Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.357,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin macht - gestützt auf Art 5 Nr 3 EuGVVO - einen schadenersatzrechtlichen Durchgriffsanspruch gegenüber dem Beklagten als ehemaligem Geschäftsführer der R***** GesmbH geltend. Diese GmbH sei mit ihr durch Jahre hindurch in Geschäftsbeziehung gestanden. Aus dieser Geschäftsbeziehung bestehe eine offene Forderung zugunsten der Klägerin. Über das Vermögen der GmbH sei am 6. 5. 1992 in Deutschland das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Klägerin habe ihre Forderungen im Konkursverfahren angemeldet; es sei jedoch keine Quotenausschüttung erfolgt. Dem Beklagten sei seit 1991 die wirtschaftliche Situation der GmbH bekannt gewesen. Ihm sei auch bekannt gewesen, dass die insolvente Gesellschaft nicht mehr in der Lage sei, die fälligen Geldschulden zu befriedigen.
Das Erstgericht gab - abgesehen von einem Zinsenmehrbegehren - der Klage statt. Es traf dabei im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Über das Vermögen der R***** GmbH wurde Anfang 1992 das Konkursverfahren eröffnet. In diesem Verfahren hat die Klägerin ihre Forderungen angemeldet, diese wurden auch festgestellt.
Der Beklagte wurde vom Amtsgericht Rosenheim wegen Bankrottes in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Konkursverschleppung gemäß § 283 I Nr 4, VI dStGB, §§ 64 I und 84 I Nr 2 dGmbHG und § 53 I dStGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Der Beklagte habe es bewusst unterlassen, ab September 1991 für die R***** GmbH irgendwelche Buchführungsarbeiten durchzuführen bzw durchführen zu lassen und habe es unterlassen, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen.
Die Ansprüche der Klägerin würden sich daraus ergeben, dass der Beklagte als Geschäftsführer der GmbH Stornozahlungen, die er erhalten hatte, nicht an die klagende Partei weitergeleitet habe, andererseits daraus, dass er durch vorsätzlich strafbare Handlungen den Konkurs über das Vermögen der GmbH verschuldet und nicht rechtzeitig einen Konkursantrag gestellt habe.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsabweisenden Sinn ab. Nach § 48 Abs 1 IPRG seien außervertragliche Schadenersatzansprüche nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden sei. Das von der Klägerin behauptete Verhalten des Beklagten sei aber in Deutschland gesetzt worden, sodass deutsches Recht zur Anwendung zu gelangen habe. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und dem Inhalt der strafgerichtlichen Erkenntnisse seien die Voraussetzungen für eine Antragstellung auf Konkurseröffnung über das Vermögen der GmbH spätestens seit 30. 10. 1991 vorgelegen. Die Forderungen der Klägerin stammten demgegenüber aus dem Jahr 1990 bzw Sommer 1991. Den Beweis dafür, dass eine Schutzgesetzverletzung durch den Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen wäre, habe die Klägerin nicht erbracht. Überdies seien allfällige Schadenersatzansprüche der Klägerin nach § 195 BGB verjährt. Eine der Bestimmung des § 1489 zweiter Satz ABGB entsprechende Regelung bestehe nach deutschem Recht nur insoweit, als nach § 199 Abs 2 BGB Schadenersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhten, ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an verjähren.
Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich mit der Begründung zu, dass in Lehre und Rechtsprechung (unter Berufung auf Schwimann in Rummel, ABGB2 § 48 IPRG Rz 4) auch die Auffassung vertreten werde, dass bei Verschuldenshaftung ausnahmsweise der Erfolgsort maßgeblich sein könne, wenn der Täter typischer Weise mit der Schädigung jenseits der Grenzen des Handlungsstaates rechnen musste.
Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Der in der Revision erhobene Einwand, das Berufungsgericht habe sich bei der Anwendung deutschen Rechts über das Parteienvorbringen „hinweggesetzt", geht ins Leere: Abgesehen davon, dass schon in der Tagsatzung vom 17. 6. 2005 (AS 209 = S 3 in ON 69) der Beklagtenvertreter ausdrücklich darauf hinwies, dass im vorliegenden Fall deutsches Recht zur Anwendung komme, übersieht die Revisionswerberin, dass das Rechtsmittelgericht bei Behandlung einer gehörig ausgeführten Rechtsrüge die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen hat (RIS‑Justiz RS0043352). Dies umfasst auch die Prüfung der Frage des anzuwendenden Rechts (8 Ob 121/72 = SZ 45/91 = ZfRV 1974, 55 [Selb]).
1.2. Im Übrigen könnte der Umstand, dass die Parteien im Prozess nicht ausdrücklich die Anwendbarkeit deutschen Rechts behaupten, die Anwendung österreichischen Sachrechts für sich genommen nicht begründen, lässt § 11 IPRG doch während eines anhängigen Rechtsstreits nur ausdrückliche Rechtswahlvereinbarungen zu (vgl dazu Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 11 IPRG Rz 4 mwN).
2.1. Nach § 48 IPRG sind außervertragliche Schadenersatzansprüche nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist. Besteht jedoch für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates, so ist dieses Recht maßgebend.
2.2. „Außervertragliche Schadenersatzansprüche" iSd § 48 Abs 1 IPRG sind alle Schadenersatzansprüche aus gesetzlicher Schadenshaftung. § 48 Abs 1 IPRG umfasst alle Haftungsarten, gleichgültig ob es sich um Verschuldens‑, Gefährdungs‑, Risiko- (oder Erfolgs‑)Haftung handelt (Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 48 IPRG Rz 21).
2.3. Die Grundsatzanknüpfung des § 48 Abs 1 Satz 1 IPRG verweist auf den Ort, an dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist, sohin den Handlungsort. Das ist bei Delikten durch aktives Tun jener Ort, an dem der Täter sich schädigend verhalten hat (Verschraegen aaO § 48 IPRG Rz 23). Bei Unterlassungsdelikten ist an jenen Ort anzuknüpfen, wo eine Handlungspflicht des Verursachers bestanden hätte (Verschraegen aaO § 48 IPRG Rz 23; ebenso zum deutschen Recht Junker in MünchKomm BGB4 Art 40 EGBGB Rz 26 mwN).
2.4. Bei wertender Betrachtung bietet der vorliegende Sachverhalt keinen Grund, von der Grundregel des § 48 Abs 1 IPRG abzuweichen. Zunächst betrifft der geltend gemachte Anspruch der Klägerin einen bloßen Vermögensschaden. Würde man aber im Sinne des in § 1 IPRG verankerten Grundsatzes der stärksten Beziehung den Eintritt eines Vermögensschadens im Inland für die Anwendung österreichischen Rechts ausreichen lassen, würde dies letztlich dazu führen, dass jede Schädigung eines Österreichers aus Sicht des österreichischen Kollisionsrechts nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen wäre. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass beim parallelen Problem der Ermittlung des Orts des Schadenseintritts nach Art 5 Nr 3 EuGVVO nach einhelliger Auffassung zumindest bloße Folgeschäden im Vermögen den Gerichtsstand nach dieser Bestimmung nicht begründen (vgl EuGH vom 19. 9. 1995 - Marinari; EuGH vom 15. 1. 2004 - Kronhofer; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8 Art 5 Rz 87).
Die von der Revision zitierte Entscheidung 2 Ob 42/95 = SZ 68/141 lässt sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Dort handelte es sich um den Unfall bei einer internationalen Segelregatta im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, wobei beide Beteiligten Österreicher waren, die sich nur vorübergehend in Jugoslawien aufhielten. Anders als in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt sind die Parteien im vorliegenden Fall nicht durch das Band der gemeinsamen Privatrechtsordnung verbunden. Auch hat sich der Beklagte keineswegs bloß vorübergehend in Deutschland aufgehalten, sondern hatte dort seinen Wohnsitz und übte dort auch seine Tätigkeit als Geschäftsführer der R***** GmbH aus.
2.5. Die Handlungspflichten des Beklagten richten sich im vorliegenden Fall jedenfalls nach deutschem Recht, kam doch eine Konkursantragstellung im Hinblick auf den Sitz der Gesellschaft in Deutschland von vornherein nur in Deutschland in Betracht. Dies legt aber von vornherein nahe, auch die Folgen des Verstoßes gegen die Konkursantragspflicht nach deutschem Recht gleichfalls nach deutschem Sachrecht zu beurteilen. Auch die im Konkurs regelmäßig vorliegende Gläubigermehrheit spricht für die Anwendung deutschen Rechts, ermöglicht dies doch, die Folgen des Verstoßes gegen die Konkursantragspflicht durch den Beklagten gegenüber allen Gläubigern einheitlich zu beantworten. Die in diesem Zusammenhang von der deutschen Lehre für die Anknüpfung der Insolvenzverschleppungshaftung an das Insolvenzstatut vorgebrachten Argumente (vgl Kindler in MünchKomm BGB4 [2006], IntInsR Rz 209 ff und Rz 646 f) lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Dies entspricht auch - soweit überblickbar - dem in anderen Rechtsordnungen erzielten Ergebnis (vgl dazu die Übersicht bei Kindler aaO Rz 648 ff).
2.6 Auch die in der Revision angesprochene Figur des Distanzdeliktes (vgl dazu Verschraegen in Rummel, ABGB³ § 48 IPRG mwN) führt im vorliegenden Fall nicht zu einer abweichenden Beurteilung: Anders als beim „klassischen" Fall des Distanzdeliktes, dem „Schuss über die Grenze", liegt im vorliegenden Fall weder eine Verletzung eines absoluten Gutes, noch ein von vornherein auf Verwirklichung eines Erfolgs gerade in Österreich gerichtetes Handeln des Beklagten vor. Dass der letztlich zufällige Umstand, dass das Handeln des Beklagten auch Auswirkungen auf das in Österreich belegene Vermögen der Klägerin hatte, keine Durchbrechung der Grundregel des § 48 Abs 1 Satz 1 IPRG rechtfertigt, wurde bereits ausgeführt.
Die inhaltliche Richtigkeit der Anwendung deutschen Sachrechts durch das Berufungsgericht wird in der Revision nicht in Zweifel gezogen.
Damit war der unbegründeten Revision aber ein Erfolg zu versagen.
3. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Dabei war jedoch die Umsatzsteuer nicht zuzuerkennen. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwaltes für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nämlich nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess - kommentarlos - 20 % USt, so wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (7 Ob 165/00s; RIS‑Justiz RS0114955).
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