OGH 6Ob544/90

OGH6Ob544/9015.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Graf als weitere Richter in der Auskunftssache des Auskunftswerbers Dipl.Ing.Wilhelm P***, 4822 Bad Goisern, Bahnhofstraße 218, infolge Berufung des Genannten gegen den Bescheid des Kreisgerichtes Wels als Berufungsinstanz vom 17. Jänner 1990, GZ Jv 126-17a/90 (ON 5), womit die Berufung gegen den "Bescheid" (Schreiben) des Vorstehers des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 23. November 1989, GZ Jv 690/89-2, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Eine Sachentscheidung wird abgelehnt.

Text

Begründung

Mit Schreiben vom 19.November 1989 stellte der Beschwerdeführer beim Bezirksgericht Bad Ischl den Antrag auf Überprüfung aller Exekutionsakten, in denen Ing. Friederike K*** als Sachverständige beigezogen war, weil der begründete Verdacht bestehe, diese sei als Lebensgefährtin eines beim Bezirksgericht Bad Ischl tätigen Rechtspflegers nur "pro forma als Sachverständige bestellt worden" und habe "ihre Honorare" zu Unrecht und ohne Leistung bezogen. Zugleich verlangte der Beschwerdeführer die - ausdrücklich auf das Auskunftspflichtgesetz gestützte - "Auskunft mit Bescheidantrag" darüber, in welcher Form diese Überprüfung durchgeführt werde. Mit Schreiben vom 23.November 1989 antwortete der Vorsteher des Bezirksgerichtes Bad Ischl dem Auskunftswerber dahingehend, daß von ihm keine Auskünfte nach dem Bundesgesetz vom 15.Mai 1987, BGBl. Nr. 287, über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes erlangt werden könnten, weil inhaltlich Auskünfte über richterliche Tätigkeiten begehrt würden. Da es sich daher um Fragen der Rechtsprechung handle, seien diese Fragen der Weisung der Justizverwaltung entzogen.

Das Kreisgericht Wels hat - was allerdings nur dem auf der Urschrift seines Erkenntnisses befindlichen Abstimmungsvermerk, nicht aber den Ausfertigungen selbst zu entnehmen ist - durch einen gemäß § 73 Abs. 2 GOG zusammengesetzten Senat die vom Auskunftswerber dagegen erhobene Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses - in Bescheidform ergangene - Erkenntnis richtet sich die vom Auskunftswerber erhobene, beim Kreisgericht Wels eingebrachte Berufung, die der Präsident des Kreisgerichtes Wels zunächst dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz vorlegte. Dieser hat die Akten nunmehr dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung übermittelt, weil bereits ein Justizverwaltungssenat entschieden habe, so daß eine weitere Anfechtung im Justizverwaltungsweg nicht mehr in Frage komme.

Der Oberste Gerichtshof muß jedoch aus folgenden Gründen eine Sachentscheidung ablehnen:

Auch Gerichte befassen sich im Rahmen der Justizverwaltung mit Verwaltungsaufgaben. Gemäß Art. 87 Abs. 2 B-VG befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluß der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind, in Ausübung seines richterlichen Amtes. Danach sind also Einzelrichter bei der Besorgung von "Justizverwaltungssachen" nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes tätig, sie üben nicht Gerichtsbarkeit, sondern Verwaltung aus und sind dabei gemäß Art. 20 Abs. 1 B-VG weisungsgebunden (Rill in Ermacora-Winkler-Koja-Rill-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 43; Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 61). Insoferne stellt Art. 87 Abs. 2 B-VG für die Justizverwaltung durch Einzelrichter eine verfassungsrechtliche Ausnahme von dem im Art. 94 B-VG normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (auch in formeller Hinsicht) dar, weil ein Einzelrichter - und zwar dasselbe Organ - bei Besorgung seiner richterlichen Geschäfte weisungsfrei, bei Erledigung seiner Justizverwaltungsagenden hingegen weisungsgebunden ist (Koja aaO 62; Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 91). Aus Art. 87 Abs. 2 B-VG folgt aber auch, daß jene Justizverwaltungsgeschäfte, die von Richterkollegien (Senaten oder Kommissionen) zu besorgen sind, zur Gerichtsbarkeit gehören. Derartige Kollegien sind daher unabhängige Gerichte (Adamovich-Funk aaO 29; Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit, 21 ff; VwGH 1.2.1989, Zl. 88/01/0199; VfSlg. 6090, 6838, 7376, 7753 ua).

Gemäß § 73 Abs. 2 GOG entscheiden zwar - soweit nichts anderes bestimmt ist - die Gerichtshöfe erster Instanz und die Oberlandesgerichte über Angelegenheiten der Justizverwaltung in Senaten, die aus dem Präsidenten des Gerichtshofes oder seinem Stellvertreter als Vorsitzenden und zwei Richtern bestehen. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits - gerade im Hinblick auf den oben erwähnten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art. 94 B-VG), welcher insbesondere die Einrichtung eines Instanzenzuges zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (und umgekehrt) verbietet, - im Anschluß an Walter (aaO 25 f) ausgesprochen, daß die verfassungsrechtliche Ausnahmeregelung des Art. 87 Abs. 2 B-VG für die Justizverwaltung durch Einzelrichter noch keinen Anhaltspunkt für die Annahme biete, der Trennungsgrundsatz solle auch noch in einer anderen Richtung, etwa durch die Eröffnung eines Rechtsmittelzuges von einem Justizorgan zu einem solchen der Verwaltung oder umgekehrt, durchbrochen werden. Gerade weil danach ein Instanzenzug von einer Verwaltungsbehörde an ein Gericht ausgeschlossen wäre, sei daher die eine Justizverwaltungssache betreffende Entscheidung eines gemäß § 73 Abs. 2 GOG zusammengesetzten Senates nur dann dem Bereich der Gerichtsbarkeit zuzuordnen, wenn über diese Sache ein Justizverwaltungssenat auch bereits in erster Instanz zu befinden hatte (SZ 40/41 = EvBl. 1967/405 = JBl. 1968, 87; EvBl. 1969/251). Gemäß § 26 GOG führt der Vorsteher des Bezirksgerichtes die Dienstaufsicht über das gesamte Personal. Die Dienstaufsicht gehört nach den §§ 74 ff GOG zu den Geschäften der Justizverwaltung (Walter aaO 30); sie scheint auch im Aufgabenkatalog des § 11 Abs. 1 Geo über die Angelegenheiten der Justizverwaltung auf (Z 17). Auf sie finden daher die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 15. Mai 1987, BGBl. Nr. 287, über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz) Anwendung, weil danach zwar keine Auskünfte über eine richterliche Tätigkeit zu erteilen sind, aber die Justizverwaltung sehr wohl der Auskunftspflicht in dem Sinne unterliegt, als ihre Organe "über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen haben, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht" (§ 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG; vgl. auch die EBVR BlgNR 17. GP, 3; Harbich in AnwBl. 1988, 24).

Die Erteilung oder Verweigerung der vom Auskunftswerber im vorliegenden Fall begehrten Auskunft oblag daher, weil der Sache nach die Dienstaufsicht und damit eine Angelegenheit der Justizverwaltung angesprochen wurde, nach der ausdrücklichen Anordnung des § 26 GOG dem Vorsteher des Bezirksgerichtes Bad Ischl. Sie hatte also in erster Instanz nicht durch Senate oder Kommissionen zu erfolgen und ist damit auch dem Kompetenzbereich eines nach dem § 73 Abs. 2 GOG zusammengesetzten Kollegiums entrückt. Daraus folgt, daß sich die Mitglieder des solcherart zusammengesetzten Senates des Kreisgerichtes Wels bei der Behandlung der den Auskunftswerber betreffenden Auskunftssache nicht in Ausübung ihres richterlichen Amtes befunden haben konnten, sondern vielmehr in ihrer Gesamtheit als ein nicht mit den richterlichen Garantien ausgestattetes, kollegial besetztes Verwaltungsorgan tätig geworden sind. Dieser verfassungsrechtlichen Stellung war sich das mit der Sache befaßte Kollegialorgan auch durchaus bewußt, hat es doch das AVG angewendet, demgemäß - mit Bescheid - als Berufungsinstanz über das vom Auskunftswerber erhobene Rechtsmittel entschieden und in seiner Rechtsmittelbelehrung den Rechtsmittelzug an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz für zulässig erklärt. Die Sache war in erster Instanz und blieb daher auch im Rechtsmittelverfahren eine Verwaltungssache, in der weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in dem sich nach AVG anschließenden Rechtsmittelverfahren ein Gericht tätig geworden ist. Aus diesem Grunde wären auch die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 42 JN nicht gegeben (EvBl. 1969/251).

Da der Bescheid des Kreisgerichtes Wels somit keinen mit den rechtlichen Mitteln der Prozeßordnungen zu bekämpfenden, in den Zuständigkeitsbereich des Obersten Gerichtshofes fallenden Akt der Gerichtsbarkeit darstellt, mußte eine Sachentscheidung abgelehnt werden.

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