivierte – Begehren auf rechtsgestaltende Entscheidung im Sinne des Notwegegesetzes den Ausschlag.
Entgegen der rekursgerichtlichen Auffassung machen die Antragsteller Ansprüche auf Einräumung eines Notwegs geltend. Hierüber ist gemäß § 9 Abs 3 NotwegeG im Verfahren außer Streitsachen zu verhandeln und zu entscheiden. Die vom Rekursgericht angenommene Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens liegt nicht vor.
Der Mangel der urkundlichen Nachweisung der Bevollmächtigung des namens der Antragsteller einschreitenden Rechtsanwalts wurde in der Zwischenzeit behoben.
Der rekursgerichtliche Nichtigerklärungs-beschluss war aufzuheben. Das Rekursgericht wird sich daher einer Erledigung der gegen die Entscheidung erster Instanz erhobenen Rechtsmittel zu unterziehen haben.
Der Kostenausspruch beruht auf § 25 NotwegeG und Analogie zu § 52 ZPO.
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