OGH 6Ob278/98w

OGH6Ob278/98w25.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika W*****, Prokuristin, ***** vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in Salzburg, wider die beklagte Partei Wilhelmine W*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Joachim Hörlsberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Wiederaufnahme (Streitwert 78.260,-- S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 20. April 1998, GZ 53 R 47/98p-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 10. Dezember 1997, GZ 40 C 5/97-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 6.086,40 S (darin enthalten 1.014,40 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Oskar W*****, der Vater der Klägerin und geschiedene Ehemann der Beklagten ist aufgrund eines vor dem Landesgericht Salzburg am 29. 11. 1971 geschlossenen (Scheidungs-)Vergleiches verpflichtet, der Beklagten ab 1. 12. 1971 einen monatlichen Unterhalt von wertgesichert 3.500,-- S zu zahlen.

Mit rechtskräftigem Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 28. 8. 1992 wurde der Beklagten aufgrund dieses Vergleiches zur Hereinbringung eines behaupteten Unterhaltsrückstandes und des laufenden Unterhaltes von monatlich 9.520,-- S die Pfändung und Überweisung der Oskar W***** gegenüber der Klägerin (Drittschuldnerin) als Versorgungsrente zustehenden Forderung von monatlich mindestens 10.000,-- S bewilligt. Der Exekutionsbewilligungsbeschluß wurde der Drittschuldnerin am 9. 9. 1992 zugestellt. Diese hat in ihrer Drittschuldnererklärung behauptet, dem Verpflichteten nichts zu schulden und in der Folge keine Zahlungen geleistet.

Mit der daraufhin eingebrachten Drittschuldnerklage begehrte die hier Beklagte von der nunmehrigen Klägerin zuletzt 78.260,-- S. Diese wendete, soweit noch wesentlich, ein, ihr Vater (der Verpflichtete) habe auf die Ansprüche aus der Versorgungsrente verzichtet, wobei sie sich auf zwei (1982 und 1988 geschlossene) Abänderungsverträge zum Abtretungsvertrag berief. Im zweiten Abänderungsvertrag sei Oskar W***** für den Verzicht mit 500.000,-- S abgefunden worden. Die nunmehrige Klägerin habe in der Folge freiwillig noch weiter gezahlt, die Zahlungen aber mit 30. 6. 1992 eingestellt. Das Bezirksgericht Salzburg gab mit Urteil vom 26. 1. 1995 zu 8 C 20/92-39 dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang (mit Ausnahme eines schon mit Urteil vom 14. 11. 1993, 8 C 20/92-27 rechtskräftig abgewiesenen Zinsenmehrbe- gehrens) statt. Es nahm die von der nunmehrigen Klägerin aufgestellten Behauptungen als nicht erwiesen an. Die von ihr vorgelegten Urkunden seien entgegen den darin enthaltenen Datumsangaben nicht vor dem 9. 9. 1992 unterfertigt worden. Das Landesgericht Salzburg als Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und führte dazu aus, gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts und die darauf gegründeten Feststellungen bestünden keine Bedenken. Die außerordentliche Revision der nunmehrigen Klägerin wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 12. 10. 1995, 6 Ob 1664/95-49 mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Mit der vorliegenden, am 17. 10. 1997 eingebrachten Klage strebt die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens 8 C 20/92 des Bezirksgerichtes Salzburg an, weil ihr im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ein neues Beweismittel bekannt geworden sei. Die Klägerin habe am 9. 10. 1997 ihren Steuerberater aufgesucht und sich mit dessen Mitarbeiterin Renate F***** über die steuerrechtliche Behandlung der Zahlung der Leibrente des Oskar W***** im Zuge des Drittschuldnerprozesses beraten. Dabei habe sich Renate F***** daran erinnert, daß Oskar W***** sie in den Jahren um 1990 ohne Wissen der Wiederaufnahmsklägerin aufgesucht habe, um im Zusammenhang mit dem Jahressteuerausgleich die Frage zu klären, wie die einmalige Zahlung von 500.000,-- S als Abfindung für die Leibrente steuerrechtlich zu behandeln sei. Am 10. 10. 1997 habe Renate F***** ihre damaligen Unterlagen im Archiv ausgehoben und festgestellt, daß Oskar W***** im März 1990 bei ihr gewesen sei und erklärt habe, er habe von Monika W***** eine einmalige Zahlung von 500.000,-- S als Abfindung für die weiteren Leibrentenzahlungen erhalten. Renate F***** habe sich auf den betreffenden Unterlagen den Vermerk gemacht, daß diese einmalige Zahlung als Abfindung steuerrechtlich nicht veranlagt werden müsse. Weiters habe sie auch festgestellt, daß Oskar W***** ihr zur steuerrechtlichen Beurteilung der Abfindungszahlung von 500.000,-- S auch die Vereinbarung vom 5. 6. 1988 (Beil./2 im Vorprozeß) vorgelegt habe. Damit könne Renate F***** zeugenschaftlich bestätigen, daß Oskar W***** tatsächlich von der Klägerin einen Abfindungsbetrag von 500.000,-- S für Leibrentenansprüche erhalten habe und zum damaligen Zeitpunkt bereits die Urkunde vom 5. 6. 1988 von Oskar und Monika W***** unterfertigt vorhanden gewesen sei. Der Wiederaufnahmsklägerin sei der Zeugenbeweis durch Renate F***** erst am 9./10. 10. 1997 bekannt geworden.

Das Erstgericht erachtete die Klage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung geeignet (§ 538 ZPO). In der Verhandlung vom 21. 11. 1997 brachte die Wiederaufnahmsbeklagte vor, daß eine Aussage der nunmehr beantragten Zeugin im Vorprozeß zu keinem günstigeren Prozeßergebnis für die Wiederaufnahmsklägerin geführt hätte, weil Oskar W***** seinem Rechtsfreund im August und Oktober 1990 mitgeteilt habe, daß er von der Klägerin noch Rentenzahlungen erhalte.

Nach Einvernahme der Zeugin Renate F***** in der Streitverhandlung am 21. 11. 1997 wies das Erstgericht die Wiederaufnahmsklage ab. Es stellte dazu fest, daß Renate F***** seit 14 Jahren in einer Steuerberatungskanzlei beschäftigt sei, von der auch die Klägerin seit mehreren Jahren betreut werde. Die Klägerin komme jedes Quartal in die Kanzlei und spreche laufend mit Renate F***** über ihre steuerlichen Belange. Von der gerichtlichen Verpflichtung zur Zahlung einer gepfändeten Leibrentenforderung an die Wiederaufnahmsbeklagte habe sie jedoch bis zum 9. 10. 1997 nichts erwähnt. Oskar W***** habe von der erwähnten Kanzlei lediglich in den Jahren 1989 und 1990 den Steuerausgleich machen lassen, weil er in diesen Jahren über ein doppeltes Einkommen verfügt habe. Er habe nicht viel gesprochen und Renate F***** ua eine Ablichtung einer Scheckeinreichung vom 9. 2. 1989, Ausstellungsdatum 13. 1. 1989, über 500.000,-- S einer deutschen Firma K***** GmbH & Co KG vorgelegt, aus der hervorgegangen sei, daß aufgrund einer Rechnung vom 25. 10. 1988 auf ein Konto bei der Länderbank mit dem Betreff "Erwerb von Geschäftsanteilen an der W***** ProduktionsgesmbH" 500.000,-- S gezahlt worden seien. Er habe Renate F***** zur Überprüfung aufgefordert, ob dieser Betrag zu versteuern sei. Renate F***** habe weder die deutsche Firma noch die Kontonummer gekannt. Oskar W***** habe die Scheckeinreichung als Abschlagszahlung bezeichnet. Ob er nähere Angaben darüber machte, könne nicht festgestellt werden. Renate F***** habe bereits aus der vorangegangenen Vertretung der Klägerin gewußt, daß diese eine Leibrente zu zahlen hatte und diese Zahlungen nicht von der Steuer absetzen konnte. Sie habe auf der Ablichtung der Scheckeinreichung daher handschriftlich den Vermerk "Leibrentenzahlung kommt nicht zum Ansatz, da bei Frau W***** nicht absetzbar" angebracht. Damit habe sie sich für den Fall absichern wollen, daß "das Finanzamt einmal kommen würde", sodaß sie nachweisen könnte, warum sie diesen Betrag im Jahresausgleich nicht angegeben hatte. Am 9. 10. 1997 habe die Wiederaufnahmsklägerin Renate F***** gefragt, ob sie eine Leibrentenzahlung steuerlich absetzen könne. Renate F***** habe sich daran erinnert, daß Oskar W***** ihr im Jahr 1989 (richtig: 1990) einen Zahlungsbeleg vorgelegt und sie darüber einen Aktenvermerk angefertigt hatte. Sie habe die Unterlagen des Oskar W***** über dessen Jahresausgleich 1989 ausgehoben und habe die Ablichtung der Scheckeinreichung vom 9. 2. 1989 mit dem darauf angebrachten Vermerk gefunden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das neue Beweismittel zu keiner günstigeren Entscheidung im Vorprozeß geführt hätte. Das Wissen der Zeugin betreffe keine erheblichen Tatsachen. Außerdem wäre die Wiederaufnahmsklägerin bei Anwendung gebührender Sorgfalt bereits im Vorverfahren in der Lage gewesen, die Steuerberaterin als Beweismittel anzubieten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung: Prüfe man die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über den Inhalt der Aussage der Zeugin Renate F***** im Zusammenhalt mit den Ausführungen in der Beweiswürdigung und unter Zugrundelegung der Aussage der Zeugin, so zeige sich, daß das von der Wiederaufnahmsklägerin ins Treffen geführte neue Beweismittel, die Einvernahme der Renate F***** als Zeugin, im konkreten nicht geeignet sei, zu einer Änderung der Tatsachenfeststellungen des Vorprozesses zu führen, zumal die Zeugin keinerlei positive Kenntnis von einer Vereinbarung zwischen Oskar und Monika W***** über eine Abfindung oder Abschlagszahlung gehabt habe, nämlich weder ein derartiges Schriftstück gesehen noch aus einer Äußerung Oskar W***** davon Kenntnis erlangt habe. Auch habe sich die Zeugin nicht daran erinnern können, daß Oskar W***** im Jahre 1990 den Scheck als "endgültige Abschlagszahlung" bezeichnet hätte; vielmehr sei nur von einer Abschlagszahlung die Rede gewesen. Selbst wenn Oskar W***** daher den Scheckbetrag als Leibrentenabschlagzahlung bezeichnet habe, könne es sich daher auch genausogut um eine Abschlagszahlung auf rückständige Leibrentenforderungen gehandelt haben. Da das beantragte neue Beweismittel demnach nicht geeignet sei, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeiführen, komme es auf die Frage eines mangelnden Verschuldens der Wiederaufnahmsklägerin im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO nicht mehr an.

Das Berufungsgericht erklärte zunächst die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO für unzulässig, weil es sich bei der Frage der konkreten Eignung eines neuen Beweismittels, ein günstigeres Ergebnis im Vorprozeß herbeizuführen, um eine nicht revisible Tatfrage handle. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO änderte es diesen Ausspruch gemäß Abs 3 ZPO leg cit dahin ab, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO doch zulässig sei. Die Überlegung der Klägerin, die Unterinstanzen hätten das Aufhebungs- mit dem wiederaufgenommenen Verfahren vermengt und bereits eine konkrete Eignung des neuen Beweismittels geprüft, statt nur dessen abstrakte Eignung zu prüfen, könne nicht von der Hand gewiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dieser den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ansicht des Berufungsgerichtes ist die Revision der Klägerin mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Die Meinung der Revisionswerberin, das Erstgericht habe dadurch, das Wiederaufnahmeverfahren mit einem wiederaufgenommenen Verfahren vermengt, daß es die Zeugin Renate F***** vernommen und ihre Angaben dahin gewürdigt hat, sie seien nicht geeignet, ein für die Klägerin günstigeres Prozeßergebnis herbeizuführen, ist unrichtig. Vielmehr steht das vom Berufungsgericht gebilligte Vorgehen der ersten Instanz im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach schon im Wiederaufnahmsverfahren eine eingeschränkte Würdigung der vom Wiederaufnahmskläger angebotenen neuen Beweismittel dahin vorzunehmen ist, ob die Nichtberücksichtigung der neuen Erkenntnisquellen einen Verstoß gegen die Forderung nach der Richtigkeit und Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlage darstellt (RIS-Justiz RS0044687). Die Prüfung der abstrakten Eignung des neuen Beweismittels nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO genügt demnach nicht, sondern es ist bereits im Aufhebungs-(Wiederaufnahms)verfahren zu untersuchen, ob dem betreffenden Beweismittel die konkrete Eignung zukommt, allenfalls eine für den Wiederaufnahmswerber günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen (vgl Fasching, ZPR2 Rz 2068). Dies wird das Gericht in der Regel erst dann entscheiden können, wenn es den angebotenen Beweis im Verfahren über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme aufgenommen hat (RIS-Justiz RS0044560). Im Falle des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO reicht die abstrakte Eignung des Vorbringens zur Bewilligung der Wiederaufnahme nicht aus, sondern es muß die Richtigkeit der Behauptungen über das Vorliegen der als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Umstände bewiesen werden (RIS-Justiz RS0044478).

Im vorliegenden Fall setzte die Bewilligung der Wiederaufnahme daher voraus, daß sich die Behauptung als richtig herausgestellt hätte, Renate F***** könne bestätigen, Oskar W***** habe im März 1990 ihr gegenüber erklärt, daß er von Monika W***** eine einmalige Zahlung von 500.000,-- S als Abfindung für die weiteren Leibrentenzahlungen erhalten habe. Dies ist nach den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Erstgerichtes aber nicht der Fall. Die Einschätzung des Berufungsgerichtes, wonach die Einvernahme der Renate F***** als Zeugin daher konkret nicht geeignet sei, eine für die Wiederaufnahmsklägerin günstigere Entscheidung herbeizuführen, stellt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar. Deshalb ist die Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung, die im Ergebnis zutreffend auf die Unzulässigkeit der Revision hinweist, gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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