OGH 6Ob5/11w

OGH6Ob5/11w16.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** AG *****, vertreten durch Holme und Weidinger Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die beklagte Partei M***** T*****, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in Lambach, wegen 28.462,53 EUR sA, über die Revisionen beider Parteien gegen das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 29. September 2010, GZ 22 R 263/10y-25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Lambach vom 28. Juni 2010, GZ 1 C 52/09x-17, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten dessen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision des Beklagten:

1. Der Beklagte macht geltend, die Klägerin habe auf die Geltendmachung eines Entgelts für titellose Benützung der Liegenschaft verzichtet. Er übersieht damit aber die - wenn auch im Rahmen der Beweiswürdigung - getroffene ausdrückliche Feststellung des Erstgerichts, wonach es einen derartigen Verzicht beziehungsweise eine derartige Vereinbarung nicht gegeben habe.

2. Nach Auffassung des Beklagten hat sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz selbst darauf berufen, es sei „stets klar gewesen, dass der Beklagte die Liegenschaft innehat und durch den Erwerb des Eigentumsrechts durch seine Mutter eine Vermietung an Dritte ausgeschlossen wird; nichtsdestotrotz war zu keiner Zeit vereinbart, dass für den Zeitraum der weiteren Benutzung der Räumlichkeiten vor dem rechtskräftigen Eigentumserwerb ein Nutzungsentgelt zu zahlen sei“.

Abgesehen davon, dass das Vorbringen der Klägerin anlässlich der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6. 7. 2009 offensichtlich nur verstümmelt protokolliert wurde und die Klägerin tatsächlich vorgebracht haben dürfte, es sei zu keiner Zeit vereinbart worden, dass … ein Nutzungsentgelt NICHT zu zahlen sei (worauf auch handschriftliche Ausbesserungen im Tagsatzungsprotokoll hindeuten; vgl AS 23), kommt es darauf nicht an: Der Oberste Gerichtshof hat bereits entschieden, dass es für die Zuerkennung eines Benutzungsentgelts nach § 1041 ABGB nicht entscheidend ist, ob der Eigentümer das Bestandobjekt nach der Räumung durch den Bestandnehmer sofort wieder hätte vermieten können oder nicht; während nämlich einerseits dem Bestandgeber infolge Weiterbenützung des Objekts durch den Bestandnehmer eine Nutzungschance (sei es auch für Eigennutzung) entging, trat andererseits für den Bestandnehmer eine Aufwandersparnis ein (7 Ob 2366/96h). Im Übrigen ist es auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte infolge Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und der Mutter des Beklagten kein Benützungsentgelt bezahlen sollte, wenn der Beklagte doch spätestens seit April 2005 verpflichtet gewesen wäre, das Bestandobjekt zu räumen, die Vertragsverhandlungen aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen erst im Februar 2008 begannen.

II. Zur Revision der Klägerin:

1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verkaufte die Klägerin am 21. 8. 2008 die Liegenschaft der Mutter des Beklagten, wobei nach Punkt II. dieses Vertrags die Liegenschaft auch übergeben wurde. Demgegenüber lautet Punkt V. des Vertrags: Übergabe: Die Übergabe des Vertragsgegenstands erfolgt mit dem Zeitpunkt der grundbücherlichen Löschung der Reallast der Pflege C-LNR 8a und gehen ab diesem Zeitpunkt Last und Gefahr, Nutzen und Vorteil auf die Käuferin über.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs greift § 1041 ABGB nur dann ein, wenn weder ein Geschäftsführungsverhältnis noch ein die Vermögensverschiebung rechtfertigendes Vertragsverhältnis, sei es zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten, sei es zwischen dem Verkürzten und einem Dritten, besteht oder wenn aufgrund eines vertragsähnlichen Verhältnisses vom Verkürzten ein Anspruch - gegen den Bereicherten oder einen Dritten - erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0028179). Auch wenn nach der jüngeren Rechtsprechung im mehrpersonalen Verhältnis dieser Grundsatz der Subsidiarität des Verwendungsanspruchs nicht uneingeschränkt bejaht werden kann (8 Ob 129/03h), hat doch das Berufungsgericht zurecht die berechtigte Nutzung der Liegenschaft durch die Mutter des Beklagten aufgrund des abgeschlossenen Kaufvertrags ab August 2008 berücksichtigt: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen, welche die Klägerin in ihrer Revision auch nicht in Frage stellt, war ihr die Nutzung der Liegenschaft durch die Familie der Käuferin (= Mutter des Beklagten) „stets bekannt“, die Klägerin hat gegen die Käuferin keinerlei Maßnahmen zur Räumung wegen (ebenfalls) titelloser Benützung eingeleitet, sondern vielmehr in ihrem Verkaufsangebot vom 4. 2. 2008 auf die titellose Benützung hingewiesen und ein jährliches Entgelt von 1.000 EUR verlangt. Dass sich eine derartige Vereinbarung letztlich ebenso wenig im Kaufvertrag vom 21. 8. 2008 findet wie eine Regelung der Benützung der Liegenschaft durch die Käuferin bis zum Eintritt der Bedingung laut Punkt V. des Vertrags, spricht nicht gegen die vom Berufungsgericht angenommene „formlose Gestattung des Gebrauchs“ der Liegenschaft durch die Käuferin. Warum der Klägerin bei diesem Sachverhalt - wie sie in ihrer Revision meint - trotzdem „ihre diesbezüglichen Nutzungschancen unverändert geblieben“ sein sollen, ist jedenfalls angesichts der Widersprüchlichkeit der Punkte II. und V. hinsichtlich des Übergabszeitpunkts nicht nachvollziehbar.

3. Dass der Käuferin bei Schluss der Verhandlung erster Instanz mangels Eintragung im Grundbuch noch kein Eigentumsrecht an der Liegenschaft zugekommen ist, ändert nichts; nach der unter 2. dargestellten Rechtslage reicht es ja aus, dass die Klägerin aufgrund eines vertragsähnlichen Verhältnisses Ansprüche gegen einen Dritten (die Mutter des Beklagten) erheben hätte können, jedenfalls aber dem Dritten den Gebrauch der Liegenschaft gestattete.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Beide Parteien haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der jeweils gegnerischen Revision hingewiesen. Beide Schriftsätze sind daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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