OGH 6Ob626/94(6Ob627/94)

OGH6Ob626/94(6Ob627/94)20.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Elfriede D*****, und 2. Edda D*****, beide vertreten durch Dr.Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Gerhard N*****, vertreten durch Dr.Gabriela Auer-Welsbach, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen Auftrages zur Übergabe eines Bestandgegenstandes, welchem Rechtsstreit a) Theobald M*****, b) Verena M*****, und c) Mario M***** vertreten durch Dr.Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, als Nebenintervenienten auf der Seite der klagenden Parteien beigetreten sind, infolge Revisionsrekurses des Beklagten gegen den zu dem in das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 25.März 1994, GZ 14 C 560/93-6, aufgenommenen Beschluß über die Zurückweisung einer Klagsänderungserklärung ergangenen, in die Ausfertigung des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8.Juli 1994, AZ 1 R 174,176/94(ON 14), aufgenommenen rekursgerichtlichen Beschluß sowie infolge Rekurses gegen den zum Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 25.März 1994, GZ 14 C 560/93-6, ergangenen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8.Juli 1994, AZ 1 R 174, 176/94(ON 14), Punkt 2), den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs gegen die in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ausgesprochene Zulassung der Klagsänderung wird nicht stattgegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind Kosten des fortzusetzenden Verfahrens.

Der Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der beklagte Gastwirt hatte mit einem Anfang November 1986 geschlossenen Vertrag von den beiden Klägerinnen als den Liegenschaftseigentümerinnen eine rund 4.900 m2 große Grundfläche mit den darauf befindlichen Baulichkeiten und dem in diesen geführten Beherbergungsbetrieb für die Zeit ab 15.November 1986 auf unbestimmte Zeit gepachtet; dabei war eine "jederzeitige" Kündigung am 30.Juni zum Ende des jeweils laufenden Kalenderjahres vereinbart, wobei die Verpächterinnen aber für zwei Jahre auf ihr Kündigungsrecht verzichteten, so daß eine Bestandgeberkündigung frühestens zum Ende des Jahres 1988 zulässig sein sollte.

Die Verpächter kündigten dem Pächter mit Schreiben vom 8.Februar 1993 das Pachtverhältnis zum Jahresende 1993 auf. Der Pächter behauptete demgegenüber eine einvernehmliche Verlängerung der Kündigungsverzichtsfrist von zwei auf acht Jahre, so daß eine Bestandgeberkündigung frühestens zum Ende des Jahres 1996 zulässig wäre. Die Verpächter bestritten eine wirksame Einigung auf die vom Pächter behauptete Verlängerung der Kündigungsverzichtsfrist.

Am 5.August 1993 brachten die Verpächterinnen einen Antrag auf Erlassung eines gerichtlichen Auftrages an den Pächter zur Übergabe der Liegenschaft samt darauf geführten Beherbergungsbetrieb zum 31. Dezember 1993 ein. Der antragsgemäß erlassene Auftrag wurde dem Pächter am 30.August 1993 zugestellt. Er erhob rechtzeitig Einwendungen.

In der hierauf für 14.Oktober 1993 anberaumten Tagsatzung trat gemäß § 170 ZPO Ruhen des Verfahrens ein. Aufgrund eines am 17.Januar 1994 von den Klägerinnen gestellten Antrages auf Fortsetzung des ruhenden Verfahrens ordnete das Gericht eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 2.März 1994 an.

In dieser Tagsatzung erklärten die Klägerinnen, ihr mit dem Antrag auf Erlassung eines Übergabsauftrages gestelltes Klagebegehren in ein (schlichtes) Räumungsbegehren zu ändern.

Der Beklagte sprach sich ausdrücklich gegen diese Klagsänderung aus.

Das Prozeßgericht erster Instanz schloß daraufhin seine Verhandlung, faßte einen Beschluß auf Zurückweisung der Klagsänderungserklärung und fällte ein den Übergabsauftrag als rechtsunwirksam erklärendes und das Räumungsbegehren abweisendes Urteil. Die Ausfertigung der Beschlußentscheidung nahm es in die Urteilsausfertigung auf.

Das Prozeßgericht erster Instanz fand die Voraussetzungen für die Erlassung eines Übergabsauftrages nach § 567 Abs 1 ZPO als nicht erfüllt, weil ein unbefristetes Bestandverhältnis vorliege; andererseits erachtete es die Änderung des im Antrag auf Erlassung eines Übergabsauftrages enthaltenen Begehrens in ein (schlichtes) Räumungsbegehren als unzulässig, hilfsweise im Sinne des § 235 Abs 3 ZPO als nicht zulaßbar, weil die über die Einwendungen gegen den Übergabsauftrag abzuführende Verhandlung zufolge Unschlüssigkeit des Übergabsauftrages im Falle der Zulassung einer Klagsänderung erheblich verzögert würde.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs gegen die Zurückweisung der Klagsänderungserklärung statt und ließ die Klagsänderung zu. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt sowie daß eine Rechtsmittelvoraussetzung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO vorliege. In Stattgebung der Berufung faßte das Berufungsgericht einen Aufhebungsbeschluß im Sinn des § 496 Abs 1 ZPO. Dazu erklärte es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Der Beklagte ficht die abändernde Rekursentscheidung über die Zulässigkeit der Klagsänderung wegen unrichtiger Lösung einer erheblichen Verfahrensrechtsfrage mit einem auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung zielenden Abänderungsantrag und ebenso den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß mit einem auf Wiederherstellung des klagsabweislichen erstinstanzlichen Urteiles anstrebenden Abänderungsantrag an.

Die Klägerin erstattete zum Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß eine Rekursbeantwortung, in der sie auch die Rekursentscheidung über die Zulässigkeit der Klagsänderung als den Verfahrensgesetzen gemäß und der Verfahrenslage entsprechend darzustellen unternahm.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs gegen die zweitinstanzliche Abänderung der über die Erklärung der Klagsänderung getroffenen Entscheidung ist im Hinblick auf die in der angefochtenen Entscheidung dargestellte Rechtsprechung zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Rekurs gegen den als Folge der Zulassung der Klagsänderung gefaßten berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß ist mangels der Voraussetzungen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Das von den Streitteilen über einen Beherbergungsbetrieb samt Betriebsliegenschaft auf unbestimmte Zeit geschlossene Bestandverhältnis bedarf zu seiner Aufhebung einer Parteienerklärung, mangels Parteieneinigung einer Aufkündigung. Diese kann gerichtlich im Sinne des § 562 ZPO oder - außerhalb des Anwendungsbereiches des § 33 Abs 1 MRG und ähnlicher Sonderbestimmungen - auch außergerichtlich erklärt werden. § 567 Abs 4 ZPO eröffnet aber die Möglichkeit, die - rechtsgeschäftliche - Kündigungserklärung mit der klageweisen Geltendmachung des aus der Kündigung abgeleiteten Räumungsanspruchs zu verbinden. Der wesentliche Inhalt dieser Regelung liegt in der Ausnahme vom Grundsatz des § 406 ZPO, weil der Räumungsanspruch im Entscheidungszeitpunkt noch nicht fällig sein muß und zu einer künftigen Leistung verurteilt werden darf (vgl JBl 1974, 531 = MietSlg 2656). Diese Gemeinsamkeit der sogenannten Kündigungsklage mit einem Rechtsschutzbegehren im Sinne des § 567 Abs 1 ZPO erklärt die systematische Einordnung der Regelung über die Kündigungsklage als Abs 4 des § 567 ZPO (ohne daß aber über eine solche Klage nach den besonderen Vorschriften über das Verfahren in Streitigkeiten aus Bestandverträgen zu verhandeln wäre). Im Fall einer außergerichtlich erklärten Aufkündigung kann nur die Frage auftreten, ob das aus einer solchen Aufkündigung abgeleitete Räumungsbegehren ebenfalls schon vor Ablauf der Kündigungsfrist mittels Klage geltend gemacht werden könne, woran kein Zweifel bestehen sollte und was derart formuliert wurde, daß die Kündigungsklage nach § 567 Abs 4 ZPO auch auf eine bereits vor Klagserhebung außergerichtliche Aufkündigung gestützt werden könne.

Soweit von der Verfahrenseinleitung abgesehen nach dem 3.Abschnitt des 6.Teiles der Zivilprozeßordnung (§§ 560 ff) für das erstinstanzliche Verfahren Regelungen getroffen werden, bedeuten sie praktisch keine Abweichung vom gewöhnlichen bezirksgerichtlichen Verfahren mehr. Der Umstand, daß die Zivilprozeßordnung das Verfahren bei Streitigkeiten aus dem Bestandvertrag (über die in § 560 ZPO genannten Gegenstände) als "besondere Verfahrensart" bezeichnet, ändert nichts daran, daß für das erstinstanzliche Erkenntnisverfahren (nach der Erhebung von Einwendungen) praktisch keine Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen bezirksgerichtlichen Verfahren bestehen.

Deshalb ist der in der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl EvBl 1989/182) vertretenen Auslegung des § 235 ZPO zu folgen, daß die Unterworfenheit eines Rechtsschutzbegehrens unter die Regelungen über eine besondere Verfahrensart nach dem 6.Teil der Zivilprozeßordnung einer Änderung in ein Klagebegehren, nach dem das Verfahren nicht den besonderen Verfahrensvorschriften unterliege, die Zulässigkeit der Klagsänderung nicht grundsätzlich ausschließt (isS schon JBl 1935, 500 sowie dieser Entscheidung folgend Fasching Komm III, 108 Vor § 235 ZPO und in ZPR2 Rz 1232; wenn auch nach den damals in Geltung gestandenen Regelungen über das Bagatellverfahren § 453 ZPO ausdrücklich anordnete, daß nach Ausdehnung oder Einschränkung des Klagebegehrens über oder unter die sogenannte Bagatellgrenze das Verfahren nach den besonderen Vorschriften über das Bagatellverfahren oder nicht mehr nach diesen weiterzuführen sei und eine vergleichbare ausdrückliche Anordnung für eine Klagsänderung wie im hier zu beurteilenden Fall fehlt).

Die ältere gegenteilige Rechtsprechung (SZ 21/80; JBl 1956, 474 = MietSlg 5259/30) überging die in der späteren Rechtsprechung (EvBl 1955/70) und Lehre (Fasching Komm III, 144 und in ZPR2 Rz 1255/E) anerkannte Ansicht zum Verfügungsrecht des als Kläger geltenden Kündigenden über den Rechtsschutzanspruch durch Klagsrücknahme einerseits und die Entscheidungspflicht des Gerichtes über das auch im Fall einer gerichtlichen Aufkündigung erhobene Räumungsbegehren (ohne jede über den Umstand hinausgehende Bindung, daß dem Antrag auf Beschlußfassung über die gerichtliche Aufkündigung stattgegeben wurde, also vor allem ohne Bindung über die Berechtigung des Räumungsbegehrens) andererseits.

Die Zulässigkeit der Klagsänderung hängt daher ausschließlich von einer Beurteilung im Sinne des § 235 Abs 3 ZPO ab. Das dazu geübte Ermessen des Rekursgerichtes verstößt weder gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze noch gegen den Sinn der gesetzlichen Anordnung; vor allem hindert auch eine vom Gericht angenommene Spruchreife über das ursprüngliche Begehren nicht grundsätzlich die Zulassung einer Klagsänderung, die aus prozeßökonomischen Gründen tunlichst zuzulassen ist.

Dem Revisionsrekurs gegen den in den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß aufgenommenen Beschluß auf Zulassung der Klagsänderung war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

Bei der durch Zulassung der Klagsänderung gegebenen Verfahrenslage ist aber die Aufhebung des über das ursprüngliche Klagebegehren gefällten Urteiles eine denknotwendige Folge. Eine nach § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Frage des Verfahrensrechtes ist dabei nicht zu lösen. Es fehlt deshalb an einer Zulässigkeitsvoraussetzung für den Rekurs an den Obersten Gerichtshof. Der gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs war deshalb zurückzuweisen.

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