Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin stieß mit ihrem Fahrrad bei Dunkelheit und strömendem Regen gegen eine den von ihr benützten Treppelweg absperrende, von der beklagten Partei errichtete Schrankenanlage. Sie begehrte deshalb Schadenersatz von insgesamt 62.205 S für Sachschäden, Auslagen und Schmerzengeld, wobei sie bei dem von ihr mit 80.000 S bezifferten Schmerzengeldanspruch 1/4 Mitverschulden berücksichtigte. Die beklagte Partei hafte gemäß §§ 1319, 1319a und 1311 ABGB sowie nach allgemeinen Grundsätzen der Verkehrssicherungspflicht.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei weder Eigentümer noch Halter des Treppelweges, sondern lediglich Servitutsberechtigte. Der Schranken sei ordnungsgemäß errichtet und gekennzeichnet worden. Die Klägerin habe den Schranken infolge eigener Unaufmerksamkeit oder nicht ausreichender Beleuchtung ihres Fahrrades übersehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte sei zwar Halterin des Weges und der Schrankenanlage. Diese entspreche jedoch der einschlägigen Ö-Norm B 1210 und sei zusätzlich noch mit herabhängenden Ketten und Katzenaugen versehen gewesen. Auf Grund der Gestaltung der Schrankenanlage sei sie auch bei schlechten Sichtbedingungen ausreichend und rechtzeitig erkennbar gewesen. Ein Sorgfaltsverstoß der Beklagten sei zu verneinen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Eine Haftung nach § 1319 ABGB scheide aus, weil die Schrankenanlage den Bestimmungen der einschlägigen Ö-Norm entsprochen habe und nicht mangelhaft gewesen sei. Eine Haftung nach § 1319a ABGB sei mangels grober Fahrlässigkeit zu verneinen.
Den zunächst im Berufungsurteil enthaltenen Ausspruch, dass die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei, änderte das Berufungsgericht auf Antrag der Klägerin dahin ab, dass es die ordentliche Revision für zulässig erklärte, weil der Oberste Gerichtshof einerseits in der Entscheidung 2 Ob 357/97g eine quer zur Fahrbahn gespannte Kette als "Werk" angesehen und erklärt habe, dass jede Schadensverursachung durch typische Gefahren eines Werkes unter § 1319 ABGB zu subsumieren sei, anderseits aber in der Entscheidung 4 Ob 104/97s bei einer den Gehsteig abgrenzenden Geländerstange erklärt habe, § 1319a ABGB müsse als Spezialnorm § 1319 ABGB verdrängen.
Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch liegt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage vor.
Rechtliche Beurteilung
Ob die Schädigung durch einen Anprall an eine Schrankenanlage - ohne Bezug auf die Statik und Dynamik dieser Anlage - eine Haftung des Eigentümers nach § 1319 ABGB überhaupt nach sich ziehen könnte (vgl zum Begriff des Werkes 7 Ob 2400/96x mwN und zum Begriff der Mangelhaftigkeit Reischauer in Rummel2, II Rz 9 zu § 1319 ABGB mwN), kann hier ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob die beklagte Partei als Wegehalter anzusehen ist und ob ihr die Haftungseinschränkung des § 1319a ABGB auf grobes Verschulden zugute kommen könnte. Ebensowenig ist ausschlaggebend, in welchem Verhältnis die §§ 1319 ABGB und 1319a ABGB zueinander stehen.
Die der Beklagten vorgeworfene Verletzung von Verkehrssicherungspflichten setzt jedenfalls und unabhängig davon, ob die besondere Haftung nach § 1319 ABGB oder nach § 1319a ABGB oder die Grundsätze allgemeiner Verkehrssicherungspflichten - für die im Anwendungsbereich der besonderen Verkehrssicherungspflicht des § 1319a ABGB kein Raum bliebe (2 Ob 310/98x) - zum Tragen kommen, jedenfalls Verschulden voraus. Die Vorinstanzen haben ein solches - auch leichter Fahrlässigkeit - auf Grund der getroffenen und zu einer abschließenden Beurteilung der Verschuldensfrage hinreichenden Feststellungen verneint und deshalb jegliche Haftung der Beklagten für die von der Klägerin erlittenen Unfallsfolgen ausgeschlossen. Fragen der Beweislast stellen sich hier nicht.
Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht und das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalles (8 Ob 1501/93; 2 Ob 129/98d; 1 Ob 338/98g ua). Eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen dahin, dass der Klägerin, die die Schrankenanlage als regelmäßige Benützerin des Treppelweges kannte und auch wusste, dass der Schranken fallweise geschlossen ist, das alleinige Verschulden daran anzulasten ist, dass sie gegen die ohnehin auffällig gestaltete und eigens gekennzeichnete Schrankenanlage gestoßen ist, ist nach den Umständen dieses Einzelfalles nicht zu erblicken.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig und daher auch nicht zu honorieren war.
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