OGH 6Ob182/98b

OGH6Ob182/98b16.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen August W*****, zuletzt ***** infolge des "Revisionsrekurses" des erbserklärten Erben Herbert G*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 22.Juli 1997, GZ 1 R 168/97s, 1 R 172/97d-30, womit infolge der Rekurse der erblasserischen Schwester Dora H*****, und des erblasserischen Vaters, Franz W*****, beide vertreten durch Dr.Karl Wilfinger, Rechtsanwalt in Bad Aussee, die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Liezen je vom 16.Mai 1997, GZ 3 A 15/97f-19, und 3 A 15/97f-21, teils bestätigt, teils aufgehoben wurden, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der mit der Erklärung vom 16.4.1998 aufrecht erhaltene Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

2. Die Ergänzung des Revisionsrekurses vom 26.5.1998 wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 15.1.1997 verstorbene Erblasser hatte kein Testament hinterlassen. Gesetzliche Erben sind sein Vater, zwei Schwestern und ein Halbbruder. Der Vater und die Schwester Dora H***** erklärten in der Abhandlung gegenüber dem Gerichtskommissär "auf gar nichts zu reflektieren", womit "die Sache erledigt" sei. Die andere Schwester und der Halbbruder gaben unbedingte Erbserklärungen ab.

Das Erstgericht nahm in seinem Mantelbeschluß (ON 19) die Erklärungen des Vaters und der Schwester Dora H*****, keine Erbserklärungen abzugeben und keine Ansprüche gegen den Nachlaß zu stellen, zur Kenntnis; nahm die von der erblasserischen Schwester Ilse K***** (zu 3/4 des Nachlasses) und vom erblasserischen Halbbruder Herbert G***** (zu 1/4 des Nachlasses) aus dem Titel des Gesetzes unbedingt abgegebenen Erbserklärungen zu Gericht an und erachtete das Erbrecht der beiden Genannten als ausgewiesen; nahm das vorgelegte Vermögensbekenntnis vom 8.4.1997 zur Kenntnis und legte es der Abhandlung zugrunde; erklärte den Nachlaß für eingeantwortet; bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs; bestimmte die Aufwandsentschädigung des Verlassenschaftskurators. Das Erstgericht verfügte weiters mit Beschluß vom selben Tag die Einantwortung des Nachlasses an die beiden unbedingt erbserklärten Geschwister des Erblassers.

Erkennbar gegen beide Beschlüsse erhoben die anwaltlich vertretenen nicht erbserklärten Erben Rekurs. Die beiden Rekurswerber seien der Überzeugung gewesen, daß der Verstorbene zugunsten seiner Stieftochter Hannelore H***** ein Testament errichtet hätte. Dies sei nicht der Fall gewesen. Nur wegen der irrtümlich angenommenen Tatsache einer Testamentserrichtung hätten die beiden Rekurswerber erklärt, auf nichts zu reflektieren. Da der Verstorbene kein Testament errichtet habe, "beabsichtigen die Rekurswerber, ihr gesetzliches Erbrecht in Anspruch zu nehmen und Erbserklärungen abzugeben" (ON 27).

Das Rekursgericht wies den Rekurs teilweise zurück (hinsichtlich einer vom Verlassenschaftsgericht weiters zur Kenntnis genommenen Vollmacht, der Kenntnisnahme der Erbschaftssteueranzeige sowie der Rechtsmittelbelehrung), bestätigte den Beschluß ON 19 hinsichtlich der Annahme der Erbserklärungen und hinsichtlich der beiden Gebührenbestimmungen und hob im übrigen Umfang den Mantelbeschluß sowie die Einantwortungsurkunde auf. Im Umfang der Aufhebung trug das Rekursgericht dem Erstgericht auf, das Verfahren durch Anleitung der beiden Rekurswerber zur Abgabe einer vollständigen Erbserklärung und sodann zur Durchführung des Verfahrens gemäß den §§ 125 f AußStrG fortzusetzen.

Zum Aufhebungsbeschluß vertrat das Rekursgericht in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen die Auffassung, daß die Rekurslegitimation zu bejahen sei, obwohl noch keine vollständige Erbserklärung der beiden Rekurswerber vorliege. Es komme aber nur darauf an, daß die Erbanwärter eindeutig und rechtzeitig erklärt hätten, sie wollten den Nachlaß erwerben. Erbserklärungen könnten noch bis zur Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses, selbst noch zugleich mit einem Rekurs abgegeben werden. Solche Erbserklärungen seien auch im Falle einer Erbsausschlagung zu Gericht anzunehmen. Sodann sei über die widerstreitenden Erbserklärungen das Verfahren nach den §§ 125 f AußStrG einzuleiten. Die Ausschlagung der Erbschaft sei nur bei der Verteilung der Parteirollen zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der übrigen angefochtenen Punkte der beiden erstinstanzlichen Beschlüsse fehle den Rekurswerbern teils die erforderliche Beschwer, teils seien die angefochtenen Punkte nicht "fehlerhaft".

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung über die Zurückweisung des Rekurses nicht zulässig, der Revisionsrekurs gegen die bestätigende sowie die aufhebende Entscheidung (in diesem Punkt gemeint: Rekurs an den Obersten Gerichtshof) aber zulässig sei. Die Rechtsfrage, ob für die Bejahung der Rekurslegitimation eine förmliche Erbserklärung erforderlich sei, sei von erheblicher Bedeutung.

Mit seinem Revisionsrekurs (ON 31), der keinen Rekursantrag enthält, aber erkennbar die Wiederherstellung der Beschlüsse erster Instanz anstrebt, releviert der erbserklärte Halbbruder des Erblassers, daß die nicht erbserklärten Erben den für sie einschreitenden Rechtsanwalt gar nicht kennten und (daher) keinen Rekurs erhoben hätten. Es bestehe der Verdacht, daß die "außereheliche Tochter des Verstorbenen", Hannelore H*****, den Einspruch veranlaßt habe.

In dem nach der Rekurserhebung fortgesetzten Verfahren zog der Rekurswerber seinen Revisionsrekurs zurück, hielt ihn dann aber wieder aufrecht und ergänzte ihn.

Der "aufrecht erhaltene" Revisionsrekurs und Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß sowie die Ergänzung des Rechtsmittels sind unzulässig.

Entscheidungswesentlich sind die nach der Erhebung des Rechtsmittels erfolgten Prozeßerklärungen des Rekurswerbers:

Das Erstgericht prüfte das Vorbringen im Revisionsrekurs, daß die nicht erbserklärten Erben in Wahrheit gegen die erstinstanzlichen Verfügungen keinen Rekurs erhoben hätten. Die Rekurswerber gaben zu gerichtlichem Protokoll, daß sie sehr wohl den für sie einschreitenden Rechtsanwalt bevollmächtigt hätten und daß er wunschgemäß für sie den Rekurs erhoben habe (S 1 zu ON 33). Der daraufhin geladene unbedingt erbserklärte Rekurswerber gab am 8.1.1998 zu Protokoll, daß er "selber einen Revisionsrekurs nicht erhebe", weil sich in der Zwischenzeit herausgestellt habe, daß - entgegen einer telefonischen Angabe Franz W***** - sehr wohl ein Rechtsmittel erhoben wurde (S 1 zu ON 37). Das Erstgericht leitete am 22.4.1998 ein Verbesserungsverfahren zur (inhaltlichen) Ergänzung des Revisionsrekurses ein (ON 40). Daraufhin gab der Revisionsrekurswerber am 16.4.1998 zu gerichtlichem Protokoll, "den seinerzeit erhobenen Rekurs wie er sich aus dem Akt bereits ergibt aufrecht zu erhalten". Die von ihm "erklärte Zurückziehung möge nicht als solche angenommen werden" (S 1 zu ON 42). Am 26.4.1998 gab der Revisionsrekurswerber eine inhaltliche Ergänzung seines Rechtsmittels zu gerichtlichem Protokoll. Die Ergänzung enthält im wesentlichen die Rechtsrüge, daß die rekurrierenden, nicht erbserklärten Erben in ihrem Rechtsmittel keine Erbserklärung abgegeben, sondern nur in Aussicht gestellt hätten. Die nunmehr vorliegenden, am 20.2.1998 beim Verlassenschaftsgericht eingelangten unbedingten Erbserklärungen seien verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Die Aufrechterhaltung des Revisionsrekurses (und des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß) sowie die Ergänzung des Rechtsmittels verstoßen gegen die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung zweiter Instanz:

Der Rekurswerber hat sein Rechtsmittel zurückgenommen, dann aber diese Zurücknahme widerrufen und den Rekurs "aufrecht erhalten". Das Gesetz regelt ausdrücklich nur einige Fälle der Zurückziehung von Rechtsschutzbegehren, beispielsweise die Zurücknahme der Klage im Verfahren erster Instanz nach § 238 ZPO oder im Verfahren zweiter Instanz (§ 483 ZPO). Die Zurücknahme von Rechtsmitteln ist nur für das Rechtsmittel der Berufung im § 484 ZPO ausdrücklich geregelt; diese Bestimmung gilt zufolge der Verweisungsbestimmung des § 513 ZPO auch für die Zurücknahme von Revisionen. Die Berufung kann in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werden. Die Zurücknahme kann aber auch mittels Schriftsatzes erfolgen (§ 484 Abs 1 ZPO). Die Zurücknahme der Berufung hat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge (Abs 2 leg cit). Durch die Zurücknahme der Berufung wird das Urteil sofort rechtskräftig, weil die durch die Erhebung der Berufung bewirkte Hemmung der Rechtskraft weggefallen ist (§ 466 ZPO). Ein später - wenn auch noch in der Rechtsmittelfrist eingebrachtes - Rechtsmittel ist unzulässig (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 484; Fasching IV 174; GlUNF 3032). Die Zurücknahme der Berufung wirkt schon allein durch die Abgabe der Zurücknahmeerklärung. Einer beschlußmäßigen Kenntnisnahme durch das Gericht bedarf es nicht (JBl 1968, 94). Nach der Lehre ist eine unbedingt erklärte Rücknahme der Berufung unwiderruflich (Fasching IV aaO; Fasching ZPR2 Rz 1707), was sich schon aus dem im Gesetz angeordneten sofortigen Rechtsmittelverlust ergibt. Die Unwiderruflichkeit der Prozeßerklärung wird auch für den der Rechtsmittelzurücknahme vergleichbaren Fall des Rechtsmittelverzichts angenommen (Fasching, ZPR2 Rz 1705; Kodek aaO Rz 2 zu § 472; EvBl 1963/386; vgl RZ 1992/8). Die dargelegten, aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Berufung abgeleiteten Grundsätze über den sofortigen Eintritt der Rechtskraft nach der Erklärung des Rechtsmittelverzichts oder der Zurücknahme der Berufung sowie die Unwiderruflichkeit der Prozeßerklärung werden von der Lehre ganz allgemein für die Zurücknahme aller Rechtsmittel, also auch für die Zurücknahme von Rekursen im Zivilprozeß vertreten (Fasching aaO Rz 1707 f). Eine oberstgerichtliche Judikatur dazu und insbesondere auch zur Frage der Rechtsmittelnahme im außerstreitigen Verfahren ist nicht auffindbar. Der erkennende Senat hegt jedoch keinen Zweifel, daß die für die Zurücknahme der Berufung geltenden Grundsätze zumindest auch für die Zurücknahme von Rekursen gegen Entscheidungen über Rechtsschutzbegehren (Sachbeschlüsse) analog anwendbar sind. Die Rechtskraft von gerichtlichen Entscheidungen und die Prozeßerklärungen der Parteien über Rechtsschutzbegehren sind allgemeine Rechtsinstitute, die in allen Verfahrensarten gleich zu behandeln sind, sofern nicht Sondernormen anderes bestimmen. Wenn das Gesetz als Rechtsfolge der Zurücknahme der Berufung den Verlust des Rechtsmittels normiert, ist es nicht einzusehen, warum dies ohne besondere gesetzliche Anordnung bei der Zurücknahme eines Rekurses anders sein sollte. Es wäre ein Wertungswiderspruch, in einem Fall vom sofortigen Eintritt der Rechtskraft auszugehen, im anderen aber die neuerliche Erhebung eines Rechtsmittels - nichts anderes kann die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Rechtsmittels durch den Widerruf der Rücknahmeerklärung bedeuten - zu gestatten. Nach Ansicht des erkennenden Senates liegt eine im Wege der Analogie zu schließende planwidrige Gesetzeslücke vor. Die Vorschrift des § 484 ZPO und die daraus abgeleiteten Grundsätze sind auch im Rekursverfahren über Rechtsschutzbegehren, und zwar sowohl im Zivilprozeß als auch im außerstreitigen Verfahren sinngemäß anzuwenden. Die Zurücknahme des Rekurses im außerstreitigen Verfahren hat in einer allenfalls stattfindenden Verhandlung oder mit einem an das Gericht gerichteten (ansonsten formlosen) Schriftsatz oder aber zu gerichtlichem Protokoll erklärt zu werden. Eine diesen Formerfordernissen entsprechende unbedingte Zurücknahme des Rekurses bewirkt den Verlust des Rekursrechtes und den sofortigen Eintritt der Rechtskraft der nicht mehr angefochtenen Entscheidung.

Selbst wenn man grundsätzlich von der Möglichkeit des Widerrufs einer Rekurszurücknahme ausginge, so könnte dies doch höchstens für die Zeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist gelten, weil es ansonsten in der Hand der Partei läge, durch einseitigen Widerruf der Zurücknahme des Rechtsmittels eine schon eingetretene Rechtskraft wieder zu beseitigen. Eine derartig resolutiv bedingte Rechtskraft ist dem österreichischen Verfahrensrecht fremd und widerstreitet dem Bereinigungszweck der Rechtskraft. Die Widerrufsmöglichkeit setzte die Zulässigkeit bedingter Prozeßerklärungen (hier: Bedingung des Nichtwiderrufs der Rekurszurücknahmeerklärung) voraus. Eine solche Zulässigkeit wird bei Rechtsmittelerklärungen, die gegenüber dem Gericht und der Gegenpartei unmittelbare Rechtswirkungen hervorrufen, nach herrschender Auffassung grundsätzlich verneint (Fasching IV 11 f). Konstitutive Parteiwillenserklärungen wie Anerkenntnis, Verzicht, Klage- und Rechtsmittelzurücknahme sind im Prozeß generell bedingungsfeindlich (Fasching, ZPR2 Rz 758). Der Rekurswerber hätte daher den Rekurs nicht wirksam unter Vorbehalt des Widerrufs zurücknehmen können. Umso weniger steht ihm der Widerruf der ohne Vorbehalt unbedingt erklärten Zurücknahmeerklärung zu.

Über den zurückgezogenen Revisionsrekurs ist nicht mehr zu entscheiden. Der an den Obersten Gerichtshof gerichtete Antrag, über den "aufrecht erhaltenen" Revisionsrekurs zu entscheiden und die inhaltliche Ergänzung des Rechtsmittels sind aus dem Grund der schon eingetretenen Rechtskraft zurückzuweisen. Auch die durch die Zurücknahme eines Rechtsmittels bewirkte Rechtskraft ist in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (SZ 43/168).

Nur ergänzend sei noch bemerkt, daß die Ergänzung des Revisionsrekurses auch nach dem Grundsatz der Einmaligkeit eines Rechtsmittels (EFSlg 82.681 uva) unzulässig ist. Zwar ist im außerstreitigen Verfahren die Verbesserung eines inhaltsleeren Rechtsmittels grundsätzlich zulässig und nur bei mißbräuchlicher Absicht der Verlängerung der Rechtsmittelfrist unzulässig (EFSlg 82.674), der vorliegende Revisionsrekurs (und Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß) war jedoch keineswegs inhaltsleer, enthielt er doch den ausreichend ausgeführten Rekursgrund, daß das Rekursgericht über einen gar nicht wirksam erhobenen Rekurs entschieden habe, womit eine Nichtigkeit des Verfahrens geltend gemacht wurde. Der Rekurs eignete sich somit für eine meritorische Erledigung, was eine Verbesserung zur Nachtragung weiterer Rekursgründe ausschloß (5 Ob 382/87).

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