Spruch:
Die Übergabe einer Sache mit der widerruflichen Abrede, der Empfänger solle beim Tode des Übergebers Eigentümer der Sache werden (Übergabe auf den Todesfall) ist ohne Einhaltung der Formvorschriften für letztwillige Verfügungen unwirksam
OGH 19. 5. 1983, 6 Ob 625/82 (OLG Wien 11 R 18, 19/82; LGZ Wien 16 Cg 100/80)
Text
Die Klägerin stellte zuletzt das Hauptbegehren, die sieben Beklagten schuldig zu erkennen, ihr je einen Betrag von 52 407.96 S sA zu bezahlen. Daneben hielt sie ihre ursprünglichen Begehren auf Zahlung von 247 374.44 S und Herausgabe des Sparbuches Nr. 6072-00-17742 bzw. auf Anweisung an den öffentlichen Notar Dr. Heinrich K, ihr diese Werte auszufolgen, als Eventualbegehren aufrecht. Zur Begründung führte sie aus, die erwähnten Werte seien nicht Bestandteil des Nachlasses, sondern als Schenkung auf den Todesfall, allenfalls als ein im voraus erfülltes Vermächtnis zugunsten der Klägerin anzusehen.
Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens, weil eine Verfügung zugunsten der Klägerin wegen Formmangels ungültig sei.
Das Erstgericht wies das Haupt- sowie die Eventualbegehren der Klägerin ab. Es ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus: Die Klägerin unterhielt seit dem Jahre 1976 eine Lebensgemeinschaft mit Josef M. Dieser starb am 31. 1. 1979. Sein Nachlaß wurde den Beklagten auf Grund des Gesetzes zu je einem Siebentel eingeantwortet. Im Sommer 1976 hatten die Klägerin und Josef M gemeinsam ein Safe bei der Creditanstalt-Bankverein gemietet, zu dem sie beide zutrittsberechtigt waren. Josef M hatte in diesem Safe zwei auf Überbringer lautende Sparbücher deponiert. Während er seit 3. 12. 1978 in Spitalspflege war, forderte er die Klägerin auf, die beiden Sparbücher aus dem Safe zu holen und ihm ins Spital zu bringen. Dort gab er der Klägerin die beiden Sparbücher mit der Erklärung zurück, wenn ihm etwas passiere, könne sie diese Sparbücher behalten. Am 1. 2. 1979 legte die Klägerin ein Sparbuch - und zwar das mit dem geringeren Betrag - wieder in das Safe. Das zweite Sparbuch löste sie auf und behielt das Realisat bei sich. Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung nach Josef M übergab sie dem Gerichtskommissär dieses Realisat in der Höhe von 247 374.74 S in bar, nachdem dieser sie belehrt hatte, daß die Erklärung des Verstorbenen nicht gültig sei, wenn man sie als letztwillige Verfügung auffasse. Am 3. 4. 1979 eröffnete der Gerichtskommissär im Beisein der Klägerin das Safe und entnahm diesem das dort hinterlegte Sparbuch, welches ebenso wie das Realisat des anderen Sparbuches in die Verlassenschaft einbezogen wurden. Bei dieser Gelegenheit erklärte die Klägerin dem Notar, Josef M habe ihr die Sparbücher bzw. das Geld nicht geschenkt, sondern ihr erklärt, daß ihr diese Sparbücher gehören, sobald er verstirbt. Mit Beschluß des BG Innere Stadt Wien vom 24. 3. 1980 wurde der nunmehrige Beklagtenvertreter als Erbenmachthaber ermächtigt, über das restliche Depot in der Verwahrung des Gerichtskommissärs und über das Sparbuch Nr. 6072-00-17742 bei der Creditanstalt-Bankverein (das ist das Sparbuch mit dem Guthaben zum Todestag des Erblassers in der Höhe von 119 481.29 S) zu verfügen. Die Klägerin wurde mit ihren Ansprüchen auf den Rechtsweg verwiesen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die von der Klägerin behauptete Schenkung auf den Todesfall wäre nur unter Beachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als Vermächtnis gültig. Mangels Einhaltung der geforderten Form sei die Klägerin nicht als Vermächtnisnehmerin anzusehen.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin Folge und erkannte die Beklagten schuldig, der Klägerin je einen Betrag von 52 407.96 S samt 4% Zinsen seit 29. 6. 1979 binnen 14 Tagen zu bezahlen. Eine Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tode des Schenkenden erfolgen solle, sei gemäß § 956 Satz 1 ABGB mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten als ein Vermächtnis gültig. Nach Satz 2 dieser Gesetzesstelle sei sie nur dann als Vertrag anzusehen, wenn der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich der Befugnis, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben habe und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändigt worden sei. Die vertragliche Schenkung auf den Todesfall werde nach herrschender Lehre als schon bei Lebzeiten des Schenkenden zustande gekommen angesehen und habe daher die Wirkung einer Schenkung unter Lebenden. Die Wirkung der Schenkung auf den Todesfall sei, daß die Schenkung mit dem Tode des Schenkers fällig werde, also der Beschenkte durch den Vertrag den Anspruch erlange und nur die Erfüllung bis zum Tode des Schenkers aufgeschoben sei. Es handle sich um eine betagte, nicht um eine bedingte Schenkung. Die Gültigkeit der vorliegenden Verfügung als Vermächtnis scheitere an der Nichtbeachtung der für eine letztwillige Verfügung vorgeschriebenen Form. Zu einer vertraglichen Schenkung auf den Todesfall fehlten der Verfügung der ausdrückliche Verzicht auf den Widerruf und die Form des Notariatsaktes. Von einem Teil der Lehre und Rechtsprechung (Ehrenzweig, Die Schenkung auf den Todesfall in ABGB-FS II 680 ff.; Stanzl in Klang[2] IV/1, 633; 2 Ob 136/56; EvBl. 1965/126) werde die vom Gesetz übersehene Übergabe auf den Todesfall, bei der unter Lebenden eine Sache mit der Bestimmung überlassen werde, sie brauche nach dem Tode des Übergebers nicht zurückgegeben werden, zwar als formungültiges, aber vorweg vollzogenes Vermächtnis angesehen, bei dem der Formmangel durch die tatsächliche Erfüllung geheilt werde. Dieses Vermächtnis verschaffe dem Empfänger bei Lebzeiten des Übergebers regelmäßig nur die Rechtsstellung eines Verwahrers. Sei aber die Zuwendung nicht widerrufen worden und finde sich die übergebene Sache zur Zeit des Erbfalles noch in der Gewahrsame des Empfängers, so erlösche die Verpflichtung aus dem Verwahrungsvertrag und der Empfänger werde Eigentümer. Er habe nun die Rechtsstellung eines Vermächtnisnehmers, dem sein Vermächtnis bereits ausgefolgt sei. Wegen des Formmangels könne nicht mehr zurückgefordert werden (§ 1432 ABGB), die Verlassenschaft und die Erben müßten gemäß § 547 ABGB die vorgreifende Erfüllungshandlung des Erblassers gegen sich gelten lassen. Dies gelte auch für die Abtretung von Todes wegen, wenn die Forderung dem Beschenkten wirklich, vor allem durch Zeichen, übergeben worden sei. An der erwähnten Lehre und Rechtsprechung sei allerdings in jüngster Zeit, soweit sie den formlosen Auftrag auf den Todesfall im wesentlichen ähnlich behandle, Kritik geübt (Apathy, Der Auftrag auf den Todesfall in JBl. 1976, 393 ff.) und dabei auch die Lehre von der Übergabe auf den Todesfall in Zweifel gezogen worden (Koziol - Welser[5] II 303 f.). Die dabei ins Treffen geführten Argumente, der Verpflichtete aus dem Vermächtnis sei der Erbe und nicht der Erblasser, der Formmangel nach § 1432 ABGB werde aber nur geheilt, wenn der Verpflichtete die formungültige Schuld erfülle, mit der Anerkennung des vorweg erfüllten Vermächtnisses würden zwingende Formvorschriften umgangen und damit die Sicherung des Beweises des letzten Willens vereitelt, sei inzwischen von der Rechtsprechung als nicht offenbar gesetzwidrig angesehen und im Falle eines Auftrages auf den Todesfall in weitgehender Anlehnung an die Ausführungen Apathys übernommen worden (EvBl. 1981/109). Apathy habe aber keine Bedenken, die Übergabe mit der Abrede, der Empfänger solle beim Tode des Schenkers Eigentümer der Sache werden, als eine infolge der wirklichen Übergabe wirksame Schenkung unter Lebenden gelten zu lassen. Bei dieser Auffassung fiele auch die Einwendung von Koziol - Welser, daß der Formmangel nach § 1432 ABGB nur geheilt werde, wenn der Verpflichtete selbst die formungültige Schuld erfülle, weg. Aus dem Schenkungsvertrag unter Lebenden sei zunächst der Schenker verpflichtet. Wenn er die Erfüllungshandlung vorweggenommen habe, müsse der Erbe dies gegen sich gelten lassen. Nach dem Tode des Schenkers wäre aber in diesem Falle nichts mehr zu erfüllen, auch wenn die sachenrechtliche Wirkung der Erfüllung erst im Moment des Todes eintrete. Apathy habe jedoch nicht die Frage erörtert, ob der Übergeber an den von ihm angenommenen Schenkungsvertrag unter Lebenden gebunden sei oder ihn frei widerrufen könne. Die Lösung dieser Frage sei jedoch entscheidend dafür, ob überhaupt von einem Schenkungsvertrag gesprochen werden könne. Die in solchen Fällen in der Regel gebrauchte Wendung, der Empfänger könne die Sache nach dem Tode des Übergebers behalten, sie solle nach seinem Tode ihm gehören oder dergleichen spreche dagegen, daß sich der Übergeber zu Lebzeiten habe binden wollen, sondern vielmehr dafür, er habe sich die jederzeitige Rückforderung der übergebenen Sache vorbehalten wollen. Wollte man die Konstruktion Apathys als Handschenkung unter Lebenden aufrechterhalten, dann könnte es sich nur um eine aufschiebend bedingte Schenkung handeln, die vom Schenker vor Eintritt der Bedingung durch Übergabe der geschenkten Sache erfüllt worden sei. Zu Lebzeiten könnte dann der Schenker die Sache gemäß § 1434 ABGB jederzeit zurückfordern. Würde er davon keinen Gebrauch machen, dann träte mit seinem Tode die aufschiebende Bedingung ein und die vorweggenommene Erfüllung würde ihre Wirkungen äußern. Das Eigentumsrecht ginge ipso jure auf den Beschenkten über. Dem Berufungsgericht erscheine diese Konstruktion nicht als tragfähig. Der Übergeber wolle sich mehr vorbehalten als die bloße Rückforderung des Besitzes. Insbesondere bei Geldbeträgen, bei denen es sich zumeist um Ersparnisse für den Notfall handle, wolle sich der Übergeber in der Regel auch den Verbrauch vorbehalten, womit er aber bei Annahme eines bedingten Schenkungsvertrages gegen die ihm daraus erwachsene Verpflichtung verstieße. Der der Übergabe auf den Todesfall mit einer der oben erwähnten Redewendungen innewohnende Vorbehalt der anderweitigen Verfügung über die Sache zu Lebzeiten schließe die Annahme eines Schenkungsvertrages aus. Auch im vorliegenden Fall müsse davon ausgegangen werden, daß sich Josef M die freie Verfügung über die beiden Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten habe. Daß der Klägerin dies auch bewußt gewesen sei, gehe aus ihrer Erklärung gegenüber dem Gerichtskommissär hervor, der Verstorbene habe ihr die Sparbücher nicht geschenkt, sondern ihr erklärt, daß die Sparbücher ihr gehörten, sobald er sterbe. Eine übereinstimmende Absicht, einen sofort bindenden Schenkungsvertrag mit wirklicher Übergabe abzuschließen, könne daher nicht angenommen werden. Die vorliegende Verfügung stellte daher keine Schenkung mit wirklicher Übergabe dar. Das Berufungsgericht vermöge aber die Bedenken von Koziol - Welser gegen die Lehre von der Übergabe auf den Todesfall als vorweg erfülltes Vermächtnis nicht zu teilen. Die Anerkennung einer derartigen Rechtsfigur entspreche zweifellos einem bestehenden Bedürfnis und erscheine im Hinblick auf den Zweck gegebener Formvorschriften jedenfalls dann unbedenklich, wenn der Wille des Erblassers und die wirkliche Übergabe außer Zweifel stunden. Es sei auch kein Grund einzusehen, warum nicht die Erfüllungshandlung des Erblassers selbst gemäß § 547 ABGB der Erfüllungshandlung des Erben gleichstehen sollte, zumal eine Erfüllungshandlung des Erben im Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben sei, da das Vermächtnis gemäß § 684 ABGB sofort mit dem Tode des Erblassers anfalle, und, wenn es in einzelnen Stücken oder sich darauf beziehenden Rechten bestehe, gemäß § 685 ABGB auch in diesem Moment fällig werde. Die im Zeitpunkt des Todes mangels Widerrufes noch wirksame Erfüllungshandlung des Erblassers müsse daher auch den Erben binden, sodaß von einer Verschiedenheit zwischen Schuldner und Erfüllendem nicht gesprochen werden könne. An der Übergabe der Forderung aus den beiden Sparbüchern an die Klägerin könne nicht gezweifelt werden. Eine Vorwegerfüllung könne nicht nur durch körperliche Übergabe der Sache, sondern bei Sachen, die ihrer Beschaffenheit nach keine körperliche Übergabe zuließen, wie Forderungen, auch durch Zeichen erfolgen. Die wirkliche Übergabe müsse so beschaffen sein, daß der Übergang der geschenkten Forderung in das Vermögen des Beschenkten und in seine Verfügungsgewalt unzweifelhaft und nach außen erkennbar zu entnehmen sei. Da eine körperliche Übergabe von Forderungen nicht möglich sei, habe sie gemäß § 427 ABGB durch Zeichen zu erfolgen. Solche Zeichen seien die Übergabe von Urkunden, aber auch die Verständigung des Schuldners durch den Geschenkgeber. Erfolge eine wirksame vom Zedenten vorzunehmende Verständigung des Schuldners nicht, müßten die von ihm dem Zessionär übergebenen Urkunden diesen in die Lage versetzen, die Forderungen geltend zu machen. Dies sei der Fall, wenn das auf den Überbringer lautende Sparbuch, welches als Inhaberpapier anzusehen sei, übergeben werde. Daß die Sparbücher durch Losungsworte vinkuliert gewesen seien, sei nicht behauptet worden; im übrigen habe die Klägerin zumindest über eines der Sparbücher tatsächlich verfügen können. Das Berufungsgericht gelange daher zu dem Ergebnis, daß der Klägerin die Forderungen aus den beiden Sparbüchern wirksam vermacht und übergeben worden seien. Da der Nachlaß den Beklagten eingeantwortet und ihnen die Verfügung über das Depot beim Gerichtskommissär und über das Sparbuch Nr. 6072-00-17742 eingeräumt worden seien, sei dem nunmehrigen Hauptbegehren stattzugeben, ohne daß es einer Klärung bedürfe, ob die Beklagten das Depot bereits behoben und das Sparbuch realisiert hätten.
Der Oberste Gerichtshof stellte über Revision der Beklagten das Ersturteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht hat den festgestellten Sachverhalt zutreffend dahin beurteilt, daß sich der Erblasser die freie Verfügung über beide Sparbücher bis zu seinem Tode vorbehalten hat und keine übereinstimmende Absicht angenommen werden könne, einen sofort bindenden Schenkungsvertrag mit wirklicher Übergabe abzuschließen. Von einer Handschenkung unter Lebenden kann daher schon mangels darauf gerichteter Parteienabsicht keine Rede sein, und zwar auch dann nicht, wenn man der Ansicht Apathys in JBl. 1976, 404 f., folgt, der die unwiderrufliche Übergabe der zugedachten Sache auf den Todesfall - also ist der Abrede, der Empfänger solle beim Tode des Schenkers Eigentümer derselben werden - durch den Schenker an den Beschenkten als wirksame Schenkung unter Lebenden ansieht (vgl. auch Ehrenzweig - Kralik, Erbrecht[3] 167). Sofern die Klägerin mit ihren Ausführungen in der Revisionsbeantwortung zur Frage eines bis zum Tode des Schenkers aufschiebend bedingten Schenkungsvertrages mit wirklicher Übergabe bei gleichzeitigem Verfügungsvorbehalt des Schenkers offenbar meint, sie könne sich mit dieser Auffassung auf Apathy aaO berufen, übersieht sie - wie übrigens auch das Berufungsgericht -, daß Apathy aaO 404 nur die unwiderrufliche Übergabe auf den Todesfall als Schenkung auf den Todesfall ansieht, während er die frei widerrufliche Übergabe gemäß § 956 ABGB dem Vermächtnisrecht unterstellt (Apathy aaO FN 72). Dies stimmt damit überein, daß er je nach der Möglichkeit eines Widerrufes die Schenkung auf den Todesfall als ein einseitiges Geschäft von Todes wegen (Vermächtnis) oder als einen Schenkungsvertrag unter Lebenden versteht (Apathy aaO 394).
Daß im vorliegenden Rechtsfall kein Schenkungsvertrag iS des § 956 Satz 2 ABGB gegeben ist, ist nicht strittig. Liegt somit keine Schenkung unter Lebenden vor, ist nur zu prüfen, ob die Klägerin ihren Anspruch auf ein wirksames Vermächtnis stützen kann. Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend und unbekämpft ausgeführt, daß ein formgültiges Vermächtnis nicht vorliegt und dargestellt, daß ein Teil der Lehre und Rechtsprechung die Übergabe auf den Todesfall, bei der unter Lebenden eine Sache mit der Bestimmung überlassen wird, sie brauche nach dem Tode des Übergebers nicht zurückgegeben werden, als zwar formungültiges, aber vorweg vollzogenes Vermächtnis ansehe, bei dem der Formmangel durch die tatsächliche Erfüllung geheilt werde. Diese Auffassung wird auch von Eccher, Antizipierte Erbfolge 90 vertreten, der es als inkonsequent bezeichnet, bei einer Erfüllung des Vermächtnisses durch den Erben die Wirkungen des § 1432 ABGB eintreten zu lassen, dasselbe aber beim Erblasser zu leugnen, der ja eigentlich - wenn auch mittelbar - das Vermächtnis zuwende. Sei der Erblasser imstande, durch lebzeitige Schenkungen den Nachlaß zu verringern, wobei eine mangelnde Schenkungsform durch Erfüllung heilen würde, müsse dasselbe auch für ein Vermächtnis gelten, das den Erben insgesamt weniger belaste als eine lebzeitige Schenkung.
Alle Versuche, die Übergabe auf den Todesfall trotz der ihr zugrundeliegenden formungültigen letztwilligen Anordnung als wirksam und für die Erben verbindlich anzusehen, gehen von der Bestimmung des § 1432 ABGB aus, nach der unter anderem die Zahlung einer Schuld, welche nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig ist, nicht zurückgefordert werden kann. Sie sprechen von einer Erfüllung des Vermächtnisses durch den Erblasser, die der Erbe gegen sich gelten lassen müsse und sehen dadurch den Formmangel als geheilt an.
Ob diese Auffassungen schon daran scheitern müssen, daß Vermächtnisse als Verfügungen von Todes wegen vor dem Tode überhaupt nicht erfüllt werden können, weil sie erst mit dem Tode des Erblassers wirksam werden (vgl. Koziol - Welser[6] II 308; Planck, BGB[3] V 526; Herrmann in MDR 1980, 888) und daher von einer Erfüllung - auch wenn man darunter nur die Erfüllungshandlung, nicht auch den Eintritt ihrer Wirkung versteht (vgl. dazu Koziol - Welser aaO; Ehrenzweig - Kralik, Erbrecht[3] 167) - des formungültigen Vermächtnisses gar nicht gesprochen werden kann, braucht nicht entschieden werden. Denn auch wenn man die Erfüllungsmöglichkeit bejaht, stellt sich die Frage, ob die Übergabe durch den Erblasser die in § 1432 ABGB normierte Rechtsfolge - unabhängig davon, ob man diese als Heilung in dem Sinne versteht, daß das Rechtsgeschäft so besteht, als ob ein Formmangel nie bestanden hätte, oder lediglich als Kondiktionsausschluß ansieht (vgl. dazu die bei Eccher aaO 88 f. in FN 85 angeführte Lehre und Rechtsprechung) - bewirkt. Es ist nur die Frage der "Heilung" der formungültigen Vermächtnisanordnung durch die Übergabe des Erblassers zu behandeln, nicht aber zu untersuchen, ob eine formungültige Vermächtnisanordnung durch eine Handlung des Erben selbst geheilt werden kann oder inwieweit formungültige letztwillige Anordnungen wirksam werden können.
Bei der Beurteilung der Anwendbarkeit des § 1432 ABGB als Konvaleszenzbestimmung auf Fälle der sogenannten Übergabe auf den Todesfall muß der Zusammenhang mit den Formvorschriften bedacht werden, das heißt, es ist die Anwendbarkeit dieser Bestimmung mit Rücksicht auf den Formzweck der Vermächtnisanordnung zu prüfen. Diese Bedachtnahme auf den Formzweck anläßlich der Prüfung der Anwendbarkeit des § 1432 ABGB wurde in der Lehre schon mehrmals betont. So hat Pisko in JBl. 1934, 513 ausgeführt, daß die Frage der Anwendbarkeit des § 1432 ABGB unter Bedachtnahme auf den rechtspolitischen Zweck zu beantworten sei, den der Gesetzgeber mit der Aufstellung der nicht eingehaltenen Formvorschrift verfolgt. Wilburg im Klang-Kommentar[2] VI 460 äußerte sich dahin, daß die Bestimmung des § 1432 ABGB über die Rückforderbarkeit erfüllter formungültiger Rechtsgeschäfte der Erwägung entspreche, daß das Gesetz gegen Übereilung schützen und nicht zur Erfüllung eines ohne die vorgeschriebene Form abgegebenen Versprechens zwingen wolle, jedoch in ihrem Zweck nicht soweit gehe, ein Recht auf Rückgabe einer schon erbrachten Leistung zu begrunden; die Vorschrift greife aber nicht ein, wenn eine Formvorschrift ausdrücklich oder nach ihrem Zweck etwas anderes angebe. Nach Apathy (aaO 409) greift § 1432 ABGB unter Umständen nicht ein, wenn die Formvorschrift (auch und vor allem) dem Schutz unbeteiligter Dritter dienen soll.
Bei der Prüfung der Anwendbarkeit des § 1432 ABGB auf den hier zu entscheidenden Fall einer Übergabe auf den Todesfall ist unter Bedachtnahme auf den Formzweck der nicht eingehaltenen Formvorschriften zu fragen, ob durch die Übergabe der vermachten Sache sämtliche mit der für letztwillige Anordnungen vorgesehenen Formen verfolgten Zwecke erreicht werden können. Nur dann wäre die Anwendbarkeit des § 1432 ABGB überhaupt gerechtfertigt. Würde man nämlich die Anforderungen für die Anwendbarkeit des § 1432 ABGB verringern, käme man dazu, daß die Formzwecke nicht ernst genommen würden und die Formvorschriften letztlich unbedeutende Empfehlungen bildeten (vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts[5] 377). Untersucht man aber die Zwecke der Formvorschriften, dann sollen diese ganz besonders bei letztwilligen Verfügungen vor allem eine Warnfunktion und Beweisfunktion erfüllen, also dem Erblasser die Bedeutung seiner Erklärung bewußt machen und ihn zu grundlicher Überlegung anregen sowie den Beweis seines letzten Willens sichern helfen (Apathy aaO 409; Ehrenzweig - Kralik aaO 127; Weiß im Klang-Komm.[2] III 298 f.; Koziol - Welser aaO 276). Sie sollen also nicht nur den Erblasser vor Übereilung und Unüberlegtheit schützen, sondern auch die Feststellung des erblasserischen Willens sichern (Apathy aaO), der, wenn er formlos geäußert würde, schwer nachweisbar wäre, weil in vielen Fällen die auf den eigenen Vorteil bedachten Personen über die Äußerungen des Verstorbenen widersprüchliche (vgl. Koziol - Welser aaO) oder aber schwer widerlegbare Angaben machen würden. Apathy aaO 409 f. verweist weiters darauf, daß sich aus der Warn- und Beweisfunktion der Formvorschriften auch ein erheblicher Schutz zugunsten der gesetzlich oder durch Erbvertrag oder auf Grund einer wirksamen letztwilligen Verfügung Berufenen ergibt.
Bei der Beurteilung, wieweit diese Formzwecke durch eine Übergabe der vermachten Sache durch den Vermächtnisnehmer an den Bedachten erreicht werden, ist zunächst zu beachten, daß die Übergabe als solche unter denselben zur Unüberlegtheit und Übereilung führenden Einflüssen stehen kann, vor denen das Gesetz durch die Aufstellung von Formvorschriften schützen will (vgl. Serozan, Die Überwindung der Rechtsfolgen des Formmangels im Rechtsgeschäft 61). Es kann daher - wenn man die Übergabe für sich allein betrachtet - gar nichts darüber gesagt werden, ob diese mit ausreichender Überlegung und frei von Einflüssen erfolgt ist, die der Gesetzgeber durch Formvorschrift verhindern will. Schon zur Entscheidung der Frage, ob die Übergabe mit ausreichender Überlegung erfolgt ist, wäre ein Beweisverfahren erforderlich, das in der Regel auf Aussagen von Zeugen angewiesen wäre, gegen die die oben genannten Bedenken sprechen oder denen die Zeugenfähigkeit gemäß § 594 ABGB überhaupt fehlt. Viel wesentlicher ist aber, daß hinsichtlich der Beweisfunktion für den letzten Willen aus der Übergabe der Sache als solcher - wenn man also allfällige erklärende Äußerungen des "Übergebers" zunächst außer acht läßt - überhaupt nichts gewonnen werden kann. Die Übergabe kann nicht nur zum Zweck der Erfüllung der Vermächtnisanordnung, sondern auch zur Erfüllung verschiedenster Rechtsgeschäfte (Verwahrung, Leihe, Prekarium, Miete, Schenkung usw.) erfolgen, ist daher vieldeutig und sagt über den tatsächlich verfolgten Zweck nichts aus. Muß man aber zur Klarstellung, ob die Übergabe überhaupt etwas mit der letztwilligen Vermächtnisanordnung zu tun hat, auf Erklärungen des Erblassers zurückgreifen, dann kann keine Rede davon sein, daß die Übergabe als solche den Beweiszweck der Formvorschrift erfüllt und durch die Übergabe der Beweis des letzten Willens erbracht ist. Eine die Übergabe deutende Erklärung des Erblassers, die nicht den Formvorschriften für letztwillige Verfügung entspricht, kann aber an der Formungültigkeit der Vermächtnisanordnung nichts ändern, diese also nicht heilen, weil eine formungültige Anordnung nicht durch das Hinzutreten einer oder mehrerer formungültiger Erklärungen zu einer gültigen werden kann. Da die Eindeutigkeit der Zweckausrichtung der Übergabe nur aus der Erklärung des Übergebers gewonnen werden kann, diese Erklärung aber wegen der oben genannten Zwecke vom Gesetzgeber nur dann als ausreichend angesehen wird, wenn die von ihm verlangten Formen eingehalten wurden, kann auch bei Zusammentreffen der Übergabe mit einer zwar den Zweck der Übergabe anzeigenden, aber formungültigen Erklärung nicht davon die Rede sein, daß der von den Formvorschriften der letztwilligen Anordnungen verfolgte Übereilungs- und Beweisschutz erreicht sei. Schon die Nichterreichbarkeit des Schutzes vor Übereilung und der Beweisbarkeit des letzten Willens steht daher der "Heilung" und damit entgegen der Meinung Schuberts in Rummel, ABGB, Rdz. 6 zu § 956, der Gültigkeit der Vermächtnisanordnung im Wege. Auf Grund dieser die Anwendbarkeit des § 1432 ABGB verneinenden Erwägungen erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Erbe eine Erfüllungshandlung des Erblassers gegen sich gelten lassen müßte.
In den die Wirksamkeit der Übergabe auf den Todesfall bejahenden Entscheidungen 2 Ob 136/56 und EvBl. 1965/126 wurde die Frage des Formzweckes entweder überhaupt nicht (2 Ob 136/56) oder zumindest nicht hinsichtlich der wesentlichen Beweisfunktion behandelt. Ihre ohne diese dem erkennenden Senat wesentlich erscheinende Bedachtnahme auf den Zweck der Formvorschriften gewonnene und die Heilung bejahende Ansicht kann nicht aufrechterhalten werden. Der OGH pflichtet vielmehr im Ergebnis der die Wirksamkeit einer Übergabe auf den Todesfall ablehnenden Auffassung Koziols und Welsers aaO und Apathys aaO - letzterem ist der OGH in der Entscheidung JBl. 1982, 206 auch in der Frage der (Un-)Wirksamkeit des Auftrages auf den Todesfall gefolgt - bei.
Soweit Eccher aaO 90 f. zur Widerlegung der aus dem Gedanken des Formzweckes erfolgten Ablehnung der Anwendbarkeit des § 1432 ABGB auf die Fälle der Übergabe auf den Todesfall durch Apathy aaO 409 die Auffassung vertritt, daß auch sonst bei Anwendung des § 1432 ABGB Beweisschwierigkeiten auftreten könnten, sieht er die Schwäche dieser Auffassung selbst darin, daß es sich bei den von ihm genannten Fällen nicht um typische Fälle handle. Im übrigen ist den von ihm genannten Beispielen - auch dem der unwiderruflichen Schenkung auf den Todesfall mit lebzeitiger Übergabe - entgegenzuhalten, daß eine unterschiedliche Behandlung der Frage der "Heilung" eines Formmangels bei Rechtsgeschäften unter Lebenden und bei Rechtsgeschäften von Todes wegen wegen der besonderen Schutzfunktion der Formvorschriften bei letzteren Geschäften gerechtfertigt ist.
Da nach diesen Erwägungen weder eine Schenkung unter Lebenden noch ein formgültiges oder "geheiltes" formungültiges Vermächtnis vorliegt, mangelt dem Klagebegehren ein Rechtsgrund.
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