Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Berufung wegen Nichtigkeit verworfen wird. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten. Dem Berufungsgericht wird die Fortsetzung des Berufungsverfahrens aufgetragen.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 3.436,80 S (darin enthalten 572,80 S USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Beklagte kaufte von der Klägerin Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, die sie im Opel-Werk Aspern installierte.
Die Beklagte stellte am 4. 4. 1996 beim Bezirksgericht Donaustadt den Antrag auf Sicherung des Beweises durch Befundaufnahme durch einen Sachverständigen mit der Behauptung, die Lüftungsanlagen litten an grundlegenden Konstruktionsmängeln. Das angerufene Gericht beauftragte in Stattgebung dieses Antrages einen Sachverständigen mit der Befundaufnahme über den Zustand der Wärmerückgewinnungsanlage (11 Nc 11/96x).
Dessen ungeachtet stellte am 24. 7. 1996 die Klägerin ihrerseits beim Bezirksgericht Donaustadt den Antrag auf Beweissicherung durch Beiziehung eines Sachverständigen, weil der im vorangehenden Beweissicherungsverfahren bestellte Sachverständige voreingenommen und inkompetent gewesen sei und die gerichtlich beauftragte Schadensfeststellung unterlassen habe. Die Reparatur der Anlage stehe unmittelbar bevor, weshalb die beantragte Beweisaufnahme zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich sei. Mit Beschluss vom 13. 8. 1996 wurde auch diesem Antrag stattgegeben und ein anderer Sachverständiger mit der Befundaufnahme betraut, dessen schriftlicher Befund am 29. 8. 1996 bei Gericht einlangte (5 Nc 38/96y).
Mit ihrer am 11. 12. 1996 beim Handelsgericht Wien eingelangten Klage begehrte die hier Beklagte Schadenersatz für sinnlose Reparaturarbeiten sowie Austausch- und Reparaturkosten betreffend die von der hier klagenden Partei gelieferten, im Opel-Werk und in einem anderen Unternehmen eingebaute Anlagen von zuletzt 4,876.706,50 S und die Feststellung der Haftung der hier klagenden Partei "für sämtliche Schäden an den Wärmetauscher-Rotoren und den Lagerböcken ...". Die hier klagende und dortige beklagte Partei erhob die Einrede der Unzuständigkeit mit dem Hinweis auf eine Gerichtsstandvereinbarung und bestritt im Übrigen das Klagebegehren. Das Handelsgericht schränkte die Verhandlung auf die Zuständigkeitsprüfung ein. Mit Beschluss vom 26. 1. 1998 wies es die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück, weil der ausschließliche Gerichtsstand für Sinsheim in Deutschland vereinbart worden sei. Dieser Beschluss wurde im Instanzenzug bestätigt. Der Oberste Gerichtshof führte in seiner Entscheidung vom 10. 9. 1998 (2 Ob 208/98x) aus, dass hier gemäß Art 5 Nr 1 LGVÜ der Gerichtsstand des Erfüllungsortes maßgebend sei, der sich gemäß § 36 IPRG nach deutschem Recht richte. Auch im Fall des Art 31 lit a UNK wäre der Erfüllungsort die Niederlassung des Verkäufers. Die Vereinbarung eines Erfüllungsortes sei nicht behauptet worden. Ein solcher ergebe sich somit weder aus dem Klagevorbringen noch aus den Verfahrensergebnissen. Unabhängig von der behaupteten Gerichtsstandsvereinbarung hätten die Vorinstanzen die Klage schon auf Grund des Art 2 LGVÜ mit Recht zurückgewiesen (15 Cg 253/96i des Handelsgerichtes Wien).
Ein am 28. 10. 1998 von der hier Beklagten gestellter Ordinationsantrag, der sich nunmehr auf die Behauptung gründete, dass ein österreichischer Erfüllungsort vereinbart worden sei, wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 4. 12. 1998, 2 Nd 511/98, abgewiesen, weil es bei Richtigkeit der Behauptung keiner Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichtes für eine neuerlich anzubringende Klage bedürfe.
Daraufhin brachte die hier Beklagte am 13. 11. 1998 neuerlich eine Klage, diesmal auf Zahlung von "107.000 DM abzüglich 141.000 S" und auf Feststellung gegen die hier klagende Partei ein, in der sie die Zuständigkeit auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß Art 5 LGVÜ und den Gerichtsstand des Schadensortes stützte und das Vorliegen einer Gerichtsstandvereinbarung abermals bestritt. Auch in diesem Verfahren wendete die hier klagende und dort beklagte Partei die Unzuständigkeit ein. Die Verhandlung wurde auf die Frage der Zuständigkeit eingeschränkt. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 28. 7. 1999 wurde auch diese Klage zurückgewiesen, weil das Gericht abermals von einer wirksam zustande gekommenen Gerichtsstandvereinbarung für Sinsheim ausging. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Der außerordentliche Revisionsrekurs der hier Beklagten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 13. 4. 2000, 6 Ob 16/00x, zurückgewiesen (25 Cg 325/98d des Handelsgerichtes Wien).
Mit ihrer am 22. 10. 1999 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei die ihr in dem von ihr angestrengten Beweissicherungsverfahren 5 Nc 38/96y des Bezirksgerichtes Donaustadt entstandenen Kosten von 24.363,60 S. Das Hauptverfahren habe noch nicht stattgefunden. Nach den in den Vorverfahren ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes könne die hier Beklagte die hier klagende Partei nicht in Österreich klagen. Die Geltendmachung der Beweissicherungskosten in den Vorverfahren sei nicht möglich gewesen, weil es dort ausschließlich um die Zuständigkeitsfrage gegangen sei. Die Klägerin sei daher gezwungen, die Kosten des Beweissicherungsverfahrens einzuklagen.
Die Beklagte wendete die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein. Die Kosten des Sicherungsverfahrens hätten in den Vorverfahren durch Aufnahme in die Kostennote als vorprozessuale Kosten geltend gemacht werden müssen. Inhaltlich beantragte sie die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klageforderung sei verfristet. Der Beweissicherungsantrag der Klägerin sei nicht notwendig gewesen. Zudem wendete sie "Regress- und Schadenersatzforderungen" von 4 Mio S kompensando ein, wobei sie abermals die Lieferung ungeeigneter Rotoren sowie die irrtümliche Zahlung von insgesamt 131.000 DM behauptete.
Das Erstgericht wies die Einrede der Gegenforderung zurück und gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Zinsenteilbegehrens - statt. In seiner Begründung bejahte es die Zulässigkeit des Rechtsweges. Wenn es zum Prozess komme, seien die Kosten des Beweissicherungsverfahrens vom Beweisführer zwar als vorprozessuale Kosten geltend zu machen. Hier stehe aber fest, dass in Österreich kein weiteres Hauptverfahren stattfinden könne, weil die beiden Hauptverfahren jeweils durch rechtskräftige Zurückweisung der Klage mangels örtlicher Zuständigkeit und inländischer Gerichtsbarkeit beendet worden seien. Dass es zu einem Hauptverfahren in Deutschland kommen werde, habe die Beklagte nicht einmal behauptet. Dem stünde auch die Verjährung der Schadenersatzforderungen der Beklagten gegen die Klägerin entgegen. Der Rechtsweg sei daher zulässig. Zur materiellen Berechtigung des Klageanspruches führte das Erstgericht aus, dass dieser nicht verjährt sei und zu Recht bestehe, weil der Anspruch auf Rückersatz der gemäß § 388 ZPO zunächst vom Antragsteller im Beweissicherungsverfahren zu tragenden Kosten nicht davon abhänge, dass diese vom Antragsgegner veranlasst worden seien und sich aus der Begründung des den Beweissicherungsantrag der Klägerin bewilligenden Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 13. 8. 1996, 5 Nc 38/96y, ergebe, dass die Kosten des neuen Beweissicherungsverfahrens der Beklagten "zurechenbar" seien. Der Aufrechnungseinrede stehe das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit entgegen.
Mit ihrer dagegen erhobenen (erkennbar gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung gerichteten) Berufung wandte sich die Beklagte primär gegen die Ansicht des Erstgerichtes, dass der Rechtsweg zulässig sei, weil die Klägerin die eingeklagten Kosten im Rahmen der beiden Verfahren vor dem Handelsgericht Wien verzeichnen hätte können. Insoweit erhob sie sinngemäß eine Berufung wegen Nichtigkeit (§§ 261 Abs 3, 477 Abs 1 Z 6 ZPO). Im Übrigen führte die Berufung zur Sache aus, dass das von der Klägerin geführte Beweissicherungsverfahren nicht notwendig gewesen sei, weil ein solches bereits auf Antrag der Beklagten durchgeführt worden sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Berufungsgericht der "Berufung" (richtig: der Berufung, soweit sie Nichtigkeit geltend macht) Folge; es hob das Ersturteil einschließlich des vorangegangenen Verfahrens als nichtig auf und wies die Klage zurück. Um die Kosten eines Beweissicherungsverfahrens als Hauptforderung einklagen zu können, müsse der Kläger zumindest behaupten, dass kein Hauptprozess mehr stattfinde. Da die Klägerin eine solche Behauptung nicht aufgestellt habe, sei bereits ihrem Vorbringen zufolge die Akzessorietät des Kostenersatzanspruches nicht weggefallen, sodass der Rechtsweg für dessen Geltendmachung unzulässig sei.
Der dagegen erhobene Rekurs der Klägerin ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Beschränkung auf die Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage zulässig; auch die Höhe des Entscheidungsgegenstandes ist für die Rechtsmittelzulässigkeit ohne Bedeutung (Kodek in Rechberger, ZPO2, § 519 Rz 3). Bei der selbständigen Einklagung von Kosten handelt es sich auch nicht um eine Entscheidung der zweiten Instanz
"über den Kostenpunkt" im Sinn des § 528 Abs 2 Z 3 ZPO (7 Ob 573/91 =
RZ 1992/26 = AnwBl 1992, 238 mwN).
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist auch berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung stellen Kosten des Beweissicherungsverfahrens vorprozessuale Kosten dar, die der Antragsteller grundsätzlich nur als Teil der Prozesskosten des Hauptprozesses ersetzt erhalten kann (RIS-Justiz RS0036022). Steht aber fest, dass es zum Hauptprozess nicht mehr kommen wird, können die Kosten der Beweissicherung mit gesonderter Klage geltend gemacht werden (7 Ob 573/91; RIS-Justiz RS0036014; Rechberger in Rechberger ZPO2 § 388 Rz 6; Ballon in Fasching, Zivilprozessgesetze, Kommentar I2 § 1 JN Rz 341, 343 je mwN).
Im vorliegenden Fall werden Kosten begehrt, die in einem von der hier klagenden und dort antragstellenden Partei beantragten Beweissicherungsverfahren anfielen, das nicht der Sicherung der Beweisbarkeit eigener Ansprüche der Klägerin, sondern der Sicherung der Beweise zwecks erfolgreicher Abwehr allenfalls von der hier Beklagten gegen die Klägerin gestellten Ansprüche dienen sollte. Ob auch in einem solchen Fall die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass ein Hauptprozess nicht stattfinden werde, die auf Kostenersatz klagende Partei trifft - die mangels eines Vergleiches über die Hauptsache oder eines ihr gegenüber seitens des Gegners erklärten Anspruchsverzichtes in der Regel nicht wissen kann, ob der Gegner nicht doch noch seine behaupteten Ansprüche einklagen wird -, kann hier allerdings dahingestellt bleiben. Wie sich nämlich aus den insoweit unbekämpften Ausführungen des Erstgerichtes im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ergibt, ist davon auszugehen, dass es weder in Österreich - mangels inländischer Gerichtsbarkeit - noch in Deutschland - infolge inzwischen eingetretener Anspruchsverjährung - zu einem (weiteren) Hauptverfahren kommen wird. In den Berufungsausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Unzulässigkeit des Rechtsweges wird hiezu nichts Gegenteiliges vorgebracht. Dort wird nur geltend gemacht, dass die Klägerin in den zwei "Hauptprozessen" vor dem Handelsgericht Wien die Möglichkeit der Kostenverzeichnung gehabt hätte und diese wahrnehmen hätte müssen. Die Beklagte behauptet auch in ihrer Rekursbeantwortung nicht, dass in Deutschland bereits ein entsprechender Zivilrechtsstreit zwischen den Parteien anhängig sei oder dass sie beabsichtige, dort eine Klage einzubringen, sondern verweist nur auf die grundsätzlich gegebene Möglichkeit einer Prozessführung auch im Ausland. Es ist daher davon auszugehen, dass ein Hauptprozess nicht mehr stattfinden wird, und zwar auch nicht in Deutschland.
In den zitierten Verfahren vor dem Handelsgericht Wien wurde über den materiellrechtlichen Hauptanspruch der Beklagten nicht entschieden. Beide Verfahren endeten nach einem Zwischenstreit über die Zuständigkeit und die inländische Gerichtsbarkeit, auf den die Verhandlung jeweils eingeschränkt worden war, mit einer formellen Entscheidung auf Zurückweisung der Klage. Die diesen Verfahren vorangehende Beweissicherung diente aber nicht der Klärung der Zuständigkeitsfrage, sondern bezog sich ausschließlich auf den materiellrechtlichen Anspruch. Es bestand daher keine Akzessorietät der Kosten des Beweissicherungsverfahrens zu den jeweils nur den Zuständigkeitsstreit betreffenden Entscheidungen der Vorverfahren, durch die der Hauptanspruch unberührt blieb. Ein Kostenzuspruch hätte selbst bei Geltendmachung dieser Kosten im Kostenverzeichnis mangels Prozesserheblichkeit der Beweissicherung für den Zuständigkeitsstreit auch nicht erreicht werden können (vgl 1 Ob 561/91 = ZfRV 1992, 68).
Das Rekursgericht hat daher nach den aufgezeigten Grundsätzen der Rechtsprechung zu Unrecht die Unzulässigkeit des Rechtsweges angenommen und die Nichtigkeit des Urteils und des vorangehenden Verfahrens bejaht. Sein Beschluss ist im Sinne einer Verwerfung der Nichtigkeitsberufung abzuändern. Das Berufungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über die Berufung zu entscheiden haben, wobei zu beachten sein wird, dass die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens - ebenso wie der Beschluss auf Zurückweisung der eingewendeten Gegenforderung - mangels Anfechtung bereits in Rechtskraft erwachsen ist.
Da im Berufungsverfahren keine von der Verfolgung des Hauptanspruches zu trennenden Kosten in Bezug auf die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges anfielen, war insoweit die Kostenentscheidung vorzubehalten (§ 52 Abs 1 ZPO). Das Rekursverfahren (Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof) betrifft jedoch ausschließlich den Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtsweges, der nunmehr abschließend erledigt ist, sodasss auch über die Kosten des Rekursverfahrens abschließend zu entscheiden ist. Insoweit beruht die Kostenentscheidung auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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