OGH 6Ob225/11y

OGH6Ob225/11y24.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen K *****-GmbH mit dem Sitz in W*****, über die Revisionsrekurse der Gesellschaft sowie der Geschäftsführer Ing. H***** K***** und Ing. K***** W*****, alle vertreten durch Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. August 2011, GZ 4 R 353/11b, 4 R 354/11z, 4 R 355/11x-11, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien ist zu FN ***** die K *****-GmbH mit dem Sitz in W***** eingetragen. Geschäftsführer sind seit 1. 1. 1997 Ing. H***** K***** und Ing. K***** W*****. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember.

Am 24. 3. 2011 verhängte das Erstgericht über die Gesellschaft und die beiden Geschäftsführer jeweils Zwangsstrafverfügungen in Höhe von 700 EUR wegen nicht rechtzeitiger Vorlage des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2009.

In ihrem Einspruch brachten die Gesellschafter und Geschäftsführer vor, dass der ausständige Jahresabschluss nicht fertig gestellt werden könne. Es sei nämlich im Augenblick völlig unklar, ob und erforderlichenfalls in welcher Höhe in diesem Jahresabschluss eine Rückstellung gemäß § 198 Abs 8 UGB für Schadenersatzansprüche aus einer Geschäftsstornierung gebildet werden müsse.

Das Erstgericht verhängte im ordentlichen Verfahren neuerlich Zwangsstrafen in Höhe von je 700 EUR. Dabei verwies es auf die in § 277 Abs 1 UGB verankerte Pflicht zur Einreichung des Jahresabschlusses spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag. Zur Fristwahrung könne auch ein noch nicht festgestellter bzw noch nicht geprüfter Jahresabschluss eingereicht werden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Den Rekurswerbern sei zuzugestehen, dass der Jahresabschluss gemäß § 222 Abs 2 UGB ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu vermitteln habe. Dennoch bestehe das Bedürfnis nach Offenlegung aus Gläubigerschutzgründen auch dann, wenn noch nicht alle Positionen feststünden. Auch wenn die Entscheidung, ob für einen im Raum stehenden Forderungsausfall tatsächlich eine Rückstellung zu bilden sei, im Einzelfall schwierig sein könne, dürfe angesichts der klaren gesetzlichen Offenlegungsfristen auch hinsichtlich solcher Bilanzposten nicht mit der Erstellung des Jahresabschlusses zugewartet werden, bis alle bestehenden Ungewissheiten bei der Einschätzung, ob nun eine Rückstellung zu bilden ist oder nicht, beseitigt sind. Die Untätigkeit der Rechtsmittelwerber stelle kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das die Erfüllung der Offenlegungspflicht verhindert hätte, sondern einen bewussten Verstoß gegen diese Pflicht dar.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Auswirkungen möglicherweise erforderlicher Rückstellungen auf die Offenlegungspflicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass zur Wahrung der Frist des § 277 UGB auch die Einreichung eines vorläufigen Jahresabschlusses ausreichen kann (6 Ob 53/05w; 6 Ob 132/11x, 6 Ob 162/11h). Bei allfälligen späteren Änderungen (vgl auch § 277 Abs 1 letzter Satz UGB) ist der geänderte Jahresabschluss nachträglich beim Firmenbuchgericht einzureichen (Lechner in Straube, HGB² § 277 Rz 7; Fellinger in Straube, UGB³ § 277 Rz 10). Von dieser Rechtsansicht abzugehen besteht kein Anlass.

2.1. Die in §§ 277 ff UGB statuierte Offenlegungspflicht sieht keine Ausnahmen für Fälle vor, in denen einzelne Bilanzpositionen mit Unsicherheit behaftet sind. Vielmehr enthält das Rechnungslegungsrecht ausreichend Möglichkeiten, gegenüber Dritten wahrscheinlich bestehende Verbindlichkeiten oder drohende Verluste aus schwebenden Geschäften auszuweisen. In diesem Sinne ordnet § 201 Abs 2 Z 4 UGB an, dass erkennbare Risken und drohende Verluste in die Bilanz aufzunehmen sind, sobald sie entstanden und erkennbar geworden sind, obgleich der endgültige Eintritt oder das endgültige Ausmaß der Belastung ungewiss ist. Nach dieser Bestimmung darf ein Unternehmer für die am Stichtag bestehenden, dem Betrag nach aber noch nicht feststehenden Schulden sowie für zu erwartende Aufwendungen und Verluste Rückstellungen in der Bilanz ansetzen (Ch. Nowotny in Straube, UGB4 § 198 Rz 114). Dabei gebietet das Vorsichtsprinzip, auch solche Schulden auszuweisen, die mit Elementen der Ungewissheit behaftet sind (Ch. Nowotny aaO Rz 122).

2.2. Die Rechtsansicht der Revisionsrekurswerber würde demgegenüber dazu führen, dass wegen Unsicherheiten bezüglich einer Bilanzposition die Offenlegung des Jahresabschlusses überhaupt unterbleibt und damit die Gläubiger bzw andere interessierte Dritte keinerlei Informationen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft erhielten. Ein derartiges Verständnis des Gesetzes läuft aber dem Zweck der Bilanzpublizität diametral zuwider.

3. Mit ihren Ausführungen bringen die Revisionsrekurswerber daher keine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

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