Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Im Handelsregister des Erstgerichtes war seit 1.7.1974 die "DR.F*** B*** UND J*** G***, W***- UND
D*** mbH" mit dem Sitz in Wiener Neustadt
eingetragen, deren Firma am 6.9.1985 auf "DR.F*** B*** UND
H*** E*** W***- UND
D*** mbH" geändert wurde. Vom Stammkapital
der Gesellschaft in Höhe von zuletzt S 120.000 entfielen per 1.1.1986 Stammeinlagen von je S 30.000 auf die beiden Gesellschafter Dr.Fritz B*** und Heribert E***, solche von je S 28.000 auf die weiteren Gesellschafterinnen Leopoldine B*** und Brigitte E*** sowie die restliche Stammeinlage von S 2.400 auf den fünften Gesellschafter Karl H***. Per 30.3.1988 entfielen auf die Gesellschafter Dr.Fritz B***, Leopoldine B*** und Heribert E*** Stammeinlagen von je S 30.000, auf die Gesellschafterin Brigitte E*** eine solche von S 28.800 und auf den Gesellschafter Karl H*** eine solche von S 1.200. Gemäß dem insoweit unveränderten Gesellschaftsvertrag vom 7.3.1974 gewähren je S 1.000 einer übernommenen Stammeinlage eine Stimme; Punkt Sechzehntens letzter Absatz des Gesellschaftsvertrages lautet:
"Für Beschlüsse in der Generalversammlung betreffend Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, Änderungen des Gesellschaftsvertrages und Auflösung der Gesellschaft, Abschluß und Auflösung von Dienstverträgen und Bezugsregelungen mit Geschäftsführern und deren Angehörigen, Abschluß und Auflösung von Bestandsverträgen, Gewinnverteilung und Deckung von Verlusten, ist eine dreiviertel (3/4) Mehrheit der anwesenden Gesellschafter erforderlich, für alle übrigen Beschlüsse gilt einfache Mehrheit."
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6.4.1987, ON 20, wurde der Gesellschaft eine Nachfrist von sechs Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses zur Anpassung des Gesellschaftsvertrages an die Vorschriften laut Art III § 4 der GmbHG-Novelle 1980 (durch Erhöhung des Stammkapitals auf mindestens S 500.000 und deren Anmeldung zum Handelsregister) gesetzt. Nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist ordnete das Erstgericht mit Beschluß vom 2.3.1988, ON 22, folgende Registereintragungen in Spalte 6 an:
"Die Gesellschaft ist gemäß Artikel III § 8 des Bundesgesetzes vom 2.Juli 1980, BGBl Nr.320, von Amts wegen aufgelöst. Die Firma führt den Zusatz: in Liquidation. Zu Liquidatoren sind bestellt die bisherigen Geschäftsführer Dr.Fritz B*** und Heribert E***". Die Eintragung wurde am selben Tag vollzogen.
Gegen diese Eintragungsverfügung erhob die Gesellschaft rechtzeitig mit Schriftsatz vom 31.3.1988 Vorstellung, in eventu Rekurs (ON 27). Noch vor einer Entscheidung darüber zog Dr.Fritz B*** als Liquidator der Abwicklungsgesellschaft mit Schriftsatz vom 11.5.1988 den Rekurs vom 31.3.1988 "unter Rechtsmittelverzicht zurück" und stellte gleichzeitig unter Berufung auf die in der außerordentlichen Generalversammlung vom 11.5.1988 von den Gesellschaftern Dr.Fritz und Leopoldine B*** gegen die Stimmen der Gesellschafter Heribert und Brigitte E*** sowie des Gesellschafters Karl H*** mit jeweils 60 zu 59 Stimmen gefaßten Beschlüsse auf Abberufung des Heribert E*** als Liquidator der Gesellschaft und Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis an Dr.Fritz B*** als Liquidator der Gesellschaft den Antrag auf Eintragung und Kundmachung der Abberufung des Heribert E*** als Liquidator der Gesellschaft sowie der Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis an den Liquidator Dr.Fritz B***.
Das Erstgericht wies spruchgemäß den "Antrag des Dr.Fritz B*** als Liquidator der Firma Dr.Fritz B*** und Heribert E*** Wirtschaftstreuhand- und Datenverarbeitungsgesellschaft mbH in Liquidation auf Abberufung eines Liquidators und Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis an den verbleibenden Liquidator" ab. Es begründete dies im wesentlichen damit, daß die Gesellschaft wegen Nichtanpassung des Gesellschaftsvertrages durch Erhöhung des Stammkapitals auf S 500.000 innerhalb der gesetzten Nachfrist mit Verfügung vom 2.3.1988 aufgelöst und die bisherigen Geschäftsführer, nämlich Dr.Fritz B*** und Heribert E***, "zu Liquidatoren bestellt" worden seien. Der in der außerordentlichen Generalversammlung vom 11.5.1988 mit 60 zu 59 Stimmen gefaßte Beschluß auf Abberufung des Heribert E*** als Liquidator entspreche nicht dem Gesellschaftsvertrag. Dieser verlange in seinem Punkt Sechstens (richtig: Sechzehntens) für die Abberufung von Geschäftsführern eine Dreiviertelmehrheit der anwesenden Gesellschafter. Gemäß § 92 Abs 1 GmbHG, aber auch nach dem Wortlaut und Sinnzusammenhang des Gesellschaftsvertrages, sei diese Bestimmung auch auf die Abberufung von Liquidatoren anwendbar. Da der Liquidator dem Geschäftsführer "nahtlos als Organ der Gesellschaft" folge, könne kein rechtlicher oder logischer Grund dafür gefunden werden, warum die im Gesellschaftsvertrag für die Abberufung von Geschäftsführern festgesetzte qualifizierte Stimmenmehrheit für das Organ einer zu liquidierenden Gesellschaft auf andere Weise bestimmt werden könnte oder sollte. Dies insbesondere auch deshalb, weil alle Rechte und Pflichten der Geschäftsführer auf den Liquidator übergingen, der mithin alle Handlungen vornehmen müsse, die bisher der Geschäftsführer zu besorgen gehabt habe.
Das Rekursgericht hob mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag des Dr.Fritz B***, ON 30, an das Erstgericht zurück. Rechtlich führte das Gericht zweiter Instanz aus, daß entgegen den mißverständlichen Formulierungen der Eintragungsverfügung vom 2.3.1988 (ON 22) und des angefochtenen Beschlusses ON 35 die beiden Liquidatoren nicht gerichtlich ernannt worden seien. Gemäß § 89 Abs 2 GmbHG seien die Geschäftsführer der Gesellschaft mit deren Auflösung Liquidatoren kraft Gesetzes. Zu Liquidatoren könnten nur andere, also von den Geschäftsführern verschiedene Personen, gerichtlich ernannt werden. Die Eintragungsverfügung ON 22 sei daher dahingehend zu verstehen, daß mit ihr lediglich die Geschäftsführer, die ohnehin schon kraft Gesetzes als Liquidatoren eingetreten seien, bekanntgegeben werden sollten bzw deren Eintritt als Liquidatoren festgestellt werden sollte. Gegenstand des Antrages des Liquidators Dr.Fritz B*** (ON 30) sei nicht die gerichtliche Abberufung des Liquidators Heribert E*** gewesen, sondern die Eintragung der mit Gesellschafterbeschlüssen erfolgten Abberufung dieses Liquidators und der Erteilung der Einzelvertretungsbefugnis an den Liquidator Dr.Fritz B***. Das Erstgericht habe daher einen zum Entscheidungszeitpunkt noch gar nicht vorliegenden Antrag abgewiesen, so daß seine Entscheidung schon aus diesem Grunde aufzuheben gewesen sei. Seine Rechtsansicht über die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern auch auf die Liquidatoren sei aber verfehlt. Die Satzung enthalte nämlich keine Bestimmung über bestimmte Mehrheitsverhältnisse bei einer Beschlußfassung über die Abberufung von Liquidatoren. § 92 Abs 1 GmbHG ordne nur die sinngemäße Anwendung der hinsichtlich der Geschäftsführer getroffenen gesetzlichen Bestimmungen auch für die Liquidatoren an, soweit diesbezüglich im zweiten Abschnitt des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht abweichende Anordnungen enthalten seien. Für eine analoge Anwendung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages für Geschäftsführer auf die Liquidatoren biete daher diese Vorschrift jedenfalls keine Handhabe. Im übrigen sehe § 89 Abs 3 GmbHG eine Abberufung von nicht gerichtlich ernannten Liquidatoren auch durch Gesellschafterbeschluß vor und normiere hiefür keine besonderen Mehrheitsverhältnisse, so daß sie gemäß § 39 Abs 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit der abgegenenen Stimmen erfolgen könne. Die Auslegung der Satzung der Gesellschaft führe ebenfalls nicht zur analogen Anwendung des Punktes Sechzehntens auch auf den Fall der Abberufung eines Liquidators. Es liege nämlich keine Regelungslücke vor, weil nach dem letzten Halbsatz dieser Satzungsbestimmung "für alle übrigen Beschlüsse" - somit auch für den Beschluß auf Abberufung von Liquidatoren - einfache Mehrheit gelte. Im übrigen stehe einer analogen Anwendung des im Gesellschaftsvertrag für die Geschäftsführer geregelten Abstimmungsquorums auf die Liquidatoren deren geänderte Aufgabenstellung im Abwicklungsverfahren entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Liquidators Heribert E*** aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Aufhebungsbeschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
In Handelsregistersachen richtet sich die Anfechtung der
Beschlüsse - also auch die Beteiligtenstellung und die
Rechtsmittelbefugnis - gemäß Art 9 Abs 1 der 4.EVHGB nach dem Gesetz
über das gerichtliche Verfahren in Angelegenheiten außer
Streitsachen. Danach ist der vorliegende Revisionsrekurs gemäß § 14
Abs 1 AußStrG zulässig, da er sich gegen einen Aufhebungsbeschluß
der zweiten Instanz wendet (Jud 203; EFSlg 47.126, 52.675, 55.537
uva). Auch die Rechtsmittelbefugnis des Heribert E*** ist gemäß § 9
AußStrG zu bejahen, weil das Erstgericht seine Abberufung als
Liquidator abgelehnt hat und durch die Aufhebung dieses Beschlusses
daher seine rechtlich geschützten Interessen betroffen sind
(Dolinar, Österreichisches Außerstreitverfahrensrecht 55; SZ 48/43 =
EvBl 1976/84 = RZ 1975/52 = NZ 1977,22 = HS 9729; SZ 50/64 =
EvBl 1977/269 = HS 11.604; GesRZ 1979,71 = HS 11.610 ua;
6 Ob 22/88). Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt. Der Revisionsrekurswerber vertritt die Rechtsansicht, er und Dr.Fritz B*** seien mit der Eintragungsverfügung ON 22 sehr wohl zu Liquidatoren gerichtlich ernannt worden. Sie könnten daher nur mehr über richterlichen Beschluß abberufen werden. Andernfalls wäre der Generalversammlungsbeschluß vom 11.5.1988 mangels einer Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen unwirksam. Die notwendige ergänzende Auslegung des Gesellschaftsvertrages ergebe nämlich, daß dessen Bestimmung über die erforderliche qualifizierte Stimmenmehrheit zur Abberufung von Geschäftsführern auch auf die Abberufung von Liquidatoren anwendbar sei.
Den Sachausführungen des Revisionsrekurswerbers vorgelagert ist die Frage, ob das Rekursgericht überhaupt zutreffend zu einer Aufhebung des angefochtenen erstgerichtlichen Beschlusses gelangt ist oder ob es nicht bei der von ihm vertretenen Rechtsansicht eine Sachentscheidung über den in Rede stehenden Antrag des Liquidators Dr.Fritz B*** hätte fällen müssen. Jedenfalls kann der Oberste Gerichtshof einer solchen Sachentscheidung des Rekursgerichtes im Sinne des nunmehr gestellten Rechtsmittelantrages nicht vorgreifen, weil deren Ausgang und damit die weiteren Rechtsmittelmöglichkeiten trotz der im Aufhebungsbeschluß geäußerten und vom Revisionsrekurswerber bekämpften Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz noch nicht mit Sicherheit feststehen.
Das Rekursgericht hat seinen Aufhebungsbeschluß damit begründet, daß das Erstgericht spruchgemäß über einen zum Entscheidungszeitpunkt noch gar nicht vorliegenden Antrag entschieden habe. Dies ist zwar bei isolierter Betrachtung des Spruches des erstgerichtlichen Beschlusses für sich allein richtig, doch ergibt sich aus dem Zusammenhang mit seiner ausschließlich auf die Prüfung der Wirksamkeit des Generalversammlungsbeschlusses vom 11.5.1988 und damit auf die Antragsgrundlage des Liquidators Dr.Fritz B*** abgestellten und diese verneinenden Begründung unmißverständlich, daß das Erstgericht damit den gestellten Antrag abweisen wollte und sich daher nur in der Formulierung des Spruches vergriffen haben kann. Schon aus diesem Grunde war daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.
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