OGH 6Ob2024/96g

OGH6Ob2024/96g20.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****bank ***** vertreten durch Diplomvolkswirt DDr.Armin Santner und Dr.Peter Lechner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei R***** reg.GenmbH, ***** vertreten durch Dr.Paul Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 100.000 S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 7.Dezember 1995, GZ 1 R 600/95-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Landeck vom 13.Juli 1995, GZ 2 C 795/93k-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgeriches wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu ersetzen:

an Kosten erster Instanz 68.822,32 S (darin 11.073,72 S Umsatzsteuer und 2.380 S Barauslagen)

an Kosten zweiter Instanz 10.141,44 S (darin 1.690,24 S Umsatzsteuer)

an Kosten dritter Instanz 12.706,40 S (darin 1.014,20 S Umsatzsteuer und 6.620 S Barauslagen)

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Antrag der Klägerin als betreibender Partei wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Landeck vom 9.2.1987 zu E 4/87 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 228 II KG ***** bewilligt. Ludwig und Frieda J*****, die auf dieser Liegenschaft den Gastgewerbebetrieb "Gasthof-Pension J*****" geführt hatten, waren je zur Hälfte Eigentümer dieser Liegenschaft, deren Schätzwert einschließlich Zubehör 8,548.664 S betrug. Beim Versteigerungstermin am 4.9.1987 beteiligten sich lediglich Herbert J*****, der Sohn der Verpflichteten, der die Liegenschaft im Familienbesitz erhalten wollte, und die Beklagte bis zu einem Gebot von 6,100.000 S als Bieter. Die Liegenschaft wurde danach Herbert J***** um das Meistbot von 6,101.000 S, das somit drei Viertel des Schätzwertes der Liegenschaft nicht erreichte, zugeschlagen. Aus dem Meistbot konnten die hypothekarisch sichergestellten Darlehensforderungen der A***** reg.GenmbH mit einer zur Meistbotverteilungstagsatzung angemeldeten Forderung von 40.126,62 S zur Gänze, die weiteren, auf vier Kredit- und Darlehenskonten geführten Darlehensforderungen der Klägerin von insgesamt 6,759.470,10 S, die wegen der nicht hinreichenden Deckung unter ausdrücklichem Hinweis auf die weiter bestehenden Darlehensforderungen nur zum Teil, nämlich mit 6,101.645 S angemeldet wurden, nur noch teilweise, und zwar mit 5,246.100 S durch Übernahme durch den Ersteher sowie mit 814.773,38 S durch Barzahlung berichtigt werden. Die im Rang nachfolgende Forderung der Beklagten (CLNr 53 Darlehensforderung von 1,500.000 S samt Zinsen und einer Nebengebührenkaution im Höchstbetrag von 150.000 S) fand im Meistbot keine Deckung mehr. Nach der teilweisen Berichtigung der Forderung der Klägerin durch Barzahlung bzw Übernahme durch den Ersteher wurden die Verpflichteten aus ihrer Haftung für die Darlehensforderungen der Klägerin auf drei Darlehenskonten zur Gänze, auf dem vierten Darlehenskonto lediglich zum Teil entlassen. Dieses Konto wurde im Februar 1990 jedoch ohne Forderungsverzicht gegenüber den Darlehensnehmern bankintern wegen Uneinbringlichkeit ausgebucht. Der Rückstand auf diesem Konto betrug zum 31.3.1988 524.087,27 S, das Darlehensrestkapital 2,392.089,14 S. Aufgrund zweier Zahlungen der Tiroler Bürgengemeinschaft am 6.4.1988 und 20.4.1988 von zusammen 376.384 S verringerte sich der Sollkontostand auf 147.703,27 S.

Innerhalb der am 4.11.1987 beginnenden 14-tägigen Frist zur Stellung eines Überbotes, das das Meistbot zumindest um ein Viertel übertreffen und daher 1,525.225 S (Gesamtgebot 7,626,250 S) hätte betragen müssen, nahmen zwei Geschäftsleiter der Beklagten, es wurde schon während der Versteigerung der Vorschlag gemacht, gegen Zahlung von 1,000.000 S durch Herbert J***** an die Beklagte nicht weiter mitzubieten, eine Einigung kam nicht zustande, mit Herbert J***** neuerlich Kontakt auf. Nach Rücksprache der Geschäftsleiter der Beklagten mit deren Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern machten sie Herbert J***** den Vorschlag, dessen verpflichteten Eltern von der mit rund 2,4 Mio S aushaftenden Darlehensforderung 1,4 Mio S zu erlassen, wenn der Ersteher und Sohn hinsichtlich des Restbetrages von 1,000.000 S die Haftung als Bürge und Zahler übernehme. In diesem Fall würde die Beklagte auf die Stellung eines Überbotes verzichten. Die Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder der Beklagten beschlossen, ein Überbot zu stellen, auf welches sie aber verzichten würden, wenn Herbert J***** die Bürgschaft für die Forderung gegenüber seinen Eltern von 1,000.000 S übernehme. Sechs Tage vor Ablauf der Überbotsfrist, am 12.11.1987, unterfertigte Ludwig J***** einen Abstattungskreditvertrag über 1,000.000 S und Herbert J***** einen Bürgschaftsvertrag hiezu, in dem er die Haftung als Bürge und Zahler übernahm. Die Beklagte verpflichtete sich ihm gegenüber schriftlich und gleichzeitig, auf die Stellung eines Überbotes zu verzichten.

Aufgrund der am 16.3.1988 beim Landesgericht Innsbruck zu 4 C 22/88 gegen die Beklagte eingebrachten Klage des Herbert J***** wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 25.8.1989 der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Bürgschaftsvertrag vom 12.11.1987 für nichtig erkannt, weil die Abstandsvereinbarung dem Hofdekret vom 6.6.1838 JGS 277 zuwiderlaufe, das ausnahmslos alle Verträge verbiete, die darauf abzielten, den Erfolg einer öffentlichen Versteigerung, nämlich die Bewirkung eines möglichst hohen Verkaufspreises zu vereiteln und das sich auch auf Vereinbarungen über die Unterlassung eines Überbotes erstrecke. Der Revision der Beklagten gab der Oberste Gerichtshof mit seiner Entscheidung vom 15.1.1992, 1 Ob 502/92, keine Folge. Die Klägerin hat von der dem Hofdekret 1838 zuwiderlaufenden Vereinbarung zwischen dem Ersteher und der Beklagten erst durch Veröffentlichung dieser Entscheidung in ÖBA 1992/10 erfahren.

Die Klägerin begehrt nach Klageausdehnung 100.000 S. Sie habe erst durch die Veröffentlichung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Bankarchiv Kenntnis von den Vorfällen im Exekutionsverfahren erlangt. Bei Stellung des Überbotes wäre die Klägerin mit einem den Klagebetrag jedenfalls wesentlich übersteigenden Betrag ihrer Hypothekarforderung bei der Verteilung des Meistbotes zum Zug gekommen. Die Beklagte habe den eingetretenen Schaden zu vertreten.

Die Beklagte wandte ein, der Anspruch sei verjährt. Die Stellung eines Überbotes sei nicht beschlossen und auch tatsächlich nicht beabsichtigt gewesen. Durch Nichtigerklärung der Bürgschaftsvereinbarung sei nicht die Beklagte, sondern vielmehr der Ersteher bereichert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme der unbekämpften Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens) statt. Die Beklagte habe durch ihre Vereinbarung mit Herbert J*****, in der sie auf die Stellung eines Überbotes verzichtet habe, gegen das Hofdekret vom 6.6.1838 verstoßen, das einer Einflußnahme im Rahmen einer Versteigerung vorzubeugen suche und Dritte, auch die Klägerin als Pfandgläubigerin schützen solle. Wegen dieses rechtswidrigen und schuldhaften, wenn nicht gar arglistigen Verhaltens habe sie der Klägerin den entstandenen Schaden zu ersetzen, der jedenfalls 100.000 S übersteige. Die Schadenersatzforderung sei auch noch nicht verjährt, weil die Klägerin Kenntnis von Schädiger und Schaden erst durch die Veröffentlichung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes erlangt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab.

Es entspreche der Lehre und Rechtsprechung, daß Verabredungen, die gegen das Hofdekret vom 6.6.1838 verstießen, nicht nur ungültig, sondern auch nichtig seien, um den damit möglicherweise verbundenen Erfolg nachteiliger Verabredungen zu verhindern. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit gelte auch für Vereinbarungen, die zum Zweck der Unterlassung eines gesetzlich zulässigen Überbotes getroffen wurden. In Lehre und Rechtsprechung sei aber bisher nicht einhellig beantwortet, welche Rechtsfolgen sich für allenfalls durch eine solche Abstandsvereinbarung benachteiligte Gläubiger oder Verpflichtete ergäben. Der Zweck des Hofdekretes liege zweifellos darin, jeglichen nachteiligen Einfluß auf den Bietvorgang hintanzuhalten und damit ein marktgerechtes Meistbot zu sichern. Aus einem Zuwiderhandeln gegen diese Norm könne, selbst wenn sie dem Schutz von Pfandgläubigern oder des Verpflichteten diene, aber noch nicht abgeleitet werden, daß damit für die Gläubiger oder den Verpflichteten ein Schadenersatzanspruch zur Befriedigung der pfandrechtlich sichergetsellten Forderungen begründet werde. Dies würde zu einer nicht gewünschten Besserstellung der Gläubiger oder des Verpflichteten führen, die nunmehr Zahlung auch vom Zuwiderhandelnden fordern könnten. Der Annehmer eines Abstandsversprechens würde dadurch gleichzeitig mit Ansprüchen der Ausfallsgläubiger in nicht vorhersehbarer Höhe belastet, könnte andererseits aber aufgrund der Nichtigkeit der Abstandsvereinbarung vom Geber nichts fordern. Der Empfänger eines solchen Abstandsversprechens müßte Forderungen von Ausfallsgläubigern aus dem Titel des Schadenersatzes selbst dann ersetzen, wenn der Geber und Meistbietende wegen eines späteren Überbotes eines Dritten die Liegenschaft gar nicht erstanden hätte. Völlig in den Bereich der Spekulation begäbe man sich hinsichtlich des Ausmaßes des Ersatzanspruches dann, wenn die Gläubigerforderungen den Wert des Pfandgegenstandes überträfen. § 1311 ABGB sei hier nicht anwendbar, weil die im Hofdekret normierte Rechtswidrigkeit für Abstandsvereinbarungen nur die Vertragspartner betreffe, daraus aber kein Rechtsanspruch eines vom Schutzzweck der Norm betroffenen Gläubigers oder des Verpflichteten auf ein bestimmtes Verhalten abgeleitet werden könne. Ein Bieter oder jemand anderer sei nicht verpflichtet, ein Überbot zu stellen, ein Bieter der von einem Überbot Abstand nehme, habe letztlich keinen Vorteil. Den Vorteil habe vielmehr der Geber, der sich durch sein Versprechen eines Konkurrenten entledige und dadurch die Liegenschaft günstiger erwerbe. Ob und inwieweit der Ersteher verpflichtet sei, einen Vorteil an den Verpflichteten oder betreibenden Gläubiger herauszugeben, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Beklagte sei jedenfalls durch die nichtige Vereinbarung mit dem Ersteher nicht bereichert.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil es an einer einheitlichen Rechtsprechung fehle, ob und inwieweit einem Gläubiger oder dem Verpflichteten gegen einen Teilnehmer an einer dem Hofdekret vom 6.6.1838 widersprechenden Abstandsvereinbarung ein Schadenersatzanspruch zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Der Auffassung des Berufungsgerichtes kann nicht beigepflichtet werden. Das Hofdekret vom 6.6.1838 JGS 277 soll den angestrebten freien Wettbewerb der Kauflustigen schützen und die Erzielung eines möglichst hohen Erlöses sicherstellen, aber auch die öffentliche Ordnung wahren, in deren Interesse solche unerlaubte Vereinbarungen zur Sicherung des gesetzmäßigen Ablaufes von Versteigerungen hintangehalten werden sollen. Es besteht kein Zweifel, daß es auch neben der durch die Nichtigkeitssanktion verbotswidriger Vereinbarungen und der angestrebten Präventivwirkung die Pfandgläubiger und auch den Verpflichteten vor ungerechtfertigten Ausfällen schützen will. Es handelt sich daher zweifelsfrei um ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB, dessen Übertretung schadenersatzpflichtig macht. Daß einem durch verbotswidrige Handlungen Geschädigten ein Schadenersatzanspruch zusteht, ist in Rechtsprechung und Lehre unbestritten (8 Ob 528/88; SZ 21/138; 5 Ob 230/59 ua; Heller/Berger/Stix 1331; Gschnitzer in Klang2 IV/I, 200 ua). Auch Karollus zieht entgegen der Ansicht der Revisionswerberin in der Besprechung der die Entscheidung 1 Ob 502/92 (ÖBA 1992, 938 f) in keiner Weise in Zweifel, daß dem geschädigten Gläubiger gegen den an der verbotenen Verabredung Beteiligten ein Schadenersatzanspruch zusteht; er erörtert lediglich, ob Schadenersatzansprüche geschädigter Exekutionsbeteiligter als "gelinderes Mittel" ausreichend seien und kommt zu dem Ergebnis, daß wegen der schwer möglichen Nachweisbarkeit bei Einigkeit der Beteiligten und des Präventionszweckes (auch) die Nichtigkeit verbotener Verabredungen in Kauf genommen werden muß.

Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch sind die Kausalität des Verhaltens des Schädigers, dessen Verschulden und ein tatsächlich eingetretener Schade, keineswegs aber, wie das Berufungsgericht und die Revisionswerberin meinen, auch ein durch das schädigende Verhalten eingetretener Vorteil. Die Vorgangsweise der Beklagten enthält alle Elemente einer vorsätzlichen Schadenszufügung, ein solcher Schaden ist auch tatsächlich eingetreten. Es ist ausdrücklich festgestellt, daß die Organe der Beklagten die Stellung eines Überbotes ausdrücklich beschlossen haben und davon nur für den Fall einer - dann tatsächlich abgeschlossenen - Bürgschaftsvereinbarung mit dem Ersteher (der wegen Vermögenslosigkeit seiner Eltern allein als Zahler in Frage kam) abgesehen haben. Der der Klägerin verursachte Schaden besteht gemäß § 1324 ABGB im Falle eines aus böser Absicht verursachten Schadens zwar in der vollen Genugtuung, kann aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht daran gemessen werden, wie hoch der Schätzwert der Liegenschaft war, sondern daran, wie hoch das im Versteigerungsverfahren erzielte Meistbot ohne die unerlaubte Verabredung des Bieters und der Beklagten gewesen wäre. Denn die Beklagte ist dafür verantwortlich, daß im Zuge des Versteigerungsverfahrens (zu welchem auch noch die Stellung eines Überbotes gehört) wegen ihrer unerlaubten Vereinbarung mit dem Ersteher ihr Überbot entfallen ist. Der Grundsatz, daß der Schädiger den Geschädigten so zu stellen hat, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre, kommt auch im Falle vorsätzlicher Schadenszufügung voll zum Tragen. Es ist daher hypothetisch festzustellen, mit welchem Meistbot die Klägerin letzten Endes zum Zug gekommen wäre, wäre nicht eine verbotene Abrede erfolgt. Da das Überbot im vorliegenden Fall nach § 195 EO jedenfalls 1,525.250 S hätte betragen müssen, aus welchem die durch das ursprüngliche Meistbot nicht zur Gänze gedeckte, den tatsächlich mit Klage geltend gemachten Betrag übersteigende Darlehensforderung der Klägerin voll Deckung gefunden hätte, ist deren Schadenersatzforderung berechtigt.

Für vorsätzlich zugefügte Schäden haften mehrere Schädiger nach § 1302 ABGB zur ungeteilten Hand, die Klägerin konnte daher die Beklagte auch allein für ihren gesamten Schaden in Anspruch nehmen. Über allfällige Regreßansprüche der Beklagten gegen ihren Vertragspartner ist in diesem Rechtsstreit nicht zu befinden. Das Urteil des Erstgerichtes war daher wieder herzustellen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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