OGH 6Ob259/11y

OGH6Ob259/11y16.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M***** S*****, vertreten durch Dr. Veronika Kozak, Rechtsanwältin in Wien, als Verfahrenshelferin, diese vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 36 C 859/09s des Bezirksgerichts Meidling, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagende Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Oktober 2011, GZ 38 R 155/11t‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Im Hauptverfahren begehrte die Vermieterin von der Mieterin die Bezahlung ausständigen Mietzinses und die Räumung des Bestandobjekts. Der Beschluss des Erstgerichts nach § 33 Abs 2 Satz 2 MRG im Hauptverfahren datiert vom 16. 8. 2010, Schluss der Verhandlung war im Hauptverfahren sodann ‑ nach Rechtskraft dieses Beschlusses ‑ am 29. 11. 2010. Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren mit Urteil vom 7. 12. 2010 statt, Rechtsmittel der Mieterin an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien und den Obersten Gerichtshof blieben erfolglos (3 Ob 236/11v).

Die Mieterin bezieht sich in ihrer Wiederaufnahmsklage auf eine Mitteilung der Vermieterin vom 1. 12. 2010 über ein Guthaben der Mieterin von rund 10.000 EUR („aus der Endabrechnung der Wohnbauförderung“). Die Mieterin wirft der Vermieterin Prozessbetrug vor, weil sie die Abrechnung des Guthabens „verzögert beziehungsweise verschleppt“ habe.

Die Vorinstanzen wiesen die Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet gemäß § 538 ZPO zurück.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Wiederaufnahmsklägerin ist unzulässig.

1. Die Mieterin behauptete in der Wiederaufnahmsklage nicht, dass die Endabrechnung bereits vor dem 1. 12. 2010 vorgelegen beziehungsweise der Vermieterin bekannt gewesen wäre; sie argumentiert lediglich, die Vermieterin habe diese Abrechnung „verzögert beziehungsweise verschleppt, damit die [Mieterin] in Unkenntnis der Rückzahlung geförderter Mietzinsbestandteile keine Aufrechnungserklärung in der Tagsatzungsverhandlung am 29. 11. 2010 abzugeben vermochte“. Die Mieterin geht ‑ selbst unter Berücksichtigung ihrer Ausführungen in den Rechtsmitteln ‑ demnach nicht davon aus, dass die Endabrechnung bereits vor dem 16. 8. 2010 (also vor der Beschlussfassung gemäß § 33 Abs 2 Satz 2 MRG) vorgelegen wäre. Folgerichtig begehrt die Mieterin daher auch lediglich die Beseitigung des Räumungsurteils und nicht auch des Beschlusses nach § 33 Abs 2 MRG.

2. Nach ständiger Rechtsprechung kann zwar die Behauptung einer erst nach dem Stichtag des § 33 Abs 2 MRG bewirkten Schuldtilgung erheblich sein (9 Ob 145/01s mwN; ebenso 3 Ob 236/11v im Hauptverfahren), was dann zur Aufhebung der Kündigung führen würde (§ 33 Abs 2 Satz 1 MRG). Grundvoraussetzung dafür ist aber nach § 33 Abs 2 Satz 1 MRG, dass den Mieter „an dem Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft“, wofür der Mieter behauptungs- und beweispflichtig ist (vgl die Nachweise bei Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht Bd I22 [2009] § 33 MRG Rz 29).

Das Fehlen groben Verschuldens der Mieterin haben die Vorinstanzen übereinstimmend und ausführlich begründet verneint; es finde sich dazu weder im Hauptverfahren noch in der Wiederaufnahmsklage irgendeine Behauptung der Mieterin. Im außerordentlichen Revisionsrekurs geht die Mieterin auf diese Frage mit keinem Wort ein. Selbst wenn die Mieterin daher noch in der Verhandlung vom 29. 11. 2010 Vorbringen zur Gutschrift erstattet hätte (sei es in Form einer Aufrechnungserklärung, sei es unter Hinweis auf eine erfolgte oder zu erfolgende Verrechnung), verbliebe zu ihren Lasten, dass sie den ursprünglichen Zahlungsrückstand grob schuldhaft herbeigeführt hatte.

Mit dem Rekursgericht ist somit davon auszugehen, dass diese fehlende Behauptung relevant zu Lasten der Mieterin ist, und zwar unabhängig davon, ob der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO (weil die Mieterin erst später von der Gutschrift erfahren hat) oder der Z 3 leg cit (weil die Mieterin aufgrund eines Prozessbetrugs der Vermieterin keine Kenntnis hatte) heranzuziehen ist.

3. Da somit die Wiederaufnahmsklage bereits aufgrund des Vorbringens der Mieterin unschlüssig und damit unzulässig ist, erübrigte sich ein Vorgehen nach § 539 Abs 1 ZPO (vgl Jelinek in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 539 Rz 12).

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