Spruch:
Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der am 27. 1. 2002 verstorbene Erblasser hinterließ zwei Kinder, Franz H*****, geboren 15. 11. 1953, und Barbara E*****, geboren 28. 10. 1960. Der Erblasser war Alleineigentümer der Liegenschaft „H*****" in ***** L*****. Nachdem der erblasserische Sohn Franz Huber am 21. 6. 2002 unter Hinterlassung eines Testamentes verstorben war, in dem er seine Witwe und Schwiegertochter des Erblassers, Stefanie H*****, als Alleinerbin eingesetzt hatte, gab diese am 1. 3. 2004 ebenso wie Barbara E***** die Erbserklärung aufgrund des Gesetzes ab. Schwiegertochter und Tochter des Erblassers streben die Bestellung zur Anerbin an. Zudem beantragte ein Sohn von Franz und Stefanie H*****, nämlich Christoph H*****, seinerseits die Anerkennung als Anerbe unter Berufung auf § 3 Anerbengesetz.
Das Erstgericht bestimmte Barbara E***** als Anerbin. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Barbara E***** hat von Kindheit an im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mitgeholfen. Seit 1984 war sie nach der Geburt ihrer Kinder zu Hause und hat am landwirtschaftlichen Anwesen ihres Gatten mitgeholfen. Mittlerweile ist sie Hälfteeigentümerin dieses Anwesens. Seit dem Tod ihrer Mutter 1974 hat sie im väterlichen landwirtschaftlichen Betrieb Haushalt und Garten mitversorgt. Sie betreibt außerdem direkt bei der Landwirtschaft eine Mostbuschenschank. Dort werden Erzeugnisse aus der eigenen Landwirtschaft verkauft. Barbara E***** hat keinen Traktorführerschein; auf dem eigenen Privatgrundstück fährt sie aber mit dem Traktor. Eine theoretische Ausbildung für die Landwirtschaft hat sie nicht; sie hat aber jahrelang praktisch landwirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der minderjährige Christoph H***** sei nicht Erbe des Erblassers, sodass er schon deshalb gemäß § 3 Anerbengesetz nicht als Anerbe in Betracht komme. Wenngleich Stefanie H***** als Erbin des erblasserischen Sohnes Franz H***** in dessen Rechte eingetreten sei, werde sie dadurch nicht zum Abkömmling nach dem Erblasser Maximilian H***** im Sinne des Anerbengesetzes.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Zum Zeitpunkt des Todes des nach dem Gesetz berufenen und möglichen Anerben (Sohn des Erbhofeigentümers) sei dieser noch nicht zum Anerben bestimmt gewesen und habe auch noch keine Erbserklärung abgegeben. Zum Beurteilungszeitpunkt komme der erblasserische Enkel als „unmittelbarer Erbe" noch nicht in Betracht, weil sein Vater ihm vorgegangen sei. Das Recht des Anerben, den Hof zu übernehmen, sei grundsätzlich höchstpersönlich und unvererblich. Sterbe der Anerbe vor der Einantwortung, so sei unter den noch in Betracht kommenden Miterben des (ersten) Erblassers ein neuer Anerbe zu bestimmen (3 Ob 821/54 = SZ 28/20; Spath, Das Anerbenrecht vor der Erbteilung, NZ 1965, 114; Edlbacher, Anerbenrechtliche Miszellen, NZ 1983, 99 f; Kathrein, Anerbenrecht § 3 AnerbenG Anm 1). Wenn aber nach Anerbenrecht die schon bestimmte Anerbenstellung nicht vererblich sei, so sei um so weniger die hier zu beurteilende Rechtsstellung im Bezug auf das Hofübernahmsrecht, welcher es schon an einer Erbserklärung des Sohnes zur Anerbenstellung mangle, als vererblich anzusehen.
Eine ausdrückliche Beschlussfassung über die Erbhofeigenschaft sei nur erforderlich, wenn die Erbhofeigenschaft strittig sei. Gegen das Sachverständigengutachten, nach welchem ein Erbhof vorliege, hätten die Beteiligten keine Einwände erhoben.
Wenngleich Erbunwürdigkeitsgründe von Amts wegen wahrzunehmen seien, so sei es doch Sache dessen, der sie geltend macht, diese zu beweisen und im Rechtsweg darzutun. Barbara E***** habe sich zwar die Geltendmachung von Erbunwürdigkeitsgründen bezüglich Franz H***** vorbehalten, diese Einwendungen in der Folge aber nicht konkretisiert.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die Anerbenstellung auf einen Enkel vererbt werden kann, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Sohnes des Erblassers noch keine Anerbenbestimmung erfolgt ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Die Revisionsrekurse sind aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; sie sind aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass vollinhaltlich darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG). Ergänzend ist folgendes auszuführen:
1.1. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung erfolgt die Feststellung der Erbhofeigenschaft nur dann mit einem gesonderten und gesondert anfechtbaren Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes, wenn diese Eigenschaft unter den Beteiligten strittig ist. Ansonsten umfasst die spätere Beschlussfassung über die Abhandlungsergebnisse auch die Feststellung der Erbhofeigenschaft des Hofes (Eccher in Schwimann, ABGB³ III § 1 AnerbenG Rz 18; Edlbacher, Anerbengesetz § 1 Anm 4; Kathrein, Anerbenrecht § 1 AnerbenG Anm 3 jeweils mwN). Im Verfahren erster Instanz wurde die Eigenschaft des erblasserischen Hofes als Erbhof aber nicht bestritten. Die Revisionsrekurswerberin Stefanie H***** hat zwar in erster Instanz in Verkennung der Rechtslage vorgebracht, die Feststellung der Anerbeneigenschaft sei erst nach beschlussmäßiger Feststellung der Erbhofeigenschaft möglich (ON 159). Sie wandte sich in ihrer Eingabe jedoch nicht gegen die Annahme der Erbhofeigenschaft als solche, sondern lediglich gegen die Bestimmung von Barbara E***** zur Anerbin.
1.2. In Hinblick darauf, dass die Erbhofeigenschaft im Verfahren erster Instanz nicht bestritten wurde, erweist sich das nunmehrige Vorbringen der Revisionsrekurswerberin Stefanie H***** als unzulässige Neuerung. Im Übrigen räumt auch die Revisionsrekurswerberin ein, dass ungeachtet des Wegfalls eines Hektars wegen nachträglicher Veräußerung das maßgebliche Betriebseinkommen „rechnerisch" noch immer über dem notwendigen Verbrauch für zwei Personen von EUR 15.760 pro Jahr gelegen sei. Damit spielt es aber keine Rolle, ob dieser Betrag erheblich oder bloß geringfügig überschritten wurde. Mit der Behauptung einer „grundlegenden Änderung" der Förderungen per 1. 1. 2005 legt die Revisionsrekurswerberin zudem nicht dar, welche konkreten Änderungen sie im Auge hat und auf welche Weise sich diese Änderungen auf den Ertrag des erblasserischen Hofes auswirken würden.
2.1. Das Recht des berufenen Anerben auf Zuweisung des Erbhofes ist nach herrschender Lehre (Weißberger, NZ 1951, 18; Kathrein aaO § 3 Anm 1; Kralik, Erbrecht 387; Spath, NZ 1985, 114 f [zum Kärntner ErbhöfeG]; Eccher in Schwimann, ABGB³ III § 10 AnerbenG Rz 4) und Rechtsprechung (NZ 1951, 14 [zum Kärntner ErbhöfeG]) höchstpersönlich. Daraus wird die Unübertragbarkeit des Rechts unter Lebenden, aber auch der Ausschluss einer Transmission gefolgert, und zwar auch hinsichtlich des Zeitraums zwischen Zuteilung des Erbhofs im Verlassenschaftsverfahren und Einantwortung, weil das Eigentum am Hof erst dann auf den Übernehmer übergeht (Eccher aaO § 10 AnerbenG Rz 4 und 5).
2.2. Nach Kralik (aaO) ist selbst die Transmission auf den Fall beschränkt, dass nach dem Transmittenten ein Transmissar zum Übernehmer berufen ist. Dies ergebe sich aus einer erweiternden Auslegung der Bestimmungen des Tiroler HöfeG und des Kärntner ErbhöfeG (nunmehr § 9 Abs 2 Kärntner ErbhöfeG und § 19 Abs 2 Tiroler HöfeG), müsse aber auch für das AnerbenG gelten.
Eccher (in Schwimann, ABGB³ III § 10 AnerbenG Rz 4) meint weiters, zu diesem Ergebnis könnte auch eine Analogie zu § 4a Abs 2 AnerbenG dienlich sein. Angesichts der Verfügungsfreiheit des Hofübernehmers unter Lebenden und von Todes wegen (nach erfolgter Einantwortung) sei dieser Auslegung auch hinsichtlich der Abtretbarkeit unter Lebenden ab Zuteilung des Erbhofes im Verfahren der Vorrang einzuräumen, weil es auf die Dauer des Verlassenschaftsverfahrens bzw den Zeitpunkt der Einantwortung nicht ankommen solle.
3. Auf die Richtigkeit dieser Auffassung ist im vorliegenden Verfahren nicht einzugehen, weil auch Eccher eine Transmission nur für den Fall in Betracht zieht, dass bereits eine Bestimmung des Anerben erfolgt ist. Im vorliegenden Fall verstarb der Sohn des Erblassers jedoch vor der Bestimmung des Anerben. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine gesicherte Rechtsposition, sodass für die Annahme einer Transmission jede Grundlage fehlt. Die Behauptung des Revisionsrekurswerbers Christoph H*****, sein Vater wäre mit Sicherheit zum Anerben bestellt worden, stellt eine bloße Spekulation dar. Die Annahme eines bestimmten hypothetischen Verfahrensausgangs vermag das Vorliegen einer gesicherten Rechtsposition, die Voraussetzung für eine Übertragung im Erbwege wäre nicht zu ersetzen.
4. Auch aus § 4a Abs 2 AnerbenG ist nichts Gegenteiliges abzuleiten. Nach dieser Bestimmung ist, wenn bei einem Erbhof, der im Eigentum eines Elternteils und eines Kindes stand (Elternteil-Kind-Erbhof), der Elternteil und das Kind gleichzeitig sterben, das Kind als Anerbe anzusehen. An die Stelle des Kindes treten dessen gesetzliche Erben, unter denen der Anerbe des ganzen Erbhofs nach § 3 AnerbenG zu bestimmen ist. Diese Lösung soll nach den Gesetzesmaterialien (421 BlgNR 16. GP 9) den Intentionen der Hofeigentümer bei der Begründung des Miteigentums entsprechen. Diese würde in aller Regel davon ausgehen, dass das Kind nach dem Tod des Elternteils Übernehmer des ganzen Erbhofs werde und dass nach ihm dessen gesetzliche Erben an die Reihe kommen werden. Der unvorhergesehene Tod beider Miteigentümer solle diese Wünsche nicht vereiteln.
In Hinblick auf diese klare Äußerung in den Materialien zum Gesetzeszweck besteht für eine Ausdehnung dieser Bestimmung im Wege der Analogie auf die vorliegende Konstellation keine Grundlage. Soweit Fellner (Zur Novellierung des Anerbengesetzes, NZ 1990, 292) eine weitergehende Analogiefähigkeit des § 4a AnerbenG vertritt, kann dem daher nicht gefolgt werden. Im Übrigen bezieht sich Fellner primär auf den Fall, dass die Anerbeneigenschaft bereits erworben ist.
5. Zudem könnte sich auch die Annahme einer „Transmission" in der vorliegenden Konstellation vor gerichtlicher Bestimmung eines Anerben nur auf die prinzipielle Möglichkeit, vom Gericht als Anerbe ausgewählt zu werden, beziehen. Eine Bestellung der Schwiegertochter des Erblassers zur Anerbin scheitert aber schon daran, dass sie nicht in den Personenkreis des § 3 AnerbenG fällt.
6. Nicht gefolgt werden kann der Revisionsrekurswerberin Stefanie H***** auch, soweit diese vermeint, auf die bestellte Anerbin Barbara E***** würde ein „Ausschließungsgrund" iSd § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG zutreffen. Nach § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG scheiden Miterben, die für einen anderen Beruf als den der Land- oder Forstwirtschaft erzogen wurden oder im Zeitpunkt des Todes des Erblassers seit mindestens zwei Jahren erzogen werden oder die anderweitig versorgt sind, lediglich dann als Anerbe aus, wenn in derselben Linie (§ 731 ABGB) Miterben vorhanden sind, die für die Land- oder Forstwirtschaft erzogen wurden oder werden und nicht anderweitig versorgt sind. Im vorliegenden Fall ist das einzige weitere Mitglied der ersten Parentel (§ 731 ABGB) aber der minderjährige Christoph, der im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht zum (Mit-)Erben berufen ist. Damit ist schon der zweite Halbsatz des § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG jedenfalls nicht erfüllt, sodass es auf die Frage, ob Barbara E***** im Sinne dieser Bestimmung „anderweitig versorgt" ist, ebenso wenig ankommt, wie darauf, ob diese in der Land- oder Forstwirtschaft erzogen wurde (dazu Eccher in Schwimann, ABGB³ III § 3 AnerbenG Rz 5).
7. Die Berufung des minderjährigen Christoph H***** zum Anerben scheitert - wie die Vorinstanzen bereits zutreffend erkannten - an dessen fehlender Erbeneigenschaft. Er hat nach dem Ableben seines Vaters, des Sohnes des Erblassers, lediglich Pflichtteilsansprüche.
8. Wie schon das Rekursgericht ausgeführt hat, ist es, wenngleich Erbunwürdigkeitsgründe von Amts wegen wahrzunehmen sind, Sache dessen, der sie geltend macht, sie zu beweisen und im Rechtsweg darzutun (EFSlg 4.555; GlU 14.332). Die Entscheidung 1 Ob 9/99a besagt lediglich, dass der Erbe zwecks Abwendung einer von einem enterbten Noterben beantragten Nachlassseparation gegenüber dem Verlassenschaftsgericht den Enterbungsgrund glaubhaft machen kann. Keineswegs ist aus dieser Entscheidung jedoch abzuleiten, dass das Verlassenschaftsgericht ohne jeglichen diesbezüglichen Anhaltspunkt in der Aktenlage oder im Parteienvorbringen die Erbunwürdigkeit aufzugreifen hätte. Im vorliegenden Verfahren hat der minderjährige Christoph H***** zu dieser Frage überhaupt kein konkretes Vorbringen erstattet, sondern lediglich auf das diesbezügliche Vorbringen von Barbara E***** hingewiesen. Diese hat jedoch lediglich die Abgabe einer Erbserklärung zum gesamten Nachlass damit begründet, dass „Aspekte einer allfälligen Erbunwürdigkeit" auf Seiten von Stefanie H***** vorlägen (AS 161). Diese völlig unbestimmte Angabe ohne jegliches Tatsachensubstrat bildete für sich genommen jedenfalls keine Veranlassung für amtswegige diesbezügliche Erhebungen des Erstgerichtes.
Damit erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen aber als frei von Rechtsirrtum, sodass den unbegründeten Revisionsrekursen ein Erfolg zu versagen war.
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