European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00148.15F.1126.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Mit in Form eines Notariatsakts beurkundetem Kodizill vom 10. 5. 2007 errichtete D***** letztwillig die „G*****‑Privatstiftung“ mit dem Sitz in B*****. Sie widmete der Stiftung das gesamte „Gut S*****“ und 70.000 EUR, die der Privatstiftung aus ihrem sonstigen Nachlass in barem Geld oder in Form von mündelsicheren Wertpapieren zu übergeben sind. In der Stiftungserklärung berief die Stifterin drei Personen zu Mitgliedern des Stiftungsvorstands, darunter einen emeritierten Rechtsanwalt, den der Stiftungsvorstand zum Vorsitzenden wählen möge.
Die Stifterin verstarb am 7. 1. 2012.
Die „G*****‑Privatstiftung (in Gründung)“ stellte am 20. 3. 2015 beim Erstgericht den Antrag, für sie einen Stiftungskurator zu bestellen. Bei dessen Auswahl möge bedacht werden, dass die Stifterin in ihrer letztwilligen Verfügung den Anwalt ihres Vertrauens als Vorsitzenden des Stiftungsvorstands gewünscht habe. Es scheine daher angebracht, ihn zum Stiftungskurator zu bestellen. Das Verlassenschaftsgericht habe mit rechtskräftigem Beschluss vom 31. 10. 2014 festgestellt, dass die letztwilligen Verfügungen der Erblasserin vom 10. 5. 2007 und 1. 6. 2007 gültig seien. Die Erbin verweigere die in der Stiftungserklärung vom 10. 5. 2007 als Legat verfügte Ausfolgung der zur Firmenbucheintragung der Privatstiftung erforderlichen 70.000 EUR. Sie beabsichtige die Gültigkeit aller zugunsten dieser Stiftung angeordneten letztwilligen Verfügungen der Stifterin nochmals zu bestreiten. Es sei daher nicht zu erwarten, dass die Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch in angemessener Frist möglich sein werde.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die Abweisung des Antrags auf Bestellung eines Stiftungskurators. Nach der Aktenlage sei der von der Stifterin bestellte (erste) Stiftungsvorstand tätig und willens, die Ansprüche der Privatstiftung bzw Vorstiftung geltend zu machen, um die Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch bewirken zu können.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Antragstellerin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
1.1. Die Privatstiftung entsteht mit der Eintragung in das Firmenbuch (§ 7 Abs 1 zweiter Halbsatz PSG). Die Errichtung einer Privatstiftung von Todes wegen ist durch das Ableben des Stifters aufschiebend bedingt ( Arnold , PSG 3 § 8 Rz 3 mwN). Mit Ableben des Stifters entsteht die Privatstiftung von Todes wegen als Vorstiftung ( Arnold , PSG 3 § 8 Rz 3, 12). Diese ist ein Rechtsträger eigener Art, auf den ‑ soweit möglich ‑ die Bestimmungen des PSG Anwendung finden. Die Vorstiftung ist rechtsfähig und parteifähig und wird vom (ersten) Stiftungsvorstand vertreten (2 Ob 65/08k SZ 2008/47; 6 Ob 189/01i; Arnold , PSG 3 § 7 Rz 6). Die Vertretungsbefugnis des Stiftungsvorstands (§ 17 PSG) umfasst ‑ auch hinsichtlich der Vorstiftung ( Arnold , PSG 3 § 17 Rz 44) ‑ sowohl die gerichtliche als auch außergerichtliche Vertretung und gewöhnliche und außergewöhnliche Handlungen ( Arnold , PSG 3 § 17 Rz 4).
1.2. Bestimmt ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ die Stiftungserklärung nichts anderes, so sind sämtliche Mitglieder des Stiftungsvorstands nur gemeinschaftlich zur Abgabe von Willenserklärungen und zur Zeichnung für die Privatstiftung befugt. Der Stiftungsvorstand kann einzelne Mitglieder des Stiftungsvorstands zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen (§ 17 Abs 3 Satz 1 und 2 PSG). Nach dem Inhalt der mit dem Revisionsrekurs vorgelegten Urkunde vom 12. 2. 2014 bevollmächtigte der Stiftungsvorstand der Vorstiftung seinen Vorsitzenden, die Privatstiftung im Verfahren zur Eintragung im Firmenbuch zu vertreten. Darunter lässt sich auch ein dem Eintragungsverfahren vorausgehendes Verfahren zur Bestellung eines Stiftungskurators (§§ 8 Abs 3, 40 PSG) einordnen. Dem Vorsitzenden des Stiftungsvorstands kommt auch als emeritierter Rechtsanwalt und organschaftlicher Vertreter der Vorstiftung das Privileg des § 28 Abs 1 ZPO iVm § 6 Abs 4 AußStrG zugute (1 Ob 237/04s SZ 2004/166; 1 Ob 82/12h; 4 Ob 604/69 SZ 42/190; Zib in Fasching/Konecny 3 II/1 § 28 ZPO Rz 3 und 17 mwN), sodass er die Vorstiftung im Revisionsrekursverfahren (§ 6 Abs 2 AußStrG) vertreten kann (1 Ob 82/12h).
2.1. Die Revisionsrekurswerberin hält ihr Rechtsmittel für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage befasst habe, ob § 8 Abs 3 PSG anwendbar sei, wenn der durch die Stifterin letztwillig bestellte Stiftungsvorstand nicht säumig, sondern gewillt sei, diese Firmenbucheintragung zu erwirken, dies aber nicht könne, weil die Erbin die geschuldete Herausgabe des dafür erforderlichen Betrags von 70.000 EUR verweigere. Es fehle eine gesetzliche Regelung analog § 8 Abs 5 letzter Satz PSG für den Fall, dass nicht ein Stiftungskurator, sondern der letztwillig bestellte Stiftungsvorstand die zur Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch erforderliche Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Nachlass oder Erben des Stifters klageweise geltend machen und auf diese Weise das finanzielle Risiko einer Handelndenhaftung nach § 7 Abs 2 PSG eingehen müsste.
2.2. Eine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht aufgezeigt:
Gemäß § 8 Abs 3 PSG ist auf Antrag oder von Amts wegen vom Gericht (§ 40 PSG) ein Stiftungskurator zu bestellen, wenn die Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch nicht in angemessener Frist zu erwarten ist. Der Stiftungskurator hat
1. für das Entstehen der Privatstiftung Sorge zu tragen und erforderlichenfalls den ersten Stiftungsvorstand sowie den ersten Aufsichtsrat zu bestellen;
2. bis zur Bestellung des Stiftungsvorstands den Anspruch aus der Stiftungserklärung geltend zu machen und das gewidmete Vermögen zu verwalten (§ 8 Abs 3 PSG).
2.3. Die Hauptaufgabe des Stiftungskurators ist es, den ersten Stiftungsvorstand (und wenn erforderlich den ersten Aufsichtsrat) zu bestellen (ErläutRV 1132 BlgNR 18. GP 23).
Die Bestellung eines Stiftungsvorstands durch einen Stiftungskurator ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil die Stifterin bereits einen Stiftungsvorstand bestellte und die bestellten Personen ihr Amt ausüben.
2.4. Das Vertretungsrecht des Stiftungskurators nach § 8 Abs 3 Z 2 PSG ist beschränkt und durch die Bestellung der Mitglieder des (ersten) Stiftungsvorstands auflösend bedingt. Ist bereits durch den Stifter ein (erster) Stiftungsvorstand bestellt, kommt dem Stiftungskurator diese Befugnis überhaupt nicht zu ( Arnold , PSG 3 § 8 Rz 23). Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin führte daher nach dem klaren Wortlaut des § 8 Abs 3 Z 2 PSG die Bestellung eines Stiftungskurators nicht dazu, dass dieser anstelle des Stiftungsvorstands die Ansprüche aus der Stiftungserklärung und dem Kodizill gegen den Nachlass oder die Erbin der Stifterin geltend machen könnte.
2.5. Da ein Stiftungskurator „für das Entstehen der Privatstiftung Sorge zu tragen“ hat (§ 8 Abs 3 Z 1 PSG), ist es ‑ auch wenn schon ein (erster) Stiftungsvorstand eingesetzt wurde ‑ nicht ausgeschlossen, dass bei entsprechenden Verzögerungen ein Stiftungskurator bestellt wird (vgl ErläutRV 1132 BlgNR 18. GP 23; Arnold , PSG 3 § 8 Rz 16). Dem Stiftungskurator kommt aber auch in diesem Fall nicht die Befugnis zu, den Anspruch aus der Stiftungserklärung geltend zu machen. Er hat die Tätigkeit des (ersten) Stiftungsvorstands zu überwachen und auf ein baldiges Entstehen der Privatstiftung hinzuwirken (vgl ErläutRV 1132 BlgNR 18. GP 23; Arnold PSG 3 § 8 Rz 23). Ein Grund, weshalb es einer Überwachung des Stiftungsvorstands und eines Hinwirkens auf ein baldiges Entstehen der Privatstiftung durch den Vorsitzenden des Stiftungsvorstands bedarf, ist weder behauptet worden noch aus dem Akt ersichtlich.
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