Normen
ABGB §935
ABGB §938
ABGB §943
ABGB §1078
Notariatszwangsgesetz §1 (1) litd
ABGB §935
ABGB §938
ABGB §943
ABGB §1078
Notariatszwangsgesetz §1 (1) litd
Spruch:
Die im Vertrag enthaltene Erklärung, daß mit Unterfertigung des Vertrages die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft als vollzogen gilt, stellt für sich allein keine wirkliche Übergabe im Sinne des § 943 ABGB. und § 1 (1) lit. d NotZwG. dar
Auch ein Freundschaftskauf kann eine gemischte Schenkung darstellen
Entscheidung vom 22. Dezember 1965, 6 Ob 264/65
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Katharina K., deren Gesamtrechtsnachfolger der Beklagte ist, verkaufte den Klägern eine Reihe von teils zu EZ. 52 KG. V., teils zu EZ. 79 KG. V. gehörigen Grundstücken. Im schriftlichen Kaufvertrag unterblieb versehentlich die Anführung der EZ. 79 KG. V.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Kläger bei der EZ. 79 KG. V. einzuwilligen. Es nahm den Standpunkt ein, daß bei Abschluß des Kaufvertrages vom 10. Juni 1948, Beilage ./J, der übereinstimmende Wille der Vertragspartner dahin gegangen sei, daß Katharina K. an die beiden Kläger die "Gmanteile", also nicht nur die in der versehentlich im Vertrag allein angeführten EZ. 52, Katasttalgemeinde V., enthaltenen Grundstücke, sondern auch die in der EZ. 93, Katastralgemeinde G. = neue EZ. 79, Katastralgemeinde V., enthaltenen Grundstücke verkauft. Demnach habe das von beiden Teilen Gewollte zu gelten. Der Beklagte sei daher, da er infolge Einantwortung Gesamtrechtsnachfolger nach Katharina K. sei, verpflichtet, den zumindest als Freundschaftskauf zu beurteilenden Vertrag entsprechend dem einverständlichen Willen der seinerzeitigen Vertragspartner zu erfüllen. Wenn auch der Vertrag allenfalls als Freundschaftskauf zu beurteilen sei und der darin vereinbarte, allenfalls als zu gering zu wertende Kaufpreis offenbar eine Belohnung für das von den Klägern der Verkäuferin erwiesene Entgegenkommen darstelle, so könne keine Rede davon sein, daß dieser Vertrag, soweit keine körperliche Übergabe der Grundstücke stattgefunden habe, mangels der Form eines Notariatsaktes ungültig sei.
Die vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Berufung hatte im Ergebnis Erfolg.
Das Berufungsgericht fand die Beweiswürdigung des Erstgerichtes unbedenklich und die Feststellungen mit Ausnahme der Gründe, welche Katharina K. zum Vertrag veranlaßten, für zutreffend. Es übernahm mit dieser Einschränkung die erstgerichtlichen Feststellungen und beurteilte den Sachverhalt insoweit gleich, dem Erstgericht, als es ebenfalls zu dem Ergebnis gelangte, daß die Vertragspartner bei Abschluß des Kaufvertrages vom 10. Juni 1948, Beilage ./J, übereinstimmend wollten, daß die gesamten "Gmanteile" von Katharina K. an die beiden Kläger verkauft und von diesen gekauft werden. Hinsichtlich der versehentlichen alleinigen Anführung der EZ. 52, Katastralgemeinde V., liege eine unschädliche falsa demonstratio vor. Es habe das zu gelten, was von den Vertragspartnern übereinstimmend gewollt sei und wovon sie irrig geglaubt hätten, es auch erklärt zu haben.
Hingegen bedürfe die Frage noch einer Verfahrensergänzung, ob es sich nicht zumindest teilweise um eine Schenkung gehandelt habe und ob die Liegenschaften den Klägern übergeben worden seien, was deshalb von Bedeutung sei, weil im Falle einer Schenkung diese ohne Notariatsakt ungültig wäre. Auch ein Freundschaftskauf könne der Fall einer gemischten Schenkung sein, was dann angenommen werden müßte, wenn der vereinbarte Preis in einem auffallenden Mißverhältnis zu dem Wert der Sache stehe. In einem solchen Falle müsse auch bei einem Freundschaftskauf die Einhaltung der für Schenkungen vorgesehenen Formvorschriften verlangt werden, es sei denn, daß die Zuwendung einer sittlichen Pflicht oder einer Anstandspflicht entsprochen habe. Wenn auch das Erstgericht anzunehmen scheine, daß Katharina K. die Liegenschaften in Erfüllung einer sittlichen Pflicht oder einer Anstandspflicht gegenüber den Klägern an diese verkauft habe, so seien nach dieser Richtung noch zu wenig Beweise erhoben worden. Alle diese Umstände seien ebenso wie die von den Klägern behauptete Übergabe der Grundstücke erklärungsbedürftig.
Auf Grund dieser rechtlichen Erwägung hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auf und wies unter Rechtskraftvorbehalt (§§ 499 (3), 479 (1 ZPO) .) die Streitsache an das Erstgericht zurück.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zutreffend wird im Rekurs ausgeführt, daß rechtlich die Erheblichkeit der Frage, ob und inwieweit in dem vom Erstgericht als Freundschaftskauf beurteilten Rechtsgeschäft vom 10. Juni 1948, Beilage J, eine Schenkung enthalten ist und ob und inwieweit zur Gültigkeit dieses Vertrages ein Notariatsakt notwendig ist, zunächst davon abhängt, ob die nach dem Willen der Parteien den Gegenstand des Vertrages bildenden Liegenschaften den Klägern übergeben worden sind oder nicht.
Die Kläger vertreten die Auffassung, daß dem Erfordernis der Übergabe durch Punkt 4 des Vertrages Genüge getan sei, der lautet:
"Die Übergabe und Übernahme des Kaufobjektes gilt durch die Unterfertigung dieses Vertrages als rechtsgültig vollzogen."
Auszugehen ist davon, daß zufolge der Bestimmungen des § 943 ABGB. und des § 1 (1) lit. d NotZwG. Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Wirksamkeit der Form eines Notariatsaktes bedürfen. Was "wirkliche Übergabe" ist, sagt das Gesetz nicht. Lehre und Rechtsprechung gehen dahin, daß von dem Zwang der Formvorschriften solche Fälle ausgenommen sind, in welchen zum Schenkungsvertrag noch ein anderer von demselben verschiedener, als Übergabe erkennbarer Akt hinzukommt, welcher Akt ein sinnfälliger, nach außen hin bemerkbarer und so beschaffen sein muß, daß aus ihm der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (Stanzl in Klang, Komm.[2] IV 612 oben zu § 943 ABGB.; SZ. XXIII 383, SZ. XXXII 81). Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der Ausdruck "wirkliche Übergabe" nichts anderes bedeutet als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsvertrages (SZ. XXIII 383). Demnach stellen eine wirkliche Übergabe im Sinne des Gesetzes dar: die körperliche Übergabe, die Übergabe durch Zeichen, die Besitzauflassung (traditio brevi manu), die Besitzanweisung, nicht aber die Besitzauftragung (constitutum possessorium). (Stanzl a. a. O., S. 612 oben, 613, zu § 943 ABGB.; SZ. XXIII 383, 2 Ob 118/51, 3 Ob 387/56, 3 Ob 247/60). Die Übergabe muß nicht sofort bei Abschluß des Schenkungsvertrages stattfinden, sie kann vielmehr auch nachträglich erfolgen. Es genügt, wenn die Sache mit dem Traditionswillen des Übergebers, wenn auch in seiner Abwesenheit, aus seiner physischen Verfügungsmacht in jene des vom Übernahmswillen erfüllten Übernehmers übergeht (6 Ob 87/64, GlUNF. 5426).
Im vorliegenden Fall enthält zwar der Vertrag in seinen Punkten 4 (Übergabe und Übernahme des Kaufobjektes gilt durch die Unterfertigung des Vertrages als vollzogen) und 9 (Aufsandungserklärung) rechtsgeschäftliche Erklärungen, welche über eine bloße Zusicherung oder einen bloßen Schenkungsvertrag hinausgehen und welche in einem gewissen Sinn für die Ernstlichkeit des Willens der Katharina K. sprechen, den Vertragsgegenstand sofort aus ihrer Gewahrsame in den Besitz der Kläger zu übergeben, doch reicht dies deshalb nicht aus, weil es sich dabei nicht um einen anderen, vom Vertrag verschiedenen, zu diesem hinzukommenden Akt im Sinne des § 312 ABGB. handelt, dieser vielmehr mit dem Vertrag zusammenfällt.
Ob aber im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Übergabe durch Erklärung nach § 428 ABGB., wobei allerdings, wie bereits oben dargelegt wurde, eine bloße Besitzauftragung (constitutum possessorium) nicht genügen würde, gegeben sind, fehlen ausreichende Feststellungen.
Den im Rekurs unter Hinweis auf den Inhalt der Aussage des Zeugen Dr. K. und der Aussagen der Kläger als Partei enthaltenen Ausführungen, daß die Liegenschaften in Wirklichkeit seit eh und je von den Klägern benützt werden und daß Katharina K. auch das ihr vorbehaltene Fruchtgenußrecht gar nicht ausgenützt habe, ist entgegenzuhalten, daß Feststellungen nach dieser Richtung fehlen.
Sollte eine wirkliche Übergabe nicht vorliegen, dann kommt es darauf an, ob das in Frage stehende Rechtsgeschäft dem Notariatszwangsgesetz unterliegt oder nicht.
Im Revisionsrekurs wird die Auffassung vertreten, daß ein "Freundschaftskauf" einen Vertrag eigener Art darstelle und daher von der Formvorschrift des NotZwG. nicht erfaßt werde.
Der Begriff des Freundschaftskaufes wurde zu § 1078 ABGB. zu der Frage entwickelt, ob ein sogenannter Freundschaftskauf ohne besondere Vereinbarung das Vorkaufsrecht auszulösen vermöge, und dies von Lehre und Rechtsprechung verneint. Unter Freundschaftskauf ist eine aus entgeltlichen und unentgeltlichen Elementen zusammengesetzte Veräußerung zu verstehen, bei welcher der Kaufpreis im Einverständnis der Parteien derart festgesetzt wird, daß er nicht die vollkommene Gegenleistung für die Übertragung der Sache darstellt, die Parteien sich vielmehr einig sind, daß es sich
teilweise um eine unentgeltliche Zuwendung handelt (7 Ob 357/62 =
EvBl. 1963 Nr. 202, 7 Ob 322/64 = RiZ 1965 S. 100, 8 Ob 106/63,
Bettelheim im Klang-Komm.[1] II/2 1030, Anm. 3 zu § 1078 ABGB.; Ehrenzweig[2] II/1 420; Krasnopolski III 388). Die erstgenannte Entscheidung vertritt überdies die Auffassung, daß der Freundschaftskauf ein im ABGB. nicht geregelter Vertrag eigener Art sei.
Soweit nun im Revisionsrekurs die Auffassung vertreten wird, daß der Freundschaftskauf als ungeregelter Vertrag eigener Art nicht dem Formzwang des NotZwG. unterliegen könne, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. So wie ein Übergabsvertrag oder ein Leibrentenvertrag unter Umständen eine gemischte Schenkung darstellen kann, und zwar dann, wenn jener Teil, der durch den Übergabepreis bzw. das kapitalisierte Ausgedinge oder die kapitalisierte Leibrente nicht gedeckt ist, unentgeltlich in Schenkungsabsicht gegeben und angenommen worden ist (SZ. XXIV 26, SZ. XXVII 222), so kann dies auch bei einem Freundschaftskauf der Fall sein (EvBl. 1963 Nr. 202).
Hinsichtlich der Frage, wann Unentgeltlichkeit zu verneinen ist, wird auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen, insbesondere darauf, daß nach der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung (Stanzl im Klang-Komm.[2] IV 587 ff., zu § 938 ABGB.; 7 Ob 260/63 = EvBl. 1964 Nr. 102; 6 Ob 194/65; 6 Ob 413/61 = JBl. 1962 S. 441 u. v. a.) Unentgeltlichkeit dann nicht vorliegt, wenn eine Leistung aus einer moralischen, sittlichen oder Anstandspflicht zugesagt worden ist, da in allen diesen Fällen die Schenkungsabsicht fehlt.
Wenn nun das Berufungsgericht der Meinung ist, daß hinsichtlich der vom Erstgericht bejahten Frage des Verkaufes der Liegenschaft in Erfüllung einer sittlichen oder Anstandspflicht noch zu wenig Beweise durchgeführt worden sind und daher eine Verfahrensergänzung für notwendig hält, dann kann dies vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht weiter überprüft werden, wenn, wie hier die dem Aufhebungsbeschluß zu Gründe liegende Rechtsansicht richtig ist (6 Ob 160/64, 6 Ob 182/63, 6 Ob 303/60) und die vom Erstgericht nach dieser Richtung getroffenen Feststellungen als durch die bisherigen Verfahrensergebnisse noch nicht ausreichend gedeckt, nicht übernommen worden sind.
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