OGH 6Ob60/17t

OGH6Ob60/17t29.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen B***** OG mit dem Sitz in S***** über den Revisionsrekurs des (ehemaligen) Masseverwalterstellvertreters Mag. S***** W*****, im Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über das Vermögen des Gesellschafters Mag. C***** A***** (AZ ***** S ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz), vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 15. Februar 2017, GZ 4 R 7/17g‑9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Dezember 2016, GZ 51 Fr 2324/16k‑6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00060.17T.0529.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Zwangsstrafenverfahren eingestellt wird.

 

Begründung:

Unbeschränkt haftende und selbstständig vertretungsbefugte Gesellschafter der zu FN ***** im Firmenbuch eingetragenen B***** OG sind Dr. B***** A***** und Mag. C***** A*****. Über letzteren wurde am 28. 6. 2016 zu AZ ***** S ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet; der Revisionsrekurswerber wurde zum Stellvertreter des Masseverwalters bestellt. Aufgrund einer Mitteilung des Insolvenzgerichts trug das Erstgericht Masseverwalter und Masseverwalterstellvertreter im Firmenbuch ein und forderte am 5. 7. 2016 die beiden zur Zeichnung ihrer Namensunterschriften auf.

Sowohl der Masseverwalter (dieser nahm allerdings am 15. 9. 2016 letztlich die Musterzeichnung doch vor) als auch der Masseverwalterstellvertreter wiesen darauf hin, dass auch bei einer Offenen Gesellschaft im Hinblick auf deren umfassende Rechtsfähigkeit die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des geschäftsführenden Gesellschafters dessen Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft nicht berühre, lediglich die Verfügungsmacht über seinen Gesellschaftsanteil sei ihm entzogen, weshalb die Masseverwalter zur Vertretung der Gesellschaft nicht berechtigt und zur Musterzeichnung nicht verpflichtet seien. Trotzdem verhängte das Erstgericht über den Masseverwalterstellvertreter gemäß § 24 FBG eine Zwangsstrafe in Höhe von 360 EUR. Zur Begründung verwies das Erstgericht auf § 77a Abs 1 Z 1 IO und § 31 Abs 3 UGB.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, verwies zur Begründung aber auf § 146 Abs 3 UGB. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob den Masseverwalter(‑stellvertreter) eines Gesellschafters einer Offenen Gesellschaft, über dessen Vermögen ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet wurde, die Verpflichtung zur Unterschriftszeichnung trifft.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über das Vermögen des Gesellschafters wurde zwar infolge Abschlusses und rechtskräftiger Bestätigung eines Sanierungsplans zwischenzeitig aufgehoben (Bekanntmachung in der Ediktsdatei am 30. 3. 2017), nach § 24 Abs 3 FBG ist eine verhängte Zwangsstrafe aber auch dann zu vollstrecken, wenn der gerichtlichen Anordnung nachgekommen wurde oder deren Erfüllung – wie hier – unmöglich geworden ist; maßgeblich ist dabei die Verhängung der Zwangsstrafe in erster Instanz, nicht deren Rechtskraft (Zib in Zib/Dellinger, UGB I/1 [2010] § 24 FBG Rz 46). Damit sind die Entscheidungen der Vorinstanzen auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen.

2. Nach § 31 Abs 1 UGB bestimmen die Insolvenzgesetze, inwieweit im Insolvenzverfahren ergangene Entscheidungen einzutragen sind; nach dessen Abs 3 haben die einzutragenden Personen ihre Unterschrift persönlich zur Aufbewahrung bei Gericht zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen. Einschlägige Norm für das Insolvenzverfahren ist § 77a IO mit den dort taxativ (vgl 6 Ob 234/01g) aufgezählten Eintragungen (Jennewein in Torggler, UGB² [2015] § 31 Rz 1; zur Rechtslage vor dem IRÄG 2010 Schuhmacher in Straube, WK UGB [2009] § 31 Rz 1; Zib aaO § 31 UGB Rz 7; Herda in Jabornegg/Artmann, UGB² [2010] § 31 Rz 3). Da § 77a IO nur Fälle erfasst, in denen die Firma des Schuldners im Firmenbuch eingetragen ist, im vorliegenden Fall das Insolvenzverfahren aber nicht über das Vermögen der Gesellschaft, sondern (bloß) über jenes eines Gesellschafters eröffnet worden war, hat bereits das Rekursgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Verpflichtung des Masseverwalterstellvertreters zur Zeichnung seiner Namensunterschrift nicht – wie vom Erstgericht vertreten – auf § 31 Abs 3 UGB gestützt werden kann.

3. Nach § 146 Abs 3 UGB, auf den sich das Rekursgericht stützte, tritt zwar der Insolvenzverwalter an die Stelle des Gesellschafters einer Offenen Gesellschaft, wenn über das Vermögen eines Gesellschafters ein Konkurs- oder Sanierungsverfahren eröffnet und dem Gesellschafter die Eigenverwaltung entzogen wird. Diese Bestimmung kommt aber nur zur Anwendung, wenn die Gesellschaft aufgelöst wurde und sich somit in Liquidation befindet (vgl §§ 145 ff UGB [„Liquidation der Gesellschaft“]); § 146 UBG bezieht sich deshalb auf die Liquidatoren. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil nach § 131 Z 5 UGB die offene Gesellschaft (nur) durch die rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, durch die Abänderung der Bezeichnung Sanierungsverfahren in Konkursverfahren oder durch die rechtskräftige Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst wird; ein Sanierungsverfahren (auch) ohne Eigenverwaltung fällt hingegen nicht darunter (Leupold in Torggler, UGB² § 131 Rz 16 [argumentum e contrario]; Zollner in Zib/Dellinger, UGB II [2017] § 131 Rz 43; zur Rechtslage vor dem IRÄG 2010 vgl bereits Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB² § 131 Rz 46 [Ausgleichsverfahren]).

4. Da somit keine Rechtsgrundlage für den vom Erstgericht dem Masseverwalterstellvertreter erteilten Auftrag zur Zeichnung der Namensunterschrift besteht, erfolgte die Verhängung einer Zwangsstrafe zu Unrecht. Das Zwangsstrafenverfahren war daher einzustellen (vgl ErläutRV 981 BlgNR 24. GP  71; Dokalik/Birnbauer, Das neue Verfahren zur Erzwingung der Offenlegung nach den §§ 277 ff UGB, GesRZ 2011, 22 [25]; Schuster in Straube, WK UGB § 283 Rz 39; Zib in Zib/Dellinger, UGB III/2 [2015] § 283 Rz 71).

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