Spruch:
Unmundige haben im Außerstreitverfahren kein Antrags- oder Rekursrecht
Entscheidung vom 15. Dezember 1965, 6 Ob 319/65
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Text
Mit Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom 21. September 1965, 14 P ..., wurde auf Grund des Antrages des ehelichen Vaters die Minderjährige in seine Pflege und Erziehung gegeben. Die Minderjährige bekämpfte diesen Beschluß mit Rekurs, den das Rekursgericht als unzulässig zurückwies. Nach der Scheidung der Ehe der Eltern habe ein Kind keinen Anspruch, von einem bestimmten Elternteil erzogen zu werden. Durch eine derartige Entscheidung werde daher nicht in seine Rechte eingegriffen. Es stehe ihm daher auch kein Rekursrecht zu.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der Minderjährigen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt entschieden hat (SZ. XXIII 181, JBl. 1954 S. 258, SZ. XXVIII 259, 8 Ob 204/65), lassen sich allerdings die Grundsätze über die Prozeßfähigkeit aus dem Gebiet des Prozeßrechtes nicht ohne weiteres auf das Gebiet des Verfahrens außer Streitsachen übertragen. Es muß vielmehr auch einem Minderjährigen das Recht zuerkannt werden, unter Umständen selbständige Anträge im Verfahren außer Streitsachen einzubringen und auch Rechtsmittel zu ergreifen, da er sonst, wenn sein Vater oder Vormund sich seinen Anträgen widersetzt, diese Ansprüche nicht geltend machen oder gegen eine ablehnende Entscheidung des Pflegschafts- oder Vormundschaftsgerichtes kein Rechtsmittel ergreifen könnte. In allen diesen Fällen handelte es sich jedoch um bereits mundige Minderjährige. Hinsichtlich Unmundiger hingegen läßt sich die Einräumung eines Rekursrechtes nicht vertreten, weil ihnen auch eine beschränkte Handlungsfähigkeit nicht zukommt. So setzen nach § 151 ABGB. das Verfügungsrecht über zum Gebrauch übergebene Sachen, nach § 248 (2) ABGB. die Verantwortlichkeit für verbotene Handlungen und nach § 597 ABGB. die Fähigkeit zum Testamentszeugen Mundigkeit voraus. § 4 (1) EntmO. stellt den beschränkt Entmundigten, also den Geisteskranken, dem der Gesetzesgeber eine beschränkte Handlungsfähigkeit zuerkennt, einem mundigen Minderjährigen gleich. Vor allem aber ergibt sich die mangelnde Legitimation Unmundiger, gegen eine die Erziehung betreffende Maßnahme Rekurs zu ergreifen, aus § 148 ABGB., weil diese Gesetzesstelle ein gewisses Mitspracherecht hinsichtlich der Erziehung nur dem mundigen Minderjährigen einräumt. Auch aus § 178 ABGB, ist für den Standpunkt der Rekurswerberin nichts zu gewinnen. Denn wenn nach dieser Gesetzesstelle auch jedermann das Recht der Anzeige eines Mißbrauches des Erziehungsrechtes hat, erlangt er dadurch doch nicht Parteistellung und Rekursrecht (Klang[2] I/2 251).
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