OGH 6Ob274/99h

OGH6Ob274/99h13.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Eduard B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Grogger und Dr. Michele Grogger-Endlicher, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Akademie der bildenden Künste Wien, 1010 Wien, Schillerplatz 3, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Oskar W*****, vertreten durch Dr. Gunther Weichselbaum, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterfertigung eines Kaufvertrages (Streitwert 80.000 S) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Mai 1999, GZ 11 R 212/97w-126, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 3. September 1997, GZ 24 Cg 71/93z-118, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei und ihr Nebenintervenient haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision wegen einer - nach seiner Ansicht - im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, weil Rspr des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob zur Belastung von Liegenschaftsvermögen von Stiftungen mit Vorkaufsrechten eine bescheidmäßige Genehmigung durch die Stiftungsbehörde erforderlich sei. Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt dann vor, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage muss also präjudiziell sein (1 Ob 39/40 ua). Zu klären ist demnach, ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist. Als Beurteilungsgrundlage dient folgender, kurz zusammengefasster Sachverhalt:

Die beklagte Akademie der bildenden Künste Wien ist Rechtsnachfolgerin der k.k. Akademie der bildenden Künste und schien 1971 als Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 619 ... im Grundbuch auf, obwohl die Liegenschaft bereits 1908 der "Adolf S*****-Stiftung" gewidmet worden, diese mit Bescheid des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten vom 31. Jänner 1939 aufgelöst und das Stiftungsvermögen mit Verfügung des Reichsstatthalters in Wien vom 5. Februar 1941 in die "Hochschulstipendienstiftung für Studierende an der Akademie der bildenden Künste in Wien" (im Folgenden nur Stiftung) eingewiesen worden war. Durch ein - nicht näher aufgeklärtes - Versehen ist allerdings im Grundbuch weiterhin nicht diese Stiftung, sondern die beklagte Partei als Eigentümerin eingetragen, jedoch mit nachstehender Belastung durch die Stiftungswidmung:

1 a 220/1911 Beschränkung, dass diese Realität zu jenem Vermögen gehört, welches gemäß Punkt II Testament 1908-05-20 des Adolf S***** nach dem Tode der Anna B***** ausschließlich für eine zu errichtende Stipendienstiftung für alle folgenden Zeiten verwendet werden soll.

Nach dem Stiftungsbrief hat der jeweilige Rektor der beklagten Partei die Verwaltungsmaßnahmen des Professorenkollegiums zu vollziehen und die Stiftung, die neben der Liegenschaft EZ 619 über weiteres Stiftungsvermögen verfügt, nach außen hin zu vertreten; nicht als Privatperson, sondern im Rahmen der gesetzlichen Beschränkungen (hier: Akademie-OrganisationsG 1955). Der Kläger, der wusste, dass "außerbücherliche" Eigentümerin der Liegenschaft die Stiftung ist, pachtete von der beklagten Partei mit Pachtvertrag vom 6. Mai 1971 - gefertigt von ihm und dem damaligen Rektor der beklagten Partei - die Liegenschaft EZ 619 ab 1. Mai 1971 für die Dauer eines Jahres. Dieser Pachtvertrag wurde dem Professorenkollegium der beklagten Partei nicht vorgelegt, dem zuständigen Bundesministerium für Unterricht nicht mitgeteilt und von der zuständigen Stiftungsbehörde nicht genehmigt. Mit dem vom Rechtsvertreter des Klägers verfassten und vom damaligen Rektor gefertigen Schreiben vom 6. Mai 1971 - gleichfalls dem Professorenkollegium der beklagten Partei nicht vorgelegt, dem Bundesministerium für Unterricht nicht mitgeteilt und von der Stiftungsbehörde nicht genehmigt - ("verlängerter Pachtvertrag") wurde dem Kläger unter Bezugnahme auf den Pachtvertrag für die Liegenschaft EZ 619 das einseitige, unwiderrufliche und vererbliche Recht, durch eine einseitige, längstens einen Monat vor Ablauf des Pachtvertrages abzugebende Erklärung eine Verlängerung des Pachtvertrages unter den gleichen Bedingungen für die Dauer von insgesamt 20 Jahren einschließlich der Vertragsdauer des bereits abgeschlossenen Pachtvertrages abzuschließen, und das - hier strittige, nicht verbücherte - Vorkaufsrecht "für das Pachtobjekt für die Dauer des Pachtvertrages gemäß den Bestimmungen des ABGB" eingeräumt. Am 12. März 1986 verkaufte die Stiftung, vertreten durch den damaligen Rektor der beklagten Partei, mit stiftungsbehördlicher Genehmigung vom 24. Februar 1986 dem nunmehrigen Nebenintervenienten die Liegenschaften EZ 619 und EZ 417 um 2,4 Mio S. Mit dem Kaufvertrag wurden das Professorenkollegium der beklagten Partei und das zuständige Bundesministerium nie befasst.

Die Vorinstanzen wiesen das zuletzt gestellte Klagebegehren, die beklagte Partei habe dem Kläger als Vorkaufsberechtigten einen im Einzelnen dargestellten Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ 619 zum Kaufpreis von 924.000 S zu unterfertigen, ab.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht zulässig.

a) Obwohl § 1072 ABGB unter Vorkaufsvorbehalt einen Nebenvertrag zum Kaufvertrag versteht, wird gemäß der im Schuldrecht herrschenden Vertragsfreiheit unter dem Blickpunkt und entsprechend den praktischen Bedürfnissen die Einräumung eines Vorkaufsrechtes auch in anderen Vertragstypen, etwa in Bestandverträgen zugelassen (SZ 64/18 = JBl 1991, 518 = EvBl 1991/88 = ecolex 1991, 680 [Hoyer] mwN; Aicher in Rummel2 § 1072 ABGB Rz 4; Binder in Schwimann2 § 1072 ABGB Rz 4 mwN; Koziol/Welser, Grundriss10 I 330 mwN). Ist eine Sache mit einem Vorkaufsrecht iSd § 1072 ABGB belastet, bildet nur der Abschluss eines Kaufvertrages den Vorkaufsfall. Der Kaufvertrag vom 12. März 1986, der hier nach dem Prozessvorbringen des Klägers den Vorkaufsfall ausgelöst haben soll, wurde indes von der Stiftung als unbestritten eigener Rechtspersönlichkeit und nicht von der beklagten Partei, die dem Kläger das Vorkaufsrecht eingeräumt haben soll, mit dem Nebenintervenienten abgeschlossen. Der Vorkaufsberechtigte hat keinen Anspruch aus einem Kaufvertrag (Vorkaufsfall), der nicht von seinem Vertragspartner (hier: beklagte Partei), sondern von einem Dritten (hier: Stiftung) mit dem Käufer (hier: Nebenintervenienten) abgeschlossen wurde.

Selbst wenn man zum Besten des Klägers, freilich entgegen den Feststellungen annehmen wollte, die beklagte Partei habe für die Stiftung, somit in gewillkürter Vertretung, dem Kläger das Vorkaufsrecht eingeräumt, müsste das Klagebegehren schon daran scheitern, dass die Stiftung im Verfahren nicht belangt wurde.

b) Der Prozessbehauptung des Klägers, die Stiftung habe den Kaufvertrag vom 12. März 1986 im Vollmachtsnamen der beklagten Partei abgeschlossen und damit den Vorkaufsfall ausgelöst, steht Folgendes entgegen: Selbst wenn der Rektor der beklagten Partei die Stiftung vertreten konnte, wären bei einem Verkauf einer Liegenschaft die Organisationsvorschriften der beklagten Partei einzuhalten gewesen. In einem solchen hypothetischen Fall wäre er im Übrigen sowohl Vertreter der Stiftung als Vollmachtsnehmers als auch Scheinvertreter der beklagten Partei als Vollmachtgebers gewesen.

Anzuwenden ist hier noch das Akademie-OrganisationsG BGBl 1955/237 (AOG 1955) idF des Abschnitts II Art 5 der EGVG-Novelle BGBl 1959/92 und der Novelle BGBl 1974/701, denn das - seither durch das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten der Künste (KUOG) BGBl 1998 I 130 abgelöste - Akademie-OrganisationsG 1988 trat zufolge seines § 72 Abs 1 erst mit 1. Oktober 1988 bzw mit 1. März 1988 in Kraft, wogegen das nach dem Klagevorbringen den Vorkaufsfall auslösende Rechtsgeschäft bereits am 12. März 1986 abgeschlossen wurde. Gemäß § 1 Abs 1 AOG 1955 ist die hier beklagte Akademie eine Anstalt des Bundes und untersteht unmittelbar dem Bundesministerium für Unterricht. Sie hat Rechtspersönlichkeit, soweit sie Angelegenheiten besorgt, auf die die Bestimmungen des § 9 Abs 2 lit w und x anzuwenden sind. § 9 Abs 2 AOG 1955 betrifft den autonomen Wirkungsbereich des Professorenkollegiums - und nicht des Rektors -, dazu gehören w) namens der Akademie der Abschluss unentgeltlicher Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die die Hochschule begünstigen, ferner die Beschlussfassung über die Annahme und Ausschlagung von Erbschaften und Vermächtnissen, schließlich die Verwendung des so gewonnenen Vermögens nach Maßgabe des Willen des Spenders; x) der Beitritt zu Vereinen, deren Zweck die Förderung von Akademieaufgaben ist. Nach § 9 Abs 3 bedürfen Beschlüsse in den in den lit ... w und x aufgezählten Angelegenheiten der Genehmigung des Bundesministeriums für Unterricht. Der Verkauf einer nur nach dem Grundbuchstand im Eigentum der Akademie stehenden Liegenschaft oder die Bevollmächtigung des Rektors zum Verkauf der Liegenschaft im "außerbücherlichen" Eigentum eines Dritten (hier: der Stiftung) gehörte nicht zum autonomen Wirkungsbereich des Professorenkollegiums der beklagten Partei und noch weniger zum Aufgabenkreis des Rektors. Die in Organisationsvorschriften von juristischen Personen öffentlichen Rechtes (hier: teilrechtsfähige Akademie) enthaltenen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe sind auch im Außenverhältnis wirksam, derartige Beschränkungen sollen nicht zuletzt auch die Interessen der juristischen Person selbst schützen (EvBl 1982/177; JBl 1987, 169 [Pfersmann] uva, zuletzt 8 ObA 72/99t; RIS-Justiz RS0014717).

Selbst wenn man aber insoweit zum Besten des Klägers von einem autonomen Wirkungskreis der beklagten Akademie und ihres - im Übrigen hier nie mit dem Verkauf befassten - Professorenkollegiums ausgehen wollte, fehlte jedenfalls die nach § 9 Abs 3 AOG 1955 vorgeschriebene Genehmigung des Bundesministeriums für Unterricht. Die Vorkaufseinräumung verpflichtet den Eigentümer des belasteten Objektes, dieses dem Berechtigten zum Kauf zu den mit dem Kaufinteressenten ausgehandelten Bedingungen anzubieten. Voraussetzung dafür ist eine bindende Vertragsofferte eines Kaufinteressenten, bei einem Rechtsträger bedarf es zudem der Genehmigung der gesetzlichen oder satzungsgemäßen Organe (JBl 1983, 203; SZ 56/25 zur Genehmigung durch den Gemeinderat; Binder aaO § 1072 ABGB Rz 27). Ist der mit dem Dritten geschlossene Kaufvertrag von einer anderweitigen Bedingung abhängig, so ereignet sich der Vorkaufsfall - im Fall einer Suspensivbedingung - erst mit dem Bedingungseintritt (SZ 58/93; Binder aaO Rz 27). Nicht anders ist der von einer Genehmigung durch ein "Bundesministerium" abhängige Kaufvertrag zu behandeln, erst seine behördliche Genehmigung durch das "Bundesministerium" vermag zur Herstellung des Vorkaufsfalles zu führen; erst ab diesem Zeitpunkt wird die Offerte des Dritten voll verbindlich (JBl 1994, 115 mwN; Binder aaO Rz 27; Aicher aaO § 1072 ABGB Rz 18; Bydlinski in Klang2 IV/2 779).

Der Vorkaufsfall ist somit in keinem denkbaren Fall eingetreten.

c) Damit kommt der von der zweiten Instanz als erheblich erachteten Rechtsfrage keine Bedeutung mehr zu. Es ist auch nicht mehr bedeutsam, dass nach dem Aktenstand in Ansehung des Kaufvertrages vom 12. März 1986 ein am 14. Mai 1986 rückwirkend wirksamer Aufhebungsantrag abgeschlossen wurde (vgl dazu Bydlinski aaO 780), wozu zu Recht keine Feststellungen getroffen wurden, und ob der Kläger die Bedingungen zur Verlängerung des Pachtvertrages (Erklärung und Einverleibung einer Servitut) überhaupt eingehalten hatte. Auch Fragen öffentlich-rechlicher Formvorschriften (§ 867 ABGB) und der privatrechtlichen Wirksamkeit (§ 863 ABGB; Anscheinsvollmacht) der beiden Pachtverträge ungeachtet fehlender Genehmigungen stellen sich nicht mehr.

Die Überprüfung der erstrichterlichen Feststellungen entzieht sich einer Beurteilung durch die dritte Instanz, die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsgrund liegen, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Rechtsmittel ist zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei und ihr Nebenintervenient haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen und daher ihre Kosten selbst zu tragen.

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