Spruch:
Der Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem aus Anlaß eines Kostenrekurses das Ersturteil als nichtig aufgehoben wurde, ist anfechtbar. Die Aufhebung ist unzulässig
Entscheidung vom 17. Februar 1965, 6 Ob 60/65
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Die beiden Kläger und die drei Beklagten sind Geschwister. Der Nachlaß nach ihrer am 15. August 1960 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Mutter Helene F. wurde den Streitteilen zu gleichen Teilen eingeantwortet
Mit der Behauptung, die Erstbeklagte habe allein mit der Erblasserin im gemeinsamen Haushalt gelebt, der ganze Nachlaß sei in ihrer Gewahrsame verblieben und sie weigere sich trotz wiederholter Aufforderung, irgend etwas davon herauszugeben oder den Klägerinnen auch nur bekanntzugeben, was vorhanden sei, begehren diese, 1. die Erstbeklagte schuldig zu erkennen, unter Vorlage eines Verzeichnisses anzugeben, welche in den Nachlaß der Helene F. fallenden Vermögenschaften vorhanden seien, und einen Eid dahin zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig seien und 2. alle drei Beklagten schuldig zu erkennen, in die Aufhebung der Erbengemeinschaft an diesen Nachlaßgegenständen durch gerichtliche Feilbietung zu willigen.
Zufolge Anerkenntnisses der Zweitbeklagten Rosa B. erließ das Erstgericht auf Antrag der Klägerinnen gegen diese Beklagte ein Anerkenntnisurteil.
Aus Anlaß des von den Klägerinnen gegen diese Entscheidung erhobenen Kostenrekurses hob das Rekursgericht das Anerkenntnisurteil als nichtig auf. Es begrundete dies damit, daß bei einer Klage auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung sämtliche Beklagten eine einheitliche (notwendige) Streitgenossenschaft bilden. Es können gegen alle Beklagten nur ein gleiches Urteil erfließen. Es gelte der Satz: "Ein Rechtsverhältnis, ein Prozeß, eine Partei". Daher könne nicht ein Beklagter anerkennen und ein anderer bestreiten. Zu einem prozessual wirksamen Anerkenntnis bedürfe es der übereinstimmenden Willenserklärung aller Mitglieder der einheitlichen Streitgenossenschaft. Auf Grund des Anerkenntnisses nur eines Beklagten könne ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen. Da sich das Ersturteil auf das Anerkenntnis der Zweitbeklagten grunde, ein wirksames Anerkenntnis aber nicht vorliege, sei es mit sich selbst im Widerspruch und daher gemäß § 477 (1) Z. 9 ZPO. nichtig. Diese Nichtigkeit sei, wenngleich von den Klägerinnen nicht geltend gemacht, auf Grund ihres Kostenrekurses von Amts wegen wahrzunehmen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Kläger Folge, hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem auf, über den Kostenrekurs zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst die Zulässigkeit des von den Klägerinnen erhobenen Rekurses anlangt, so ist diese zu bejahen. Der angefochtene Beschluß ist ein solcher des Rekursgerichtes und es liegt keiner der Gründe des § 528 ZPO. vor, aus denen ein Rechtsmittel gegen ihn unzulässig wäre. Insbesondere handelt es sich, obwohl er aus Anlaß eines Kostenrekurses gefaßt wurde, nicht um einen Beschluß im Kostenpunkt, da über den Kostenrekurs nicht entschieden, sondern dieser nur zum Anlaß genommen wurde, um das in der Hauptsache ergangene Anerkenntnisurteil als nichtig aufzuheben.
Der Rekurs ist aber auch begrundet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kann die Rechtsmittelinstanz eine Nichtigkeit der unterinstanzlichen Entscheidung nur aus Anlaß eines zulässigen, in der Sache selbst ergriffenen Rechtsmittel wahrnehmen. Der von den Klägerinnen gegen das erstgerichtliche Anerkenntnisurteil eingebrachte Rekurs betrifft aber nicht die Sache selbst, sondern nur die Kostenentscheidung. Aus Anlaß eines solchen Kostenrekurses ist aber die Wahrnehmung einer die unangefochtene Hauptsache betreffenden Nichtigkeit nicht zulässig (1 Ob 299/53, 1 Ob 365/53, 1 Ob 515/50, 2 Ob 134/50 u. a. m.).
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