Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 399,76 EUR (darin 66,63 EUR Ust) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt mit der Vorliegenden am 27. 9. 2000 beim Bezirksgericht Ried im Innkreis eingebrachten und später an das Bezirksgericht Wels überwiesenen Klage
1. die eidliche Bekanntgabe, in welcher Höhe
a) der Beklagte unter Verwendung der vom Kläger zur Verfügung gestellten Kundenlisten, Modelle, Muster, Kollektionen, Kalkulationen, technisches und kaufmännisches “Know how" im Zeitraum 1. 1. 2000 bis 30. 6. 2000 Umsätze getätigt habe und
b) der Deckungsbeitrag beim jeweiligen Rechtsgeschäft anzusetzen sei (bis zu 30 %, von 30 bis zu 80 %, mehr als 80 %);
2. die Verurteilung des Beklagten, dem Kläger nach Ablegung des Vermögenseides und Bekanntgabe des Deckungsbeitrages sich ergebenden Provisionsbetrag zu zahlen und
3. dem Kläger 22.080 S sA zu zahlen.
Der Kläger stützte seine Stufenklage im Wesentlichen auf folgenden Sachverhalt:
Der Kläger habe mit einem Kauf-, Vermittlungs- und Kooperationsvertrag dem Beklagten Waren und den wesentlichen Teil des “Good will" des Unternehmens des Klägers verkauft. Die Produkte sollten in Rumänien gefertigt und vom Beklagten vertrieben werden. Der Beklagte habe Geschäftstätigkeiten ab 1. 1. 2000 entfaltet, die Rechnungslegung verweigert und den fälligen Kaufpreis nicht bezahlt. Der Beklagte habe Umsätze von rund 1,2 Mio S gemacht. Bis Ende Mai 2000 errechne sich eine mittlere Provision von 120.000 S. Der Beklagte schulde ferner die Miete für die Einlagerung nicht abgeholter Waren und habe die Kosten für die Übersiedlung von Waren zu ersetzen.
In der Tagsatzung vom 29. 5. 2001 dehnte der Kläger das Rechnungslegungsbegehren auf den Zeitraum bis 30. 6. 2001 aus und brachte ergänzend vor, dass er die Kündigung des Beklagten vom 19. 2. 2000 wegen des völlig zerstörten Vertrauensverhältnisses akzeptiert habe. Die schuldhafte Vertragsverletzung bewirke aber, dass der Beklagte die vereinbarten Provisionen aus dem Titel der Bereicherung zu leisten habe. Der Beklagte selbst habe für den Zeitraum 1. 1. bis 31. 10. 2000 Provisionen von 59.928,21 S verrechnet und damit seine Verpflichtung grundsätzlich anerkannt. Die Abrechnung sei unvollständig.
Der Beklagte bestritt das Klagevorbringen und erhob ua die Einrede der Streitanhängigkeit, weil der Kläger in einem Vorprozess vor dem Landesgericht Ried im Innkreis schon Provisionsansprüche für den Zeitraum 1. 1. bis 31. 3. 2000 eingeklagt und sich dabei ebenfalls auf den Kauf-, Vermittlungs- und Kooperationsvertrag gestützt habe. Der Beklagte stellte ferner den Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des Vorprozesses. Der Kläger bestritt das Vorliegen des Prozesshindernisses. Die Identität der rechtserzeugenden Tatsachen sei nur eine teilweise. Mit einer am 24. 2. 2000 beim Landesgericht Ried im Innkreis eingebrachten Klage hatte der Kläger sein auf die Zahlung von 191.106,82 S gerichtetes Begehren auf folgenden wesentlichen Sachverhalt gestützt:
Der Beklagte habe mit dem Kauf-, Vermittlungs- und Kooperationsvertrag Waren im Gesamtwert von 282.213,65 S übernommen. 50 % des Kaufpreises seien sofort fällig, der Rest binnen eines Jahres. Der Beklagte habe den Vertrag am 17. 1. 2000 zum 17. 2. 2000 ohne wichtigen Grund aufgekündigt. Dies habe der Kläger letztlich akzeptiert. Trotz der Kündigung habe der Beklagte Waren vom Lager des Klägers bis zum 20. 1. 2002 abgeholt und diese unter Heranziehung der Kundenlisten des Klägers verkauft. Durch negative Äußerungen des Beklagten über den Kläger sei bei dessen Kunden eine Verunsicherung entstanden. Dadurch seien dem Kläger Kosten (zur Wiederherstellung seines Rufs) und ein Gewinnentgang entstanden. Aus der Anfangsphase der Geschäftsbeziehung der Parteien stünden dem Kläger Provisionsansprüche zu. Die Klageforderung werde primär auf die Rechnung des Klägers vom 3. 2. 2000 und den der Rechnung zu Grunde liegenden Verkauf von Waren gestützt.
Das Erstgericht wies die Stufenklage zurück und unterbrach das Verfahren über das Zahlungsbegehren von 22.080 S bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim Landesgericht Ried im Innkreis anhängigen Verfahrens. Es führte zur Streitanhängigkeit im Wesentlichen Folgendes aus:
Es liege Parteienidentität vor. Der Kläger stütze seinen Provisionsanspruch auf denselben Zeitraum. Die Streitanhängigkeit liege auch bei einer Klage nach Art XLII EGZPO vor, weil diese nur darauf gerichtet sei, die Provisionshöhe zu ermitteln und dann einzuklagen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, verwarf die Einrede der Streitanhängigkeit und wies den Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens über das Zahlungsbegehren von 22.080 S ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes in Ansehung der Erledigung der Einrede der Streitanhängigkeit 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht führte zur Streitanhängigkeit in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen Folgendes aus:
Bei einer Stufenklage sei zuerst das Verfahren über das Rechnungslegungsbegehren durchzuführen und darüber mit Teilurteil zu entscheiden. Der Kläger dürfe ausnahmsweise die Bezifferung des Zahlungsbegehrens vorläufig unterlassen. Nach Rechtskraft des Teilurteils habe er sein Leistungsbegehren durch ziffernmäßige Angabe zu ergänzen. Das rechtskräftige Teilurteil über das Manifestationsbegehren schließe die Verhandlung und Entscheidung über das neue, im selben rechtserzeugenden Sachverhalt wurzelnde Leistungsbegehren und die dazu erhobenen Einwendungen nicht aus. Der Kläger könne aber, wenn ihm die Höhe seines Anspruchs ohne Rechnungslegung auf anderem Wege bekannt werde, ein Zahlungsbegehren stellen. Er sei bei der Konkretisierung des Leistungsbegehrens nach der Rechnungslegung nicht an deren Ergebnis gebunden. Nach herrschender Ansicht unterbreche die Manifestationsklage die Verjährung. Die Zurückweisung einer Klage wegen Streitanhängigkeit setze die Identität der Parteien und der Ansprüche in den beiden Prozessen voraus. Grundsätzlich könne auch ein Eventualvorbringen - wie ein Eventualbegehren - Streitanhängigkeit bewirken. Hier müsse aber davon ausgegangen werden, dass das im Vorprozess erhobene Zahlungsbegehren und das hier erhobene Manifestationsbegehren nicht identisch seien. Ein Zahlungsbegehren im Vorprozess stehe der späteren Erhebung einer Stufenklage nicht als Prozesshindernis entgegen, weil das Manifestationsbegehren nicht Gegenstand des ersten Prozesses sei. Beim Leistungsbegehren könne sich eine (teilweise) Identität erst nach Bezifferung des diesbezüglichen Teilbegehrens der Stufenklage ergeben. Das Eventualvorbringen des Klägers im Erstprozess entspreche überdies den Erfordernissen des § 226 ZPO in keiner Weise; schon deswegen komme eine Zurückweisung der vorliegenden Klage wegen Streitanhängigkeit nicht in Frage. Im Fall einer objektiven Klagehäufung müsse jeder der Ansprüche ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein. Ohne Aufschlüsselung sei es nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsbegehrens zu bestimmen. Im Vorprozess habe der Kläger die hilfsweise geltend gemachten Provisionsansprüche weder insgesamt beziffert noch in einzelne Teilansprüche aufgegliedert. Ein unbestimmtes und unschlüssiges Eventualbegehren begründe kein Prozesshindernis.
Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, dass der Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde (die Abweisung des Unterbrechungsantrages ist rechtskräftig).
Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Revisionsrekurses als unzulässig, hilfsweise die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Streitanhängigkeit im Sinne der §§ 232 f ZPO setzt die Identität der Parteien und des Streitgegenstandes voraus. Derselbe prozessuale Anspruch liegt vor, wenn das Begehren und der rechtserzeugende Sachverhalt identisch sind (RS0039347; RS0039473). Der Anspruch auf eidliche Vermögensangabe (Art XLII EGZPO) und auf Rechnungslegung ist ein Informationsanspruch und nicht identisch mit einem auf Zahlung gerichteten Leistungsbegehren. Bei der sogenannten “Stufenklage" darf der Informationsanspruch mit einem entgegen der Bestimmung des § 226 Abs 1 ZPO noch unbestimmten Zahlungsbegehren verbunden werden. Der Kläger kann dieses Begehren erst nach erfolgter Vermögensangabe bzw Rechnungslegung beziffern. Der Vorbehalt der Präzisierung schließt aber nicht aus, dass der Kläger schon vor der Durchsetzung der Rechnungslegung ein konkretes Zahlungsbegehren stellt (EvBl 1976/170; 9 ObA 186/91 = RdW 1992, 121), wenn ihm die Höhe seines Anspruchs schon auf anderem Weg bekannt geworden ist. Die hier maßgebliche Rechtsfrage besteht darin, ob einer Stufenklage ein zuvor erhobenes Zahlungsbegehren als Prozesshindernis entgegensteht, wenn der anspruchsbegründende Sachverhalt identisch ist, was hier allerdings nur teilweise zutrifft, weil in der späteren Klage Ansprüche geltend gemacht werden, die zumindest teilweise auf eine Geschäftstätigkeit des Beklagten in einem anderen Zeitraum (bis 30. 6. 2001) gestützt werden und der vom Kläger behauptete Sachverhalt insgesamt keineswegs zur Gänze identisch ist. Schon daraus ergibt sich, dass das Rekursgericht das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit zu Recht verneint hat. Wenn zunächst ein Teilbetrag eingeklagt wird, hindert dies nicht die Einklagung eines weiteren Teilbetrags aus demselben rechtserzeugenden Sachverhalt (Fasching, ZPR2 Rz 1187). Wenn zur Durchsetzung eines weiteren Anspruchs ein berechtigter Informationsanspruch des Klägers besteht, muss die Stufenklage zulässig sein. Die gegenteilige Ansicht führte dazu, dass der Kläger entweder ohne ausreichende Kenntnis über die tatsächlichen Verhältnisse ein (weiteres) Zahlungsbegehren stellen oder aber bis zur Erlangung erfolgversprechender Informationen die Verjährung seines Anspruchs in Kauf nehmen müsste. Ein derartiges Rechtsschutzdefizit kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Die Stufenklage kann dogmatisch als objektive Klagehäufung im Sinne des § 227 ZPO verstanden werden, bei der beide Ansprüche den Streitgegenstand bilden (Hagen, Probleme der Stufenklage, ÖJZ 1971, 511). Schon diese Verbindung macht den Streitgegenstand zu einem anderen als denjenigen des reinen Zahlungsbegehrens im Vorprozess. Zutreffend verweist das Rekursgericht auf den Umstand, dass das Problem der Streitanhängigkeit im Prozess über die Stufenklage erst bei der Bezifferung des zunächst unbezifferten Zahlungsbegehrens auftritt. Nur wenn der Kläger dann den Zuspruch des schon im Vorprozess eingeklagten Betrages neuerlich begehrt und dies auf denselben Sachverhalt stützt, wäre das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit zu bejahen. Ein auf Zahlung gerichtetes Klagebegehren begründet gegenüber dem mit der später erhobenen Stufenklage verbundenen, noch unbestimmten Zahlungsbegehren, nicht das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit.
Der Beklagte hat dem in einem Zwischenstreit obsiegenden Kläger die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen (§§ 41 und 50 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)