OGH 6Ob2308/96x

OGH6Ob2308/96x5.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 29.Dezember 1994 verstorbenen Josef K*****, Landwirt, zuletzt ***** wegen Feststellung der Erbhofeigenschaft nach § 1 Anerbengesetz, infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes Wilfried K*****, vertreten durch Dr.Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 22.August 1996, GZ 3 R 239/96m-52, womit infolge Rekurses dieses erblasserischen Sohnes der Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 31.Juli 1996, GZ 2 A 11/95k-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden abgeändert und haben zu lauten: "Es wird festgestellt, daß es sich bei dem vom Verstorbenen Josef K***** hinterlassenen landwirtschaftlichen Anwesen um einen Erbhof im Sinn des § 1 AnerbenG handelt."

Text

Begründung

Der in S***** gelegene Landwirtschaftsbetrieb steht im Miteigentum des am 29.12.1994 verstorbenen Josef K***** und seines Sohnes Wilfried K*****. Der Betrieb umfaßt 6 ha 62 a 92 m2 Wiese, 7 ha 70 a 59 m2 Wald, zusätzlich wurden 6 ha Futterfläche zugepachtet. Der Pachtvertrag wurde für jeweils ein Jahr abgeschlossen und besteht mittlerweile seit ca 10 Jahren. Neben Weiderechten verfügt der Betrieb über ein Milchkontingent von 34.008 kg. Der Hof wurde in den Jahren 1988 bis 1991 erneuert und ist aufgrund dessen mit ca 3,000.000 S AIK-Kredit belastet. Im Jahr 1994 wurde aus dem landwirtschaftlichen Anwesen ein Rohertrag von 539.026,73 S erwirtschaftet. Die Ausgaben beliefen sich im selben Jahr einschließlich der Kreditrückzahlungen auf 418.811,91 S. Bei durchschnittlicher Betriebsführung wirft das Anwesen unter Hinzurechnung der gepachteten Flächen und ohne Berücksichtigung des vom Miteigentümer betriebenen Nebenerwerbs sowie nach Abzug der Versorgungslasten für Mutter und Bruder des Miteigentümers einen Jahresertrag von 20.000 S bis 30.000 S ab. Dabei sind öfffentliche Förderungen von 77.031 S berücksichtigt. Bei extrem sparsamem Einsatz von Betriebsmitteln wäre eine mögliche Ersparnis von ca 42.000 S pro Jahr gegenüber den für 1994 zugrundegelegten Ausgaben zu erzielen. Der errechnete Jahresertrag berücksichtigt nicht die vom Hofübernehmer als Holzakkordant (Holzbringungsunternehmer) erzielten Jahreseinkünfte von ca 230.000 S bzw die möglichen Einkünfte für Holzschlägerungen im Rahmen des Maschinenrings von 150.000 S pro Jahr (AS 155). Gleichfalls nicht berücksichtigt sind die aus Vermietung (Urlaub am Bauernhof) erzielbaren Einkünfte von 57.600 S (siehe AS 165). Fremdenzimmer wurden bisher nicht vermietet. Durch vorgenommene Ausbauten wurde ein für zwei Ferienwohnungen ausbaufähiger Rohbau geschaffen.

Der Erblasser hinterließ neben seiner Frau insgesamt vier volljährige Kinder, die bedingte Erbserklärungen aufgrund des Gesetzes abgegeben haben. Der Gerichtskommissär holte zur Frage, ob ein Erbhof nach den Bestimmungen des Anerbengesetzes vorliege, die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Vorarlberg ein. Danach liege der Betrieb im guten Durchschnitt der Vorarlberger Betriebe, es handle sich um einen Erbhof. Der erblasserische Sohn Willfried K***** beantragte die Zuweisung des Erbhofes. Keiner der Erben erhob gegen die Bejahung der Erbhofeigenschaft einen Einwand.

Das Erstgericht stellte fest, daß es sich bei dem vom Erblasser hinterlassenen landwirtschaftlichen Anwesen um keinen Erbhof im Sinn des § 1 AnerbenG handle. Um zwei erwachsene Personen zu erhalten, sei ein Jahresertrag von 126.000 S erforderlich. Dieser Betrag werde selbst unter Mitberücksichtigung der erhaltenen Förderungen nicht erreicht. Abgesehen davon seien Förderungen, Zuschüsse, Prämien, Subventionen etc, die keinen bewußt eingegangenen Einkommensentfall im Rahmen der Landwirtschaft abdecken, kein landwirtschaftliches Einkommen und daher bei der Beurteilung der Erbhofeigenschaft außer acht zu lassen. Unter landwirtschaftlichem Einkommen seien nur die aus planmäßigem Betreiben von Ackerbau und Viehzucht zur Erzeugung pflanzlicher und tierischer Produkte erzielten Einkünfte zu verstehen. Die künftige Vermietung von Fremdenzimmern oder -wohnungen stelle - abgesehen davon, daß die Verhältnisse im Todeszeitpunkt des Erblassers heranzuziehen seien - keine landwirtschaftliche Tätigkeit dar, das daraus erzielbare Einkommen sei daher nicht Einkommen aus der Landwirtschaft. Es sei als Nebeneinkommen nicht zu berücksichtigen. Gleiches gelte für die aus der Holzakkordantentätigkeit erzielten Einkünfte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des erblasserischen Sohnes Wilfried nicht Folge. Es vertrat die Auffassung, bei Ermittlung des Durchschnittseinkommens seien weder das Einkommen als Holzakkordant noch Subventionen und Prämien zu berücksichtigen. Allfällige Erträge aus Urlaub am Bauernhof seien zwar bei Ermittlung des Durchschnittsertrages hinzuzurechnen; der vom Sachverständigen hiefür errechnete Betrag von 57.600 S reiche jedoch nicht aus, um die Erbhofeigenschaft zu bejahen. Erzielbare Einkünfte aus Maschinenringarbeiten (Holzschlägerungen), die laut Gutachten ein Jahreseinkommen von etwa 150.000 S ergeben, seien kein Einkommen aus der Landwirtschaft sondern aus Nebenerwerb und daher nicht einzubeziehen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, was als außerbetriebliches Einkommen zu werten und inwieweit dieses bei Ermittlung des Durchschnittsbetrages zu berücksichtigen sei.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der erblasserische Sohn Wilfried die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin, daß die Erbhofeigenschaft festgestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, er ist auch berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber bekämpft die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach Einkünfte aus seiner Nebenerwerbstätigkeit als Holzakkordant bzw aus beabsichtigten Tätigkeiten im Rahmen eines Maschinenringes genausowenig in die Ermittlung der jährlichen Erträge einzubeziehen seien wie öffentliche Förderungen.

Das Anerbengesetz (BGBl 1958/106) in seiner seit 1.1.1990 novellierten und seither auch auf Vorarlberg anzuwendenden Fassung definiert einen Erbhof dahin, daß darunter ein mit einer Hofstelle versehener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb zu verstehen ist,..... der mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag hat (§ 1 Abs 1). Die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofes ist nach objektiven Kriterien zu prüfen (SZ 58/206), es kommt somit auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf die konkrete Bewirtschaftungsart des Erblassers oder des angenommenen Hofübernehmers an (SZ 42/145). Diese von der Lehre geteilte Meinung (Zemen in NZ 1985, 41 [44]) entspricht auch den Intentionen des Gesetzgebers, der den Begriff des Erbhofs in der Novelle BGBl 1989/659 neu gefaßt hat, um der seit Inkrafttreten des Anerbengesetzes eingetretenen Einengung des Anwendungsbereiches entgegenzuwirken (RV 518 BlgNR 17.GP 5).

Für das Vorliegen eines Erbhofes ist der zur Deckung der Bedürfnisse zweier erwachsener Personen hinreichende Durchschnittsertrag jenes Betriebes entscheidend, dessen Erbhofeigenschaft festgestellt werden soll, wobei alle erzielbaren Einkünfte zu berücksichtigen sind. Der Betriebsumfang richtet sich nach § 2 AnerbenG, so daß in die Berechnung der Durchschnittserträge alle vom Umfang des Erbhofs nach dieser Gesetzesstelle umfaßten Vermögensbestandteile einzubeziehen sind. Nach Abs 3 leg cit gehören zum Erbhof ua auch die auf dem Erbhof betriebenen Unternehmen, sofern sie nicht die Hauptsache bilden und vom land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nicht getrennt werden können oder ihre Trennung unwirtschaftlich wäre. Die Regierungsvorlage zur Stammfassung weist zu Recht darauf hin, daß mit einem Landwirtschaftsbetrieb häufig auch gewerbliche Unternehmen, wie Gasthaus oder Hufschmiede, verbunden sind, die oft entweder aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht getrennt werden könnten. Diese sollten - sofern sie nicht die Hauptsache bilden - Bestandteil des Erbhofes sein (BlgNR 76. 8.GP).

Die Novelle BGBl 1989/659 beseitigte den Begriff "gewerbliches Unternehmen", wodurch sichergestellt werden sollte, daß auch Unternehmen, für deren Betrieb keine Gewerbeberechtigung erforderlich ist, zum Erbhof gehören können (Bericht des Justizausschusses 1156 der Beilagen 17.GP). Daß es sich dabei um Betriebe handelt, deren Einkünfte als solche nicht als "Einkommen aus der Landwirtschaft" im engeren Sinn zu qualifizieren sind, ist dem Bericht des Justizausschusses zu § 11 AnerbenG idF BGBl 1989/659 (1156 BlgNR 17. GP) zu entnehmen, der ausdrücklich Fremdenverkehrsbetriebe und Zimmervermietung anführt.

Auch eine Tätigkeit des Landwirtes als Holzbringungsunternehmer im Rahmen eines Maschinenringes (unter Verwendung von Maschinen und sonstigen Hilfsmitteln des landwirtschaftlichen Betriebes) ist daher bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 3 AnerbenG als Unternehmen im Sinn dieser Bestimmung anzusehen. Eine Trennung vom übrigen Erbhof wäre jedenfalls unwirtschaftlich, wenn nicht unmöglich, wenn das Unternehmen mit zum Erbhof gehörigen Maschinen und Hilfsmitteln betrieben wird.

Unternehmen im Sinn des § 2 Abs 3 AnerbenG sind auch bei Ermittlung des Übernahmspreises zu berücksichtigen (§ 11 Abs 2 AnerbenG).

Gehören somit Unternehmen nach § 2 Abs 3 AnerbenG zum Erbhof, so ist auch der daraus erzielte Ertrag bei Ermittlung der jährlichen Durchschnittserträge des (Gesamt-)Betriebes, dessen Erbhofeigenschaft festgestellt werden soll, zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall vor. Die Tätigkeit als Holzbringungsunternehmer im Rahmen eines Maschinenringes (was nach der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Vorarlberg beabsichtigt ist) ist bei Verwendung von Maschinen und Hilfsmitteln des Landwirtschaftsbetriebes als Unternehmen im Sinn des § 2 Abs 3 AnerbenG anzusehen. Unter Berücksichtigung der dadurch erzielten Erlöse in Relation zu den aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinn erzielten Erlösen stellt dieser Nebenerwerbsbetrieb auch keine Hauptsache dar.

Schon die Einbeziehung des von der Landwirtschaftskammer Vorarlberg ermittelten jährlichen Ertrages von 150.000 S aus einer möglichen Tätigkeit für den Maschinenring anstelle der bisherigen Holzakkordantentätigkeit ergibt einen beträchtlich über dem von den Vorinstanzen angenommenen Bedarf liegenden Durchschnittsertrag.

Von der Überlegung ausgehend, daß nach Absicht des Gesetzgebers bei Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Landwirtschaftsbetriebes alle erzielbaren Einkünfte hinzuzurechnen sind, hat der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 20.6.1996, 6 Ob 2045/96w ausgesprochen, daß sämtliche national und supranational gewährten Förderungsmittel, Prämien, Zuschüsse oder Ausgleichszahlungen im Rahmen des Ertrags zu berücksichtigen sind. An dieser Ansicht wird festgehalten, so daß entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch die im gegenständlichen Fall gewährten Förderungen dem Betriebsergebnis zuzurechnen sind.

Daß die im Rahmen der Vermietung von Fremdenzimmern oder -wohnungen erzielbaren Erträge (im gegenständlichen Fall handelt es sich um weitere 57.600 S) bei Ermittlung des Durchschnittsertrages berücksichtigt werden müssen, hat bereits das Rekursgericht richtig erkannt.

Auf die vom Revisionsrekurswerber angesprochenen Ertragserhöhungen durch Veredelung und Selbstvermarktung von Produkten braucht nicht mehr eingegangen zu werden. Der zur Deckung des Bedarfs zweier erwachsener Personen erforderliche Durchschnittsertrag ist bereits durch die aus der landwirtschaftlichen Nebentätigkeit und der Zimmervermietung erzielbaren Erträge erreicht.

In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen ist daher ein Erbhof im Sinn des § 1 AnerbenG zu bejahen.

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