OGH 6Ob37/07w

OGH6Ob37/07w25.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef M*****, 2. Angela M*****, beide Pensionisten, *****, vertreten durch Dr. Stefan Rieder, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Martin M*****, 2. Maria M*****, beide *****, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 5.800 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 22. November 2006, GZ 54 R 200/06k-39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. Juni 2006, GZ 32 C 1833/04p-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägern die mit 574,31 EUR (darin 95,72 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob dem Gemeingebrauch nach dem Salzburger Landesstraßengesetz 1972 widersprechende Vereinbarungen die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge haben.

Die Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer der nebeneinander liegenden Grundstücke 195/3 (Kläger) und 195/2 (Beklagte). An diese grenzt im Norden das Grundstück 195/1 an, das den Klägern gehört und zu dessen Lasten ein Geh- und Fahrtrecht für die Beklagten besteht. Das Grundstück stellt das letzte Stück des S*****wegs dar, der zunächst eine Privatstraße war und nunmehr dem öffentlichen Gut zugeschrieben ist und an dessen Beginn das Verkehrszeichen „Allgemeines Fahrverbot" samt Zusatztafel „ausgenommen Anrainer" angebracht ist; ob diesem Verkehrszeichen noch eine rechtsgültige Verordnung zugrunde liegt, steht nicht fest.

Mit Bescheid vom 6. 11. 1975 wurde den damaligen Eigentümern der Grundstücke 195/3 und 195/2 von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft jeweils eine Genehmigung als Bauplatz zur Errichtung eines Wohnobjekts (Zweitwohnsitz) unter anderem unter der Bedingung erteilt, dass das Grundstück 195/1 zur Anbindung der Baugrundstücke an öffentliche Verkehrsflächen dauernd dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Eine derartige Widmung des Grundstücks 195/1 - in einer Breite von 5 m - als eine dem öffentlichen Verkehr dienende Privatstraße hatte die Rechtsvorgängerin der Kläger bereits am 5. 7. 1975 abgegeben. Eine Zuschreibung des Grundstücks zum öffentlichen Gut ist bislang jedoch nicht erfolgt.

In einem Besitzstörungsverfahren schlossen die Parteien am 8. 5. 2003 einen Vergleich, wonach „die Parkfläche von der Nordwestecke des Grundstücks 195/2 bis zum Gartentor [der Beklagten] in einer Breite von 2,5 m von den [Beklagten] ersessen wurde und für die übrige Fläche entlang der Nordgrenze des Grundstücks 195/2 [den Beklagten] das prekaristische Nutzungsrecht als Parkfläche von den [Klägern] eingeräumt wurde und für die Dauer von 12 Jahren auf einen Widerruf dieses Prekariums verzichtet wird".

Die Vorinstanzen stellten mit Wirkung zwischen den Parteien fest, dass die am 8. 5. 2003 abgeschlossene gerichtliche Vereinbarung unwirksam ist. Das Grundstück 195/1 sei gemäß § 40 Abs 1 lit a Salzburger LStG 1972 dauernd für den allgemeinen Verkehr gewidmet; sein Gemeingebrauch dürfe gemäß § 3 leg cit von niemandem eigenmächtig behindert werden; gemäß § 8 Abs 1 leg cit könne aufgrund seiner besonderen Nutzung auch eine Ersitzung nicht stattfinden. Daraus folge aber die Nichtigkeit der Vereinbarung gemäß § 879 Abs 1 ABGB.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach herrschender Auffassung darf der Inhalt eines gerichtlichen Vergleichs unter anderem nicht gegen zwingendes materielles Recht verstoßen; in einem solchen Fall ist die Parteienübereinkunft (auch als gerichtlicher Vergleich) unwirksam (1 Ob 508/95; 1 Ob 1/97x = SZ 70/143 je mwN; Klicka in Fasching/Konecny, ZPO² [2003] §§ 204, 206 Rz 41; Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ [2006] §§ 204-206 Rz 17). Diese Unwirksamkeit ist mit Feststellungsklage geltend zu machen (RIS-Justiz RS0032501; ebenso Klicka, aaO Rz 43; Gitschthaler, aaO Rz 8 je mwN).

§ 8 Abs 1 Salzburger LStG 1972, wonach jede Benutzung von Straßen und der dazugehörigen Anlagen für andere Zwecke als für Zwecke des Verkehrs sowie deren Änderung der Zustimmung der Straßenverwaltung bedarf und durch die besondere Nutzung der Straße kein Recht ersessen werden kann, verhindert nicht nur die Ersitzung von Rechten an Straßengrundstücken; ihr Sinn liegt vielmehr darin, grundsätzlich das Entstehen von Privatrechten an den im Gemeingebrauch stehenden Straßen zu verhindern (7 Ob 575/92).

Dass ein gerichtlicher Vergleich, der den Parteien derartige Privatrechte einräumt, gegen zwingendes materielles Recht verstößt und daher als unwirksam festgestellt werden kann, bestreiten die Beklagten in ihrer Revision nicht. Insofern kommt es auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage gar nicht an.

2.1. Aber auch die Beklagten zeigen in ihrer Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf. Sie meinen nämlich zunächst, eine Widmung des Grundstücks 195/1 für den allgemeinen Verkehr sei nie erfolgt, jedenfalls könne sie aber binnen 20 Jahren jederzeit widerrufen werden; letzteres sei durch Aufstellen des Verkehrszeichens „Allgemeines Fahrverbot" samt Zusatztafel „ausgenommen Anrainer" erfolgt.

Die Beklagten gehen offensichtlich davon aus, dass nach § 40 Abs 1 Salzburger LStG 1972 eine Privatstraße nur dann dem öffentlichen Verkehr dient, wenn die in lit a (dauernde Widmung durch den Grundeigentümer) und lit b (zumindest 20jährige Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses) genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Wie sich jedoch aus § 2 Abs 3 leg cit ergibt („die vom Grundeigentümer für Straßenzwecke gewidmet oder in langjähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und unbehindert benutzt worden ist"), enthält § 40 Abs 1 leg cit zwei voneinander unabhängige Tatbestände, nämlich einerseits die Widmung und andererseits die 20jährige Übung (VwGH Zl 98/06/0039, 2000/06/0140). Dabei sieht das Gesetz für die Widmung keine besondere Formvorschrift vor, insbesondere auch nicht eine Art „Annahme" oder „Bekräftigung" durch Bescheid der Straßenbehörde; es reicht vielmehr eine hinreichend deutliche Erklärung, die Straße für den allgemeinen Verkehr dauernd zu widmen (VwGH Zl2003/06/0054, ebenso 98/06/0039). Dauernde Widmung heißt dabei außerdem, dass sie nicht mehr widerrufbar ist (Giese, Salzburger Baurecht [2006] 79). Nur dann, wenn eine solche Widmung nicht vorliegt, entscheidet die 20jährige Übung darüber, ob eine dem öffentlichen Verkehr dienende Privatstraße vorliegt. Das Verkehrszeichen „Allgemeines Fahrverbot" könnte dabei zwar eine die Übung hindernde Ausschließung im Sinn des § 40 Abs 1 lit b leg cit sein (VwGH 98/06/0137, 95/06/0006); im Hinblick auf die erfolgte dauernde Widmung des Grundstücks 195/1 kommt es darauf im vorliegenden Fall aber gerade nicht an. Im Übrigen könnte im Aufstellen des Verkehrszeichens auch keine Widerrufshandlung der Beklagten erblickt werden, ist doch den Feststellungen nicht zu entnehmen, dass sie das Verkehrszeichen aufgestellt hätten.

Das Berufungsgericht hat damit die Vorfrage der Widmung des Grundstücks 195/1 für den öffentlichen Verkehr im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zutreffend bejaht.

2.2. Des Weiteren vertreten die Beklagten in ihrer Revision die Ansicht, die für unwirksam erklärte Vereinbarung vom 8. 5. 2003 habe dem Gemeingebrauch gar nicht widersprochen; Eigentumsübertragungen oder die Begründung privater Nutzungsrechte berührten den rechtlichen Bestand des Gemeingebrauchs nicht. Im Übrigen könnten Gemeingebrauch und Privatnutzung nebeneinander bestehen.

Auf diese Überlegungen haben sich die Beklagten im Berufungsverfahren nicht gestützt, sodass es ihnen verwehrt ist, sie nunmehr zur Begründung ihrer Revision heranzuziehen. Es wurde aber außerdem bereits ausgeführt, dass § 8 Abs 1 Salzburger LStG 1972 nicht nur die Ersitzung von Rechten an Straßengrundstücken, sondern grundsätzlich das Entstehen von Privatrechten an den im Gemeingebrauch stehenden Straßen verhindern will (1.). Die Widmung gemäß § 40 Abs 1 lit a leg cit hat zur Folge, dass der öffentliche Verkehr von der Benützung der Privatstraße durch den Liegenschaftseigentümer nicht mehr ausgeschlossen werden darf (§ 2 Abs 3, § 40 Abs 1 leg cit); über die Zulässigkeit und den Umfang einer allfälligen Ausschließung hat gemäß § 40 Abs 2 leg cit vielmehr die Straßenrechtsbehörde zu entscheiden. Die Beklagten haben sich im Verfahren erster Instanz ausdrücklich darauf berufen, dass ihnen an dem von der gerichtlichen Vereinbarung vom 8. 5. 2003 erfassten Teil des Grundstücks 195/1 ein „ersessenes" Parkrecht für ihre eigenen PKW sowie die PKW ihrer Kinder und ihrer Besucher zustehe. Damit wollen sie aber ausdrücklich eine Sondernutzung eines bestimmten Teils des Grundstücks 195/1 für sich in Anspruch nehmen, welche dem Gemeingebrauch widerspricht, also den öffentlichen Verkehr ausschließen. Über die Zulässigkeit einer solchen Sondernutzung hätte gemäß § 40 Abs 2 leg cit die Straßenrechtsbehörde zu entscheiden; nach dessen Z 3 könnten Antragsteller in einem solchen Verfahren auch die Beklagten sein. Den Liegenschaftseigentümern steht eine solche Entscheidungsbefugnis jedoch nicht (mehr) zu. Dies haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt. Ob eine konkrete Vereinbarung oder eine bestimmte Nutzung einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Fläche den Gemeingebrauch beeinträchtigt, ist aber letztlich eine Frage des Einzelfalls. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zwecksentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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