OGH 6Ob58/13t

OGH6Ob58/13t8.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Einschreiters F***** U*****, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, über den Rekurs des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 31. Jänner 2013, GZ 35 Nc 16/12b-2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung

Die ursprünglichen Eintragungen zu C-LNR 1a der Liegenschaft EZ ***** und zu C-LNR 3a der Liegenschaft EZ ***** je GB 45202 K***** aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Linz zu TZ 7509/1957 lauteten:

„18. Oktober 1957 - 7509.

Aufgrund der Vereinbarung vom 25. April 1957 und der Aufsandungsurkunde vom 26. Juni 1957 wird die Dienstbarkeit zur unentgeltlichen Benutzung der unter Vertragspunkt 1.) genannten Räume nach Maßgabe des Punktes 2.) a) b) c) dieser Urkunde für M***** U***** und F***** U***** (Anmerkung des Senats: Beschwerdeführer), geboren 1948, einverleibt.“

Im Zuge der Grundbuchumstellung wurde diese Eintragung in

„Dienstbarkeit der Benützung gem Pkt 1.), 2.) a) b) c)

Vereinbarung 1957-04-25 für M***** U***** und F***** U*****, geboren 1948“

übertragen.

Aktuell lauten die Eintragungen:

„Dienstbarkeit der Benützung gem Pkt 1.), 2.) a) b) c)

Vereinbarung 1957-04-25 für M***** U*****.“

Die Löschung der Wortgruppe „und F***** U*****, geboren 1948“ erfolgte mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 30. 12. 2002 aufgrund eines Berichtigungsantrags von M***** U*****.

Die Eliminierung der Eintragung der Aufsandungserklärung im Zuge der Umstellung auf das ADV-Grundbuch war bereits Gegenstand mehrerer Verfahren, in denen der Beschwerdeführer die Grundbuchberichtigung im Sinn einer Herstellung der ursprünglichen Eintragung zu TZ 7509/1957 erfolglos begehrte.

Mit Eingabe vom 27. 12. 2011 an das Grundbuchgericht untersagte der Einschreiter „die Übernahme der in der Grundstücksdatenbank gemäß Edikt des BG Linz, Grundbuch, vom 18. 12. 1981 gesetzwidrig abgeänderten personenbezogenen Daten der Eintragung TZ 7509/1957 in den Datensatz des öffentlichen (ADV-)Grundbuchs“, und stellte den Antrag „auf Richtigstellung der gesetzwidrig abgeänderten personenbezogenen Daten der Grundstücksdatenbank entsprechend dem zu TZ 7509/1957 rechtskräftig vollzogenen richterlichen Beschluss und deren Übernahme in das öffentliche Grundbuch“. Im Verfahren zur Umstellung des Grundbuchs auf ADV sei beim „Speichervorgang“ die der ursprünglichen Eintragung ebenfalls zu Grunde liegende und im historischen Grundbuch auch eingetragene Aufsandungserklärung vom 26. 6. 1957 rechts- und gesetzwidrig nicht mitübertragen worden. Nur aufgrund dieser unrechtmäßigen und unrichtigen „Speicherung“ des Dienstbarkeitsrechts in der Grundstücksdatenbank auf alleiniger Urkundengrundlage der unbeglaubigten „Vereinbarung 1957-04-25“ sei sein verdinglichtes Dienstbarkeitsrecht zu einem bloß obligatorischen Anwartschaftsrecht verkommen, das deshalb 2002 habe gelöscht werden können. Als mit TZ 7509/1957 persönlich und bücherlich Berechtigter untersage er „hiemit dem BG Linz, Grundbuch, jegliche Übernahme der im Speichervorgang zufolge Urkundenwechsels erfolgten Abänderung der personenbezogenen Daten der Zuordnung des Dienstbarkeitsrechts in das öffentliche Grundbuch“ (Punkt 2.) des Schriftsatzes).

Auf Verbesserungsauftrag des Grundbuchgerichts hin führte der Einschreiter in seinem Schriftsatz vom 9. 5. 2012 aus, das von ihm mit Schriftsatz vom 27. 12. 2011 wahrgenommene Recht auf informationelle Selbstbestimmung beziehe ausdrücklich die abändernde Dateneingabe in die Grundstücksdatenbank ohne gesetzliche Ermächtigung des § 19 GOG, untersage dessen Übernahme in den Datensatz des öffentlichen ADV-Grundbuchs und sei nicht nur ein unabdingbares, sondern auch ein höchstpersönliches Grundrecht. Er weise darauf hin, dass der erste Punkt des Schriftsatzes vom 27. 12. 2011, die Untersagung der Übernahme personenbezogener Daten der Eintragung TZ 7509/1957 in den Datensatz des öffentlichen ADV-Grundbuchs, deren Abänderung bei Eingabe in die Grundstücksdatenbank ohne gesetzliche Ermächtigung durch GUG oder GBG beziehe und dieser Vorgang nicht mehr nach GUG oder GBG abzuhandeln, sondern nach § 1 Abs 4 DSG als unzulässige, ohne gesetzliche Ermächtigung erfolgte, abändernde Verarbeitung personenbezogener Daten zu untersagen, sei.

Mit Beschluss vom 4. 7. 2012 wies das Grundbuchsgericht den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. 12. 2011 „auf Untersagung der in der Grundstücksdatenbank abgeänderten personenbezogenen Daten der Eintragung TZ 7509/1957 in den Datensatz des öffentlichen (ADV-)Grundbuchs“ und den Antrag „auf Richtigstellung der gesetzwidrig abgeänderten personenbezogenen Daten der Grundstücksdatenbank entsprechend dem rechtskräftig zu TZ 7509/1957 vollzogenen richterlichen Beschluss und deren Übernahme in das öffentliche Grundbuch“ ab.

Das Landesgericht Linz gab als Rekursgericht dem dagegen vom Einschreiter erhobenen Rekurs teilweise Folge. Es hob den angefochtenen Beschluss im Umfang der Abweisung des „Antrags“ auf Untersagung ersatzlos auf; soweit sich der Rekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Richtigstellung richtete, wies es ihn als unzulässig zurück. Dass das Begehren auf Richtigstellung nach den grundbuchsrechtlichen Vorschriften nicht berechtigt sei, sei bereits in den (im Einzelnen angeführten) Vorverfahren rechtskräftig entschieden worden. Einer neuerlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema stehe daher das Hindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen. Was die angestrebte Untersagung betreffe, komme allein § 85 GOG in Betracht. Inwieweit die Eingabe des Beschwerdeführers, mit der er die Untersagung der Übernahme der in der Grundstücksdatenbank abgeänderten personenbezogenen Daten ausspreche, als Beschwerde (Feststellungsbegehren) im Sinn des § 85 GOG umzudeuten sei, unterliege nicht der Beurteilung des Rekursgerichts. Diesbezüglich werde eine Aktenkopie an die hiefür zuständige Abteilung des Landesgerichts Linz übermittelt. Das Bezirksgericht Linz als Grundbuchgericht sei zur Entscheidung über die Eingabe in Bezug auf die geltend gemachte, auf das DSG gestützte Untersagung nicht zuständig.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den „Antrag auf Feststellung der Verletzung seines Rechtes auf Richtigstellung der in der Grundstücksdatenbank abgeänderten personenbezogenen Daten der Eintragung TZ 7509/1957 im Datensatz des öffentlichen (ADV-)Grundbuchs“ des Einschreiters als verspätet zurück. Der Einschreiter strebe im Ergebnis wiederum die Herstellung der ursprünglichen Eintragung zu TZ 7509/1957 ab, „wobei er sich nunmehr auf Datenschutz und sein Recht auf institutionelle Selbstbestimmung“ stütze. Anlass für die Beschwerde sei die Löschung der Wortgruppe „und F***** U*****, geboren 1948“ durch den Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 30. 12. 2002 gewesen. Die Beschwerde vom 27. 12. 2011 bekämpfe die Eliminierung dieser Wortgruppe im Zuge der Umstellung des Grundbuchs auf automationsunterstützte Datenverarbeitung und ziele auf Richtigstellung auf die ursprüngliche Eintragung ab. Nach § 85 GOG könne lediglich eine Rechtsverletzung festgestellt, aber keine Änderung der Eintragungen im Grundbuch angeordnet werden. Daher sei der Antrag des Beschwerdeführers in einen solchen Feststellungsantrag umzudeuten. Die zu TZ 7509/1957 vorgenommene Änderung der personenbezogenen Daten sei dem Beschwerdeführer seit zumindest 2007 bekannt, sodass die absolute dreijährige Frist des § 85 Abs 4 GOG bei Einlangen seiner Beschwerde am 3. 1. 2012 beim Grundbuchgericht abgelaufen gewesen sei.

Der Rekurs des Beschwerdeführers an den Obersten Gerichtshof (§ 85 Abs 5 GOG) ist zulässig. Er ist auch berechtigt.

Der Rekurswerber führt aus, er habe seinen Schriftsatz vom 27. 12. 2011 beim Grundbuchgericht eingebracht. Die Antragstellung sei auch nicht hinsichtlich § 85 GOG erfolgt. Das von ihm nicht angerufene Erstgericht habe keinerlei Berechtigung und gesetzliche Ermächtigung, einen ohnehin nicht eingebrachten Antrag in einen Feststellungsantrag umzudeuten. Das Erstgericht sei auch nicht berechtigt, die mit Schriftsatz vom 27. 12. 2011 wahrgenommenen Grundrechte auf Widerspruch bei Weiterverarbeitung gesetzwidrig abgeänderter Daten und auf Richtigstellung gemäß rechtskräftigem richterlichen Beschluss TZ 7509/1957 in eine Beschwerde bezüglich „Löschung der Wortgruppe“ umzuändern, um so mittels § 85 GOG die Inanspruchnahme der Grundrechte als „verspätet“ zurückweisen zu können. Es fehle dem angefochtenen Beschluss jeglicher Überweisungsbeschluss und jeglicher Antrag; in Grundbuchsachen sei von vornherein jegliche Überweisung unzulässig. Der angefochtene Beschluss sei daher als nichtig aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Wer durch ein Organ der Gerichtsbarkeit in Ausübung dessen Tätigkeit in seinen im DSG 2000 geregelten Rechten verletzt wurde, kann dem Bund gegenüber die Feststellung dieser Verletzung begehren (§ 85 Abs 1 GOG iVm § 83 GOG). Zuständig für die Entscheidung über diese Beschwerde ist in bürgerlichen Rechtssachen das (dem Gericht, dessen Organ die Verletzung vorgeworfen wird) im Instanzenzug übergeordnete Gericht, das im Verfahren außer Streitsachen entscheidet (§ 85 Abs 2 GOG).

Aus § 85 Abs 1 und 2 GOG erhellt, dass das Gericht nicht von Amts wegen, sondern nur aufgrund einer Beschwerde, die auf Feststellung der Rechtsverletzung gerichtet ist, zu entscheiden hat.

Zutreffend macht der Rekurswerber geltend, dass der angefochtenen Entscheidung kein Entscheidungsantrag zu Grunde liegt. Der Rekurswerber hat in seinem Schriftsatz vom 27. 12. 2011 an das Grundbuchgericht ein Untersagungsbegehren, das Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein sollte, gar nicht gestellt, sondern diesem gegenüber die Untersagung ausgesprochen. Er stellte bloß einen Richtigstellungsantrag. In seinem Rekurs gegen den Beschluss des Grundbuchgerichts vom 4. 7. 2012 hielt er ausdrücklich fest, dass er einen „Antrag auf Untersagung“ nicht eingebracht habe und dem Grundbuchgericht vielmehr die „Untersagung der Übernahme ...“ zur Kenntnis gebracht worden sei.

Eine Umdeutung des Antrags auf Richtigstellung in ein Feststellungsbegehren nach § 85 Abs 1 GOG ist ausgeschlossen, weil das zur Entscheidung über diesen Antrag angerufene Grundbuchgericht bereits entschieden hatte. Dem Vorbringen des Rekurswerbers in den Schriftsätzen vom 27. 12. 2011 und 9. 5. 2012 zur mitgeteilten Untersagung ist ein Entscheidungsantrag, der als Feststellungsantrag nach § 85 Abs 1 GOG gewertet werden könnte, nicht zu entnehmen, wie der Rekurswerber zutreffend aufzeigt.

Da ohne Beschwerde eine Entscheidung im Verfahren nach § 85 GOG nicht ergehen darf, fehlt es an einer Verfahrensvoraussetzung. Dieser schwere Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung. Einer Entscheidung ohne erforderlichen Entscheidungsantrag ist nämlich wertungsmäßig eine Entscheidung trotz Antragszurücknahme unter Anspruchsverzicht gleichzuhalten, sodass entsprechend der für diesen gesetzlich geregelten Verfahrensverstoß in § 56 Abs 1 AußStrG vorgesehenen Sanktion mit Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vorzugehen war. Da der angefochtenen Entscheidung ein Verfahren vor dem Erstgericht nicht voranging, ist ein Verfahren nicht für nichtig zu erklären.

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