OGH 6Ob157/11y

OGH6Ob157/11y14.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Raiffeisenbank O***** reg. GenmbH, *****, 2. Raiffeisenbank F*****, reg. GenmbH, *****, 3. Raiffeisenbank A***** reg. GenmbH, *****, alle vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Raiffeisen-Einlagensicherung Kärnten reg. GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Gernot Murko und Mag. Christian Bauer, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Beschlussanfechtung (Streitwert 30.000 EUR), über die Revision der erst- und drittklagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. März 2011, GZ 5 R 135/10b-30, womit infolge Berufung der erst- und drittklagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 16. Juni 2010, GZ 22 Cg 139/09x-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erst- und drittklagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.848,71 EUR (darin 308,12 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zur ungeteilten Hand zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen sind nach dem System Raiffeisen organisierte Genossenschaften und betreiben im Rahmen ihrer Konzession Bankgeschäfte; sie sind Kreditinstitute iSd § 1 Abs 1 BWG. Alle Klägerinnen haben ihren Sitz in Kärnten. Die Beklagte ist eine Genossenschaft mit Sitz in Klagenfurt.

Banken im System Raiffeisen sind als dreistufiger sektoraler Verbund derartig organisiert, dass die genossenschaftlich organisierten Raiffeisen-Kreditinstitute, die Raiffeisen-Primärbanken jedes Bundeslandes, Anteile an der in jedem Bundesland bestehenden Raiffeisen-Landesbank halten. Die Klägerinnen sind Genossenschafterinnen der Raiffeisenlandesbank Kärnten. Diese erfüllt neben ihrer Funktion als Landesbank für die nichtslowenischen Kärntner Primärbanken als zuständiger Landes-Revisionsverband auch die Funktion der für Genossenschaften gesetzlich vorgeschriebenen Revisionseinrichtung nach dem Genossenschaftsrevisionsgesetz. Als zuständige Revisionseinrichtung für die Raiffeisen-Landesbanken und Raiffeisen-Zentralbank ist der Österreichische Raiffeisen-Verband (ÖRV) eingerichtet. Die Raiffeisen-Primärbanken, die Raiffeisen-Landesbanken und die Raiffeisen-Zentralbank gehören dem Fachverband der Raiffeisen-Banken nach § 5 Z 4 Fachorganisationsordnung der Wirtschaftskammer Österreich an.

Als Sicherungseinrichtung nach den §§ 93 f BWG unterhält der Fachverband Raiffeisen die Österreichische Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH (ÖRE). Entsprechend der dreistufigen Gliederung der Banken im Raiffeisensektor in Primärbanken, Raiffeisen-Landesbanken und Raiffeisen-Zentralbank ist die gesetzliche Verpflichtung von Kreditinstituten, einer Einlagensicherungseinrichtung anzugehören, im System Raiffeisen so organisiert, dass in jedem Bundesland eine genossenschaftlich organisierte Landes-Sicherungs-Einrichtung („LASE“) besteht, der die Raiffeisen-Primärbanken angehören. Die Landes-Sicherungs-Einrichtungen sowie die Raiffeisen-Landesbanken sind Genossenschafter der Österreichischen Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH ÖRE. Die Klägerinnen sind daher gemeinsam mit den übrigen nichtslowenischen Kärntner Raiffeisen-Primärbanken Genossenschafterinnen der Beklagten, der LASE Kärnten.

Die Beklagte ihrerseits ist Genossenschafterin der ÖRE. Die Satzung der Beklagten sieht im § 2 als Zweck der Genossenschaft die Förderung des Erwerbes und der Wirtschaft der Raiffeisen-Landesbank Kärnten - Rechenzentrum und Revisionsverband und der ihr als Mitglieder angeschlossenen Banken durch Beteiligung an der Österreichischen Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH vor.

Der in § 3 der Satzung der Beklagten definierte Unternehmensgegenstand lautet wie folgt:

„(1) Die Genossenschaft sichert die Forderungen aus sicherungspflichtigen Einlagen und Wertpapierdienstleistungen gegenüber den im § 2 der Satzung genannten Raiffeisenbanken im Sinn der §§ 93, 93a und 93b BWG durch Beteiligung an der Österreichischen Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH.

(2) Für den Fall einer Inanspruchnahme der Genossenschaft durch die Österreichische Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH gemäß §§ 93, 93a und 93b BWG leistet die Genossenschaft die auf ihre Mitglieder nach dem Gesetz entfallenden Beträge. Die Genossenschaft hat in Abstimmung mit der Österreichischen Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH und den anderen Landeseinlagensicherungsgenossenschaften jene organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, die der Österreichischen Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH die unverzügliche Bemessung und Auszahlung der gesicherten Forderungen ermöglichen.

(3) Die Genossenschaft ist darüber hinaus berechtigt und verpflichtet, alle gemäß § 93a Abs 7 BWG geforderten Informationen mit der Österreichischen Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH auszutauschen und mit dieser und den anderen Einlagensicherungseinrichtungen zusammenzuarbeiten.

(4) Die Genossenschaft ist nicht auf Gewinn gerichtet. Die Einnahmen der Genossenschaft sind lediglich zur Erreichung des Genossenschaftszweckes zu verwenden. Die Genossenschafter erhalten keine Gewinnanteile und in dieser Eigenschaft auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Genossenschaft. Die Genossenschaft darf keine Person durch Verwaltungsaufgaben, die dem Zweck der Genossenschaft fremd sind oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen.

(5) Die Genossenschaft ist zu allen Handlungen berechtigt, die zur Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes notwendig oder zweckmäßig sind.“

Zu den Pflichten der Mitglieder nach § 9 Abs 5 der Statuten zählt für den Fall einer Inanspruchnahme der Genossenschaft durch die Österreichische Raiffeisen-Einlagensicherung reg. GenmbH wegen Auszahlung gesicherter Forderungen nach den §§ 93, 93a und 93b BWG die unverzügliche Leistung anteilsmäßiger Beiträge, die entsprechend der erforderlichen Einlagensicherung nach dem Anteil der gesicherten Einlagen der Raiffeisen-Einlagensicherung Kärnten reg. GenmbH angeschlossenen Banken und betreffend die erforderliche Anlegerentschädigung nach dem Anteil der nach § 93b Abs 4 BWG zu bemessenden Provisionserträge des jeweiligen Genossenschafters am Gesamtbetrag der Provisionserträge der Raiffeisen-Einlagensicherung Kärnten reg. GenmbH angeschlossenen Banken zum vorhergehenden Bilanzstichtag zu bemessen sind. Die Beitragsleistungen sind jedoch gemäß § 93a Abs 1 BWG begrenzt. Weiter sieht § 9 Abs 6 der Satzung vor, dass jeder Genossenschafter verpflichtet ist, die nach § 93a Abs 7 BWG erforderlichen Informationen an die Genossenschaft weiterzuleiten.

Mit dem Ziel, die Dezentralisierung der Einlagensicherung in dem dreistufigen Sektor voranzutreiben und das Ziel einer vertraglichen Regelung der Zusammenarbeit im Rahmen der Früherkennung bzw Einlagensicherung zu erreichen, dies als Alternative zu einer zentralen Früherkennung auf der Ebene der ÖRE, wurde im Fachverband Raiffeisen der Bundes-Überbindungsvertrag (im Folgenden kurz BÜV) erarbeitet. Ein erster Entwurf entstand im Jahre 2006. In Kärnten wurde eine eigene Arbeitsgruppe gebildet, die mit den Vorstandsmitgliedern der Landeseinlagensicherungseinrichtung Kärnten und den Vorstandsmitgliedern des Kärntner Solidaritätsfonds besetzt war. Im Spätherbst 2007 lag der Bundes-Überbindungsvertrag vor, was wieder zu intensiven Beratungen innerhalb der Arbeitsgruppe Kärnten führte. Beginnend mit dem Jahr 2008 gab es eine sehr breite Information an alle Raiffeisen-Primärbank-Geschäftsleiter in Kärnten, denen der Entwurf des BÜV mit einem Informationsschreiben zugestellt worden war. Am 11. März 2008 fand ein Geschäftsleiter- und Funktionärsinformationstag statt, zu dem alle Kärntner Raiffeisen-Bank-Geschäftsleiter eingeladen waren und bei dem weitere Informationen zum aktuellen Stand des BÜV erteilt wurden. Im März 2008 wurde in einem Schreiben der Einlagensicherung Kärnten, dem Solidaritätsfonds Kärnten und der Revisionsabteilung des Revisionsverbandes Kärnten an die ÖRE festgehalten, dass eine Ausweitung der gesetzlichen Aufgaben der Einlagensicherung insbesondere in Richtung der Sanierung nicht erforderlich und daher von Kärnten abgelehnt werde. Genauso seien die Aufgaben und die Mitwirkung der Revisionsverbände gesetzlich geregelt, sodass es keiner zusätzlichen vertraglichen Regelung bedürfe.

Im Zeitraum von Mitte März 2008 bis zum 17. Juni 2008 fanden Verhandlungen der Kärntner Vertreter mit der ÖRE statt, wobei es für die Kärntner Geschäftsleiter weitere Informationsveranstaltungen gab und diesen auch weitere schriftliche Informationen über die Entwicklungen und die Regelung des BÜV zukamen. Im Zuge der Generalversammlung vom 17. Juni 2008 wurde über einen Beitritt zum BÜV abgestimmt, wobei die dafür notwendige Mehrheit jedoch mit einer Stimme verfehlt wurde.

Nach der Generalversammlung vom 17. Juni 2008 wurde in der Vorstandssitzung der ÖRE vom 24. Juni 2008 ein Beschluss gefasst, wonach der Vorstand mehrheitlich mit einer Gegenstimme dem Bundes-Überbindungsvertrag zugestimmt habe, jedoch ausdrücklich festgehalten werde, dass der im BÜV verwendete Begriff „Restrukturierung“ keinesfalls eine Verpflichtung zur Sanierung beinhalte. Über die zugehörigen BÜV-Anlagen sowie Satzungsänderungen erfolge eine gesonderte Beschlussfassung. Der Landes-Einlagensicherung Kärnten werde der spätere Beitritt nach eventueller positiver Beschlussfassung in den Gremien im Vertrag ermöglicht werden.

Dieser Beschluss des ÖRE-Vorstands ging den Leitern der Kärntner Raiffeisen-Primärbanken zu, zudem wurden die Geschäftsleiter auch im Rahmen von Informationsveranstaltungen auf diesen Beschluss hingewiesen. In der Folge fanden weitere Geschäftsleiterinformationstage statt, insbesondere am 24. September 2008, am 2. Dezember 2008 sowie am 13. Mai 2009, wobei immer wieder auch das Thema „Sanierung“ releviert wurde.

Die Einladung zur Generalversammlung 2009 erfolgte per 25. Mai 2009. Dieser Einladung war auch der Bundes-Überbindungsvertrag in seiner damaligen Endversion angeschlossen. Der Tagesordnungspunkt 5. für die Generalversammlung war der Antrag auf Beitritt zum BÜV in der Fassung vom 26. September 2008. Ungeachtet dessen war der Einladung versehentlich die bereits per 25. Jänner 2008 an die Geschäftsleiter der Primärbanken herausgegebene Beilage ./1 zum Bundes-Überbindungsvertrag („Die Arbeitsteilung zwischen Bundes- und Landesebene nach dem Subsidiaritätsprinzip im Bereich der Früherkennung in schematischer Darstellung“) nicht angeschlossen. In Vorbereitung zu dieser Generalversammlung der Landeseinlagensicherung Kärnten schlug Vorstandsdirektor P***** M***** mit E-Mail vor, den Beschluss zum Bundes-Überbindungsvertrag mit einem Zusatz folgenden Inhalts zu ergänzen:

„Der Beitritt zum Bundes-Überbindungsvertrag erfolgt unter Beifügung folgender Erklärung in der Beitrittserklärung der LASE Kärnten zum Bundes-Überbindungsvertrag: Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten wird festgehalten, dass durch den Bundes-Überbindungsvertrag keine Vereinbarungen getroffen werden, die über die gesetzlichen Mindesterfordernisse bezüglich Einlagensicherung hinausgehen und insbesondere die gesetzliche Möglichkeit zur freiwilligen Sanierung von in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Instituten nach § 93a Abs 6 BWG von den Regelungen im Bundesübertragungsvertrag nicht erfasst ist. Für den Fall, dass solche entgegenstehende Bestimmungen im Bundes-Überbindungsvertrag vorhanden sind, sind diese Bestimmungen auf die Mitglieder der Raiffeisen-Einlagensicherung Kärnten nicht anzuwenden, ohne dass dadurch der gesamte Bundes-Überbindungsvertrag unwirksam wird.“

Mit E-Mail vom 9. Juni 2009 informierte der Geschäftsleiter der Erstklägerin über den von ihm als problematisch erachteten § 7 des BÜV und die sich insofern ergebenden Problemstellungen, indem er unter anderem festhielt, dass nach Rücksprache mit Rechtsberatern des Fördervereins die Gefahr bestehe, dass durch diese Bestimmung für den Fall eines nicht selbständig lösbaren Problems in einem anderen Bundesland die Zugriffsmöglichkeit auf finanzielle Beiträge jeder Raiffeisenbank eröffnet werde. Eine solche Vertragsbestimmung widerspreche der derzeitigen Satzung der Kärntner Einlagensicherung, insbesondere dem § 9 Abs 5 der Satzung, wo unter Pflichten der Mitglieder ausschließlich der gesetzliche Mindestumfang vereinbart sei.

In der Generalversammlung der Beklagten vom 9. Juni 2009 wurde der BÜV ausführlich dargestellt und erläutert. Der Obmann Vorstandsdirektor Mag. G***** wies zunächst klarstellend darauf hin, dass die freiwillige Sanierung nicht Gegenstand des BÜV sei. In der Folge wurden die rechtlichen Grundlagen der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung sowie die historische Entwicklung des BÜV und die dazu eingenommene Kärntner Position dargestellt. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Begriff „Sanierung“ gänzlich gestrichen und durch den Begriff „Restrukturierung“ ersetzt worden sei; dies verbunden mit dem weiteren Hinweis, dass durch einen Beschluss des ÖRE-Vorstands klargestellt wurde, dass dieser Begriff keinesfalls eine Verpflichtung zur Sanierung beinhalte. Im Rahmen von Exkursen wurden sodann die rechtlichen Grundlagen der freiwilligen Sanierung nach § 93a Abs 6 BWG sowie die Satzung der ÖRE erörtert. In weiterer Folge wurden die Präambel des BÜV sowie die §§ 3, 4, 9 und 10 BÜV dargestellt. Die §§ 6 und 7 blieben zunächst unberücksichtigt, bis auf Nachfrage seitens der Direktoren A***** und O***** die Rechtsberaterin der Beklagten den Inhalt des § 7 BÜV kurz darstellte. Im Übrigen wurde von Mag. G***** auf die nachfolgende Präsentation und die daran anschließende Diskussion verwiesen. In der Folge wurden „Maßnahmen“ der Beklagten besprochen und diesbezüglich als Beispiele die qualifizierte Berichterstattung, Gespräche mit der Geschäftsleitung oder Spitzenvertretern der Organe der Raiffeisenbank, Sonderprüfungen durch die Revision sowie die Einbeziehung des VS-Solifonds als Maßnahmen erwähnt. Dass es sich dabei um keine taxative Aufzählung handelte, ergab sich schon daraus, dass die genannten Punkte nur beispielsweise erwähnt wurden. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Geschäftsleiter-Informationsveranstaltungen, aber auch in Ansehung der umfassenden Erörterung im Hinblick auf die äußerst kritischen Wortmeldungen der Direktoren O***** und M***** sowie den damit einhergehenden Warnungen war allen Anwesenden klar, worüber in der Folge unter Tagesordnungspunkt 5. abgestimmt werden sollte. Im Hinblick auf die äußerst kritischen Wortmeldungen von O*****, M*****, A***** und S***** wurde der Inhalt des § 7 BÜV nochmals wiedergegeben und diskutiert. Trotz dieser Diskussion wurde vom Geschäftsleiter S***** dazu festgehalten, dass ein „Restrisiko“ offen bleibe. Von Direktor O***** wurde diesbezüglich erklärt, dass seine Bedenken noch immer nicht ausgeräumt worden seien; besonders seine Ausführungen und Darstellungen waren sehr drastisch, dies deshalb, weil er unter anderem erklärte, dass es sich beim BÜV um einen Angriff auf das Eigenkapital der Primärbanken handle.

Nach eingehenden Diskussionen kam es schließlich zur Abstimmung über die Beschlussanträge, wobei der Beschluss, die Abstimmung über den Beitritt zum Bundes-Überbindungsvertrag in der Fassung vom 26. September 2008 per Stimmzettel abzuhalten, einstimmig angenommen wurde. Dem Antrag, dem Bundes-Überbindungsvertrag in der Fassung vom 26. September 2008 beizutreten, wurde mit 47 von 55 abgegebenen Stimmen, somit mit 85,5 % zugestimmt, es gab acht Gegenstimmen. Direktor O*****, der Geschäftsleiter der Erstklägerin, erhob sodann Widerspruch. Diesem Widerspruch schlossen sich die Raiffeisen-Bezirksbanken F*****, E*****, A*****, H*****, A***** und O***** an.

Der Bundes-Überbindungsvertrag in der Fassung vom 26. September 2008 lautet auszugsweise wie folgt:

„Präambel:

1. ÖRE ist die gesetzliche Sicherungseinrichtung gemäß §§ 93 ff BWG des Fachverbandes der Raiffeisen-Banken. ...

2. Die LASEn sind Genossenschafter der ÖRE.

3. Das Zentralinstitut (im Folgenden Raiffeisen-Landesbank oder Spitzeninstitut) und die diesem angeschlossenen Mitglieder des Fachverbandes der Raiffeisen-Banken sind Genossenschafter der jeweiligen LASE. Die jeweilige Raiffeisen-Landesbank samt den angeschlossenen Mitgliedern des Fachverbandes der Raiffeisen-Banken werden nachfolgend 'Regionaler Sektorverbund' genannt. Die Mitglieder eines Regionalen Sektorverbundes unter Ausschluss der jeweiligen Raiffeisen-Landesbank werden nachfolgend 'Primärbanken' genannt.

4. Im Rahmen der bestehenden sektorinternen Arbeitsteilung sowie auf Basis des dreistufigen sektoralen Aufbaus und seiner Prinzipien, insbesondere dem der Subsidiarität, obliegt im Innenverhältnis der jeweiligen LASE jedes Bundeslandes die Wahrnehmung bestimmter ausgegliederter Aufgaben der gesetzlichen Sicherungseinrichtung, insbesondere im Rahmen der Früherkennung (wie in § 1 Abs 1 definiert) im Bereich der Primärbanken.

Die sektorinterne Arbeitsteilung erfordert, dass Informationen, die zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben notwendig sind, einander gegeben werden.

5. Mit dieser Vereinbarung sollen die an die LASEn angegliederten Aufgaben, Informations- und Mitwirkungspflichten im Rahmen der gesetzlichen Sicherungseinrichtung näher umschrieben und vereinbart werden.

6. Gemäß § 61 BWG in der jeweils geltenden Fassung haben die genossenschaftlichen Prüfungsverbände (Revisionsverbände) bei der Einrichtung und Führung eines Früherkennungssystems Aufgaben zu übernehmen. ...

8. Zur besseren Übersichtlichkeit der Funktionsweise der gesetzlichen Sicherungseinrichtung der Raiffeisen-Bankengruppe, insbesondere ihrer internen sektoralen Arbeitsteilung wird diesem Vertrag eine schematische Darstellung angeschlossen. Dieses Schema hat rein didaktischen Charakter.

Bundes-Überbindungsvertrag („BÜV“)

Hauptstück A.

Früherkennung und korrektive Maßnahmen

§ 1 - Begriff und Ziele

(1) Ein wesentlicher Eckpfeiler einer jeden Sicherungseinrichtung ist die Früherkennung. Die Vertragsparteien verstehen unter dem Begriff 'Früherkennung' bzw 'Früherkennungs-Sicherungssystem' (im Folgenden auch 'FES' abgekürzt) die Verpflichtung, bei den angeschlossenen Primärbanken der Raiffeisen-Bankengruppe ökonomische Fehlentwicklungen zu erkennen; weiters sind auf dieser Früherkenntnis aufbauend, Maßnahmen vorzuschlagen und/oder umzusetzen, um einer erkannten ökonomischen Fehlentwicklung rechtzeitig entgegenzuwirken.

Unter dem Begriff ökonomische Fehlentwicklung sind Umstände, Faktoren und wirtschaftliche Kräfte zu verstehen, die bei Fortdauer oder Fortwirken kurz- bis mittelfristig die Risikotragfähigkeit einer angeschlossenen Primärbank übersteigen und daher zu einer Restrukturierungsnotwendigkeit führen könnten.

(2) Um dieses Ziel der Früherkennung zu erreichen, ist insbesondere die Erfassung und Auswertung entsprechender Daten und Informationen erforderlich. Die Vertragsparteien stellen im Rahmen dieses Vertrages, aber auch im Rahmen der Satzung der ÖRE sowie sonstiger vertraglicher oder gesellschaftsrechtlicher Sicherungsinstrumente sicher, dass die entsprechenden Daten und Informationen rechtzeitig von den zuständigen Stellen und Einrichtungen (insbesondere ÖRE, LASE, Landes-Revisionsverband, ÖRV, Solidaritätseinrichtungen etc) erhoben, weitergeleitet und analysiert werden und die notwendigen Maßnahmen umgehend gesetzt werden.

§ 2 - Ausgliederung der Früherkennung an LASEn

(1) Jede LASE erklärt hiemit rechtsverbindlich, für ihre Primärbanken ein FES einzurichten und zu betreiben. Das FES hat den zur Zeit und in Zukunft anwendbaren einschlägigen gesetzlichen und/oder sektoralen Bestimmungen, Vorgaben sowie Standards (im Folgenden 'Systemanforderungen' genannt; zB insbesondere ÖRE-Leitfaden; Beilage ./2) zu entsprechen.

§ 3 Berichtswesen

...

(3) Der guten Ordnung halber wird festgehalten, dass die ÖRE jederzeit berechtigt und verpflichtet ist, alle Maßnahmen zu setzen, die notwendig und nützlich sind, um ihren Verpflichtungen als gesetzlicher Sicherungseinrichtung nachzukommen. Darunter fällt insbesondere auch das Recht, unter Einbindung der jeweiligen LASE von und über alle Kreditinstitute, deren Einlagen durch sie gesichert sind, alle Auskünfte mündlich und schriftlich zu verlangen und zu erhalten, die zur Erfüllung ihrer Verpflichtung als gesetzliche Sicherungseinrichtung notwendig und nützlich sind. Diese Umsetzungsverpflichtung gilt auch für die Landes-Revisionsverbände und den ÖRV als Funktionsträger der gesetzlichen Einlagensicherung (§ 61 BWG).

Der guten Ordnung halber wird festgehalten, dass die ÖRE die jeweilige LASE über Früherkennungsfälle in deren regionalen Sektorverbund informiert halten wird. ...

§ 6 - Maßnahmen im regionalen Sektorverbund

(1) Die jeweilige LASE (gegebenenfalls unter Einbindung der in § 5 beauftragten Solidaritätseinrichtung) hat gegenüber der ÖRE die Verpflichtung, einen im Rahmen der Früherkennung festgestellten Handlungsbedarf wegen ökonomischer Fehlentwicklungen innerhalb ihres regionalen Sektorenverbundes zu erkennen und die erforderlichen Maßnahmen zur Minimierung des Schadens und zur Sicherung der gesicherten Einlagen zu setzen (im Folgenden 'primäre Restrukturierungsaufgabe').

(2) Über den entstandenen Handlungsbedarf innerhalb ihres regionalen Sektorverbundes und die zur Behebung seiner Ursachen und/oder Folgen getroffenen und geplanten Maßnahmen ist der ÖRE und dem ÖRV durch die LASE zeitnah und umfassend zu berichten.

§ 7 - Maßnahmen bei Überschreiten der wirtschaftlichen

Tragfähigkeit eines regionalen Sektorenverbundes

(1) Übersteigt die primäre Restrukturierungsaufgabe die Risikotragfähigkeit eines regionalen Sektorverbundes (berechnet als Summe der individuellen Risikotragfähigkeiten [Deckungsmasse 1] seiner Mitglieder entsprechend ÖRE-Leitfaden), so erfolgt die Ausarbeitung eines Maßnahmenkataloges zur Bewältigung der Restrukturierungsaufgabe durch ÖRE unter Einbeziehung insbesondere der jeweiligen LASE, der jeweiligen Raiffeisen-Landesbank, des jeweiligen Landes-Revisionsverbandes und, gegebenenfalls, der jeweiligen Solidaritätseinrichtung. Der Vorstand der ÖRE ist jederzeit berechtigt auch Dritte (Fachleute; Wirtschaftsprüfer) miteinzubeziehen, wenn er es für notwendig erachtet.

(2) Allfällige Restrukturierungs- maßnahmen/-leistungen der ÖRE sind im Vorstand der ÖRE zu beschließen, dies unter Berücksichtigung der primären Restrukturierungsaufgabe der jeweiligen LASE bzw Solidaritätseinrichtung. Die betroffene LASE wird von der ÖRE informiert gehalten. ...

Hauptstück B.

Sicherungsfall

§ 9 - Landessicherungsfall

(1) Bei Eintritt eines gesetzlich vorgesehenen Sicherungsfalles in Bezug auf ein Mitglied einer LASE, der die Tragfähigkeit des regionalen Sektorverbundes nach § 93a Abs 1 BWG nicht übersteigt, übernimmt die jeweilige LASE die Verpflichtung, die erforderlichen Maßnahmen zu setzen und die gesetzlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen.

(2) Droht ein Sicherungsfall bei einem Mitglied einer LASE die Tragfähigkeit des regionalen Sektorverbundes nach § 93a Abs 1 BWG zu übersteigen, so hat die LASE unverzüglich die ÖRE zu verständigen.

§ 10 - Bundessicherungsfall

(1) Übersteigt ein Sicherungsfall bei einem Mitglied einer LASE die Tragfähigkeit des regionalen Sektorenverbundes nach § 93a Abs 1 BWG, tritt ein Sicherungsfall bei einem Mitglied der ÖRE ein oder tritt ein Sicherungsfall gemäß § 93a Abs 2 BWG ein, so hat ÖRE in enger Zusammenarbeit mit den LASEn die erforderlichen Maßnahmen zu setzen und die gesetzlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen.

(2) Die LASEn verpflichten sich in einem solchen Fall, bei ihren jeweiligen Mitgliedern die notwendigen Beitragszahlungen einzuheben und an die ÖRE weiterzuleiten. ...“

Die klagenden Parteien fechten den in der Generalversammlung der beklagten Partei vom 9. Juni 2009 zu Top 5 gefassten Beschluss über den Beitritt zum Bundes-Überbindungsvertrag in der vorliegenden Fassung vom 26. September 2008 an. Hilfsweise begehren sie die Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses. Der Beitrittsbeschluss der LASE Kärnten zum Bundes-Überbindungsvertrag verstoße gegen das Gesetz und gegen die Satzung. Außerdem lägen Verfahrensmängel, nämlich die nicht ordnungsgemäße Ankündigung und Beschlussfassung sowie Informationsfehler vor.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren. Weder eine Gesetzwidrigkeit, noch eine Satzungswidrigkeit oder Verfahrensmängel lägen vor. Die beklagte Partei habe auch keine Informationsfehler zu vertreten. Der Bundes-Überbindungsvertrag (im Folgenden: BÜV) begründe nur Rechte und Pflichten zwischen der beklagten Partei und der ÖRE, allenfalls auch mit den übrigen Vertragsparteien. Finanzielle Verpflichtungen der klagenden Parteien seien aus dem BÜV nicht ableitbar, weil die freiwillige Sanierung nach § 93a Abs 6 BWG nicht Regelungsgegenstand des BÜV sei und Vorweg-Zustimmungen der Genossenschaften der beklagten Partei im BÜV nicht geregelt seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf dabei die im Vorigen wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich würdigte es diesen Sachverhalt dahingehend, dass der streitgegenständliche Beschluss weder gesetz- noch satzungswidrig sei. Nach § 195 AktG, der auf die Anfechtung und Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen von Genossenschaften analog Anwendung finde, könne ein Beschluss der Generalversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung angefochten werden. Die Klägerinnen machten geltend, dass mit dem Beschluss auf Beitritt zum BÜV das Gesetz, nämlich § 93a Abs 6 BWG, verletzt werde. Nach dieser Bestimmung sei die Möglichkeit geschaffen worden, über die Sicherungseinrichtung in Schwierigkeiten geratene Kreditinstitute zu sanieren. Da dies nur freiwillig erfolgen könne, seien für einen derartigen Beschluss besondere Zustimmungsquoren vorgesehen. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich Sicherungseinrichtungen ermächtigt, nicht nur in den Fällen des § 93 Abs 3 Z 1 bis 4 BWG tätig zu werden, wozu sie gesetzlich verpflichtet seien, sondern auch freiwillig Mitgliedsinstitute zu sanieren, was dem Einlegerschutz zweifellos mehr diene, als eine Abfindung mit den in § 93 BWG vorgesehenen Höchstbeträgen. Eine solche Sanierung könne auch übersektoral erfolgen, dafür sei die Zustimmung aller Sicherungseinrichtungen mit den besonderen Quoren notwendig. Solche sektorenübergreifende Maßnahmen seien im § 7 Abs 2 BÜV geregelt. Die Behauptung der Klägerinnen, dass der Beschluss deshalb gesetzwidrig sei, weil er in der Einladung zur Generalversammlung nicht ordnungsgemäß angekündigt worden sei, gehe fehl. Aus dem Beitritt zum Bundes-Überbindungsvertrag sei auch keine Erweiterung der Satzung der beklagten Partei ableitbar, sodass auch keine Notwendigkeit bestanden habe, dies extra anzukündigen. Die Nichtigkeit analog § 199 Abs 1 Z 3 AktG, nämlich dass der Beschluss mit dem Wesen einer Genossenschaft unvereinbar sei oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletze, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben seien, sei durch den Beschluss nicht verwirklicht, weil die Trennung der Rechtssphäre der Genossenschaft von jener der Mitglieder nicht verletzt wurde. Dies insbesondere deshalb nicht, weil der Bundes-Überbindungsvertrag die freiwillige Sanierung überhaupt nicht regle. Zusammenfassend lasse sich festhalten, dass der Fall der freiwilligen Sanierung des § 93a Abs 6 BWG weder Regelungstatbestand des BÜV noch des zweistufigen Sicherungssystems durch ÖRE und LASEn sei. Die Beitragspflicht der überstimmten Minderheit bei einer freiwilligen Sanierung sei einer solchen Beschlussfassung zugrundezulegen und daher durch § 93a Abs 1 Satz 6 und 7 BWG gedeckelt. Soweit der Bundes-Überbindungsvertrag Maßnahmen im Rahmen der Früherkennung vorsehe, seien diese vom Unternehmensgegenstand der beklagten Partei gedeckt. Diese Maßnahmen fänden ihre Rechtfertigung überdies auch in den §§ 39, 61 und 93a BWG. Soweit Satzungswidrigkeit behauptet worden sei, sei dieses Vorbringen nach § 197 Abs 2 AktG analog verfristet.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach Verwerfung einer Beweisrüge erwog es in rechtlicher Sicht, die Landes-Einlagen-Sicherungseinrichtungen seien Teil der gesetzlichen Einlagensicherung nach den §§ 93 f BWG, weshalb das BWG auch auf diese Anwendung finde. Der Generalversammlungsbeschluss sei weder gesetz- noch sittenwidrig. Im Einzelnen verwies das Berufungsgericht auf die von ihm als zutreffend erachtete Begründung des Erstgerichts. § 197 Abs 2 AktG sei analog anwendbar. Selbst wenn nicht nur die gesetzliche Einlagensicherung, sondern auch Maßnahmen der freiwilligen Sicherungsmaßnahmen Gegenstand des BÜV wären, könne darin keine Satzungswidrigkeit erblickt werden, weil die beklagte Partei allein keine entsprechenden Beschlüsse fassen dürfte, sondern diese Kompetenz bei der ÖRE verbleibe.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Frage der Auslegung der Satzung der beklagten Partei keine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwerfe.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.1. Die Revisionswerberinnen erblicken eine Aktenwidrigkeit darin, dass das Berufungsgericht zwar nach § 498 ZPO die Feststellungen des Erstgerichts seiner Entscheidung zu Grunde gelegt habe, dabei allerdings auch § 3 Abs 5 der Satzung der beklagten Partei berücksichtigt habe, welche im Urteil des Erstgerichts nicht vorkomme. Ohne Berufungsverhandlung hätte das Berufungsgericht keine ergänzenden Feststellungen treffen können.

2.2. Der Inhalt der Satzung der beklagten Partei ergibt sich jedoch bereits aus der von den Klägerinnen selbst vorgelegten Beilage ./D, die von der beklagten Partei als echt und richtig anerkannt wurde. In Anbetracht dieses Umstands konnte das Berufungsgericht den Wortlaut der gesamten Satzung berücksichtigen, ohne eine Berufungsverhandlung durchzuführen. Dass unstrittiges Parteienvorbringen - und dazu gehört auch der Inhalt einer von beiden Seiten für bedeutsam angesehenen Urkunde - ohne weiteres der Entscheidung zu Grunde zu legen ist (§§ 266 f ZPO), entspricht gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0121557 [T1]).

3.1. Als Verfahrensmangel rügen die Revisionswerberinnen, dass das Berufungsgericht seine Rechtsansicht, wonach die beklagte Partei Bestandteil der gesetzlichen Einlagensicherung sei, mit den Parteien nicht erörtert habe. Diese Rechtsansicht sei für die klagenden Parteien überraschend.

3.2. Dem kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 93 Abs 1 BWG haben Kreditinstitute, die sicherungspflichtige Einlagen gemäß § 93 Abs 2 BWG entgegennehmen oder sicherungspflichtige Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG durchführen, also auch die klagenden Parteien, der Sicherungseinrichtung im Rahmen ihres Fachverbandes anzugehören. Die Mitgliedsinstitute müssen in Form des Erwerbs einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung oder durch schuldrechtlichen Vertrag der Sicherungseinrichtung beitreten können (6 Ob 75/01z). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen unterhält der Fachverband Raiffeisen als Sicherungseinrichtung die ÖRE. In jedem Bundesland besteht darüber hinaus eine LASE, der die Raiffeisen-Primärbanken und die Raiffeisenlandesbank des betreffenden Bundeslandes angehören. Die klagenden Parteien sind unmittelbar nur an der beklagten Partei beteiligt (S 7 des Ersturteils). In Anbetracht dieser Feststellungen und der den klagenden Parteien zweifellos bekannten Bestimmung des § 93 BWG kann keine Rede davon sein, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts für die Revisionswerberinnen überraschend sein konnte.

4.1. Nach ständiger Rechtsprechung (6 Ob 605/89 EvBl 1989/187; 6 Ob 635/94 SZ 68/20 = EvBl 1995/123) und herrschender Lehre (vgl nur Reischauer, Das Schicksal fehlerhafter Generalversammlungsbeschlüsse einer Genossenschaft, JBl 1976, 7 ff) sind die aktienrechtlichen Bestimmungen über die Nichtigkeit und Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen analog auf die Beschlussmängel der Generalversammlung anzuwenden (vgl auch Siebenbäck in Dellinger, Genossenschaftsgesetz § 30 Rz 17).

4.2. Warum - wie die Revisionswerberinnen vermeinen - dies für die Bestimmung des § 197 Abs 2 AktG nicht gelten soll, ist nicht nachvollziehbar. Das Argument, eine Genossenschaft verfüge nicht über eine ähnliche Kapitalstruktur wie die Aktiengesellschaft, vermag den Ausschluss der analogen Anwendung des § 197 Abs 2 AktG nicht zu tragen, ist doch die Bedeutung der Anfechtung eines Gesellschaftsbeschlusses für jede Gesellschaft unabhängig von der bestehenden Kapitalstruktur von gleicher Bedeutung; ein relevanter Unterschied zwischen einer Genossenschaft und einer Aktiengesellschaft ist insoweit nicht zu erkennen.

4.3. Nach ständiger Rechtsprechung sind in der Anfechtungsklage sämtliche Anfechtungsgründe samt dem wesentlichen Sachverhalt darzulegen. Das Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Ausschlussfrist ist unzulässig (RIS-Justiz RS0120517). Wesentlich ist, dass wenigstens die Angriffsrichtung innerhalb der Monatsfrist festgelegt sein muss, wobei es auf den Tatsachenvortrag, nicht auf die rechtliche Würdigung ankommt (7 Ob 300/05a). Die bloße pauschale Geltendmachung der Satzungswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses erfüllt diese Voraussetzung nicht.

4.4. Allerdings hat das Berufungsgericht ohnedies das gesamte Vorbringen der klagenden Parteien auch inhaltlich geprüft und gelangte zu dem Ergebnis, dass die geltend gemachte Gesetz- und Satzungswidrigkeit nicht vorliegt.

5.1. Nach § 97a Abs 7 BWG haben alle Sicherungseinrichtungen im Rahmen eines Frühwarnsystems zusammenzuarbeiten und die hiefür erforderlichen Informationen auszutauschen. Dabei ist der Begriff der Zusammenarbeit nicht auf einen bloßen Informationsaustausch zu reduzieren; der Informationsaustausch beinhaltet vielmehr lediglich einen Teilaspekt. Aus diesem Grund ist die von den Revisionswerberinnen angestrebte semantische Unterscheidung zwischen den Begriffen „Frühwarnsystem“ und „Früherkennungssystem“ ebenso unerheblich wie der Einwand der Revisionswerberinnen, dass in der Praxis der Raiffeisen-Bankengruppe das Frühwarnsystem nur „Beobachtung und Analyse“ umfasse.

5.2. Nach den Feststellungen des Erstgerichts umfassen die Früherkennungsmaßnahmen qualifizierte Berichterstattung, Gespräche mit der Geschäftsleitung oder Spitzenvertretern der Organe der Raiffeisenbank, Sonderprüfungen durch die Revision und die Einbeziehung des Vorstands des Solidaritätsfonds.

5.3. Diese Maßnahmen sind aber zweifellos von der Satzung der beklagten Partei gedeckt. Hier ist darauf zu verweisen, dass die beklagte Partei nach § 3 Abs 5 ihrer Satzung zu allen Handlungen berechtigt ist, die zur Verwirklichung des Unternehmensgegenstands notwendig oder zweckmäßig sind. Eine Beschränkung auf einen bloßen Informationsaustausch ist weder der Satzung der beklagten Partei noch den gesetzlichen Vorgaben des BWG zu entnehmen. Damit erübrigen sich aber die Ausführungen der Revisionswerberinnen zu den Begriffen „Sanierung“ und „Restrukturierung“. Derartige Maßnahmen sind durch die Satzung der beklagten Partei und das Gesetz ohnedies gedeckt, sodass aus derartigen Maßnahmen die Satzungswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht abgeleitet werden kann. Aus diesem Grund ist auch auf die von den Revisionswerberinnen geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel zur Überarbeitung des BÜV und zur Änderung des Begriffs „Sanierung“ auf „Restrukturierung“ nicht weiter einzugehen.

5.4. Bereits das Erstgericht hat festgestellt, dass das BÜV nicht die freiwillige Sanierung (§ 93a Abs 6 BWG) regelt. Eine vertragliche Verpflichtung der beklagten Partei, an einer derartigen Sanierung mitzuwirken, besteht daher nicht. Damit erweist sich auch die Befürchtung der Revisionswerberinnen, sie könnten durch derartige freiwillige Sanierungen unmittelbar belastet werden, als unbegründet. Die gegenteiligen Revisionsausführungen entfernen sich vom festgestellten Sachverhalt.

5.5. Soweit die Revisionswerberinnen Feststellungen des Erstgerichts zum ihrer Ansicht nach generell gebotenen engen Satzungsverständnis vermissen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass sie diesbezüglich im Verfahren erster Instanz keinerlei Tatsachenvorbringen erstattet haben, sodass es sich dabei um eine unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung handelt. Im Übrigen würde sich auch bei der von den Revisionswerberinnen angestrebten engen Auslegung nichts an der zweifelsfrei gegebenen Zulässigkeit von Sanierungsmaßnahmen ändern.

6. Auch die Anfechtung wegen eines angeblichen Informationsdefizits ist unbegründet. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen gab es bereits beginnend mit dem Jahr 2008 sehr breite Informationen an alle Raiffeisenbank-Geschäftsleiter in Kärnten; in der Generalversammlung der LASE vom 9. Juni 2009 wurde der BÜV sehr ausführlich dargestellt und erläutert, sodass allen Anwesenden klar war, worüber in der Folge unter Tagesordnungspunkt 5. abgestimmt werden sollte. Wenn die Revisionswerberinnen nunmehr behaupten, die Genossenschafter seien nicht über die Reichweite der Maßnahmen iSd § 7 Abs 2 BÜV informiert gewesen, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RIS-Justiz RS0043312).

7. Ist aber der angefochtene Beschluss von der Satzung der beklagten Partei gedeckt und ist diese Bestandteil der gesetzlichen Einlagensicherung, so besteht auch für eine Annahme der Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses keinerlei Grundlage. Dabei kann auch keine Rede davon sein, dass der angefochtene Beschluss der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs (§ 199 Abs 1 Z 3 AktG) entgegenstehe.

8. Zusammenfassend erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen daher als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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