Spruch:
Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden die Beschlüsse der Vorinstanzen und das Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.
Die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Begründung
Der Kläger, ein im Sprengel des Erstgerichtes ansässiger Holzexporteur, begehrt von der beklagten Partei, die ihren Sitz in Neapel hat, insgesamt S 903.155,95 samt Anhang für im Zeitraum Oktober 1990 bis September 1991 getätigte Holzlieferungen abzüglich geleisteter Teilzahlungen auf einzelne Rechnungssummen.
Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichtshofes berief sich der Kläger zunächst auf eine in einem Schlußbrief festgelegte Zuständigkeitsvereinbarung der Parteien nach § 104 JN, in der Folge hilfsweise auch auf den Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN, weil die beklagte Partei eine vom Kläger allerdings bestrittene Gegenforderung behaupte und schließlich auf den Gerichtsstand für Warenlieferungen der Kaufleute nach § 87a JN.
Die beklagte Partei erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Eine Gerichtsstandvereinbarung für die in der Klage geltend gemachten Forderungen liege nicht vor, die Vereinbarung im Schlußbrief betreffe eine frühere, nicht klagsgegenständliche Lieferung.
Das Erstgericht wies die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zurück. Es ging davon aus, daß die in dem als urkundlichen Nachweis vorgelegten Schlußbrief vom 9.11.1989 enthaltene Gerichtsstandvereinbarung der Streitteile den Kauf und die Lieferung von drei Waggons Schnittholz am 1.12.1989 betreffe, daher nicht für die wesentlich später erfolgten hier in Frage stehenden Bestellungen und Lieferungen herangezogen werden könne. Mangels einer geltend gemachten konkreten Gegenforderung komme der Vermögensgerichtsstand nach § 99 Abs 1 JN nicht in Betracht. Der Kläger habe durch Vorlage eines in italienischer Sprache verfaßten Bestellschreibens vom 12.9.1990 und von Ablieferungsnachweisen für zumindest zwei der klagsgegenständlichen am 2.10.1990 (Rechnung Nr.175) und 15.10.1990 (Rechnung Nr. 216) mit S 76.214,40 und S 62.263,32 in Rechnung gestellten Lieferungen den urkundlichen Nachweis der Bestellung und Ablieferung erbracht. Seien die Voraussetzungen für den Gerichtsstand des § 87a JN aber für zwei der geltend gemachten Rechnungssummen gegeben, sei das angerufene Gericht auch für die übrigen geltend gemachten Forderung örtlich zuständig.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge und sprach aus, daß das Landesgericht Leoben örtlich unzuständig sei. Es führte aus, der Kläger habe zwar behauptet, der Schlußbrief vom 9.11.1989 sei als Rahmenvertrag auch für alle weiteren Holzlieferungen an die beklagte Partei anzusehen; das Erstgericht sei dem aber nach Einvernahme des Klägers und einer Zeugin nicht gefolgt. Ein urkundlicher Nachweis eines über das Kaufgeschäft des Schlußbriefes hinausreichenden Geltungsbereiches der darin enthaltenen Gerichtsstandvereinbarung sei nicht erbracht. § 104 JN könne zur Begründung einer örtlichen Zuständigkeit daher nicht herangezogen werden.
Als urkundlichen Nachweis im Sinne des § 87a JN habe der Kläger nur zwei idente Fotokopien eines in italienischer Sprache verfaßten Schreibens der beklagten Partei ohne deutsche Übersetzung vorgelegt, welchen einmal die Rechnung Nr 175, das andere Mal die Rechnung Nr 216 angeheftet sei. In sinngemäßer Anwendung des Art 8 B-VG sei zu fordern, daß die vom Gesetz geforderte Urkunde dem Gericht in deutscher Übersetzung vorgelegt werde. Da dies bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede nicht geschehen sei, könne sich der Kläger auch nicht auf den örtlichen Anknüpfungspunkt nach § 87a JN berufen. Auf die Frage, welche Auswirkungen eine für zwei Lieferungen bejahte örtliche Zuständigkeit auf die weiteren mit der Klage verfolgten Ansprüche habe, sei daher nicht mehr einzugehen.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob der nach § 87a JN geforderte urkundliche Nachweis durch Vorlage einer in fremder Sprache verfaßten Urkunde ohne deutsche Übersetzung erbracht werden könne, nicht bekannt sei.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß des zulässigen Revisionsrekurses war der Nichtigkeitsgrund der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit, welche vor der von den Vorinstanzen allein behandelten örtlichen Zuständigkeit zu prüfen ist, wahrzunehmen.
Da eine gültige Gerichtsstandvereinbarung gemäß § 104 JN, zu deren Feststellung und Auslegung Zeugen- und Parteieneinvernahmen nicht in Betracht kommen, die vielmehr nur urkundlich nachgewiesen werden kann (zuletzt 5 Ob 503/93), nicht vorliegt, weil sich aus dem zum Nachweis vorgelegten Schlußbrief vom 9.11.1989 eine über Streitigkeiten aus der dort vereinbarten Lieferung hinausgehende Gerichtsstandvereinbarung nicht ergibt, bleibt nur noch zu prüfen, ob der auch geltend gemachte Gerichtsstand nach § 87a JN im Zusammenhang mit den vom österreichischen Kläger nach Italien exportierten Waren zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit im Sinne der herrschenden Indikationentheorie ausreicht. Dies ist zu verneinen:
Die inländische Gerichtsbarkeit im Sinne der internationalen Zuständigkeit ist eine selbständige allgemeine Prozeßvoraussetzung. Ihr Vorliegen ist ausschließlich nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht, zu welchem aber vor allem auch die aus völkerrechtlichen Verträgen in das innerstaatliche Recht aufgenommenen Normen zu zählen sind, zu beurteilen. Derzeit fehlt es für vermögensrechtliche Streitigkeiten an positiv-gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen, unter denen solche Streitigkeiten mit sachlichen und persönlichen Auslandsbeziehungen von den inländischen Gerichten zu entscheiden sind. Im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, dem eine Vielzahl europäischer Staaten beigetreten ist, wird diese Lücke geschlossen. Die österreichische Regierung hat dieses Übereinkommen bereits unterzeichnet. Nach den jüngsten Entwicklungen darf angenommen werden, daß die Ratifizierung in Kürze erfolgen wird. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung SZ 65/141 = EvBl 1993/93 darauf hingewiesen, daß für die Bejahung der inländischen Zuständigkeit besonders berücksichtigungswürdige Inlandsbeziehungen des Verfahrensgegenstandes oder der Parteien erforderlich sind. Dies gebietet nicht nur eine sinnvolle Beschränkung der staatlichen Aufgaben aus organisatorischen und Kostengründen, sondern auch die Rücksichtnahme auf die Akzeptanz der typischerweise Angehörige ausländischer Staaten betreffenden innerstaatlichen Regelungen durch diese ausländischen Staaten, nicht zuletzt, um mögliche Retorsionen, von denen Inländer betroffen würden, zu vermeiden. In diesem Zusammenhang können auch Regelungen ausländischer Rchtsordnungen zur Lückenfüllung herangezogen werden und zur Gewichtung einzelner Tatbestandselemente sowie zur Bestimmung der Lösungstendenzen auch die Regelungen in Völkerrechtsverträgen (Lugano-Übereinkommen), die Österreich bereits unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat. In diesem Übereinkommen drückt sich zur Wahrung der Interessen des Beklagten die überragende Bedeutung des allgemeinen Gerichtsstandes aus (Art 2). Klägergerichtsstände sind nur in besonderen, eingeschränkten Fällen zulässig, sodaß auch vor Inkrafttreten des Übereinkommens für den österreichischen Rechtsbereich Ausnahmen von diesem Grundsatz nur aus überwiegendem Interesse des Klägers und im Zweifel nur eingeschränkt gemacht werden sollen. Denn ab Inkrafttreten kommt den Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens der Vorrang vor dem autonomen Recht zu. Die Zuständigkeitsvoraussetzungen sind im Abkommen abschließend geregelt (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Rz 15 vor Art 2).
Ein Klägergerichtsstand, der nur daran anknüpft, daß protokollierte Kaufleute wegen ihrer Forderungen aus einem im Kreise ihres Geschäftes erfolgten Verkauf auch vor dem Gericht ihrer Niederlassung klagen können, wenn sie die als Grundlage der Forderung dienende Bestellung und die tatsächliche Übernahme (Ablieferung) der Ware urkundlich nachweisen, und der dazu noch auf den Verkauf innerhalb zweier Jahre von der letzten Bestellung an gerechnet zeitlich begrenzt wird, ist dem Abkommen fremd und widerspricht dessen Grundgedanken und Zielsetzungen diametral. Die Lieferung von Waren durch einen österreichischen Exporteur in das Ausland stellt für sich allein noch keine ausreichende Inlandsbeziehung zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit dar. Sie wird aber - auch unter Berücksichtigung der völkerrechtlichen Normen zur Lückenfüllung im Interesse der notwendigen Annäherung an ein einheitliches europäisches Verfahrensrecht - durch das Vorliegen des Gerichtsstandes nach § 87a JN auch nicht in ausreichender Weise verstärkt, weil das Vorliegen der weiteren, rein formalen Voraussetzung des urkundlichen Nachweises der Bestellung und der tatsächlichen Übernahme keinen zusätzlichen Inlandsbezug darstellt. So hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 6 Ob 557/94 bei gleichartigem Inlandsbezug selbst das Vorliegen eines Fakturengerichtsstandes nach § 88 Abs 2 JN nicht als ausreichend für die Annahme der inländischen Gerichtsbarkeit angesehen, bei welchem, anders als nach § 87a JN, dem ausländischen Vertragspartner die einseitige Erklärung des inländischen Lieferanten auf der Faktura wenigstens schriftlich zur Kenntnis gelangt.
Das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit muß daher auch hinsichtlich jener Warenlieferungen, für die die in § 87a JN geforderten urkundlichen Nachweise gegeben wäre, verneint werden. Eine Ausdehnung auf nicht urkundlich nachgewiesene, ohne tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang in derselben Klage geltend gemachte weitere Lieferungen wäre keinesfalls in Betracht gekommen, weil nach § 227 Abs 1 ZPO das Prozeßgericht bei Klagenhäufung für jeden einzelnen geltend gemachten Anspruch sowohl sachlich als auch örtlich - von den in Abs 2 normierten Ausnahmen abgesehen - zuständig sein muß.
Der Ausspruch über die gegenseitige Kostenaufhebung beruht auf § 51 ZPO. Die beklagte Partei hat gegen die Einleitung und Fortsetzung des Verfahrens durch die klagende Partei lediglich den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit erhoben, den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit jedoch nicht geltend gemacht.
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