Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 20.157 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Enteignungserkenntnis der (szt) Landeshauptmannschaft Oberdonau vom 21. Juni 1939, E/II-Zl. 1240/5-1939, wurde auf Ersuchen der (szt) Deutschen Reichsbahn - eines Sondervermögens des (szt) Deutschen Reiches mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung, aber ohne eigene Rechtspersönlichkeit - die hier klagende Landeshauptstadt Linz als Grundeigentümerin verpflichtet, im Bereich der KG W***** unbebaute Grundflächen (im Ausmaß von 27.843 m2) iS des § 3 Punkt 1 des Gesetzes vom 18. Februar 1878, RGBl 30, betreffend die Enteignung zum Zwecke der Herstellung und des Betriebes von Eisenbahnen, idF des Art 52 des VerwaltungsentlastungsG vom 21. Juli 1925, BGBl 277, bzw der Kaiserlichen Verordnung vom 16. Oktober 1914, RGBl 284, und der Verordnung des Eisenbahnministeriums vom 28. Februar 1915, RGBl 54, dem Deutschen Reichsschatz Deutsche Reichsbahn ganz oder zum Teil "dauernd in das Eigentum abzutreten, da Letzterer das Enteignungsrecht zusteht und nach dem Ergebnisse der politischen Begehung die oben bezeichneten Grundflächen und Rechte zum Baue des neuen Personenbahnhofes in Linz notwendig sind". Mit in Form einer Niederschrift vor dem (szt) Amtsgericht Linz zu AZ 5 Nc 399/41 zwischen der klagenden Partei und der Deutschen Reichsbahn abgeschlossenen Übereinkommen vom 4. März 1941, wurde festgehalten, beide Parteien seien sich darüber einig, daß die Enteignung auf die nicht enteigneten fünf Restflächen (im Ausmaß von 26.515 m2) "ausgedehnt" werden, "sodaß die nur zum Teil enteigneten fünf Parzellen als zur Gänze enteignet gelten". Enteignet wurden und als enteignet galten die Liegenschaft EZ 91 mit der Parzelle 538 sowie die Liegenschaft EZ 63 mit den Parzellen 210/12, 210/2, 273/2, 272, 271 und 269 im Gesamtausmaß von 54.358 m2. In Punkt 5) des Übereinkommens vom 4. März 1941 wurde auf einen am 18. April 1940 zwischen Adolf Hitler und der Deutschen Reichsbahn geschlossenen Kaufvertrag Bezug genommen, wonach das durch den Bau des neuen Personenbahnhofes Linz und anderer Bauvorhaben freiwerdende Reichsbahngelände in Linz von der Deutschen Reichsbahn an Adolf Hitler verkauft wird; für den Fall, daß dieser Verkauf nicht zur Durchführung kommen sollte, verpflichtete sich die Deutsche Reichsbahn, der hier klagenden Partei eine weitere Entschädigung (Unterschied zwischen 2,50 RM/m2 und dem ortsüblichen Handelspreis) zu leisten. Die hier klagende Partei erhielt die mit Übereinkommen vom 4. März 1941 vereinbarte Entschädigung von 2,50 RM/m2, insgesamt 135.859 RM, noch im Jahre 1941 ausbezahlt; die Enteignung wurde grundbücherlich durchgeführt. Der neue Personenbahnhof Linz wurde nicht gebaut; der Vertrag zwischen der Deutschen Reichsbahn und Adolf Hitler kam nicht zur Durchführung. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 11. Jänner 1957 wurde aufgrund der Bestimmungen des Art 22 des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 und § 11 Abs 1 des 1. StaatsvertragsdurchführungsG (1.StVDG) an den enteigneten Grundstücken das Eigentumsrecht für die beklagte Republik Österreich einverleibt.
Das von der hier klagenden Partei gegen die hier beklagte Partei zu AZ 1 Cg 76/75 des Landesgerichtes Linz unter Hinweis auf Punkt 5b) des Übereinkommens vom 4. März 1941 bezüglich eines von der szt. Enteignung erfaßten Grundstückes gerichtete Begehren auf Bezahlung des Unterschiedes auf den von der klagenden Partei errechneten ortsüblichen Handelspreis wurde in allen drei Instanzen abgewiesen (hg 7 Ob 30/76, veröffentlicht in JBl 1977, 37).
Am 19. März 1976 stellte die hier klagende Partei an das Amt der Oberösterr. Landesregierung folgende Anträge:
a) Es wolle bescheidmäßig festgestellt werden, daß im einzelnen bezeichnete Grundstücke bzw Grundstücksteile nicht zu jenem Zweck verwendet wurden, für den sie enteignet worden sind, und daß daher kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der mit
Bescheid ... vom 21. Juni 1939 ... ausgesprochenen Enteignung besteht, daß somit der Rechtsgrund für die Enteignung dieser Grundflächen weggefallen ist;
b) es wolle bescheidmäßig das Enteignungserkenntnis vom 21. Juni 1939 hinsichtlich der in lit. a bezeichneten Grundstücke aufgehoben werden;
c) es wolle der hier beklagten Partei der Auftrag erteilt werden, die in lit. a bezeichneten Grundstücke der hier klagenden Partei ins Eigentum grundbücherlich zu übertragen; dies alles Zug um Zug gegen Rückzahlung des Betrages von 135.895 S samt 4 % Zinsen aus den letzten drei Jahren vor Zustellung des sohin beantragten Bescheides.
Das (szt) BMV hat über Devolutionsantrag des am Verfahren beteiligten Bundes (österr. Bundesbahnen) mit Bescheid vom 9. Februar 1978, Z EB 24.221/2-II/2-1978, den Antrag auf Aufhebung des Enteignungserkenntnisses ... sowie Rückübertragung der zugunsten der Deutschen Reichsbahn enteigneten Grundflächen infolge nachträglichen Wegfalles des Enteignungszweckes abgewiesen. Infolge Beschwerde der hier klagenden Partei nach § 144 B-VG hob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, B 211/78-16 (Beilage I im Beiakt 2 Cg 11/84 des Landesgerichtes Linz; veröffentlicht in VfSlg 8982 und ZfVB 1981/4/1168), diesen Bescheid als verfassungswidrig auf, zum mit c) bezeichneten Begehren, weil darüber die ordentlichen Gerichte zu befinden hätten; zum mit b) bezeichneten Begehren, weil die belangte Behörde mit der auf § 37 Abs 1 bis 3 EisbEG 1954 gestützten Abweisung das Gesetz in einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Weise verkannt und damit die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentum verletzt habe; § 37 EisbEG enthalte keine für die Rückgängigmachung einer zweckverfehlten Enteignung abschließende Regelung, ein Enteignungsbeschluß könne auch außerhalb der engen Voraussetzungen des § 37 aufgehoben werden, insbesondere dann, wenn sich außerhalb der Jahresfrist des § 37 ergebe, daß der Enteignungszweck nicht verwirklicht worden sei. Über das mit a) bezeichnete Feststellungsbegehren sei nicht entschieden worden.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dann infolge Säumnisbeschwerde der hier klagenden Partei vom 16. September 1991 - das im Erkenntnis des VfGH mit
b) bezeichnete Begehren auf Aufhebung des szt.
Enteignungserkenntnisses war nicht Gegenstand der Säumnisbeschwerde - anstelle des säumigen BMV und des säumigen Landeshauptmanns von Oberösterreich 1) mit Teilerkenntnis vom 22. Dezember 1982, Zl. 81/03/0210/15 (veröffentlicht in VwSlgNF 10.938 A), das Feststellungsbegehren der hier klagenden Partei insoweit zurückgewiesen, als sich dieses auf von der Deutschen Reichsbahn vertraglich mit Übereinkommen vom 4. März 1941 erworbene Grundflächen bezog (Teilbegehren zu a), und soweit der hier beklagten Partei der Auftrag erteilt werden sollte, im einzelnen angeführte Grundstücksflächen der hier klagenden Partei grundbücherlich ins Eigentum zu übertragen (Begehren c), und 2) mit Erkenntnis vom 15. Mai 1985, Zl. 81/03/0210/26 (Beilage II im Beiakt 2 Cg 11/84 des Landesgerichtes Linz, veröffentlicht in ZfVB 1986/1/267), nach Präzisierung und Richtigstellung der Flächenbezeichnungen, infolge der Bindung an die Rechtsanschauung des VfGH im Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, B 211/78-16, im Falle eines Ersatzbescheides dem Feststellungsbegehren in Ansehung der mit Enteignungserkenntnis vom 21. Juni 1939 enteigneten Grundflächen im wesentlichen stattgegeben und nur in Ansehung zweier Teilflächen, bei denen der Enteignungszweck verwirklicht wurde, nicht stattgegeben.
Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Abgabe zweier, jeweils eine Präambel enthaltenden Aufsandungserklärungen Zug um Zug gegen Bezahlung der in öS umgerechneten Enteignungsentschädigung von 2,395.819,80 S. Gegenstand der Aufsandungserklärungen ist die lastenfreie Abschreibung von im einzelnen angegebenen Grundstücken und Grundstücksteilen, deren Bezeichnung sich zum Teil erst aus den Vermessungsplänen der klagenden Partei ergibt, und Zuschreibung derselben zu schon bestehenden oder neu zu eröffnenden Grundbuchskörpern. Die Grundstücke, deren Rückübereignung begehrt werde, hätten ohne die bereits rückübereigneten und seinerzeit tatsächlich für Bahnzwecke verwendeten Flächen ein Restflächenausmaß von
23.431 m2.
Die beklagte Partei trat diesem Begehren neben der Behauptung, das Klagebegehren beträfe nicht existente Grundstücke und solche, die nicht im Enteignungserkenntnis genannt seien, mit einer Reihe rechtlicher Einwendungen entgegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwar könne einer Enteignung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rückgängig gemacht werden, wenn ein enteignetes Grundstück nicht für den vorgesehenen Zweck verwendet worden sei; der geltend gemachte Anspruch müsse aber verneint werden. Bei Abschluß des österr. Staatsvertrages habe die beklagte Partei die Verpflichtung zur Leistung umfangreicher Zahlungen auf sich nehmen müssen. Dafür stelle die Überlassung des ehemaligen deutschen Eigentums ohne Übernahme der daraus entstehenden Verbindlichkeiten eine gewisse Gegenleistung dar. Es erscheine daher sachlich gerechtfertigt, Österreich von der Leistung weiterer Zahlungen zu befreien. Diese schon in einem dieselben Parteien betreffenden Verfahren vom Obersten Gerichtshof geäußerte und in JBl 1977, 37 veröffentlichte Rechtsansicht gelte auch für den Anspruch auf Rückübertragung der nicht dem Enteignungszweck zugeführten Grundstücke.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Der Entscheidungsgegenstand übersteige 50.000 S; die ordentliche Revision wurde zugelassen. In rechtlicher Hinsicht verneinte die zweite Instanz den Klagsanspruch im wesentlichen schon deshalb, weil der Enteignungsbescheid nicht aufgehoben worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die klagende Partei war 1939 Eigentümerin von Liegenschaften im Bereich der KG W*****, die zum Teil mit Hoheitsakt (Enteignungserkenntnis vom 21. Juni 1939), zum Teil mit Vertrag (Übereinkommen vom 4. März 1941) an die (szt) Deutsche Reichsbahn übertragen wurden. Die klagende Partei begehrt im Ergebnis die mangels bestehender Sondervorschrift nach privatrechtlichen Grundsätzen (§§ 877, 1435 f ABGB) vorzunehmende Rückabwicklung einer wegen Nichtverwirklichung des mit ihr verfolgten Zwecks erfolgten Enteignung (Spielbüchler in Rummel2, § 365 ABGB Rz 7; vgl auch Bydlinski, Rückübereignungs- und Vergütungsansprüche bei zweckverfehlter Enteignung in JBl 1972, 129 ff). Durch die Bezugnahme auf das Erkenntnis des VwGH vom 15. Mai 1985 in der Klage hat die klagende Partei hinreichend deutlich klargestellt, daß sie im Ergebnis die Rückstellung der Grundflächen begehrt, die nicht durch Vertrag (Übereinkommen vom 4. März 1941) übertragen wurden - ein derartiger, nach § 1435 ABGB zu beurteilender Anspruch wäre zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 14. März 1990 auch längst verjährt - und die auch nicht für Eisenbahnzwecke Verwendung fanden. Dem entspricht auch das Vorbringen in der Berufung der klagenden Partei, der Einwand der beklagten Partei, wonach die Grundstücke "gekauft" worden seien, beziehe sich nicht auf die klagsgegenständlichen Grundstücke, sondern auf jene, die im Spruch des Teilerkenntnisses des VwGH vom 22. Dezember 1982 genannt sind (ON 12 AS 65). Es ist daher nur zu prüfen, ob die mit Hoheitsakt (Enteignungserkenntnis vom 21. Juni 1939) erfolgte Enteignung von Grundflächen rückabzuwickeln ist. Bydlinski (aaO) hat dazu die analoge Anwendung des § 1435 ABGB vorgeschlagen. Der Verfassungsgerichtshof anerkennt (JBl 1987, 510; VfSlg 8982 - die vorliegende Enteignung betreffend -, 8981, 8980 ua; zustimmend Morscher in JBl 1981, 314 ff und Pernthaler in ÖZW 1981, 27; vgl auch Aicher in ÖZW 1980, 24 ff; Kühne-Hofmann-Nugent-Roth, Eisenbahnenteignungsgesetz 46 f, 155 f) diese Rückgängigmachung als dem Rechtsinstitut der Enteignung immanenten Anspruch des Enteigneten wie als Pflicht des Enteigners gegen Austausch der Entschädigung, auch wenn das entsprechende Enteignungsgesetz eine solche Rückgängigmachung nicht vorsieht, wogegen nach der Rechtsprechung des VwGH (VwSlgNF 10.972 A, 9677 A) und des Obersten Gerichtshofes (SZ 47/152; JBl 1975, 321 f; SZ 39/216 mwN; so auch Klang in Klang2 II 202 f; Pimmer in Schwimann, § 365 ABGB Rz 15), ein Anspruch des Enteigneten auf Rückübertragung der enteigneten Sache bei nachträglichem Wegfall des Enteignungszweckes nur dort besteht, wo ihn das Gesetz ausdrücklich erwähnt (wie § 37 EisbEG, § 70 Abs 2 WRG oder § 20 a BStG idgF).
Die Frage muß hier nicht entschieden werden: Folgt man der in den bezeichneten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung, ist die Klage schon deshalb abzuweisen, weil eine gesetzliche Bestimmung der bezeichneten Art, wie die klagende Partei selbst einräumen muß, nicht besteht. Folgt man hingegen der Rechtsansicht des VfGH, muß die Klage daran scheitern, daß der Enteignungsbescheid von der Verwaltungsbehörde nicht aufgehoben wurde. Der VfGH sieht das Eigentum des Enteigners als ein, bedingt durch die Verwirklichung der vom Gesetz als Enteignungsgrund vorgesehenen öffentlichen Zwecke, vorbehaltenes Eigentum an, welches erst mit der Verwirklichung des Zweckes (mag dieser auch später wieder aufgegeben werden) zum nunmehr einer Rückübereignung entgegenstehenden "Volleigentum" erstarke (vgl dazu VfSlg 8981). Die Aufhebung des Enteignungsbescheides trägt diesem der Enteignung schon in der Wurzel anhaftenden Vorbehalt Rechnung, beseitigt den Erwerbstitel rückwirkend (ex tunc), bezweckt als contrarius actus die Rückverschaffung des Eigentums und macht daher den Enteigneten (sofern das Gesetz nicht etwa eine Wiedereinweisung in den Besitz odgl vorsieht) mit Rechtskraft wieder zum Eigentümer (Spielbüchler aaO). Der einen derartigen Bescheid anstrebende Antrag (b) der hier klagenden Partei wurde vom BMV abgewiesen und dieser abweisende Bescheid vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben. Daß ein dem Begehren
b) entsprechender Bescheid dann erlassen worden wäre, behauptet die klagende Partei gar nicht. Aktenkundig ist dazu, daß die zu den Erkenntnissen des VfGH führende Säumnisbeschwerde der hier klagenden Partei dieses Begehren nicht zum Inhalt hatte. Das (deshalb) bloß feststellende Erkenntnis des VwGH vom 15. Mai 1985 kann aber einen das Enteignungserkenntnis vom 21. Juni 1939 rechtskräftig aufhebenden Bescheid nicht ersetzen, weil es nicht konstitutiv ist (Walter-Mayer, Grundriß des österr. Verwaltungsverfahrensrechts4 Rz 404, 406) und das Feststellungsbegehren eben nur ein Teilaspekt des von der klagenden Partei gestellten Begehrens auf Aufhebung des Enteignungsbescheides (VfGH JBl 1987, 510), somit einer angestrebten rechtsgestaltenden Entscheidung der Verwaltungsbehörde, ist.
Schon aus diesem Grund ist der Revision nicht Folge zu geben, ohne daß auf die Rechtsmittelausführungen zum 1.StVDG einzugehen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Nebenintervenientin beteiligt sich nicht am Revisionsverfahren.
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