OGH 6Ob261/06k

OGH6Ob261/06k30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Feldkirch zu FN ***** eingetragenen Willi H***** GmbH, ***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer Ing. Ralph H***** und Dr. Martin H*****, alle vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 15. September 2006, GZ 3 R 93/06k-90, womit der Beschluss des Landes- als Handelsgerichts Feldkirch vom 18. August 2006, GZ 47 Fr 2357/06y-80, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Die Rechtsmittelwerber verweisen auf die seit Androhung der Zwangsstrafe geänderte Rechtslage.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 283 Abs 4 HGB (UBG) und § 24 Abs 3 FBG, jeweils idF PublizitätsrichtlinieG (PuG), BGBl I Nr 103/2006 ist die verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken, wenn die bestrafte Person ihrer Pflicht (bzw der gerichtlichen Anordnung) nachgekommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist. Diese Bestimmungen sind seit 1. 7. 2006 anzuwenden. Sie dienen dem erklärten Ziel des Gesetzgebers (RV BlgNR 1427 22. GP), in Umsetzung der Verpflichtung des Art 6 der Publizitätsrichtlinie (RL 68/151/EWG) zu einer besseren Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorlage der Jahresabschlüsse beizutragen. Die geänderte Rechtslage bedeutet aber nicht, dass der zur Vorlage des Jahresabschlusses Verpflichtete vor Verhängung einer bereits angedrohten Zwangsstrafe neuerlich zur Erfüllung seiner Verpflichtung unter Androhung eben dieser Zwangsstrafe aufgefordert werden müsste. Die Gesetzesänderung hatte nämlich keine Auswirkungen auf die zu erzwingende Verpflichtung und auf die Höhe der angedrohten und schließlich verhängten Zwangsstrafe. Aufforderung und Androhung der Zwangsstrafe dienen der Wahrung des rechtlichen Gehörs (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG § 24 Rz 78). Im vorliegenden Fall waren die Rechtsmittelwerber bereits unter Androhung einer Zwangsstrafe von je 450 EUR zur Vorlage des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2000 aufgefordert worden. Ihr rechtliches Gehör war damit gewahrt.

2. Der Einwand der Rechtsmittelwerber, Art 6 EMRK erfordere eine mündliche Verhandlung vor Verhängung einer Strafe im Ausmaß von bis zu 3.600 EUR, übersieht, dass eine mündliche Verhandlung keineswegs zwingend, sondern nur dann vorzunehmen ist, wenn sie das Gericht für erforderlich hält. Dies war hier nicht der Fall. Im Übrigen hatten die Rechtsmittelwerber eine mündliche Verhandlung vor dem Rekursgericht gar nicht beantragt und dient die über sie verhängte Zwangsstrafe von lediglich 450 EUR nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers ( RV BlgNR 1427 22. GP) der „besseren Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorlage des Jahresabschlusses", ist somit keine „ Kriminalstrafe".

3. Der Umstand, dass der EuGH aus Anlass eines Vorabentscheidungsersuchens des Landesgerichts Feldkirch Firmenbuchgerichte nicht als vorlageberechtigte Gerichte beurteilte, besagt nicht, dass das Zwangsstrafenverfahren vor dem Rechtspfleger des Firmenbuchgerichts nicht die Qualität eines Tribunals im Sinn des Art 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK hätte.

4. Die Verfahrensdauer zwischen Androhung und Verhängung der Zwangsstrafe ist im vorliegenden Fall darauf zurückzuführen, dass sich die Rechtsmittelwerber beharrlich weigerten (und nach wie vor weigern) die Jahresabschlüsse seit 1998 offenzulegen. Sie haben die diese Geschäftsjahre betreffenden Zwangsstrafenbeschlüsse in allen Instanzen angefochten, sodass die (lange) Verfahrensdauer allein darauf zurückzuführen ist, dass die Akten wegen Vorlage und Entscheidung über ihre Rechtsmittel jeweils über lange Zeiträume dem Erstgericht nicht zur Verfügung standen.

5. Dass die hier verhängte Zwangsstrafe die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der zur Offenlegung Verpflichteten übersteigen könnte, ist - auch ohne weitere Erhebungen - angesichts der geringen Höhe der im vorliegenden Fall verhängten Zwangsstrafe nicht zu befürchten. Davon abgesehen darf die Zwangsstrafe nicht zu niedrig angesetzt werden, dass sie dem Zweck eines Druckmittels für die Erfüllung der Offenlegungsverpflichtung nicht mehr dienen könnte. Mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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