Spruch:
Ein Miteigentümer kann gegen einen anderen, der einen Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft erworben hat und die Liegenschaft bereits benützt, aber noch nicht im Grundbuch eingetragen ist, den Anspruch auf Festsetzung eines Benützungsentgeltes im außerstreitigen Verfahren geltend machen
OGH 11. Jänner 1973, 6 Ob 232/72 (KG Wels R 393/72; BG Wels 1 Nc 287/71)
Text
Die Antragstellerin beantragte, den Antragsgegnern zur ungeteilten Hand aufzutragen, ihr ab 1. September 1970 einen Betrag von monatlich 50.000 S als Entgelt für die Benützung der ihr gehörigen Hälftanteile der Liegenschaften EZ 570 und 2239 KG W zu bezahlen. Sie behauptete, die Antragsgegner hätten diese Liegenschaftshälften mit Kaufvertrag vom 27. August 1970 vom Gatten der Antragstellerin samt dem dort eingerichteten unternehmen gekauft und benützten seither die ganzen Liegenschaften, ohne der Antragstellerin ein Entgelt zu bezahlen. Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, daß die Antragsgegner mangels Einverleibung ihres Eigentumsrechtes nicht Miteigentümer der Liegenschaften seien.
Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem auf, das gesetzliche Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrunde einzuleiten. Es vertrat die Ansicht, daß die Antragsgegner durch den unbestrittenen Abschluß des Kaufvertrages und die ebenso unbestrittene Übergabe des Unternehmens samt Liegenschaften in den physischen Besitz mit der Antragstellerin eine eigentumsähnliche Gemeinschaft gebildet hätten, auf die die Bestimmungen des 16. Hauptstückes des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, also auch § 835 ABGB Anwendung zu finden hätten. Daher sei der Außerstreitrichter zuständig.
Der Oberste Gerichtshof änderte über den Revisionsrekurs der Antragsgegner den Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß er den Antrag auf Festsetzung eines Benützungsentgeltes für die Zeit vom 1. September 1970 bis 9. Dezember 1971 abwies; im übrigen gab er dem Revisionsrekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wenn die Rekurswerber meinen, die Antragstellerin könne sich nur an ihren Gatten, der als Miteigentümer der zwei Liegenschaftshälften nach wie vor im Grundbuch eingetragen sei, halten, so kann ihnen nicht gefolgt werden. Der Gatte der Antragstellerin könnte mit Recht einwenden, daß er nicht nur sein Unternehmen sondern auch die Liegenschaftshälften verkauft und übergeben, an denselben also keinerlei Rechte auf Benützung mehr habe. Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu SZ 25/50 - dort allerdings in einem streitigen Verfahren - ausgesprochen hat, würde die schrankenlose Durchfuhrung des Eintragungsprinzips zu unbilligen Ergebnissen führen. In dieser Entscheidung wurde einem außerbücherlichen Erwerber, der sich auf Grund eines Übergabsvertrages mit Recht für den wahren Eigentümer gehalten hat, das Recht zugestanden, aus dem Rechtsgrunde der Eigentumsgemeinschaft gegen den Miteigentümer Ansprüche zu stellen. Dasselbe muß aber auch umgekehrt gelten. Auch einem Miteigentümer kann nicht verwehrt werden, gegen einen anderen, der einen Miteigentumsanteil erworben hat und die ganze Liegenschaft tatsächlich benützt, aber noch nicht im Grundbuch eingetragen ist, Ansprüche aus dem Miteigentum heraus geltend zu machen. Ist dies aber zulässig, dann ist auch die Anrufung des Außerstreitrichters zulässig gewesen.
Der Außerstreitrichter kann allerdings ein Benützungsentgelt nur für die Zukunft festsetzen (SZ 12/39, u. v. a.), Die Antragstellerin begehrte jedoch in ihrem am 10. Dezember 1971 eingebrachten Antrag die Festsetzung eines Benützungsentgeltes ab 1. September 1970. Soweit daher dieser Antrag hinsichtlich des Benützungsentgeltes für eine vor seiner Einbringung liegenden Zeitraum zurückgewiesen wurde, ist der Revisionsrekurs gerechtfertigt.
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