OGH 6Ob33/21b

OGH6Ob33/21b12.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber sowie den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N* GmbH, *, vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in Wörgl, wider die beklagte Partei G* L*, vertreten durch Dr. Walter Hausberger und andere, Rechtsanwälte in Wörgl, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. November 2020, GZ 5 R 110/20t‑22, womit das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 4. August 2020, GZ 4 C 239/19x‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131877

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[2] Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil keine aktuelle oberstgerichtliche Rechtsprechung

[3] a) zu „Grundlagengeschäften“ im Sinn des § 20 GmbHG und

[4] b) zur Frage, ob ein unterlassener Widerspruch nach § 21 Abs 2 GmbHG die Rechtswirksamkeit von Vertretungshandlungen eines Geschäftsführers im Außenverhältnis beeinflussen könne,

[5] vorliege.

[6] 1. Die erste vom Berufungsgericht angesprochene Frage ist nicht präjudiziell: Das Berufungsgericht hat die Klagestattgebung (Feststellung der Unwirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung des Pachtvertrags mit Vereinbarung zwischen den Streitteilen vom 5. 10. 2017) auch auf die selbstständig tragfähige Hilfsbegründung gestützt, es liege ein kollusives Zusammenwirken der einzelvertretungsbefugten Geschäftsführerin der klagenden Gesellschaft und ihres Ehemanns, des Beklagten, im Sinn eines auch für diesen offensichtlichen Missbrauchs der Vertretungsmacht vor.

[7] Der Beklagte baut seine Kritik an dieser rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts auf der Prämisse auf, der Annahme eines Schädigungsvorsatzes der Geschäftsführerin stehe schon entgegen, dass sie eine gerichtliche Auseinandersetzung über das Pachtverhältnis und das damit für die Klägerin verbundene Prozessrisiko, sohin erhebliche Zahlungsverpflichtungen für die Klägerin, vermeiden habe wollen. Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revision aber vom festgestellten Sachverhalt.

[8] Im Übrigen geht die Revision nicht auf die rechtliche Argumentation des Berufungsgerichts ein, der offensichtliche Missbrauch der Vertretungsmacht der Geschäftsführerin ergebe sich schon daraus, dass auch dem Beklagten nach den erstgerichtlichen Feststellungen klar war, dass die Geschäftsführerin (seine Ehefrau) der Auflösung des Pachtvertrags gegen den erklärten Willen des zweiten einzelvertretungsbefugten Geschäftsführers und Mitgesellschafters zustimmte, wodurch sie der Gesellschaft die Geschäftsgrundlage, nämlich den Betrieb eines Gasthauses im Bestandobjekt, entzog.

[9] Ein Revisionswerber muss aber bei Vorliegen zweier oder mehrerer für sich tragfähiger Begründungen des Berufungsgerichts nicht nur alle Begründungen bekämpfen, sondern auch hinsichtlich jeder dieser Begründungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen (Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 502 ZPO Rz 119 f mwN). Dies hat der Revisionswerber hier hinsichtlich der dargestellten Hilfsbegründung (vom Beklagten erkannter Vollmachtsmissbrauch der Geschäftsführerin) nicht getan.

[10] 2. Zur zweiten vom Berufungsgericht genannten Rechtsfrage hat es ausgeführt, der Widerspruch nach § 21 Abs 2 GmbHG betreffe das Innenverhältnis einer Gesellschaft. Wie sich schon im Umkehrschluss aus § 20 Abs 2 GmbHG ergebe, habe er keine Konsequenzen im Außenverhältnis gegenüber dritten Personen.

[11] Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ebenfalls nicht. Ob ein (bloß im Innenverhältnis bedeutsamer) Widerspruch des Mitgeschäftsführers zur Auflösung des Pachtvertrags vorlag oder nicht, ist somit für die Wirksamkeit dieser Auflösung (im Außenverhältnis) irrelevant, weshalb auch insoweit keine für das Ergebnis bedeutsame erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

[12] 3. In seiner Revision zeigt der Beklagte auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[13] 3.1. Der Beklagte hat in erster Instanz vorgebracht, der Pachtvertrag sei vor Gründung der klagenden Gesellschaft abgeschlossen worden; eine Genehmigung durch die Generalversammlung habe nie stattgefunden. Es handle sich daher um ein unwirksames Rechtsgeschäft im Vorgründungsstadium.

[14] Das Erstgericht ist von der Wirksamkeit des Pachtvertrags ausgegangen.

[15] Der Beklagte hat in der Berufung sein angeführtes erstinstanzliches Vorbringen nicht aufrechterhalten. Dieser selbständige – in der Revision neuerlich relevierte – Einwand ist nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen (RS0043338 [T13, T27, T31]; RS0043352 [T33, T37]).

[16] 3.2. Soweit der Beklagte in der Revision seine Rechtsansicht aufrecht erhält, es fehle der Klägerin aufgrund der Möglichkeit zur Leistungsklage am notwendigen Feststellungsinteresse, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nach ständiger Rechtsprechung bei materiell-rechtlichen Feststellungsklagen keines Nachweises des rechtlichen Interesses iSd § 228 ZPO bedarf (RS0038817 [T19]); dazu gehören auch Klagen, die auf die deklarative Feststellung der Ungültigkeit oder Nichtigkeit eines zwischen den Parteien des Rechtsstreits geschlossenen Vertrags gerichtet sind (2 Ob 511/95; 6 Ob 311/01f; RS0038817 [T20]; RS0014650). Im Hinblick auf diese gesicherte Rechtsprechung zeigt der Beklagte auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[17] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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