OGH 6Ob240/16m

OGH6Ob240/16m29.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts‑Partnerschaft OG in Wien, gegen die beklagte Partei M* B*, vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 534.761,28 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss und über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 24. August 2016, GZ 2 R 111/16z‑36, mit denen das Teilurteil des Bezirksgerichts Villach vom 11. März 2016, GZ 6 C 67/14f‑32, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E119272

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

1. Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts im Umfang des aufgehobenen Zuspruchs von 397.479,64 EUR sA wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

2. Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

 

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Gesellschafterin der Klägerin und ihr ehemaliger Ehegatte, der am 29. 1. 2009 gestorben ist, betrieben in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Unternehmen mit der Bezeichnung „Vermietung und Verpachtung“. Zudem waren beide an der Klägerin beteiligt, deren Geschäftsführer sie waren.

Die Klägerin betreibt seit 1990 in V* eine Filiale auf Liegenschaften, die die Beklagte und ihr ehemaliger Ehemann erworben hatten und der Klägerin zu einem Pauschalmietzins einschließlich Betriebskosten und Umsatzsteuer vermieteten und deren Alleineigentümerin die Beklagte nach Einantwortung als Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann ist.

Ab Mai 2004 schrieb der ehemalige Ehemann der Klägerin mit Zustimmung der Beklagten einen drastisch erhöhten monatlichen Mietzins vor.

Es kann nicht festgestellt werden, ob zwischen der Klägerin und den Vermietern tatsächlich eine Vereinbarung über die Wertsicherung der Bestandzinse oder, welcher Index Berechnungsbasis sein solle, getroffen wurde.

Im Herbst 2008 setzte der ehemalige Ehegatte der Beklagten den Pauschalmietzins auf monatlich 40.000 EUR netto ab 1. 2. 2009 hinauf, womit die Beklagte einverstanden war. Sie erteilte im Jänner 2009 der Bank den Auftrag, die Abbuchungsaufträge entsprechend zu ändern.

Die Klägerin zahlte den neuen Mietzins von monatlich 48.000 EUR brutto von Februar 2009 bis einschließlich November 2010. Ab Dezember 2010 reduzierte sie die monatlichen Mietzahlungen auf 27.677,38 EUR einschließlich Betriebskosten und Umsatzsteuer. Von diesem Betrag überwies sie bis Juni 2012 monatlich einen Teilbetrag von 4.612,90 EUR („Bruttosicherheitszuschlag“) an die Beklagte und rechnete gegen den Rest mit ihrem auf § 82 GmbHG gestützten Anspruch auf Rückzahlung der von Februar 2009 bis November 2010 entrichteten Mietzinse, soweit sie den Betrag von 27.677,38 EUR überstiegen, auf.

Mit Schreiben vom 30. 6. 2012 forderte die Beklagte eine „Indexnachzahlung“ für die Zeit von Februar 2009 bis Juni 2012. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 1. 10. 2012, unpräjudiziell, ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und vorbehaltlich der Rückforderung bis auf Weiteres, längstens bis zur gerichtlichen oder einvernehmlichen Klärung dieser Frage indexierte Mietzinse auf Basis des reduzierten Nettomietzinses ohne Sicherheitszuschlag leisten zu wollen.

Der marktübliche monatliche Bruttopauschal-mietzins für das Bestandobjekt beträgt zum Stichtag 1. 2. 2009 13.099,60 EUR.

Mit ihrer auf §§ 82 f GmbHG gestützten Widerklage (zum Verfahren 6 C 13/12m des Erstgerichts) begehrt die Klägerin nach einer Teilzahlung zuletzt die Rückzahlung der von März 2010 bis einschließlich März 2014 entrichteten Mietzinsüberzahlung von insgesamt 534.761,28 EUR samt Zinsen.

Das Erstgericht stellte mit Teilurteil fest, dass die Klagsforderung zu Recht bestehe, die Entscheidung über die Gegenforderungen der Beklagten dem Endurteil vorbehalten werde und erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin den Klagsbetrag samt Zinsen zu zahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte mit Teilurteil das angefochtene Urteil im Umfang von insgesamt 137.281,64 EUR sA, weil im Verfahren 6 C 13/12m mit rechtskräftigem Urteil über die Mietzinsnachforderungen der Beklagten bis einschließlich August 2011 im klagsabweisenden Sinn entschieden worden sei und dieses Urteil Bindungswirkung entfalte. Im Umfang des restlichen Klagebegehrens hob es das Teilurteil des Erstgerichts auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es begründete die Aufhebung damit, dass eine Wertsicherung des vereinbarten Mietzinses fremdüblich sei. Aufgrund der notwendigen Bestimmung des angemessenen, fremdüblichen Mietzinses anhand des am Markt orientierten Vergleichs sei daher selbst bei Bestandverhältnissen, bei denen keine Wertsicherungsvereinbarung festgestellt werden konnte, eine Veränderung der Höhe des Mietzinses nicht ausgeschlossen, sodass nicht für den gesamten klagsgegenständlichen Zeitraum ohne weiteres auf den Stichtag im Jahr 2009 abgestellt werden könne.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen sein Teilurteil nicht zulässig, wohl sei aber der Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob eine an sich fremdübliche Wertsicherung des Mietzinses bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Mietzinserhöhung im Sinn des § 82 GmbHG auch dann einen zinserhöhenden Faktor darstelle, wenn im Mietvertrag keine Wertsicherungsvereinbarung getroffen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

1. Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der von der Beklagten beantwortete Rekurs der Klägerin, der auf die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts im Umfang der Aufhebung abzielt.

Der Rekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der zwischen den Streitteilen am 21. 2. 2017 ergangenen Entscheidung 4 Ob 196/16a, mit der die Revision der auch dort Beklagten zurückgewiesen wurde, ausgesprochen, dass sich beim zu beurteilenden Sachverhalt die Frage einer verbotenen Einlagenrückgewähr im Zusammenhang mit einer fehlenden Wertsicherungsklausel nicht stelle, weil eine solche nur vorliegen kann, wenn die Gesellschaft dem Gesellschafter einen zu hohen (einem Fremdvergleich nicht standhaltenden) Mietzins bezahlt hat. Bestehe aber keine Wertsicherungsvereinbarung zwischen den Parteien, fehle es (abgesehen vom vereinbarten Mietzins) auch an einer (zusätzlichen) Leistung der Gesellschaft an einen Gesellschafter, die ihr Vermögen gesetzwidrig verringert und beim Fremdvergleich im Sinn des § 82 GmbHG zu berücksichtigen wäre.

1.2. Zu Mietverträgen zwischen einer GmbH und ihrem(n) Gesellschafter(n) hat der Oberste Gerichtshof schon im Verfahren 8 Ob 20/13v, das dieselben Parteien, aber einen anderen Standort betraf, ausgesprochen, dass der Mietvertrag im Umfang der Überschreitung des angemessenen Mietzinses teilnichtig ist. Dem Gesellschafter steht damit jener Mietzins zu, der angemessen, das heißt fremdüblich, wäre, während jener Teil, der den angemessenen Mietzins übersteigt, als verbotene Einlagenrückgewähr einzustufen ist.

1.3. Die sich aus einem Verstoß gegen § 82 GmbHG ergebende Nichtigkeit wirkt ex tunc; daher ist für die Beurteilung der Nichtigkeit des Mietvertrags auf den Abschlusszeitpunkt abzustellen (6 Ob 132/10w; RIS‑Justiz RS0038454; vgl auch RS0048309).

1.4.1. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, in die Angemessenheitsprüfung sei auch der von der Beklagten behauptete Umstand einzubeziehen, dass eine Wertsicherungsvereinbarung allgemein üblich sei.

1.4.2. Im Ergebnis führte diese Auffassung dazu, dass die Beklagte rechnerisch eine Wertsicherung bekäme, die gerade nicht vereinbart wurde und worauf sie deshalb keinen Anspruch hat. Denn sie erhielte nach jeder Wertanpassung des bei Vertragsschluss (der Vertragsänderung) fremdüblichen Mietzinses eine geringere Überzahlung als in der Vorperiode und müsste daher weniger zurückzahlen.

2. Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin ist das Berufungsgericht mit der Bejahung der Bindungswirkung des im Verfahren 6 C 123/12m des Erstgerichts erlassenen Urteils nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgegangen. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist vielmehr durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 Ob 11/14m, die zwischen denselben Parteien erging, gedeckt. Demnach ist die Höhe des zulässigen Mietzinses nicht mehr angreifbar, weil das nunmehrige Rückzahlungsbegehren die Negation des im Vorprozess des Erstgerichts rechtskräftig abgewiesenen Mietzinsbegehrens der nunmehr Beklagten darstellt. Ob sich die Marktverhältnisse ab dem Jahr 2011 geändert haben, ist nicht relevant, weil – wie schon ausgeführt – es bei der Prüfung der Nichtigkeit selbst auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt.

3. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

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