OGH 6Ob577/89

OGH6Ob577/8931.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Adelheid S***, Zahnärztin, Landstraße 37, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Dr. Josef Weixelbaum, Dr. Helmut Trenkwalder, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. Gertrud E***, Ärztin,

2.) Dr. Norbert E***, Pensionist, beide Ziehrerstraße 20, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Eduard Hofbauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen

S 313.536,72 sA und Feststellung (diesbezüglicher Streitwert S 50.000,-), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. Jänner 1989, GZ 13 R 95/88-22, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10. August 1988, GZ 9 Cg 168/86-15, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin forderte mit der Begründung, sie sei von dem von den Beklagten gehaltenen Hund Bella gebissen worden, Schadenersatz in der Höhe von S 313.536,72 sA. Außerdem begehrte sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsfolgen. Dieses Feststellungsbegehren wurde mit S 50.000,-

bewertet.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und brachten im wesentlichen vor, lediglich der Zweitbeklagte sei Halter des Hundes. Die Verletzung der Klägerin stamme nicht vom Hund Bella. Dieses Tier sei gutmütig und harmlos, es habe noch nie einen Menschen angegriffen. Die Klägerin, die selbst zwei Hunde geführt habe, habe sich unrichtig verhalten. Die Beklagten bestritten auch die Höhe der geltend gemachten Ansprüche sowie die Berechtigung des Feststellungsbegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Erstbeklagte als Halterin der Hündin Bella wurde wegen Übertretung einer Hundehaltungsvorschrift bisher weder verwaltungsrechtlich noch gerichtlich bestraft. Üblicherweise wird Bella von den Beklagten auf der Liegenschaft der Beklagten, die etwa

2.500 m2 groß ist, verwahrt. Am 23. November 1984 ging die Klägerin mit zwei Hunden auf der Ziehrerstraße, die an die Liegenschaft der Beklagten angrenzt. Sie bewegte sich dabei etwa in der Mitte der Straße. Der kleinere Hund, ein Hund "der Rasse Chow" mit Namen Iris wurde von der Klägerin an einer aufrollbaren Metalleine geführt, während der größere Hund, ein Hund der Rasse Eurasier, mit dem Namen Attila frei lief. Zu dieser Zeit ging der Zweitbeklagte mit Bella von der Straße auf die Liegenschaft zurück, wobei er die Leine löste und den Hund nur mehr am kurzen Halsband hielt. Er hatte es eilig und beabsichtigte, mit dem Hund in das Haus hineinzugehen. Als er von der Straße ein Bellen hörte, riß sich Bella los und lief auf die Straße. Der Zweitbeklagte lief ihr nach. Die Klägerin hatte sich in der Zwischenzeit auf etwa 10 bis 15 m der Liegenschaft genähert und sah Bella aus dem Tor herauslaufen. Sie hatte den Eindruck, daß sich dieser Hund auf den kleineren Hund an der Leine stürzen wollte, weshalb sie den Hund zu sich herzog. Sie wollte Bella dadurch abwehren, daß sie den linken Arm, mit dem sie die Hundeleine hielt, gestreckt etwas vor sich hielt. Dabei wurde sie von Bella in den linken Unterarm gebissen. Bella hat üblicherweise ihren Liegeplatz unmittelbar neben der Eingangstür. Beim Ortsaugenschein begann Bella, als sich die am Ortsaugenschein beteiligten Personen zum Haus begaben, zu bellen und schließlich zu knurren, wobei sie in diesem Zustand verharrte, bis ihr der Zweitbeklagte leicht auf den Rücken schlug. Bella wurde zu diesem Zeitpunkt vom Zweitbeklagten gehalten, dabei zog sie an der Leine. Bella wird vom Tierarzt Dr. Erwin S*** versorgt, der sie aus zahlreichen Besuchen in der Ordination kennt. Bei diesen Besuchen zeigte Bella bisher keinerlei Abweichungen von einem Normverhalten. Sie war weder besonders unruhig noch aggressiv. Bella erhält als ständige Medikation Gestagene zur Läufigkeitsunterdrückung, dies wirkt sich nach allgemeinen Forschungsergebnissen nicht auf die Aggressivität der Hunde aus, bewirkt aber eine temporäre Kastration, wobei im Hinblick auf die Kastration anzunehmen ist, daß der Hund eher ruhiger wird. Bella ist ein Hund, der viel bellt. Insbesondere dann, wenn fremde Personen die Ziehrerstraße entlang gehen, läuft sie den Zaun am Grundstück entlang, wobei sie stark bellt. Es ist dies ein normales Verhalten eines Hundes, der sein Territorium verteidigen will. Wenn sich Bella im Garten aufhält, ist üblicherweise das Tor geschlossen. Einmal hat Bella einen anderen Hund angegriffen, wobei aber der andere Hund die Rauferei begonnen hatte. Bella wiegt 24 kg und ist etwa einen halben Meter groß. Sie wurde nach der Pensionierung des Zweitbeklagten, die nach dem gegenständlichen Vorfall erfolgte, in ihrem Verhalten etwas ruhiger. Früher war sie viel allein und bellte daher mehr.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Hündin der Beklagten habe bis zur Verletzung der Klägerin keinen Anlaß zur Besorgnis gegeben, daß sie andere Hunde oder Menschen angreifen könne, es habe kein Anlaß bestanden, besondere Vorsicht walten zu lassen. Die Unterlassung einer nach der Auffassung des Verkehrs vernünftigerweise zu erwartenden Vorkehrung könne den Beklagten nicht angelastet werden. Selbst bei einem Losreißen des Hundes habe nicht davon ausgegangen werden können, das Tier werde eine auf der Straße befindliche Person angreifen und verletzen. Ein sonst gutmütiger und harmloser Hund bedürfe keiner besonderen Aufsicht, es genüge die übliche Verwahrung. Ein Verschulden der Beklagten im Sinne des § 1320 ABGB könne nicht erkannt werden, da der Erstbeklagten als Halterin des Hundes eine mangelnde Beaufsichtigung nicht vorgeworfen werden könne. Daß der Zweitbeklagte, in dessen Obhut sich der Hund befunden habe, für die Beaufsichtigung ungeeignet gewesen sei, sei von der Klägerin nicht einmal behauptet worden. Daß der Zweitbeklagte die ordnungsgemäße und erforderliche Verwahrung des Hundes vernachlässigt habe, sei aufgrund des festgestellten Sachverhaltes nicht anzunehmen. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, nach den Feststellungen des Erstgerichtes sei davon auszugehen, daß die Erstbeklagte Halterin des Hundes Bella sei. Da das Erstgericht nicht festgestellt habe, daß das Tatsachengeständnis des Zweitbeklagten hinsichtlich der Haltereigenschaft unrichtig sei, sei von der Haltereigenschaft beider Beklagten auszugehen. Unabhängig davon, ob man die Haftung des Tierhalters nach § 1320 ABGB als verschuldensunabhängige Haftung oder als Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast ansehe, obliege der Beweis dafür, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt habe, jedenfalls dem Tierhalter. Die Bestimmung des Maßes der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung habe in elastischer und den Umständen des Einzelfalles Rechnung tragender Weise zu erfolgen. Eine Rolle spielten die Gefährlichkeit des Tieres nach seiner Art und Individualität, die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Tierverhalten und eine angemessene Interessenabwägung (einerseits Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen - andererseits die Zumutbarkeit besonderer Maßnahmen durch Einzäunen, Anketten und Führen an der Leine). Bezüglich des spezifischen Tierverhaltens spiele es eine wesentliche Rolle, in welchen besonderen Verhältnissen sich das Tier befinde, insbesondere, ob es mit vielen Menschen in Kontakt komme oder kommen könne, ob sich darunter etwa auch Kinder befänden, die durch ihre eigene Unberechenbarkeit und mangelnde Einsicht etwa die von einem Tier ausgehende typische Gefahr zusätzlich noch vergrößerten. In der von der Klägerin zitierten Entscheidung ZVR 1962/19 sei wie im vorliegenden Fall davon ausgegangen worden, daß das Tier nicht bösartig gewesen sei, es sei auch nicht hervorgekommen, daß es sich schon früher einmal losgerissen gehabt habe oder nicht gehorcht hätte. Allerdings habe das Tier dort schon einmal ein achtjähriges Kind angesprungen gehabt und sei zweimal mit einer vorbeifahrenden Radfahrerin ein Stück mitgelaufen. Heftiges Bellen eines gutmütigen und nicht rauflustigen Wachhundes, der noch nie einen Menschen angefallen oder gebissen habe, sich aber wie gewöhnlich auch frei habe bewegen können, sei noch nicht als Eigenschaft angesehen worden, die es geboten erscheinen ließe, ihn so sicher zu verwahren, daß er nicht auf die Straße gelangen könnte. Beide (rechtlich unterschiedlich beurteilten) Sachverhalte zeigten für die Beurteilung des gegenständlichen Rechtsstreites Parallelen auf. Ausschlaggebend erscheine zum Nachteil der Beklagten, daß die Hündin Bella üblicherweise auf der umzäunten Liegenschaft abgeschlossen gehalten worden sei. Sei - wie am Unfallstag - die Liegenschaft verlassen worden, sei Bella (offenkundig) an der Lein geführt worden. Daß dies nicht notwendig gewesen wäre, hätten die Beklagten nicht geltend gemacht. Auch bei dem vom Gericht durchgeführten Ortsaugenschein sei Bella an der Leine gehalten worden, so daß es also auch die Beklagten für notwendig erachtet hätten, das Tier in Gegenwart fremder Menschen anzuleinen. Auch wenn der gegenständliche Vorfall der erste Angriff auf einen Menschen gewesen sei, zeige doch der Umstand, daß das bei Passanten sonst stark bellend am Zaun entlang laufende Tier sofort durch die offene Tür entwischt sei und sein "Revier" verlassen habe, eine entsprechende Unberechenbarkeit auf. Die Sachlage liege daher anders als bei einem erstmals beißenden Tier, dessen Halter aufgrund des bisherigen gutmütigen Verhaltens im Kontakt mit vielen und unbekannten Menschen zu Recht auf die Gutmütigkeit des Tieres vertraut habe, wogegen im vorliegenden Fall das Verhalten im Kontakt zu Menschen außerhalb der Liegenschaft nicht von vornherein gesichert als gutmütig anzunehmen gewesen sei. Desweiteren träfe auch das Argument der Klägerin zu, auch das Halten des Tieres am Halsband auf der eigenen Liegenschaft, um es ins Haus zu führen, zeige, daß dies der Zweitbeklagte selbst (in Anbetracht des offenen Tores) für notwendig erachtet habe. Wenn in der Berufungsbeantwortung darauf hingewiesen worden sei, Hunde würden sich bekanntlich lieber im Freien als im Haus aufhalten, werde damit das Argument, der Zweitbeklagten selbst habe mit dem allfälligen Losreißen gerechnet, nicht entkräftet. Handle es sich bei Bella um ein unfolgsames Tier, welches nicht auf bloßen Zuruf in das Haus gehe, sondern am Halsband dort hineingeführt werden müsse, was im übrigen nicht behauptet worden sei, würde sich wegen dieser Unfolgsamkeit eine zusätzliche Gefährlichkeit aufgrund des spezifischen Tierverhaltens ergeben, weshalb jedenfalls das Tor hätte geschlossen werden müssen. Andernfalls (und dies sei aufgrund einer nicht hervorgekommenen Unfolgsamkeit des Tieres anzunehmen), liege die von der Klägerin angestellte Überlegung nahe. Es wäre daher erforderlich gewesen, entweder das Gartentor zu schließen oder den Hund an der Leine in das Haus zu führen. Wenn es der Zweitbeklagte trotzdem vorgezogen habe, den Hund bloß am Halsband festzuhalten, dann hätte er die erforderliche Aufmerksamkeit anwenden müssen, daß der Hund, der immerhin 24 kg wiege und einen halben Meter groß sei, nicht entweichen könne. Die Haftung der Erstbeklagten als Halterin ergebe sich ebenfalls aus dem nicht erbrachten Beweis der Vorsorge für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung. Sie habe nicht vorgebracht, daß es sich beim Offenlassen des Tores zur Straße zu einem Zeitpunkt, als die Hündin Bella nicht gleichzeitig entsprechend an der Leine gehalten worden sei, bloß um einen einmaligen und daher von ihr nicht vorauszusehenden Vorfall gehandelt habe, auch wenn das Tor üblicherweise geschlossen sei, wenn sich Bella im Garten aufhalte. Die letztere Feststellung schließe nicht das Fehlen einer Übereinkunft der beiden Halter aus, bei geöffnetem Tor besonders auf das ausreichende Halten des Tieres an der Leine zu achten. Ausgehend von der Haftung der Beklagten sei das Verfahren gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO mangelhaft, weil die Schadenshöhe nicht erörtert und die dazu angebotenen Beweise noch nicht aufgenommen worden seien. Die Beklagten bekämpfen den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragen die Wiederherstellung des Ersturteiles. Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß der auf Seite 1 des Beschlusses des Berufungsgerichtes vom 19. Jänner 1989 unter "wegen" mit S 393.536,72 samt Anhang angegebene Streitgegenstand unrichtig ist. Gegenstand des erstgerichtlichen Verfahrens und des erstgerichtlichen Urteiles waren der im Urteilsantrag (AS 6) angeführte und während des Verfahrens nicht geänderte Betrag von S 313.536,72 samt Anhang und das mit S 50.000,- bewertete Feststellungsbegehren. Demgemäß haben die Parteien in ihren Schriftsätzen auch einen Streitwert von zusammen S 363.536,72 angegeben.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sei eine Haftung der beiden Beklagten für die Schäden der Klägerin zu bejahen, kann allerdings nicht geteilt werden. Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte (§ 1320 ABGB). Daß beide Beklagten Halter der Hündin Bella sind, wird im Rekurs nicht bestritten, dies entspricht auch der Rechtsprechung (SZ 55/62 ua). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, macht es im vorliegenden Fall keinen Unterschied, ob die Haftung nach § 1320 ABGB im Sinne der herrschenden Lehre und Rechtsprechung eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast ist (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1320; Schwimann/Harrer, ABGB, V, § 1320 Rz 20; SZ 45/126; JBl 1971, 631 ua) oder ob es sich um eine verschuldensabhängige Haftung handelt (Koziol Haftpflichtrecht2, II, 406; JBl 1982, 150). Die Beklagten müßten, um sich von der Haftung zu befreien, auf alle Fälle beweisen, für die erforderliche Verwahrung gesorgt zu haben. Welche Maßnahmen zur Verwahrung im einzelnen notwendig sind, richtet sich nach den dem Tierhalter bekannten oder erkennbaren Eigenschaften des Tieres und den jeweiligen Umständen (ZVR 1974/140, ZVR 1975/78 ua). Eine Haftung des Tierhalters tritt nur ein, wenn er die nach den ihm bekannten oder doch erkennbaren Eigenschaften des Tieres erforderliche und nach der Verkehrsauffassung von ihm vernünftigerweise zu erwartende Verwahrungspflicht vernachlässigt hat (RZ 1985/28;

EvBl 1986/111 ua). Die Anforderungen an die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht dürfen aber nicht in einem solchen Maße überspannt werden, daß dadurch das Halten von an und für sich ungefährlichen Haustieren unmöglich gemacht wird (Schwimann/Harrer, aaO, § 1320 Rz 10; JBl 1968, 36; ZVR 1974/140; JBl 1982, 494; ZVR 1982/325; RZ 1985/28). Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagten der Klägerin für die Verletzungsfolgen haften, ist somit, ob die Hündin Bella gutmütig ist und ob die Beklagten damit rechnen mußten, sie könnte für Menschen eine Gefahr darstellen. Die Beklagten brachten vor, die Hündin sei gutmütig und harmlos und auch das Erstgericht ging davon aus. Eine Feststellung hat das Erstgericht in dieser Hinsicht allerdings nicht getroffen, sondern lediglich festgestellt, die Hündin habe beim Tierarzt keinerlei Abweichungen von einem Normverhalten gezeigt. Im übrigen fehlt über das Verhalten der Hündin außerhalb der Liegenschft der Beklagten jegliche Feststellung. Die Ausführung des Erstgerichtes, die sonst gutmütige und harmlose Hündin habe keiner besonderen Aufsicht bedurft, ist daher durch die Feststellungen nicht gedeckt. Allerdings reichen auch die vom Berufungsgericht angeführten Gründe nicht aus, um eine Haftung zu begründen. Daß die Hündin üblicherweise auf der Liegenschaft der Beklagten verwahrt wird, kann den Beklagten nicht zum Nachteil gereichen, da Hunde in Städten üblicherweise, sofern nicht jemand mit ihnen unterwegs ist, in geschlossenen Gärten oder Wohnungen gehalten werden. Die Annahme des Berufungsgerichtes, die Hündin werde bei Verlassen der Liegenschaft an der Leine geführt, findet in den Feststellungen keine Deckung. Auch der Umstand, daß die Hündin während des gerichtlichen Augenscheines angeleint war, ist ohne Bedeutung, zumal die Hündin vor diesem Zeitpunkt bereits jemanden gebissen hatte und die Beklagten nun von einer von der Hündin allenfalls ausgehenden Gefahr Kenntnis hatten. Da nicht feststeht, aus welchen Gründen der Zweitbeklagte die Hündin am Halsband hielt, ergibt sich daraus noch nicht eine Kenntnis der Beklagten von einer Gefährlichkeit der Hündin. Auch aus der Tatsache, daß sich die Hündin losriß und auf die Straße lief, ergibt sich noch nicht, daß die Beklagten wußten, die Hündin sei unberechenbar und unfolgsam.

Die Frage, ob den Beklagten der Beweis gelungen ist, für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung gesorgt zu haben, kann daher erst beurteilt werden, wenn nähere Feststellungen über die Eigenschaften der Hündin und deren Verhalten außerhalb der Liegenschaft gegenüber ihm fremden Menschen und Hunden getroffen wurden.

Den Rekursausführungen, die Erstbeklagte hafte schon deshalb nicht, weil sie die Hündin an diesem Tag dem Zweitbeklagten zur Verwahrung überlassen habe und die Eignung des Zweitbeklagten zur ordnungsgemäßen Verwahrung der Hündin außer Zweifel stehe, ist zu erwidern, daß es Sache der Erstbeklagten wäre, zu behaupten und zu beweisen, die Verwahrung der Hündin einer geeigneten Person anvertraut zu haben. Ein derartiges Vorbringen hat die Erstbeklagte bisher nicht erstattet, zumal sie in erster Instanz bestritt, Halterin der Hündin zu sein. Bemerkt sei, daß die von Reischauer aaO, Rz 8 offenbar vertretene Ansicht, bei Haftung eines Halters hafte der andere auf alle Fälle ebenfalls solidarisch, nicht geteilt wird. Diese Ansicht steht mit der Rechtsprechung in Widerspruch (SZ 35/45, SZ 55/62 ua).

Die Sache erweist sich daher - wenn auch aus anderen als vom Berufungsgericht angeführten Gründen - als nicht spruchreif, weshalb dem Rekurs im Ergebnis ein Erfolg zu versagen war. Die vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung über die Schadenshöhe wird nur erforderlich sein, falls das ergänzende Verfahren eine Haftung zumindest eines der Beklagten ergibt. In diesem Fall wird es auch erforderlich sein, zur Frage der Berechtigung des Feststellungsbegehrens Feststellungen zu treffen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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