Spruch:
Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Das Erstgericht erließ zunächst Zwangsstrafverfügungen wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Einreichung der Bilanzunterlagen nach §§ 277 ff UGB für die Jahre 2008 und 2009. Gegen diese Strafverfügungen erhoben die Gesellschaft und zwei Vorstandsmitglieder Einspruch. Diese brachten im Wesentlichen vor, es sei unklar, wegen welcher fehlenden Bilanzteile die Zwangsstrafverfügungen erlassen worden seien. Es bestehe ein Offenlegungshindernis, weil es sich um eine Holding mit mehreren Auslandstöchtern handle, deren Jahresabschlüsse nur langwierig und aufwendig erstellt werden könnten. An deren Fertigstellung, an der Finalisierung der Jahresabschlüsse für die Gesellschaft sowie an deren Genehmigung durch die Hauptversammlung werde intensiv gearbeitet.
Das Erstgericht verhängte daraufhin im ordentlichen Verfahren wiederum Zwangsstrafverfügungen von je 800 EUR. Die vorgebrachte Komplexität der Jahresabschlusserstellung sei kein tauglicher Hinderungsgrund.
Das Rekursgericht bestätigte - soweit für das Revisionsrekursverfahren von Belang - die Zwangsstrafen gegen die Gesellschaft und ein Vorstandsmitglied. Die Einreichung in Papierform am 28. 2. 2011 habe gegen § 277 Abs 6 UGB verstoßen. Dieser Mangel sei für den Jahresabschluss 2008 erst am 22. 9. 2011, für den Jahresabschluss 2009 noch gar nicht behoben. Der Staat habe ein berechtigtes Interesse, Daten in technisch einfach überführbarer Form zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der Formverstoß sei trotz entsprechenden Hinweises durch das Erstgericht teils über mehrere Monate, teils sogar bis zum Tag der Entscheidung unbehoben geblieben. Schon dieser Pflichtenverstoß bewirke die Strafbarkeit.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Verhängung einer Zwangsstrafe bei formwidriger Einreichung in Papierform fehle, nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Linz die Einreichung eines Jahresabschlusses bloß in Papierform entgegen § 277 Abs 6 UGB sanktionslos bleibe, sodass zur Wahrung der Rechtseinheit eine wesentliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliege.
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revisionsrekurse sind zulässig; sie sind aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Verhängung von Strafen sowohl gegen die Gesellschaft, als auch gegen die Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglieder keine unzulässige Doppelbestrafung darstellt (6 Ob 129/11f ua). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass. Die mehrfache Verhängung von Geldstrafen ist in diesem Fall bloß Folge des Umstands, dass mehrere handlungspflichtige Rechtssubjekte den sie nach dem Gesetz treffenden Pflichten nicht nachkamen (6 Ob 129/11f).
Hinsichtlich der Strafbewehrung der Unterlassung der elektronischen Einreichung billigt der Oberste Gerichtshof die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung. Nach § 277 Abs 6 UGB sind Jahresabschlüsse - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - elektronisch einzureichen. § 29 FBG stellt - in Einklang mit Art 3 der Richtlinie 2003/58/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 7. 2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen - die Grundlage für die ADV-mäßige Führung des Firmenbuchs dar (Umfaher in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 29 Rz 1). Daraus ergibt sich - wie schon das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat - ein berechtigtes Interesse des Staats, Daten in technisch einfach überführbarer Form zur Verfügung gestellt zu bekommen. Diesem Umstand trägt § 283 Abs 1 UGB Rechnung, der jeden Verstoß gegen § 277 UGB, somit auch einen Formverstoß gegen dessen Abs 6, unter (Zwangs-)Strafe stellt.
Dieses Ergebnis ist auch mit der unionsrechtlichen Rechtslage vereinbar, sieht doch Art 3 der Richtlinie 2003/58/EG ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten den Gesellschaften die Einreichung aller oder eines Teils der betreffenden Urkunden und Angaben in elektronischer Form vorschreiben können. Ob diese Richtlinienbestimmung zwingend eine entsprechende Sanktion für die Verletzung derartiger Pflichten verlangt, ist entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber ohne Bedeutung. Entscheidend ist lediglich, dass das Vorsehen einer entsprechenden Sanktion durch nationales Recht sich im Rahmen der Vorgaben der Richtlinie hält, also kein Verstoß gegen die zitierte Richtlinie vorliegt.
Zutreffend hat auch bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass das Zuwiderhandeln gegen die Offenlegungspflichten nicht mit Formverstößen in einem Zivilverfahren zu vergleichen ist. Soweit es lediglich um Individualrechtsschutz geht, ist durchaus ein großzügiger Maßstab möglich. Die Offenlegungspflicht dient hingegen der rechtzeitigen Information der beteiligten Verkehrskreise über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft. Eine vergleichbare zeitnahe Information der Öffentlichkeit wäre nur dann gewährleistet, wenn in Papierform eingebrachte Unterlagen sofort gescannt und in die Datenbank des Firmenbuchs aufgenommen würden. Damit müsste die Gerichtsbarkeit aber zur Behebung allfälliger Unterlassungen der Parteien stets eine entsprechende personelle Ausstattung vorhalten, um diesbezügliche Parteifehler umgehend korrigieren zu können. Dass der Gesetzgeber die Behebung von derartigen Parteifehlern auf die Gerichte abwälzen wollte, kann nicht angenommen werden. Für eine einschränkende Auslegung des § 283 UGB, der einen Verstoß gegen alle Pflichten des § 277 UGB, mithin auch diejenigen nach § 277 Abs 6 UGB zur elektronischen Einreichung, mit einer Zwangsstrafe bedroht, besteht daher kein Anlass. Aus diesem Grund kann der gegenteiligen Judikatur des Oberlandesgerichts Linz (6 R 10/09x) nicht gefolgt werden.
Nicht berechtigt ist auch der Einwand, die Revisionsrekurswerber seien durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert worden. Ein derartiges Ereignis erblicken die Revisionsrekurswerber darin, dass für den 5. 7. 2011 eine ordentliche Hauptversammlung einberufen gewesen sei, bei der die Jahresabschlüsse für die Jahre 2008 und 2009 festgestellt werden hätten sollen; zu dieser Hauptversammlung seien aber weder alle Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft noch ein Vertreter des Alleinaktionärs erschienen.
Diese Ausführungen sind aber nicht geeignet, eine Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses darzutun. Das Ausbleiben des Alleinaktionärs vermag die Nichteinhaltung der Offenlegungspflicht nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass zur Wahrung der Frist des § 277 UGB die Einreichung eines vorläufigen Jahresabschlusses ausreicht (RIS-Justiz RS0127129).
Die Rechtsansicht der Revisionsrekurswerber liefe demgegenüber darauf hinaus, dass wegen fehlender Feststellung des Jahresabschlusses die Gläubiger bzw andere interessierte Dritte überhaupt keine Informationen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft erhielten. Ein derartiges Verständnis des Gesetzes läuft aber dem Zweck der Bilanzpublizität diametral zuwider (6 Ob 225/11y).
Damit erweist sich der angefochtene Beschluss aber als frei von Rechtsirrtum, sodass den unbegründeten Revisionsrekursen ein Erfolg zu versagen war.
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