Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem Punkt 2) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zu neuerlicher Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen haben wird.
Text
Begründung
Der am 21. 7. 1961 außer der Ehe geborene, bei seiner Mutter Hannelore B***** in Essen lebende mj. Andreas B***** belangte im vorliegenden, seit 27. 8. 1962 anhängigen Prozeß den seit einigen Jahren in Innsbruck lebenden Alois K***** auf Unterhaltsleistung. Der Beklagte, der italienischer Staatsbürger ist, hatte bereits am 20. 4. 1962 vor dem Stadtjugendamt Innsbruck die Vaterschaft anerkannt und sich in einem "Unterhaltsvergleich" verpflichtet, angefangen von der Geburt des Kindes bis zur Vollendung dessen 18. Lebensjahres monatlich S 250,-- zu bezahlen. Das im vorliegenden Prozeß gestellte Begehren richtete sich auf den Zuspruch weiterer S 250,-- monatlich für die Zeit von der Geburt des Klägers bis zum 31. 8. 1962 bzw. weiterer S 320,-- monatlich für die Zeit vom 1. 9. 1962 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers.
Der Beklagte hielt diesem Begehren entgegen, daß er in Anbetracht seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie seiner sonstigen Sorgepflichten nicht mehr leisten könne, als den Betrag von S 250,-- monatlich, über den der Kläger bereits den Exekutionstitel habe; nach österreichischem Recht sei zudem die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit unzulässig. Der Erstrichter sprach dem Kläger über den im Unterhaltsvergleich vom 20. 4. 1962 festgelegten Betrag von S 250,-- monatlich für die Zeit vom 1. 1. - 31. 8. 1962 weitere S 250,-- monatlich und für die Zeit ab 1. 9. 1962 weitere S 100,-- monatlich (ab 1. 9. 1962 also insgesamt S 350,-- monatlich) zu und wies das Mehrbegehren ab. Die Begründung seines Urteils läßt sich wie folgt zusammenfassen: Für die Beurteilung des Falles seien bis 31. 12. 1961 die Bestimmungen des § 12 der 4. DVzEheG, ab 1. 1. 1962 jene des Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (BGBl Nr. 293/1961) maßgebend; dies führe zur Anwendung deutschen Rechtes, nach dem für die Ausmessung des Unterhaltes die Lebensstellung der Mutter maßgebend sei (§ 1708 BGB in der Fassung des Gesetzes vom 11. 8. 1961) und auch Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit gestellt werden könnten; letzteres sei in Österreich bis zum 31. 12. 1961, wie sich aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen des § 12 der 4. DVzEheG und des § 1418 ABGB ergebe, unzulässig gewesen, ab 1. 1. 1962 aber infolge des Inkrafttretens des Übereinkommens, BGBl Nr. 293/1961, möglich geworden; ein Fall, der nach österreichischem Recht zu beurteilen wäre (Art 2 des Übereinkommens, BGBl Nr. 293/1961, bzw. Bundesgesetz vom 30. 10. 1958, BGBl Nr. 295/1961), liege nicht vor; Art 4 des Übereinkommens bestimme nun, daß von der Anwendung des im Art 1 für anwendbar erklärten Rechtes abgesehen werden könne, wenn sie mit der öffentlichen Ordnung des Staates, dem die befaßte Behörde angehöre, offensichtlich unvereinbar wäre; soweit § 1708 BGB eine Bedachtnahme auf die Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen untersage, sei seine Anwendung mit der öffentlichen Ordnung der Republik Österreich unvereinbar, weil sie grundlegenden österreichischen Auffassungen widerspreche; wenn nun auch der Lebensstellung der Mutter des klagenden Kindes für die Zeit zwischen dem 21. 7. und dem 31. 8. 1961 ein Unterhaltssatz von monatlich DM 70,--, für die Zeit vom 1. 9. 1961 bis zum 31. 8. 1962 ein solcher von DM 80,-- monatlich und ab 1. 9. 1962 ein solcher von DM 90,-- monatlich entspreche, erscheine unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten sowie seiner Sorgepflichten zwar für die Zeit vom 1. 1. bis zum 31. 8. 1962 der vom Kläger begehrte Unterhaltsbetrag von insgesamt S 500,-- monatlich, für die Zeit ab 1. 9. 1962 aber nur ein solcher von insgesamt S 350,-- monatlich angemessen.
Das Berufungsgericht, das von beiden Teilen angerufen wurde, gab dem Klagebegehren für die Zeit ab 1. 1. 1962 vollinhaltlich statt, bestätigte aber die Klagsabweisung für die Zeit vom 21. 7. bis zum 31. 12. 1961.
Spruchmäßig erfolgte dies in der Form, daß es der Berufung des Klägers teilweise Folge gab und die Berufung des Beklagten auf diese Entscheidung verwies; im Zusammenhalt mit der Begründung seines Urteils ist aber erkennbar, daß der Berufung des Beklagten nicht, jener des Klägers teilweise Folge gegeben wurde. Die II. Instanz begründete ihr Urteil - soweit es für das Revisionsverfahren bedeutsam erscheint - im wesentlichen wie folgt: Es könne sein, daß die Regelung des § 1708 BGB den Unterhaltspflichtigen in der Regel schlechter stelle als dies bei Anwendung des § 166 ABGB der Fall wäre; das deutsche Recht regle den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes aber nicht nur in Bezug auf die Höhe, sondern auch dem Grunde nach anders als das österreichische Recht; die im deutschen Recht mögliche Einrede des Mehrverkehrs bedeute einen nicht zu unterschätzenden Vorteil für den Belangten; in manchen Fällen könne auch die Regelung des § 1708 BGB selbst auf eine Begünstigung des Unterhaltspflichtigen gegenüber jener des österreichischen Rechtes hinauslaufen; bei der Entscheidung der Frage, ob die Anwendung ausländischen Rechtes gegen den "ordre public" verstoße dürfe nicht eine konkrete Gesetzesbestimmung isoliert, sondern nur in ihrem Zusammenhang betrachtet werden; zudem kenne das österreichische Recht keine allgemein verbindliche Norm, daß jemand nur dann zu einer Leistung verurteilt werden könne, wenn er in der Lage sei, sie zu erbringen; der Einwand der Unmöglichkeit der Leistung sei bei Geldforderungen überhaupt wirkungslos, die Leistungsunfähigkeit habe nur (dauernde oder vorübergehende) Uneinbringlichkeit zur Folge; da die Anwendung deutschen Rechtes auch nicht gegen ein österreichisches Gesetz verstoße, das den Schutz besonderer österreichischer Interessen bezwecke, bestehe kein Bedenken, dem Kläger für die ganze Zeit ab 1. 1. 1962 den der Lebensstellung seiner Mutter entsprechenden Betrag zuzuerkennen, was zur Stattgebung des Klagebegehrens ab diesem Stichtag führe.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Beklagten in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teil aus den Revisionsgründen nach § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag bekämpft, es aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Frage, nach welchem Recht ein Unterhaltsanspruch zu beurteilen ist, liegt außerhalb des Bereiches des Bemessungskomplexes, wie er durch das Jud 60 neu = SZ XXVII/177 umrissen wurde, sodaß die Revision als zulässig anzusehen ist (§ 502 Abs 2 ZPO). Erklärter Zweck des Übereinkommens vom 24. 10. 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht, BGBl Nr. 293/1961, war die Vereinheitlichung der Kollisionsnormen der Signatarstaaten (vgl. dazu die Präambel des Übereinkommens selbst sowie die "Erläuternden Bemerkungen" - 514 der Beilagen zu den sten. Prot. des Nationalrates, VIII. GP). Der schon daraus erkennbare gesetzändernde Charakter des Übereinkommens wurde denn auch im Bericht des Justizausschusses ausdrücklich hervorgehoben (529 der Beilagen zu den sten. Prot. des Nationalrates, VIII. GP). Soweit der Anwendungsbereich des Übereinkommens reicht, erscheinen also die früheren innerstaatlichen Kollisionsnormen der Signatarstaaten zufolge inhaltlicher Derogation unanwendbar. Sie könnten in diesem Bereich nur mehr im Fall des Art. 3 des Übereinkommens herangezogen werden, also dann, wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes, auf den es nach Art. 1 ankommt, diesem jeden Anspruch auf Unterhaltsleistung versagen sollte. Daraus ergibt sich, daß im vorliegenden Fall aus § 12 der 4. DVzEheG, auf den sich der Revisionswerber stützt, für die Beurteilung des Klagsanspruches nichts abgeleitet werden kann, soweit sich dieser auf die im Revisionsverfahren allein noch strittige Zeit ab 1. 1. 1962 (Inkrafttreten des Übereinkommens, BGBl Nr 293/1961) bezieht. Soweit der Beklagte die innerstaatlichen Kollisionsnormen der Bundesrepublik Deutschland heranziehen will - er zitiert dabei ebenfalls § 12 der 4. DVzEheG, richtig wäre aber auf Art 21 EGBGB abzustellen (vgl Lauterbach im Palandt-Kommentar zum BGB, 21. Aufl., Anm. 1 und 3 a zu Art 21)-, geht auch dies fehl, weil auch an deren Stelle im Anwendungsbereich des Übereinkommens dessen vereinheitlichte Kollisionsnormen getreten sind. Eine Verweisung auf österreichisches Recht durch innerstaatliche deutsche Kollisionsnormen, deren Möglichkeit der Beklagte aus der tatsächlich ungeklärt gebliebenen Frage, welche Staatsbürgerschaft die Mutter des Beklagten bei dessen Geburt hat, ableiten will, kommt also keinesfalls in Betracht.
Eine Anwendung österreichischen Rechtes kraft des Vorbehaltes im Art 2 des Übereinkommens (s. dazu auch die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 30. 10. 1958, BGBl Nr 295/1961) scheitert - wie die Unterinstanzen zutreffend erkannten - jedenfalls daran, daß der Beklagte nicht österreichischer, sondern italienischer Staatsbürger ist.
Zu prüfen bleibt nun noch die von den Unterinstanzen divergierend gelöste Frage einer Heranziehung der Vorbehaltsklausel des Art 4 des Übereinkommens, BGBl Nr 293/1961. Danach kann dann, aber auch nur dann, wenn die Anwendung der ausländischen Rechtsnorm mit der öffentlichen Ordnung Österreichs offensichtlich unvereinbar ist, von ihr abgesehen werden. Soweit es sich nun darum handelt, ob die ausländische Rechtsnorm grundsätzlich geeignet erscheint, im Anwendungsfall einen Konflikt mit dem österreichischen "ordre public" herbeizuführen, liegt wiederum eine Frage vor, die außerhalb des im Jud. 60 neu umrissenen Bereiches der Unterhaltsbemessung liegt. Insoweit kann auch die Revisionsinstanz darauf eingehen. Den Unterinstanzen ist zunächst darin beizupflichten, daß im Anwendungsbereich des Übereinkommens, BGBl Nr 293/1961, nunmehr auch Unterhalt für die Zeit vor Klagseinbringung begehrt werden kann. Auch dieses im Jud. 60 neu gestreifte Problem gehört nicht zum Bemessungskomplex und ist daher im Rahmen der Erledigung der Rechtsrüge hier zu erörtern, obgleich die Revision darauf bezügliche Einzelausführungen nicht enthält. Die Änderung der Rechtslage ergibt sich wohl schon aus Art 1, Abs 3 des Übereinkommens wonach das Unterhaltsstatut auch über die Fristen entscheidet, die für die Einbringung der Unterhaltsklage gelten. Darunter sind nämlich insbesonders Verjährungsfristen zu verstehen, welche die Geltendmachung von Ansprüchen pro praeterito begrifflich voraussetzen (vgl dazu Petersen in RaabelsZ 1959, S 30 ff, insbes S 30 und 35). Daß die Anwendung der hier in Betracht kommenden Bestimmung des § 1711 BGB (nicht § 1717) nicht gegen die öffentliche Ordnung in Österreich verstößt, weil der Unterhaltspflichtige im Ausmaß seiner jeweiligen gesetzlichen Verpflichtung auf dem Umweg über die Bestimmung des § 1042 ABGB auch nach österreichischem Recht letzten Endes doch zu Leistungen pro praeterito herangezogen werden kann, hat schon der Erstrichter zutreffend erkannt.
Im übrigen vermag der Oberste Gerichtshof der Ansicht des Berufungsgerichtes aber nicht zu folgen. Ob ein vom Kläger gegen den Beklagten auf dem Prozeßweg verfolgter Anspruch auf Vaterschaftsfeststellung ebenfalls nach deutschem Recht zu beurteilen wäre, muß schon mangels ausreichender Sachverhaltsfeststellungen dahingestellt bleiben. Aus dem Umstand, daß auf den hier - nach einem Vaterschaftsanerkenntnis des Beklagten - geltend gemachten Unterhaltsanspruch zufolge der Bestimmungen des Übereinkommens, BGBl Nr 293/1961, deutsches Recht anzuwenden ist, kann keinesfalls abgeleitet werden, auch auf eine Vaterschaftsklage wäre deutsches Recht anzuwenden. Das Übereinkommen regelt nur das Kollisionsrecht für den Unterhaltsanspruch und enthält im Art 5 Abs 2 sogar ausdrücklich eine Vorbehaltsklausel für die Fragen der Abstammung und der Familienbeziehungen. Daher ist es unzulässig, aus Bestimmungen des deutschen Rechtes, die einen auf Feststellung der Vaterschaft Belangten im Vergleich zu den Bestimmungen des österreichischen Rechtes begünstigen (Einwendung des Mehrverkehrs), abzuleiten, deshalb könne und müsse auch die Benachteiligung auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht, wie sie sich für den Belangten aus der Gegenüberstellung der Bestimmungen der §§ 1708 BGB und 166 ABGB ergibt, als mit dem österreichischen "ordre public" vereinbar angesehen werden, wie dies das Berufungsgericht tun wollte. Fehl geht aber auch dessen Argumentation, ein Konflikt zwischen dem österreichischen "ordre public" und § 1708 BGB könne auch deshalb verneint werden, weil es auch Fälle geben könne, in denen sich eine Unterhaltsbemessung nach § 1708 BGB für den Belangten günstiger als eine solche nach § 166 ABGB auswirke. Es kommt nämlich immer auf die besonderen Umstände des einzelnen Falles, auf die Folgen einer Anwendung der ausländischen Rechtsnorm gerade in dem zu entscheidenden konkreten Fall an. Was in einem Fall bei Anwendung des fremden Rechtes für die österreichische Rechtsordnung als solche noch tragbar sein kann, kann in einem ähnlichen, teilweise aber doch anders gelagerten Fall nach österreichischem Rechtsempfinden schon untragbar sein (vgl dazu insbes Herz, JBl 1954, S 213 ff). Nicht übersehen werden darf nun, daß Art 4 des Übereinkommens, BGBl Nr 293/1961, die Anlegung eines strengen Maßstabes verlangt, denn von der Anwendung des nach dem Übereinkommen an und für sich anzuwendenden Rechtes darf nur abgesehen werden, wenn sie mit dem "ordre public" des Staates der mit der Sache befaßten Behörde offensichtlich unvereinbar ist. Dieser Sinn der Klausel wurde denn auch im Bericht der Spezialkommission für die 8. Session der Haager intern. Privatrechtskonferenz besonders betont (Documents, S 131). Weder im Kommissionsbericht noch in den Stellungnahmen der einzelnen an der Konferenz beteiligten Regierungen noch in den Verhandlungsprotokollen der 8. Session finden sich ausdrückliche Erörterungen, die für eine Beurteilung der Bestimmung des § 1708 BGB in diesem Zusammenhang herangezogen werden könnten (Documents, S 123 ff, Actes, S 165 ff). Höchstens könnte die von Maridakis unter Bezugnahme auf das deutsche (!) und das griechische Recht aufgeworfene, dann aber fallengelassene Frage, ob nicht von Unvereinbarkeit mit dem "ordre public" und mit den guten Sitten gesprochen werden sollte (Actes, S 176) als Anspielung auf die gewiß eine Besonderheit darstellende Bestimmung des § 1708 BGB aufgefaßt werden. Für die Beurteilung des Problems läßt sich daraus aber noch nichts Sachdienliches gewinnen.
Da Art 4 des Übereinkommens, BGBl Nr 293/1961, keine Definition des Begriffes "ordre public" enthält, kann und muß von den Leitsätzen ausgegangen werden, welche Judikatur und Literatur hiezu schon bisher vornehmlich unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der §§ 81, Z 4 EO und 18 der 4. DVzEheG, aufgestellt haben. Danach darf die Anwendung der ausländischen Rechtsnorm der inländischen öffentlichen Ordnung und den guten Sitten nicht widerstreiten, wobei aber nicht schon die Verschiedenheit der im Ausland getroffenen Regelung maßgebend sein kann. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob eine Anwendung der ausländischen Rechtsnorm im konkreten Fall das einheimische Rechtsgefühl in Anbetracht der beiderseits herrschenden staats- und rechtspolitischen Auffassungen und sozialen Anschauungen in untragbarer Weise verletzen würde (SZ XXXI/33, 2 Ob 672/59, 5 Ob 243, 244/60 = EvBl 1961, Nr 27, Scheucher in ZfRV 1960, S 15 ff und die dort zitierte Lehre).
Das vom Berufungsgericht herangezogene Argument, das österreichische Recht kenne keine allgemein verbindliche Norm, daß jemand nur dann zu einer Leistung verurteilt werden könne, wenn er in der Lage sei, sie zu erbringen, bzw der Einwand der Unmöglichkeit der Leistung sei bei Geldforderungen überhaupt wirkungslos, geht schon deshalb fehl, weil der Unterhaltsanspruch kein reiner Geldanspruch ist und nach österreichischer Rechtsauffassung überhaupt nicht in einem weiteren Ausmaß entsteht, als es auch durch Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und seiner sonstigen gesetzlichen Sorgepflichten bestimmt wird. Eine starre Anwendung der Norm des § 1708 BGB kann nun bei entsprechend hoher Lebensstellung der Mutter des unterhaltsberechtigten Kindes zunächst unzweifelhaft zu einer Benachteiligung des Unterhaltspflichtigen im Vergleich zu jener Regelung führen, die nach § 166 ABGB zu treffen wäre, soweit es sich nämlich um den Bereich des § 1708 Abs 1 BGB handelt, bei dem - zum Unterschied von jenem des Abs 2 - die Bestimmungen des § 1603 Abs 1 BGB nicht anzuwenden ist (vgl dazu die im Palandt-Kommentar zitierte Judikatur). Ob daraus allein schon eine Unvereinbarkeit mit dem österreichischen "ordre public" ableitbar ist, mag fraglich sein (vgl dazu Scheucher aaO), kann diesmal aber auf sich beruhen, weil der vorliegende Fall dadurch charakterisiert ist, daß der Beklagte außer für das klagende Kind noch für seine Gattin, ein eheliches Kind sowie ein weiteres uneheliches Kind unterhaltspflichtig ist, die alle in Österreich leben, und auch seinen (in Italien lebenden) Eltern Unterstützungen zukommen läßt. Beim Zusammentreffen eines nach § 1708 Abs 1 BGB zu beurteilenden Unterhaltsbegehrens mit Ansprüchen anderer Unterhaltsberechtigter, die nach österreichischem Recht zu beurteilen sind, trifft die schon erwähnte Benachteiligung des Unterhaltspflichtigen mit einer Bevorzugung des gemäß § 1708 Abs 1 BGB Unterhaltsberechtigten zusammen, die zumindest in der Mehrzahl der Fälle - nämlich bei beschränkter Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen - auf Kosten der übrigen Unterhaltsberechtigten geht. Denn diese müssen sich ja nach österreichischem Recht die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen einschließlich der Bedachtnahme auf seine an den gemäß § 1708 Abs 1 BGB Berechtigten zu erbringenden Zahlungen gefallen lassen. Aus § 6 LohnpfG ergibt sich, daß sich die Bevorzugung des nach § 1708 Abs 1 BGB Berechtigten bis ins Exekutionsstadium fortsetzen kann. Erwägt man nun weiters, daß es sich bei den Personen, die auf eine Unterhaltsregelung nach österreichischem Recht angewiesen sind und dabei im Vergleich zu dem nach § 1708 Abs 1 BGB Ansprüche erhebenden Konkurrenten benachteiligt würden, zumeist um Personen handelt, die unter den besonderen Schutz der Gesetze und der Gerichte gestellt sind (§§ 21 ABGB, 2 AußStrG), erkennt man, daß die starre Anwendung des § 1708 Abs 1 BGB - je nach den Umständen des konkreten Falles - zu einer Beeinträchtigung der österreichischen Rechtsordnung als solcher führen kann, die nicht hingenommen werden kann und darf. Benachteiligungen Dritter durch Anwendung einer ausländischen Rechtsnorm zählen übrigens zum Hauptanwendungsbereich der Vorbehaltsklausel (vgl dazu auch Herz aaO, S 216).
Die Staatsbürgerschaftsverhältnisse des Unterhaltspflichtigen und seiner übrigen unterhaltsberechtigten Angehörigen sind dabei zumindest insoweit belanglos, als die Unterhaltsregelung zwischen ihnen - sei es etwa auch nur nach den Bestimmungen des Art 2 des Übereinkommens, BGBl Nr 293/1961, bzw des dazu ergangenen Gesetzes BGBl Nr 295/1961 - nach österreichischem Recht zu erfolgen hat. Da Italien das Übereinkommen, BGBl Nr 293/1961, ebenfalls ratifiziert hat, ergibt sich im vorliegenden Fall schon aus Art 1 Abs 1 des Übereinkommens, daß die Unterhaltsansprüche der beiden anderen Kinder des Beklagten jedenfalls nach österreichischem Recht zu beurteilen sind. Wie die Ansprüche seiner Gattin und seiner Eltern zu beschreiben sind, braucht deshalb hier nicht näher geprüft zu werden. Im Ergebnis ist also dem Erstrichter darin beizupflichten, daß von einer starren Anwendung des § 1708 Abs 1 BGB Abstand genommen werden muß, vielmehr auch die Leistungsfähigkeit und die Sorgepflichten des Beklagten zu berücksichtigen sind. Wie weit sohin dem Klagebegehren mit Wirksamkeit ab 1. 1. 1962 stattgegeben werden kann, wird - soweit überblickbar - zum Komplex der Unterhaltsbemessung gehören, der sich das Berufungsgericht - eben infolge starrer Anwendung des § 1708 Abs 1 BGB - bisher nicht nach allen in Betracht kommenden Kriterien unterzogen hat. Aus diesen Erwägungen ist die Rechtssache im Umfang der Anfechtung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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