Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass es einschließlich der rechtskräftigen Teile folgendermaßen zu lauten hat:
„1. Der zwischen den Streitteilen am 11. 12. 2001 geschlossene Abtretungsvertrag ist aufgelöst.
2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 115.950,73 EUR samt 4 % Zinsen aus 61.045,18 EUR seit 12. 12. 2001, aus 18.168,21 EUR seit 3. 5. 2002, aus weiteren 18.168,21 EUR seit 2. 6. 2002, aus 11.069,13 EUR seit 11. 1. 2003, aus 1.500 EUR seit 1. 4. 2002, aus 2.500 EUR seit 1. 7. 2003 und aus 3.500 EUR seit 15. 10. 2003 sowie die mit 37.247 EUR (darin 3.729,45 EUR USt und 14.870,30 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen zu zahlen.
3. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 54.020,58 EUR samt 4 % Zinsen aus 3.564,06 EUR seit 12. 2. 2001, aus 25.435,49 EUR seit 3. 1. 2002, aus 18.765,76 EUR seit 4. 7. 2002 und aus 6.255,26 EUR seit 6. 6. 2002 zu zahlen, wird abgewiesen.
4. Das Klagebegehren festzustellen, der vollstreckbare Notariatsakt vom 11. 12. 2001 des öffentlichen Notars Dr. Günther Brunhölzl sei durch Aufrechnung erloschen, wird abgewiesen.
5. Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen jeweils die anteilig bestimmten Barauslagen wie folgt zu ersetzen:
• der beklagten Partei 1.557,58 EUR;
• dem Erstnebenintervenienten 5.154,38 EUR;
• der Zweitnebenintervenientin 1.650,69 EUR.
6. Die klagende Partei ist darüber hinaus verpflichtet, 32 % der der beklagten Partei im Rahmen der Verfahrenshilfe vorgeschossenen Barauslagen des erstinstanzlichen Verfahrens dem Bund zu ersetzen.
7. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.376,62 EUR bestimmten anteiligen Kosten der Berufungsbeantwortung (darin enthalten 229,43 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die klagende Partei ist darüber hinaus verpflichtet, 18 % der der beklagten Partei im Rahmen der Verfahrenshilfe vorgeschossenen Pauschalgebühr des zweitinstanzlichen Verfahrens dem Bund zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.176,60 EUR (darin enthalten 362,77 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war bis 1. 1. 2002 Alleingesellschafter der P***** Handelsgesellschaft m.b.H. (in der Folge als Gesellschaft bezeichnet). Diesen Geschäftsanteil kaufte die Klägerin mit Abtretungsvertrag in Form eines Notariatsakts vom 11. 12. 2001 um 2.400.000 ATS (174.414,80 EUR) zum Stichtag 2. 1. 2001. Die Gesellschaft wurde am 11. 9. 2007 von Amts wegen gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.
Der Geschäftsanteil an der Gesellschaft hatte am 2. 1. 2002 unter Berücksichtigung der Vertragsbedingungen über die Ermittlung von Gewinnen und Verlusten im Jahr 2001 einen Wert von 660.000 ATS (47.964,07 EUR).
Insgesamt leistete die Klägerin an den Beklagten folgende Zahlungen:
Am 4. 10. 2001 21.801,85 EUR, am 11. 12. 2001 87.207,40 EUR, am 2. 5. und 1. 6. 2002 je 18.168,21 EUR, am 10. 1. 2003 11.069,13 EUR, am 31. 3. 2002 1.500 EUR, am 30. 6. 2003 2.500 EUR, am 14. 10. 2003 3.500 EUR.
Die von den Vertragsparteien mit 400.000 ATS bewerteten, aus dem Vermögen der Gesellschaft stammenden Leistungen hat der Beklagte erhalten.
Selbst unter den vom Beklagten vorgegebenen Prämissen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung der Gesellschaft wäre deren Liquidation nicht zu vermeiden gewesen.
Die Klägerin begehrte „primär wegen laesio enormis gemäß § 934 ABGB“ die Auflösung des Abtretungsvertrags, die Klägerin habe gegen Zahlung von 169.971,31 EUR durch den Beklagten das Unternehmen zurückzugeben. Alternativ könne sich der Beklagte durch Zahlung dieses Betrags samt gestaffelten Zinsen von der Rückabwicklungsverpflichtung befreien. In eventu stellte sie ein im Zahlungsteil gleichlautendes Leistungsbegehren. Weiters beantragte sie die Feststellung, der vollstreckbare Notariatsakt vom 11. 12. 2001 sei durch Aufrechnung erloschen. Sie brachte ‑ soweit im Revisionsverfahren noch bedeutsam ‑ vor, der Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe bezogen auf den Übergabezeitpunkt weniger als die Hälfte des Kaufpreises betragen. Ihr sei eine Liquidationsleiche übergeben worden, an deren Fortführung selbst der beste Unternehmer gescheitert wäre.
Der Beklagte wendete ‑ soweit im Revisionsverfahren noch relevant ‑ ein, die Übergabe des Kundenstocks unter Berücksichtigung des Anlage‑ und Umlaufvermögens sowie der Verbindlichkeiten rechtfertige den vereinbarten Kaufpreis. Das Verschulden an der Löschung der Gesellschaft treffe die Klägerin.
Das Erstgericht sprach aus, der Abtretungsvertrag sei aufgelöst. Es verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 140.971,75 EUR samt Staffelzinsen aus einem Gesamtbetrag von 115.950,73 EUR. Das Zahlungsmehrbegehren von 28.999,56 EUR samt Staffelzinsen aus einem Gesamtbetrag von 53.970,57 EUR und das Feststellungsbegehren wies es ab. Es traf ua die oben wiedergegebenen Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht bejahte es die Voraussetzungen für die geltend gemachte laesio enormis gemäß § 934 ABGB. Der Kaufgegenstand (Geschäftsanteil) sei untergegangen. Der zufällige Untergang der Sache treffe denjenigen, der sie zurückzuerhalten habe, ohne die Rückzahlungsverpflichtung der Gegenleistung zu beeinflussen (Zwei‑Kondiktionen‑Theorie). Dies gelte nicht, wenn die Sache aus Verschulden oder in Ingerenz eines der Vertragspartner untergegangen sei. Da selbst unter den vom Beklagten vorgegebenen Prämissen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung der Gesellschaft deren Liquidation nicht zu vermeiden gewesen wäre, habe die Klägerin Anspruch auf Rückerstattung des bezahlten Kaufpreises, obwohl sie den Geschäftsanteil nicht zurückstellen könne. Der Kaufpreis errechne sich (unter Berücksichtigung verschiedener hier nicht mehr wiedergegebener tatsächlicher Umstände) mit 188.935,82 EUR. Abzüglich des festgestellten Werts des von ihr übernommenen Geschäftsanteils von 47.964,07 EUR ergebe sich daher ein Ersatzanspruch der Klägerin in Höhe des ihr zugesprochenen Betrags.
Das nur vom Beklagten und von den beiden Nebenintervenienten auf Beklagtenseite angerufene Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts insoweit ab, als es dem Zahlungsbegehren mit 115.950,73 EUR samt Staffelzinsen aus insgesamt 140.962,75 EUR stattgab und das Mehrbegehren von 54.020,58 EUR samt Staffelzinsen aus insgesamt 28.999,55 EUR abwies. Es billigte im Wesentlichen die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts, meinte aber, das Erstgericht habe bei der Berechnung des Rückersatzanspruchs der Klägerin den Bilanzgewinn für das Jahr 2001 in Höhe von 25.021,02 EUR zu Unrecht doppelt zugunsten der Klägerin angerechnet. Um diesen Betrag sei daher der Zuspruch an die Klägerin zu vermindern.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig, weil dem Berufungsgericht eine Nichtigkeit unterlaufen ist; die Revision ist teilweise berechtigt.
1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beklagte, dass das Berufungsgericht Zinsen aus einem Gesamtbetrag von 140.971,75 EUR zugesprochen habe, während das zugesprochene Kapital nur 115.950,73 EUR betrage.
Wie aus dem wiedergegebenen Verfahrensverlauf ersichtlich ist, hat das Berufungsgericht beim Gesamtbetrag, aus dem jeweils 4 % Zinsen zu zahlen sind, der Klägerin mehr zugesprochen als das Erstgericht, wodurch sich der abgewiesene Gesamtbetrag, aus dem Zinsen zu zahlen seien, im berufungsgerichtlichen Urteil entsprechend verminderte.
Da die Klägerin das Urteil des Erstgerichts nicht bekämpfte, ist dessen abweisender Teil rechtskräftig geworden. Mit dem gegenüber dem Ersturteil höheren Zinsenzuspruch hat das Berufungsgericht daher in die Teilrechtskraft des Urteils des Erstgerichts eingegriffen. Dies begründet insoweit die Nichtigkeit des berufungsgerichtlichen Urteils (RIS‑Justiz RS0107779). Diese war vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen; dementsprechend war der Zinsenzuspruch spruchgemäß zu korrigieren.
2. Die übrigen gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor, was keiner Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
3. Der Revisionswerber sieht eine erhebliche Rechtsfrage darin, dass zur Frage, ob bei der Rückabwicklung eines synallagmatischen Schuldverhältnisses bei zwischenzeitigem Untergang der zurückzugebenden Sache (hier: Geschäftsanteil) die Zwei‑Kondiktionen‑Theorie oder die Saldo-Theorie gelte, keine einheitliche Rechtsprechung vorliege.
Nach der Zwei‑Kondiktionen‑Theorie sind die beiden Ansprüche voneinander unabhängig zu beurteilen, sodass der Sachempfänger das von ihm als Entgelt Geleistete zurückfordern kann, obwohl er selbst für die Sache keinen Wertersatz leisten muss. Nach der Saldo‑Theorie kann der Empfänger der untergegangenen Sache nur jenen Betrag des Entgelts zurückfordern, der den Wert der Sache übersteigt (bzw die andere Partei kann für die Sache Wertersatz verlangen), weil die Leistungen auch im Rückabwicklungsstadium ein Synallagma bilden und der zufällige Untergang überdies in die Käufersphäre fällt (Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 1437 Rz 10 mwN; vgl auch Wendehorst, Leistungskondiktion und Rückabwicklung von Verträgen, in FS Koziol [2010] 425 [450 ff]).
Ob zu dieser Frage eine einheitliche Rechtsprechung vorliegt und, falls nicht, welcher Theorie zu folgen ist, ist hier nicht entscheidungserheblich. Schon das Erstgericht hat nämlich bei seiner Berechnung des der Klägerin zustehenden Betrags den Wert des übernommenen Geschäftsanteils abgezogen. Auch unter Zugrundelegung der (für die Klägerin ungünstigeren) Saldo‑Theorie ergibt sich somit nicht weniger als der Zuspruch durch das Berufungsgericht.
4. Der Revisionswerber meint weiters, es fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob sich der wahre Wert eines Unternehmens überhaupt ermitteln lasse. Dies sei zu verneinen, weshalb die Anwendung der laesio enormis nach § 935 ABGB ausgeschlossen sei.
Mag auch die Bewertung von Unternehmen verschiedene Tat‑ und Rechtsfragen aufwerfen, so ist doch in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung gesichert, dass Unternehmen einer Bewertung zugänglich sind (RIS‑Justiz RS0121194; RS0010086; RS0010087; RS0004233; RS0010043). Daraus folgend wird auch ständig judiziert, dass der Geschäftsanteil einer GmbH bewertet werden kann (RIS‑Justiz RS0010087; 1 Ob 67/03i).
5. Die übrigen Ausführungen der Rechtsrüge gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und sind daher unbeachtlich.
6.1. Zur Kostenentscheidung des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens werden die Parteien auf die Begründung des berufungsgerichtlichen Urteils verwiesen.
6.2. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren gründet auf den § 43 Abs 2, § 50 ZPO. Der Beklagte war nur ganz geringfügig im Zinsenbegehren mit seiner Revision erfolgreich. Die Bemessungsgrundlage beträgt 115.950,73 EUR. Der Streitgenossenzuschlag steht nicht zu, weil sich die Nebenintervenienten am Revisionsverfahren nicht beteiligt haben.
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