Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Minderjährigen wurden zuletzt mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 29. 6. 1998 Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 iVm § 6 Abs 2 UVG bis 31. 10. 2000 bewilligt. Sie befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter, absolviert jedoch derzeit ein Schuljahr an einer High School in den USA. Die Mutter informierte das Erstgericht über diesen Schulbesuch und teilte mit, das Schuljahr habe in den USA am 23. 8. 1999 begonnen und werde am 28. 5. 2000 enden. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 100.000 S. Ihre Tochter wohne bei einer Gastfamilie in Iowa, behalte aber ihren Hauptwohnsitz bei der Mutter bei.
Das Erstgericht stellte daraufhin den Unterhaltsvorschuss unter Hinweis auf § 20 UVG mit Ablauf des 31. 8. 1999 ein.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes Folge und hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland werde durch einen zeitweiligen Auslandsaufenthalt etwa in einer ausländischen Schule oder einem ausländischen Internat zu Studienzwecken nicht aufgehoben. Entscheidend sei, ob bei Wegfall des Anlasses des absehbaren vorübergehenden Auslandsaufenthaltes dieser sofort wieder aufgegeben und der Aufenthalt zur Gänze ins Inland verlegt werde. Habe der Unterhaltsberechtigte aber einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einen im Ausland, bleibe der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bestehen.
Auf Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz nach § 14a Abs 1 AußStrG änderte das Rekursgericht seinen Zulässigkeitsausspruch ab, und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu vergleichbaren Fällen fehle.
Der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 20 Abs 1 Z 4 lit a UVG sind Unterhaltsvorschüsse auf Antrag oder von Amts wegen einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen der Gewährung wegfällt. Als eine solche Voraussetzung führt § 2 UVG den gewöhnlichen Aufenthalt des unterhaltsberechtigten Kindes im Inland an. Der gewöhnliche Aufenthalt wird durch die körperliche Anwesenheit bestimmt und setzt eine dauerhafte, nicht nur vorübergehende Beziehung zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt voraus, die sich in einer bestimmten längeren Dauer und Beständigkeit des Aufenthaltes äußert und auch auf objektiv überprüfbare Umstände persönlicher oder beruflicher Art gegründet ist (RZ 1990/52, 102; RIS-Justiz RS0085478; RS0046742; RS0102776; RS0046583). Der Oberste Gerichtshof hat in einem bestimmten Anlassfall den gewöhnlichen Aufenthaltsort bei einer Aufenthaltsdauer von ungefähr sechs Monaten im Allgemeinen bejaht (RZ 1989/90). Er hat demgegenüber aber auch ausgesprochen, dass die Dauer des Aufenthaltes für sich allein nicht entscheidend sei. Sie sei nur eines der Kriterien für die Beurteilung der dauerhaften Beziehungen einer Person zu ihrem Aufenthaltsort. Wesentlich sei, ob Umstände vorliegen, die dauernde Beziehungen anzeigen (RIS-Justiz RS0046742). Eine Person könne ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch an mehreren Orten haben (RIS-Justiz RS0046583).
Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 2 UVG haben Gerichte zweiter Instanz schon bisher eine zeitweilige Abwesenheit im Ausland infolge beruflicher, familiärer oder urlaubsbedingter Umstände oder auch zu Ausbildungszwecken nicht als Unterbrechung des im Inland begründeten gewöhnlichen Aufenthaltes beurteilt und Unterhaltsvorschüsse auch für diese (meist längerdauernden Zeiträume) gewährt (EFSlg 36.524, 38.936, 41.469, 60.459, 63.643, 72.484, 78.776). Als entscheidend wurde beurteilt, ob bei Wegfall des Anlasses des absehbar vorübergehenden Auslandsaufenthaltes dieser sofort wieder aufgegeben und der Aufenthalt zur Gänze ins Inland verlegt wird (EFSlg 41.469 und 63.643).
Auch die Lehre vertritt die Auffassung, ein beruflicher oder studienbedingter Auslandsaufenthalt hebe den im Inland einmal begründeten gewöhnlichen Aufenthalt nicht auf (Knoll, Unterhaltsvorschussgesetz Rz 3 lit d und g zu § 2; Strauß/Brosch UVG, 29; Neumayr in Schwimann ABGB2 Rz 5 zu § 2 UVG).
Diese Auffassungen stehen auch im Einklang mit den Zielsetzungen des Gesetzgebers im Bereich des Krankenversicherungsrechtes. § 123 Abs 1 Z 1 ASVG (und die entsprechenden Bestimmungen in anderen Sozialversicherungsgesetzen) sichert Ansprüche von Angehörigen auf Leistungen der Krankenversicherung nur dann, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Nach Abs 5 leg cit idF 50. ASVG-Nov gelten Kinder und Enkel auch dann als Angehörige, wenn sie sich im Ausland in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden. Den Materialien der 50. ASVG-Novelle ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber einen Entfall der Anspruchsberechtigung im Fall der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausland zu Zwecken der Schul- oder Berufsausbildung des angehörigen Kindes als ungerechtfertigte Härte ansieht, die er durch Abs 5 leg cit beseitigt hat.
Der erkennende Senat teilt die aus Lehre und Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz vertretene Auffassung:
Der vorübergehende Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten im Ausland zu Ausbildungszwecken steht einer Bevorschussung nicht entgegen.
Auch die Materialien zu § 2 Abs 1 UVG in seiner ursprünglichen Fassung (199 BlgNR 14. GP 5) weisen darauf hin, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Allgemeinen auch durch eine zeitweilige Abwesenheit im Ausland, etwa infolge beruflicher, familiärer oder urlaubsbedingter Umstände oder auch zu Ausbildungszwecken, nicht aufgehoben wird. Es solle nämlich auch das Kind in den Genuss der Unterhaltsvorschüsse gelangen, das zB von seiner Mutter bei Verwandten im Ausland zur vorübergehenden Pflege oder in einem ausländischen Internat zu Ausbildungszwecken untergebracht wird.
Soll aber nach dem Willen des Gesetzgebers die Unterbringung eines Minderjährigen in einem ausländischen Internat zu Ausbildungszwecken einer Bevorschussung nicht entgegenstehen, so muss dies auch für die Unterbringung in einer ausländischen Gastfamilie zu Zwecken des Schulbesuches während eines ganz bestimmten Schuljahres gelten.
Diesen Anforderungen entspricht der Aufenthalt der Minderjährigen im vorliegenden Fall. Sie ist in einer amerikanischen Gastfamilie (nur) während der Dauer des von ihr absolvierten High School-Jahres, somit zu Zwecken der Ausbildung untergebracht. Ihr Aufenthalt in den USA ist somit auf absehbare vorübergehende Dauer begrenzt und findet mit Beendigung des High School-Jahres zu einem feststehenden Zeitpunkt sein Ende, womit der Aufenthalt der Minderjährigen danach wieder ausschließlich im Inland besteht.
Die Voraussetzungen der Vorschussgewährung sind daher entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers nicht weggefallen.
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