Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Zu gesetzlichen Erben nach dem am 2.September 1990 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Erblasser sind seine zweite - nach dem Aktenstand seither wiederverehelichte - Gattin, sein am 4.Oktober 1986 geborener Sohn aus zweiter Ehe sowie aus erster Ehe eine Tochter und der am 1.Mai 1977 geborene Sohn, der nunmehrigen Rechtsmittelwerber, berufen. Beide Söhne, welche zu je 2/9 bedingte Erbserklärungen auf Grund des Gesetzes abgaben, beanspruchen das Anerbenrecht in Ansehung des in den Nachlaß fallenden von der Familie des Erblassers stammenden geschlossenen Hofes in M***** in Tirol.
Das Erstgericht bestimmte den Sohn des Erblassers aus zweiter Ehe zum Anerben des näher bezeichneten geschlossenen Hofes, wobei es von folgenden Feststellungen ausging: Der Erblasser schloß am 24. September 1977 seine erste Ehe, wodurch der Rechtsmittelwerber legitimiert wurde. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Oktober 1981, GZ 7 Cg 84/81-11, wurde die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Erblassers geschieden. Am 25.Oktober 1981 zog die erste Frau des Erblassers mit den beiden Kindern vom Hof, auf dem der Rechtsmittelwerber seit seiner Geburt aufgewachsen war, nach L*****. In den Folgejahren war der Rechtsmittelwerber im Rahmen des Besuchsrechts des Erblassers, welches diesem an jedem dritten Sonntag im Monat sowie an sechs weiteren Tagen im Jahr zustand, des öfteren am Hof. Darüber hinaus half er seinem Vater bei landwirtschaftlichen Arbeiten zu Zeiten der Heuernte oder wenn sonst eine Arbeitskraft dringend benötigt wurde. Am 5.Oktober 1984 heiratete der Erblasser zum zweiten Mal; dieser Ehe entstammt ein Sohn, der am Hof aufwächst. Der Rechtsmittelwerber hilft seit drei Jahren in einem landwirtschaftlichen Betrieb mit und besuchte im Schuljahr 1991/92 die 1.Klasse der landwirtschaftlichen Fachschule in Rotholz.
Rechtlich folgerten die Vorinstanzen im wesentlichen, daß der Rechtsmittelwerber die Voraussetzungen des § 15 Abs 1 Z 1 TirHöfeG nicht erfülle. Die zweite Instanz sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG wegen fehlender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 15 Abs 1 TirHöfeG idF BGBl 1989/657 zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Sohnes des Erblassers aus erster Ehe ist zulässig, aber nicht gerechtfertigt.
Maßgeblich für die Beurteilung, wer von den beiden Söhnen des Erblassers (aus erster und zweiter Ehe) als Anerbe des geschlossenen Tiroler Hofes in Frage kommt, sind die Erbteilungsvorschriften des Gesetzes vom 12.Juni 1900, LGBl für Tirol 47, betreffend die besonderen Rechtsverhältnisse geschlossener Höfe (TirHöfeG) in der angesichts des Todes des Erblassers am 2.September 1990 bereits anzuwendenden (Art II) Fassung des Art I BGBl 1989/657. Damit wurde unter anderem die Auswahl des Anerben bei der gesetzlichen Erbfolge neu geregelt und den geänderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen angepaßt. Sind zur gesetzlichen Erbfolge nach dem Alleineigentümer eines geschlossenen Hofes mehrere Miterben berufen, so kann der Hof ... nur einem von ihnen, dem Anerben (Übernehmer) zufallen. Können sich die Miterben - wie hier - nicht einigen, wer von ihnen Anerbe sein soll, so hat diesen das Verlassenschaftsgericht nach im einzelnen genannten Regeln zu bestimmen (§ 15 Abs 1 TirHöfeG). Die Auswahlregeln des § 15 TirHöfeG sind nun ebenso wie die des § 6 Kärntner ErbhöfeG 1990 und des § 3 AnerbenG idF BGBl 1989/657 stufenförmig aufgebaut (6 Ob 34/92; Kathrein, Anerbenrecht Anm 2 zu § 3 AnerbenG und Anm 3 zu § 15 TirHöfeG). Nur wenn nach der "Auslese" eines vorangehenden Absatzes noch mehrere Miterben in Betracht kommen, sind die Bestimmungen des nächsten Absatzes heranzuziehen (Kathrein aaO Anm 3 zu § 15 TirHöfeG). § 15 Abs 1 leg.cit. trifft unter mehreren Miterben eine erste "grobe" Auswahl (RV, 859 BlgNR XVII.GP, 9). Nach der die Stellung des überlebenden Ehegatten regelnden Bestimmung des § 15 Abs 1 Z 1 TirHöfeG gehen Nachkommen des Erblassers, die auf dem Hof aufwachsen oder aufgewachsen sind, dem überlebenden Ehegatten vor; dieser reiht vor den übrigen Verwandten. Der Gesetzgeber ging von der Vorstellung aus, die Einräumung eines Vorrangs des Ehegatten vor allen anderen Miterben erscheine nicht sinnvoll. In vielen Fällen werde der Ehegatte schon auf Grund seines Alters kaum mehr in der Lage sein, den Hof ordentlich zu bewirtschaften. Nach dem Tod des Ehegatten müßte überdies neuerlich ein Übernehmer gefunden werden, womit oft beträchtliche Kosten verbunden sein könnten. Daher sollten dem Ehegatten Nachkommen des Erblassers vorgehen, die auf dem Hof aufwachsen oder aufgewachsen seien (RV aaO 9). Nach den Intentionen des Gesetzgebers könne von einem Aufwachsen eines Nachkommen auf dem Hof nur dann gesprochen werden, wenn er dort überhaupt seit seiner Geburt lebe oder dort seine Kindheit und wenigstens einen Teil seiner Jugend verbracht hat (RV aaO 9; Kathrein aaO Anm 4 zu § 15 TirHöfeG, Anm 2 zu der im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 1 Kärntner ErbhöfeG 1990, BGBl 1989/658, unter Hinweis auf die RV, 462 BlgNR XVII.GP, 11, sowie Anm 3 zu der im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 2 AnerbenG idF BGBl 1989/659; Meyer, Anerbengesetz 26). Es solle darauf ankommen, ob ein Nachkomme von klein auf eine Nahebeziehung zum Hof entwickeln könne oder entwickelt habe, sodaß er die Besonderheit des Betriebes kenne oder kennenlernen werde (RV aaO 9).
Das bedeutet, daß der Rechtsmittelwerber nur dann der zweiten Frau des Erblassers vorgeht und damit bei Prüfung seiner Stellung als Anerbenprätendent mit dem am Hof aufwachsenden Sohn des Erblassers aus zweiter Ehe gleichberechtigt ist, wenn er auf dem Hof seine Kindheit und einen Teil seiner Jugend verbrachte. Davon kann, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, auch wenn man dem Revisionsrekurs folgend das zeitliche Moment bei Überprüfung des Begriffes "aufwachsen oder aufgewachsen sind" vernachlässigt, keine Rede sein. Der Rechtsmittelwerber hat einen Teil seiner Kindheit (4 1/2 Jahre) am Hof verbracht, aber nicht einmal die gesamte Kindheit und schon gar nicht einen Teil seiner Jugend. Durch die Obsorgezuteilung an die Mutter nach der Scheidung seiner Eltern im Oktober 1981 wuchs der Rechtsmittelwerber bei seiner Mutter auf. Bis Oktober 1981 konnte der Rechtsmittelwerber als Kleinkind wohl kein besonderes Naheverhältnis zum Hof entwickeln, wie im Rechtsmittel in bezug auf den Halbbruder des Rechtsmittelwerbers nicht unzutreffend ausgeführt wird. Seine dann folgenden Aufenthalte am Hof als Klein- und Volksschuldkind reichen gleichfalls nicht aus, um ein solches Naheverhältnis annehmen zu können. Die Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers am väterlichen Hof war ja Ausfluß des väterlichen Besuchsrechtes, das nach dem Inhalt des Pflegschaftsaktes (Sachverständigen-Gutachten Prof. Dr.W***** vom 11. März 1987 ON 55) jedenfalls bis dahin "nur unregelmäßig oder gar nicht eingehalten" wurde. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Rechtsmittelwerber dann seine Sommerferien am Hof, dort infolge einer unterstellten Neigung zur Landwirtschaft tatkräftig mithelfend, verbrachte, kann darin noch kein "Aufwachsen" iS eines Verbringens eines Teils der Jugendzeit, wovon der Gesetzgeber ausgeht, erblickt werden.
Da im vorliegenden Fall somit eine Auswahl des Anerben schon nach § 15 Abs 1 Z 1 TirHöfeG möglich ist, weil der Rechtsmittelwerber das geforderte Kriterium des "... auf dem Hof aufgewachsen" nicht erfüllt, kommen die Auswahlkriterien des § 15 Abs 2 TirHöfeG, wonach Miterben, die wie der Rechtsmittelwerber zur Land- und Forstwirtschaft erzogen werden oder worden sind, anderen nach Absatz 1 noch gleichberechtigten Miterben vorgehen, nicht mehr zur Anwendung. Denn die Söhne des Erblassers aus erster und zweiter Ehe sind aus den dargestellten Gründen für die Beurteilung ihrer Anerbenstellung nicht gleichberechtigt. Auf die Tatsache, daß dem auf dem Hof lebenden Ehegatten des Erblassers daran bis zur Volljährigkeit des Anerben ein Fruchtgenußrecht zusteht, wenn dieser ein Nachkomme des Erblassers oder des Ehegatten ist (§ 24 Abs 2 TirHöfeG), kommt es nicht mehr an.
Dem Revisionsrekurs ist demnach nicht Folge zu geben.
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