European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00224.16H.0130.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
In dem der Entscheidung 6 Ob 230/14p zugrundeliegenden Firmenbuchverfahren wurde das Begehren der Mitglieder des Stiftungsvorstands der S***** Privatstiftung, die Beendigung deren Abwicklung und der Verteilung deren Vermögens im Firmenbuch einzutragen und die Privatstiftung gemäß § 40 Abs 1 FBG von Amts wegen zu löschen, infolge Fehlens einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Finanzamts gemäß § 160 Abs 3 BAO abgelehnt.
Das Erstgericht bestellte nunmehr für die Geschäftsjahre 2015/2016 bis 2019/2020 einen Stiftungsprüfer.
Dem dagegen von der Privatstiftung erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht keine Folge, sprach jedoch aus, dass der Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Privatstiftung grundsätzlich bis zur Löschung über einen Stiftungsprüfer verfügen muss. Das Rekursgericht selbst bejahte diese Frage.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Der erkennende Senat hat in der bereits erwähnten Entscheidung 6 Ob 230/14p klargestellt, dass erst die Löschung der Privatrechtsstiftung im Firmenbuch diese beendet und dass die – nunmehr im Revisionsrekurs wiederum vertretene – Auffassung, eine Privatstiftung ohne Vermögen sei ein materielles und rechtliches Nichts und daher nicht als Rechtspersönlichkeit denkbar, der Auffassung des historischen Gesetzgebers widerspricht. Die Privatstiftung verliere ihre Rechtspersönlichkeit nicht schon durch die Beendigung der Abwicklung und die Vermögenslosigkeit, sondern erst durch die Löschung im Firmenbuch. Die Ausführungen des Revisionsrekurses zu § 37 Abs 1 PSG gehen damit ins Leere; die S***** Privatstiftung ist im Firmenbuch nach wie vor nicht gelöscht. Dass dies im Ergebnis (lediglich) mangels Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 160 Abs 3 BAO so ist, ändert daran nichts (6 Ob 230/14p).
Auch auf die Ausführungen des Revisionsrekurses der Revision zur (angeblichen) Verfassungswidrigkeit des § 160 Abs 3 BAO (Löschung im Firmenbuch erst nach Vorlage einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung) braucht nicht weiter eingegangen zu werden. Eine Vorlage an den Verfassungsgerichtshof erfordert Präjudizialität der Norm (RIS‑Justiz RS0053720, RS0053998), die (nur) dann vorliegt, wenn die Norm bei der vom Gericht zu treffenden Entscheidung unmittelbar anzuwenden ist (RIS‑Justiz RS0054015). Über die Löschung der Privatstiftung ist hier aber (auch nicht als Vorfrage) zu entscheiden.
2. Der Stiftungsprüfer ist neben dem Stiftungsvorstand das zweite zwingend vorgesehene Organ der Privatstiftung (§ 14 Abs 1 PSG; vgl auch RIS‑Justiz RS0117218). Der Gesetzgeber hat den Stiftungsprüfer ausdrücklich zum Organ der Privatstiftung erhoben, wobei aus gesellschaftsrechtlicher Sicht der Umstand, dass auch der Stiftungsprüfer Organ ist, eine Besonderheit darstellt (ErläutRV 1132 BlgNR XVIII. GP zu § 14 PSG). Infolge Eigentümer‑ und Gesellschafterlosigkeit der Privatstiftung besteht ein Kontrolldefizit. Der Gesetzgeber hat sich im Privatstiftungsgesetz dazu entschlossen, die Kontrolle über die privatrechtliche Organisation der Privatstiftung abzusichern. Die Kontrolle wird nur subsidiär durch die staatliche Aufsicht über die Gerichte, etwa im Rahmen der Abberufungsmöglichkeit von Organmitgliedern (§ 27 Abs 2 PSG), ausgeübt. Durch den Stiftungsprüfer soll dem Stiftungsvorstand ein Kontrollorgan zur Seite gegeben werden (ErläutRV aaO; Arnold, PSG³ [2013] § 20 Rz 1).
Vor diesem Hintergrund teilt der erkennende Senat die von der Literatur (Arnold aaO § 20 Rz 24d; Schereda, Der Stiftungsprüfer [2015] 112 f; vgl auch Marschner, Auflösung der Privatstiftung, ZfS 2006, 101 [103]; Ludwig, Der Widerruf der Privatstiftung, in Eiselsberg, Jahrbuch Privatstiftungsrecht 2007, 257 [259]; ebenda Maier, Aktuelle Fragen zur Stiftungsprüfung 285 [317]; Hasch/Weberndorfer in Hasch&Partner, PSG² [2014] § 20 Rz 14) überwiegend (aA Birnbauer, Aktuelle Fragen der Firmenbuchpraxis, in Eiselsberg aaO 331 ff) vertretene Auffassung, dass eine analoge Anwendung des § 211 Abs 3 AktG, wonach eine Prüfung der Jahresabschlüsse im Abwicklungszeitraum entfällt, auf den Stiftungsprüfer nicht in Betracht kommt. Im Übrigen würde im Privatstiftungsrecht das in § 211 Abs 3 Satz 2 AktG – gleichsam als Schutzmechanismus vorgesehene – Antragsrecht der Aktionäre bei der Privatstiftung, die ja keine Aktionäre hat, nicht greifen; diese mangelnde Kontrolle wurde vom Gesetzgeber durch die Einrichtung des Stiftungsprüfers ausgeglichen (Arnold aaO). Dazu kommt schließlich, dass die Befugnisse und Kompetenzen des Stiftungsprüfers über jene des Abschlussprüfers hinausgehen. Zum einen hat der Stiftungsprüfer darauf zu drängen, das der Vorstand seiner Rechnungslegungspflicht überhaupt nachkommt, was dem Firmenbuchgericht infolge fehlender Offenlegungspflicht für Jahresabschlüsse der Privatstiftung nicht möglich ist. Zum anderen kann er nach § 27 Abs 2 PSG die Abberufung des Vorstands und nach § 31 Abs 1 PSG eine Sonderprüfung beantragen (Gelter, Rechnungslegung und Stiftungsprüfer, in Doralt/Kalss, Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts - Eine Bilanz nach sieben Jahren [2001] 247 [256]).
Die Privatstiftung muss deshalb bis zu ihrer Löschung über einen Stiftungsprüfer verfügen (Arnold aaO § 20 Rz 24d; Bernhart/Rath in Müller, Handbuch Stiftungsmanagement [2014] Rz 754), den auch die Verpflichtung zur Aufstellung der Jahresabschlüsse trifft (Arnold aaO § 18 Rz 17 unter Hinweis auf Marschner und Ludwig, jeweils aaO).
3. Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.
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