OGH 6Ob43/09f

OGH6Ob43/09f16.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann‑Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen B***** GmbH & Co KG, *****, über den Revisionsrekurs der Gesellschafter 1.) Dr. H***** GmbH, *****, 2.) Siegfried H*****, beide vertreten durch Dr. Josef Baumgartner, öffentlicher Notar in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. Februar 2009, GZ 6 R 218/08h‑7 (richtig wäre ON 11), womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 25. November 2008, GZ 13 Fr 3065/08x‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00043.09F.0416.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts ersatzlos aufgehoben wird.

 

Begründung:

 

Im beim Erstgericht geführten Firmenbuch ist zu FN ***** die B***** GmbH & Co KG eingetragen. Persönlich haftende, jeweils kollektiv vertretungsbefugte Gesellschafter waren ursprünglich die Dr. H***** GmbH und Arif M*****. Zuletzt waren die Dr. H***** GmbH und Siegfried H***** unbeschränkt haftende Gesellschafter und jeweils kollektiv zeichnungsberechtigt. Einzelvertretungsbefugter Gesellschafter der Dr. H***** GmbH ist seit 31. 5. 2007 Rudolf N*****.

Seit 28. 8. 2007 ist Rudolf N***** auch als einzelvertretungsberechtigter Prokurist der B***** GmbH & Co KG eingetragen.

Das Erstgericht forderte die unbeschränkt haftenden Gesellschafter auf, binnen 14 Tagen die Löschung der Prokura Rudolf N*****s zur Eintragung anzumelden. Diese Prokura sei unzulässig. Organmitglieder könnten keine Prokura erlangen. Bei Organmitgliedern mit Gesamtvertretungsmacht sei die Prokura zwar nicht funktionslos, aber funktionswidrig, weil auch das nur gesamtvertretungsberechtigte Organmitglied umfassend Organmitglied sei und jede Vertretungshandlung somit organschaftlichen Pflichten unterfalle.

In der Folge wiederholte das Erstgericht mehrfach die Aufforderung zur Anmeldung der Löschung der Prokura. Zuletzt drohte das Erstgericht die Verhängung einer Zwangsstrafe von 100 EUR an.

Mit Beschluss vom 25. 11. 2008 verhängte das Erstgericht die angedrohte Zwangsstrafe und forderte die Komplementäre neuerlich auf, die Löschung der Prokura Rudolf N*****s anzumelden.

Das Rekursgericht wies den gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Prokuristen zurück und gab dem Rekurs der Komplementäre nicht Folge. Wenngleich zahlreiche Äußerungen im Schrifttum sowie eine neuere Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien für die Zulässigkeit der Erteilung der Prokura für die KG an den einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer der kollektiv vertretungsbefugten Komplementär‑GmbH einer GmbH & Co KG sprächen, habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 224/07w auf die (ältere) Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 23. 5. 1975, 3 R 110/75, verwiesen und festgehalten, dass die Prokura für eine GmbH erlösche, wenn der Prokurist zum - wenn auch nur kollektiv vertretungsbefugten - Geschäftsführer bestellt werde, zumal die umfänglich weitere Vertretungsbefugnis die umfänglich engere Vertretungsbefugnis absorbiere. Diese Auffassung stehe der von den Rekurswerbern begehrten Aufhebung des Strafbeschlusses entgegen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die hier zu beurteilende Frage, ob dem einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer der kollektiv vertretungsbefugten Komplementär‑GmbH einer GmbH & Co KG Einzelprokura für die KG erteilt werden könne, einer Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.

Nach Ergehen der Entscheidung des Rekursgerichts wurde über das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters Siegfried H***** das Konkursverfahren eröffnet und im Firmenbuch die Auflösung der Gesellschaft (§ 131 Z 5 UGB) eingetragen, sowie die Funktion des Prokuristen Rudolf N***** gelöscht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; er ist auch berechtigt.

1.1. In der Entscheidung 6 Ob 224/07w sprach der erkennende Senat aus, dass der Prokurist nicht nur eine vom Geschäftsinhaber verschiedene Person sein müsse, sondern auch nicht aus anderen Gründen eine über die Prokura hinausgehende Vertretungsmacht besitzen dürfe. Daher sei in einer GmbH & Co KG die Erteilung der Prokura an einen einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer der Komplementär‑GmbH unzulässig. Andernfalls würde in einer natürlichen Person gleichzeitig eine beschränkte und eine nach § 126 UGB unbeschränkte Vertretungsbefugnis vereinigt. Außerdem absorbiere die umfänglich weitere Vertretungsbefugnis grundsätzlich die umfänglich engere. Zudem würden die tatsächlichen Vertretungsverhältnisse in einer verkehrsschutzfeindlichen Weise verschleiert, weil für einen mit dem eingetragenen Prokuristen der GmbH & Co KG kontrahierenden Dritten aus dem Firmenbuch nicht erkennbar wäre, dass dieser Prokurist aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der Komplementär‑GmbH ohnedies unbeschränkt vertretungsbefugt ist.

1.2. Diese Entscheidung betraf jedoch eine GmbH & Co KG im engeren Sinn, deren einzig persönlich haftender Gesellschafter eine GmbH war. Die Frage, ob einem einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer der Komplementär‑GmbH, welche nur gemeinsam mit einem weiteren Komplementär die GmbH & Co KG wirksam vertreten werden kann, Einzelprokura für die KG erteilt werden kann, wurde hingegen bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet.

2. Diese Frage wird in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Dabei ist nicht nur die Bestimmung des § 125 UGB isoliert zu betrachten, sondern auch die Rechtslage bei den Kapitalgesellschaften zu berücksichtigen, weil sich dort vergleichbare Probleme stellen.

2.1. Nach F. Bydlinski (Gesamtvertretung und Verkehrsschutz, JBl 1983 627 [638]) können, wenn die Vertretungsmacht gesetzlich umschrieben oder typisiert ist, die Kollektivvertreter gemeinschaftlich einen Dritten zur Einzelvertretung bevollmächtigen; die Ermächtigung müsse allerdings immer sachlich beschränkt sein. Es sei den Kollektivvertretern allerdings nicht gestattet, einen von ihnen rechtsgeschäftlich in einer Weise zu bevollmächtigen, die im Ergebnis der Übertragung organschaftlicher Einzelvertretungsbefugnis entspreche oder ihr verhältnismäßig nahekomme.

2.2. Dieser Auffassung hat sich der Oberste Gerichtshof in der Folge in der Entscheidung 6 Ob 517/84 = ImmZ 1985, 130 angeschlossen. Unter Berufung auf F. Bydlinski (aaO) gelangte der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass, wenn Kollektivvertreter gemeinschaftlich einen Dritten wirksam voll, also zur Einzelvertretung, bevollmächtigen können, sie erst recht einen aus ihrer Mitte durch Ergänzung seiner Vertretungsmacht zur Alleinvertretung befähigen können. Diese Entscheidung betraf jedoch nicht die Erteilung der Prokura.

3.1. Nach § 125 Abs 2 UGB können bei der OG mehrere kollektivvertretungsbefugte Gesellschafter einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Allerdings betont Koppensteiner (in Straube, HGB3 § 125 Rz 22) in diesem Zusammenhang, dass der Umfang der Ermächtigung immer sachlich beschränkt sein müsse. Unzulässig sei es jedenfalls, wenn ein Gesamtvertreter die ihm zustehende Vertretungsmacht allgemein auf den anderen übertrage, weil dies auf eine Pervertierung des gesellschaftsvertraglich Gewollten hinauslaufe (vgl auch Jabornegg in Jabornegg, HGB § 125 Rz 39).

3.2. Nach Strasser (in Schiemer/Jabornegg/Strasser, Aktiengesetz §§ 71‑74 Rz 49) sei für das österreichische Gesellschaftsrecht nicht nachweisbar, dass mit der Stellung eines organschaftlich mit der Vertretung einer Gesellschaft betrauten Organs eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung unvereinbar sei.

3.3. Bereits in einer älteren Entscheidung vom 6. 5. 1914 (Nowak NF 1648) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, der Erteilung einer Handlungsvollmacht an einen zu Kollektivvertretung berufenen Gesellschafter einer OHG stehe nichts entgegen. Der Gesellschafter sei Geschäftsherr, könne aber, wenn ihm lediglich Kollektivvertretung eingeräumt worden sei, für seine Firma nach außen nicht allein rechtswirksam handeln; durch eine Handlungsvollmacht erlange er die Fähigkeit hierzu innerhalb ihrer Grenzen.

3.4. Die herrschende Meinung zum deutschen Recht hält die Erteilung der Prokura an einen kollektivvertretungsbefugten Gesellschafter für zulässig. Nach Karsten Schmidt (in MünchKomm HGB2 § 125 Rz 10 und 29; ders in Schlegelberger, HGB5 § 125 Rz 9 ff) kann ein Gesellschafter, der Gesamtvertretungsbefugnis hat, eine Einzelprokura erhalten, zumal diese Vollmachtserteilung von einer Ermächtigung zu organschaftlichem Alleinhandeln zu unterscheiden sei. Dieser Auffassung haben sich Wagner (in Röhricht/Von Westphalen, HGB³ § 48 Rz 24), Von Gerkan/Haas (in Röhricht/Von Westphalen, HGB³ § 125 Rz 4) sowie Habersack (in Canaris/Schilling/Ulmer, HGB Großkommentar § 125 Rz 13) angeschlossen. Wie jedem Dritten könne auch einem Gesellschafter, der nur Vertretungsbefugnisse als Gesamtvertreter habe, Prokura erteilt werden.

3.5. Joost (in Staub, HGB‑Großkommentar5 § 48 Rz 42 ff) führt aus, dass - ausgehend von der herrrschenden Meinung, wonach die Prokuraerteilung an einen von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter zulässig sei -, dies folgerichtig auch dann gelten müsse, wenn einem nur gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafter Einzelprokura erteilt werden sollte. Allerdings sei diese herrschende Meinung insofern bedenklich, als die Entscheidung über den gesellschaftsvertraglichen Ausschluss oder die Einschränkung der Vertretungsmacht von allen Gesellschaftern getroffen werde, während die Bestellung eines Prokuristen nur der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter bedürfe. Es bestehe deshalb die Gefahr, dass die gesellschaftsvertraglichen Entscheidungen durch die Erteilung der Prokura umgangen werden, sodass es näher liege, die Regelung der Vertretungsmacht allein dem Gesellschaftsvertrag zuzuordnen. Diesen Bedenken hat sich in Österreich Strasser (in Jabornegg, HGB § 48 Rz 34) angeschlossen.

3.6. Einzelne Autoren (Krebs in MünchKomm HGB2 § 48 Rz 32; Sonnenschein/Weitemeyer in Heymann, HGB2 Rz 10, sowie Ruß in Heidelberger Kommentar HGB6 § 48 Rz 3) vertreten demgegenüber überhaupt die Ansicht, geschäftsführungs- und vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personengesellschaft würden als Träger der Prokura ausscheiden. Die Prokura sei bei Organmitgliedern mit Gesamtvertretungsmacht zwar nicht - wie bei Organmitgliedern mit Einzelvertretungsmacht - funktionslos, aber funktionswidrig, weil auch das nur kollektiv vertretungsberechtigte Organmitglied umfassend Organmitglied sei und jede Vertretungshandlung somit organschaftlichen Pflichten unterfalle (Krebs aaO).

3.7. Schauer (in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht [2008] Rz 2/451) lehrt, eine Ermächtigung an ein einzelnes gesamtvertretungsbefugtes Organmitglied könne sich nur auf bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften beziehen. Eine Ermächtigung zur Vornahme sämtlicher Geschäfte, die im Rahmen der organschaftlichen Vertretung möglich sind, komme nicht in Betracht. Dafür spreche, dass sonst die mit der Gesamtvertretung angestrebte Kontrolle zwischen den handelnden Organmitgliedern unterlaufen werde.

3.8. Nach einer bereits längere Zeit zurückliegenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (NZ 1976, 43) erlischt durch die nachträgliche Bestellung zum gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer einer GmbH eine vorher erteilte Einzelprokura für die GmbH, weil die umfänglich weitere Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers die umfänglich engere Vertretungsbefugnis des Prokuristen absorbiere. Daran ändere sich auch nichts, wenn nur Gesamtvertretungsbefugnis eingeräumt wird, denn diese sei die volle Vertretungsbefugnis - ausgeübt durch mehr als eine Person. Selbst die Vertretungsbefugnis eines bloß kollektiv zeichnungsberechtigten Geschäftsführers einer GmbH sei hinsichtlich jedes dieser Geschäftsführer gesetzlich ein „mehr" gegenüber der Vertretungsbefugnis eines Einzelprokuristen, letztere Vertretung somit ein „weniger" gegenüber der durch eine Geschäftsführung.

3.9. In einer neueren Entscheidung hat das Oberlandesgericht Wien demgegenüber vertreten, dass dem nur kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer einer Komplementär‑GmbH Einzelprokura erteilt werden könne, weil sich in diesem Fall die Vertretungsbefugnis des Geschäftsherrn im Rahmen des § 49 UGB erweitern würde (28 R 84/07i).

4.1. Anders stellt sich der Meinungsstand zur GmbH dar. Hier sprechen sich mehrere Autoren (Joost in Staub, HGB‑Großkommentar5 § 48 Rz 42; Krebs in MünchKomm HGB2 § 48 Rz 34; Schinko in Straube, HGB3 § 48 Rz 19; Strasser in Jabornegg, HGB § 48 Rz 41; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 28 Rz 11; Reich‑Rohrwig, GmbH‑Recht I2 Rz 2/712 sowie Umfahrer, GmbHG6 Rz 294) gegen die Erteilung der Einzelprokura für die GmbH an einen kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer einer GmbH aus. Diese Auffassung bezeichnet Gaggl (in Straube, Wiener Kommentar zum GmbHG § 28 Rz 11) trotz der von ihm (aaO Rz 6) geäußerten Bedenken als „herrschend". Diese Auffassung wird damit begründet, dass die Erteilung der Prokura an einen Geschäftsführer zu einer funktionswidrigen Doppelkompetenz führen würde; es sei Aufgabe der Satzung, die Vertretungsmacht des Geschäftsführers festzusetzen. Die Vertretungsmacht von Prokuristen bleibe nicht wesentlich hinter der von Geschäftsführern zurück. Die Kombination von Gesamtvertretung mit Einzelprokura eines der Gesamtvertreter liefe deshalb auf eine Regelung hinaus, die aus der Sicht der Gesellschaft kaum sinnvoll erscheine und wegen ihrer Unklarheit geeignet sei, Verkehrsinteressen zu beeinträchtigen (Koppensteiner/Rüffler GmbHG3 § 28 Rz 11).

4.2. Nach Schuhmacher (ÖZW 1976, 87 [93]) sowie Hochedlinger (GesRZ 2008, 110) könne das Nebeneinanderbestehen von Einzelprokura und Gesamtvertretungsbefugnis nur dahingehend interpretiert werden, dass innerhalb der Grenzen der Prokura allein rechtswirksam für die Gesellschaft gehandelt werden könne, während es für die darüber hinaus gehenden Geschäfte bei Gesamtvertretung bleibe.

4.3. Leupold (Prokuraerteilung an den Geschäftsführer der Komplementär‑GmbH, RdW 2008, 191) verweist darauf, dass im Falle der Erteilung von Prokura für die KG an einen kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer der Komplementär‑GmbH die umfänglich weitere organschaftliche Vollmacht an die Mitwirkung einer anderen Person gebunden sei. Der gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer könne nicht allein tätig werden, sodass er auch keine der Prokura entsprechende Vertretungsmacht besitze. Eine Prokuraerteilung an einen lediglich kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer sei jedenfalls sinnvoll und zulässig.

4.4. Hingegen betrifft die Entscheidung 2 Ob 549/90 (dazu auch Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht Rz 4/205 FN 217) die Erteilung der Generalvollmacht an einen Nichtgesellschafter und ist daher für den vorliegenden Fall nicht aussagekräftig.

5.1. Wie bereits in der Entscheidung 6 Ob 224/07w ausgesprochen, absorbiert die umfänglich weitere Vertretungsbefugnis grundsätzlich die umfänglich engere. Damit ist freilich für den hier zu beurteilenden Fall noch nichts ausgesagt, wird doch durch die Erteilung der (Einzel‑)Prokura ein sonst nur kollektivvertretungsbefugtes Organ im Rahmen der Prokura einzelvertretungsbefugt.

5.2. Dabei sind Gründe für eine unterschiedliche Beantwortung der Frage der Zulässigkeit der Erteilung der Prokura an ein sonst nur kollektivvertretungsbefugtes Organ bei Personen- und Kapitalgesellschaften nicht zu sehen. In Abwägung der in der bisherigen Diskussion für und gegen die Zulässigkeit einer derartigen Vorgangsweise ins Treffen geführten Argumente schließt sich der Oberste Gerichtshof den in Punkt 4.1. zitierten Lehrmeinungen an. Dabei ist nicht so sehr das formale Argument entscheidend, dass die Einräumung der Prokura an einen kollektivvertretungsberechtigten Geschäftsführer zu einer funktionswidrigen Doppelkompetenz führen würde. Entscheidend sind vielmehr inhaltliche Bedenken gegen eine derartige Vorgangsweise (vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 28 Rz 11). Dadurch würde nämlich das Ausmaß der Vertretungsmacht des kollektivvertretungsberechtigten Geschäftsführers stark an das eines einzelvertretungsbefugten Geschäftsführers angeglichen und dadurch die in der Satzung vorgesehene grundsätzliche Kollektivvertretung unterlaufen. Weil die Vertretungsmacht von Prokuristen nicht wesentlich hinter der von Geschäftsführern zurück bleibt, liefe die Kombination von Gesamtvertretung mit Einzelprokura eines der Gesamtvertreter auf eine Regelung hinaus, die aus der Sicht der Gesellschaft kaum sinnvoll erscheine und wegen ihrer Unklarheit geeignet sei, Verkehrsinteressen zu beeinträchtigen. Vergleichbare Bedenken werden auch von Teilen der Lehre zur Personengesellschaft geäußert (vgl Joost in Staub, HGB‑Großkommentar5 § 48 Rz 42 ff; Strasser in Jabornegg, HGB § 48 Rz 34; ähnlich auch Schinko in Straube, HGB³ § 48 Rz 19 für die Unzulässigkeit der Erteilung der Prokura an einen von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter). Andernfalls würde die mit der Gesamtvertretung angestrebte Kontrolle zwischen den handelnden Organmitgliedern unterlaufen (Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht [2008] Rz 2/451). Der erkennende Senat schließt sich diesen Bedenken an.

5.4. Für den Bereich der GmbH ist überdies darauf zu verweisen, dass § 28 Abs 1 GmbHG - im Unterschied zu § 28 Abs 2 GmbHG - gerade nicht die Einräumung der Prokura erwähnt.

5.5. Zusammenfassend gelangt der Oberste Gerichtshof daher zu dem Ergebnis, dass die Erteilung der Einzelprokura an ein sonst nur kollektivvertretungsbefugtes Organ bei Personen- und Kapitalgesellschaften unzulässig ist. Insoweit ist daher der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts beizupflichten.

6. Gleichwohl erweist sich der Revisionsrekurs im Ergebnis als berechtigt:

6.1. Nach § 10 Abs 1 FBG sind Änderungen eingetragener Tatsachen, unbeschadet sonstiger gesetzlicher Vorschriften, beim Gericht unverzüglich anzumelden; das Gericht hat die Eintragungen entsprechend zu ändern, im Fall ihrer Unzulässigkeit zu löschen. Damit sieht § 10 Abs 1 FBG zur Wahrung der Aktualität des Firmenbuchs (23 BlgNR 18. GP 12) eine allgemeine Verpflichtung zur Anmeldung von Änderungen eingetragener Tatsachen vor (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 10 Rz 2; OLG Wien NZ 1996, 188). Zu den anmeldungspflichtigen Änderungen gehört auch die Beendigung oder der Wegfall einer Tatsache; diesfalls ist deren Löschung anzumelden (Burgstaller in Jabornegg, HGB § 10 FBG Rz 2; G. Kodek aaO).

6.2. Hingegen trifft den Rechtsträger keine Verpflichtung zur Richtigstellung ursprünglich unrichtiger Eintragungen (Steder in Jansen, FGG³ § 142 Rz 3; G. Kodek aaO § 10 Rz 6; aA Burgstaller aaO § 10 FBG Rz 2; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 26 Rz 12; Schenk in Straube, HGB I3 117). Dabei handelt es sich schon begrifflich um keine „Änderung" (G. Kodek aaO). Dies räumen auch Koppensteiner/Rüffler (aaO) ein, treten aber für die analoge Anwendung des § 26 Abs 1 GmbHG ein, wenn bereits der alte Registerstand unzutreffend war. Durch den Schadenersatzanspruch nach § 26 Abs 4 GmbHG aF würden die Betroffenen nur unzureichend geschützt (unter Berufung auf Ch. Nowotny in RdW 1991, 72).

6.3. Jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang führt die Beschränkung der Anmeldepflicht des § 10 Abs 1 FBG nicht zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes der Beteiligten. Vielmehr kann das Firmenbuchgericht von Anfang an unrichtige oder unzulässige Eintragungen nach § 10 Abs 2 FBG ohnedies selbstständig löschen. Eine Wahlmöglichkeit zwischen Zwangsstrafenverfahren und amtswegiger Löschung besteht nur bei nachträglichen Änderungen (G. Kodek aaO § 10 Rz 34) und ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung wie im Fall des Erlöschens einer Firma (§ 31 Abs 2 UGB).

6.4. Die Diskussion zur Vorgangsweise im Fall der Unzulässigkeit einer Firma, wo nach überwiegender Auffassung dem „milderen" (Jud, NZ 1983, 130) Firmenmissbrauchsverfahren der Vorzug zu geben und erst dann, wenn der Firmeninhaber eine Änderung der Firma (und deren Anmeldung) unterlässt, das Amtslöschungsverfahren einzuleiten ist (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 10 Rz 35), ist auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. Bei der Löschung einer Firma geht es darum, einem einsichtigen Betroffenen durch die Einleitung des Zwangsstrafenverfahrens die Möglichkeit zur Änderung der Firma zu geben (vgl auch Oberhofer/Santner, Anträge I 10.2.1, 5; G. Kodek aaO). Nur vor diesem Hintergrund entspricht es der herrschenden Auffassung, dass beide Verfahren nebeneinander möglich sind (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG § 142 Rz 5).

6.5. Anders als bei der Löschung einer Firma greift die bloße Löschung eines Prokuristen wegen Unzulässigkeit der Eintragung der Prokura auch nicht derart weitgehend in die Rechtsstellung des eingetragenen Rechtsträgers ein, sodass auch aus dieser Überlegung eine Erzwingung der Anmeldung der Löschung einer von Anfang an unzulässigen Eintragung nicht erforderlich erscheint.

7. Daher hätte die richtige Vorgangsweise nicht in der Erzwingung der Anmeldung der Löschung der Prokura, sondern in der amtswegigen Löschung nach § 10 Abs 2 FBG bestanden.

Damit erweist sich der Revisionsrekurs im Ergebnis als berechtigt, sodass die vom Erstgericht verhängte Zwangsstrafe ersatzlos zu beseitigen war.

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