OGH 6Ob12/86

OGH6Ob12/8623.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als Richter in der Abhandlung der Verlassenschaft nach dem am 11. September 1985 gestorbenen Karl L***, Bauernpensionist, zuletzt in St. Peter am Wimberg, Dorf 25, wegen Feststellung der Erbhofeigenschaft nach dem Anerben infolge Revisionsrekurses des Sohnes des Erblassers Karl L*** jun., Pförtner, St. Ulrich, Pehersdorf 16, und der Witwe des Erblassers Anna L***, Pensionistin, St. Ulrich, Pehersdorf 16, beide vertreten durch DDr. Heinz Mück, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 26. August 1986, GZ. 13 R 599/86-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neufelden vom 8. Juli 1986, GZ. A 97/85-22, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der von Karl L*** jun. erhobene Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Dem von Anna L*** erhobenen Revisionsrekurs wird stattgegeben. Die angefochtene Entscheidung und der Beschluß erster Instanz werden aufgehoben. Die Abhandlungssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Bauernpensionist Karl L*** ist am 11. September 1985 im 74. Lebensjahr gestorben. Er hinterließ aus dem Kreis pflichtteilsberechtigter Angehöriger seine Ehefrau Anna und zwei volljährige Söhne, den 1949 geborenen Karl und den 1951 geborenen Josef. Die Witwe erklärte sich auf Grund des Erbvertrages vom 14. Juni 1947 - mit welchem sie nach den Bekundungen des Gerichtskommissärs zu drei Viertel vertraglich und zu einem Viertel testamentarisch zur Erbin eingesetzt und ihr auch ein Aufgriffsrecht eingeräumt worden war - unter Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars mit dem Beifügen zur Erbin, daß das Abhandlungsgericht die Quote der Erbserklärung festsetzen möge. Der jüngere Sohn Josef gab auf Grund des Testamentes vom 13. Oktober 1983 - mit dem der Erblasser unter ausdrücklicher Aufhebung sämtlicher früher erklärter letztwilliger Anordnungen seinen jüngeren Sohn zum Alleinerben eingesetzt und alle übrigen Noterben auf den Pflichtteil gesetzt hatte - ebenfalls eine bedingte Erbserklärung ab, wobei er sich jedoch ausdrücklich die Nennung der "Quote, hinsichtlich der die Erbserklärung abgegeben wird", vorbehielt. Die Erbserklärung der Witwe nahm das Gericht mit einem unbekämpft gebliebenen Beschluß an, über die Erbserklärung des jüngeren Sohnes hat es noch nicht entschieden. Der ältere Sohn hat keine Erbserklärung abgegeben, seine Eigenschaft als Pflichtteilsberechtigter ist nach der Aktenlage bisher von niemandem in Zweifel gezogen worden. Der Erblasser war ebenso wie seine nunmehrige Witwe - im Sinne einer zwischen ihnen vereinbarten allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden - bücherlicher Eigentümer eines Hälfteanteiles an einer oberösterreichischen Liegenschaft. Der ältere Sohn hat die Liegenschaft seit April 1977 in Pacht. Die Liegenschaft ist in Zwangsverwaltung gezogen, nach der Aktenlage aber noch nicht einem Ersteher zugeschlagen worden. Ein Rechtsstreit über das Begehren des äleren Sohnes gegen seine Eltern auf Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der ihm verpachteten Liegenschaft wurde nach dem Vorbringen des Klägers inzwischen durch Rücknahme der Klage beendet.

Den Gutsbestand der ehemals gütergemeinschaftlichen Liegenschaft bilden Grundstücke im Gesamtflächenausmaß von 16,6 ha. Davon sind unter Einschluß zweier jeweils knapp 900 m 2 großen Bauplätze knapp 14 ha der landwirtschaftlichen Nutzung und 2,5 ha der forstwirtschaftlichen Nutzung gewidmet, dazu kommt die fast 800 m 2 große Baufläche mit dem Wirtschafts- und Wohngebäude. Beträchtliche Teile des Wohngebäudes befinden sich seit 1954 im Rohbauzustand, auch die 1977 ausgebauten Teile sind noch nicht voll ausgebaut, die Wirtschaftsgebäude sind teilweise erneuerungsbedürftig, der 1981 errichtete Stall ist außen noch unverputzt. Anläßlich der formellen Pachtung übernahm der ältere Sohn im April 1977 an Vieh vier Kühe, zwei Kalbinnen, vier Kälber, zwei Schafe, vier Ziegen und Geflügel, an Maschinen zwei alte Traktoren, einen Hecklader, einen Ladewagen, einen Zweischarwendepflug, eine Faltegge, einen Motormäher, einen Schwader und einen Mixer. Zur Zeit der Befundaufnahme im Februar 1986 umfaßte der Viestand acht Kühe, fünf Kalbinnen, zwölf Maststiere, drei Jungkalbinnen und zwei Mastschweine. Der ältere Sohn setzt als Pächter auch eigene Geräte und Maschinen ein. Die landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücke liegen in hügeligem bis hängigem Gelände. Es handelt sich um humose seichtgründige Urgesteinsböden von mittlerer Güte. Der Besitz ist größtenteils zusammengelegt und aufgeschlossen. Die Grundstücke der besseren Güte werden als Acker genutzt. Die forstwirtschaftlich genutzten Flächen haben einen Bestand an 40 bis 45 Jahre alten Fichten, schlagbares Holz ist nicht vorhanden. Es bestehen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditunternehmungen in einer Gesamthöhe von etwas mehr als einer Dreiviertelmillion Schilling und sonstige Schulden von zusammen rund S 170.000,-.

Der Bestimmung des Ertragswertes legten die Sachverständigen nach den für das Jahr 1984 veröffentlichten Buchführungsergebnissen einerseits einen Rohertrag von rund S 438.000,- und andererseits einen Sachaufwand von rund S 135.500,-, einen (fiktiven) Lohnanspruch von knapp S 176.000,- sowie ein Erfordernis zur Abdeckung der Schuldzinsen von rund S 125.000,- zugrunde und gelangten solcherart zu einem jährlichen Reinertrag von S 1.836,41. Die nach der Lage des Gutes zuständige Bezirksbauernkammer gab zunächst die Stellungnahme ab, daß der Hof bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung soviel Naturalien abliefern könnte, daß die laut Anerbengesetz geforderte Personenzahl davon ernährt werden kann; der Hof sei daher "noch" als Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG zu bezeichnen. Nach dem Vorliegen des Schätzungsgutachtens der beiden Sachverständigen hielt die Bezirksbauernkammer ihre Stellungnahme mit dem Beifügen aufrecht, sie beziehe das Erfordernis nach § 1 Abs. 1 Z 2 AnerbenG auf die durch Naturalversorgung geprägten bäuderlichen Lebensverhältnisse, wie sie zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes geherrscht hätten, und nicht auf den bei erheblich geänderten Verhältnissen nunmehr anzusetzenden Lebensstandard. Das Abhandlungsgericht machte sich diese Gesetzesauslegung zu eigen und erachtete danach die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes in einer das Mindesterfordernis nach § 1 Abs. 1 Z 2 AnerbenG erfüllenden Weise als gegeben. Es stellte daher beschlußmäßig fest, daß der landwirtschaftliche Betrieb ein Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG sei.

Der jüngere Sohn erhob gegen die beschlußmäßige Feststellung der Erbhofeigenschaft Rekurs mit einem in erster Linie gestellten Aufhebungsantrag und einem hilfsweise gestellten Abänderungsantrag im Sinne der Feststellung, daß die Erbhofeigenschaft des landwirtschaftlichen Betriebes verneint werde.

Das Rekursgericht stellte in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses fest, daß der landwirtschaftliche Betrieb kein Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG sei. Zum Bestimmungsmerkmal der Ertragsuntergrenze nach § 1 Abs. 1 Z 2 AnerbenG folgerte das Rekursgericht aus dem Umstand, daß bereits eine Regierungsvorlage zur Novellierung des Gesetzes zwecks Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen und Lebensverhältnisse vorliege, bis zum Inkrafttreten einer Gesetzesänderung sei der Begriff der angemessenen Erhaltung einer bäuderlichen Familie von fünf erwachsenen Personen nach der jeweils herrschenden wirtschaftlichen Lage auszulegen und nicht nach den zur Zeit der Entstehung des Anerbengesetzes vor nunmehr drei Jahrzehnten vorhanden gewesenen Verhältnissen. Die Angemessenheit der Erhaltung richte sich danach, für welche (absoluten) Ertragsanteile in den spezifischen Betrieben, zu denen der landwirtschaftliche Betrieb gehöre, nach seiner regionalen Lage Arbeitskräfte gefunden werden könnten. Dies sei im vorliegenden Fall nach den Landarbeiterkollektivvertragslöhnen zu beurteilen. Der Mindestlohn eines landwirtschaftlichen Gehilfen habe im Jahre 1985 einschließlich der mit S 2.040,- bewerteten freien Station monatlich S 8.023,- betragen; das entspreche einem Bruttomonatslohn von S 5.983,- und nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge einem Nettomonatslohn von S 4.537,35 (14 x jährlich); teile man den von den Sachverständigen ermittelten Jahresreinertrag von S 1.836,41 zuzüglich des mit S 175.944,-

angesetzten Lohnanspruches durch 12, ergäbe dies den Betrag von S 14.815,-, teile man dies auf fünf Personen, ergäbe dies je Kopf S 2.963,-. Es könne nicht angenommen werden, daß Landarbeitskräfte zu finden seien, die bereit wären, um weniger als die Hälfte des kollektivvertraglichen Mindestlohnes zu arbeiten. Dem landwirtschaftlichen Betrieb fehle es am Erbhofmerkmal des Mindestertrages nach § 1 Abs. 1 Z 2 AnerbenG.

Die Witwe und der ältere Sohn des Erblassers fechten die abändernde Rekursentscheidung mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der ältere Sohn ist an der Abhandlung nur in seiner unbezweifelbaren Eigenschaft als Pflichtteilsberechtigter beteiligt. In dieser Eigenschaft könnte ihm zwar ein Rekursinteresse im Falle solcher Entscheidungen nicht abgesprochen werden, die einen den Erben im Sinne bäuerlicher Sondererbteilungsvorschriften begünstigenden Inhalt haben. Einem bloß Pflichtteilsberechtigten ist aber kein Interesse an der Anfechtung von Entscheidungen zuzubilligen, mit denen die Anwendung bäuerlicher Sondererbteilungsvorschriften abgelehnt oder das Vorliegen einer Voraussetzung für eine solche Anwendung (hier: Vereinung der Erbhofeigenschaft) verneint wird. Dem älteren Sohn des Erblassers fehlt es daher am Anfechtungsinteresse. Sein Revisionsrekurs war zurückzuweisen.

Der von der Witwe erhobene Revisionsrekurs ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Erblasser hatte gemeinsam mit seiner nunmehrigen Witwe gütergemeinschaftliches Eigentum an einer im Mühlvierteil gelegenen bäuerlichen Wirtschaft. Der Todesfall beendete die Gütergemeinschaft unter Lebenden und führte zu einer Teilung des Gemeinschaftsgutes nach ehegüterrechtlichen Regelungen. Soweit dabei Vereinbarungen der Ehegatten zu beachten waren, bestimmen diese, was aus dem Gemeinschaftsgut, gegebenenfalls auch unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form, in das nach erbrechtlichen Grundsätzen abzuhandelnde Vermögen des Verstorbenen fiel. Als Bestandteil des Vertrages über die bereits unter Lebenden wirksame Gütergemeinschaft ginge ein dem überlebenden Teil eingeräumtes Recht, den Anteil des Verstorbenen am Gütergemeinschaftsgut (oder bestimmte Teile daraus) um eine bestimmte oder doch bestimmbare Gegenleistung an sich zu lösen (Aufgriffsrecht), vom Inhalt her den erbrechtlichen Zuweisungen vor. Als Bestandteil des über die Gütergemeinschaft errichteten Ehepaktes wäre die Regelung über ein Aufgriffsrecht nur wieder durch Ehepakt abänderbar, keinesfalls einseitig widerruflich gewesen.

Im Falle eines vom Ehepakt über die Gütergemeinschaft losgelösten, ausschließlich im Zusammenhang mit einem Erbvertrag zu begreifenden Aufgriffsrechtes könnte sich dieses nur auf jene Nachlaßquote beziehen, auf die sich kraft Gesetzes (§ 1253 ABGB) eine erbvertragliche Bindung nicht beziehen kann (allenfalls auch auf eine darüber hinaus kraft Parteiwillens von der erbvertraglichen Regelung nicht erfaßte Quote). Erstreckt sich die erbvertragliche Erbeinsetzung auf die nach § 1253 ABGB höchstzulässige 3/4-Quote des Nachlasses, konnte die Anordnung eines Aufgriffsrechtes nur Auswirkungen auf die restliche 1/4-Quote des Nachlasses haben, die der jederzeit widerruflichen letztwilligen Anordnung frei zu bleiben hatte. Eine sich nur auf diese Freiquote beziehbare (vgl. Bubak, NZ 1962, 149 f) - die erbvertragliche Erbeinsetzung wie eine testamentarische Verfügung über die Freiquote lediglich ergänzende - Regelung konnte ungeachtet der formellen Aufnahme in übereinstimmende Vertragserklärungen, nicht der vertraglichen Bindungswirkung teilhaft werden (vgl. Haunschmidt, NZ 1968, 40; die Gegenmeinung von Süssner, NZ 1968, 177 f ist nicht stichhältig, weil einer Wertung des Aufgriffsrechtes als eines Vorvertrages das Fehlen einer Bindung des Aufgriffsberechtigten entgegensteht; zutreffend daher Petrasch in Rummel § 1249 Rdz 6, der im Aufgriffsrecht in der Regel einen Optionsfall sieht), sondern war vom Testator jederzeit widerrufbar. (Nach Petrasch in Rummel a.a.O. ist die Anordnung eines Aufgriffsrechtes nie Gegenstand des Erbvertrages selbst und bedeutete im Regelfall eine unzulässige vertragliche Beschränkung der freien letztwilligen Verfügungsmacht über das im § 1253 ABGB erwähnte Nachlaßviertel; nach Klang in Klang 2 III, 1132 könnte das Aufgriffsrecht auch durch Erbvertrg eingeräumt werden. Klang setzt sich dabei aber ebensowenig wie Koziol-Welser Grundriß 7 II, 369 und Gschnitzer-Faistenberger, Erbrecht 3 , 80 mit dem Einwirken der Regel des § 1253 ABGB auseinander.) Als Erbteilungsanordnung dürfte das Aufgriffsrecht nach seinem Inhalt ebensowenig gegen § 1253 ABGB verstoßen wie eine vertragliche Erbeinsetzung oder eine Vermächtnisanordnung. Die in der genannten Geseztesstelle normierte Freiheit "zu testieren" (Satz 1) ist die vertragliche Ungebundenheit "zur freien letzten Anordnung" (Satz 2) und erfaßt daher nicht bloß Erbeinsetzungen. Das Argument, ein Aufgriffsrecht bedeute keine Erbeinsetzung, sondern gegebenenfalls eine Erbteilungsanordnung oder ein Vermächtnis, vermag daher nicht schlüssig darzulegen, daß es erbvertraglich den durch § 1253 ABGB geschaffenen Freiraum beengen dürfte (so aber 8 Ob 594/85; zutreffend und tragend erscheint hingegen in der Begründung dieser Entscheidung der primäre Gedanke einer wirksamen Teilungsvorschrift im Rahmen der ehegüterrechtlichen Vereinbarung).

Als Teil einer letztwilligen Verfügung unterläge die Anordnung eines Aufgriffsrechtes der uneingeschränkten Widerrufsmöglichkeit des Testators.

Bei einer Zusammenfassung der Ehepakte über eine Gütergemeinschaft unter Lebenden und über einen Erbvertrag mit einem wechselseitigen Testament aus demselben Anlaß zu einem einheitlichen Gesamtzweck in einem (Notariats-)Akt muß im Zweifel ein dem anderen Ehegatten eingeräumtes Aufgriffsrecht als Teilungsvorschrift für die Auseinandersetzung des Gütergemeinschaftsgutes verstanden werden, weil mangels gegenteiligen Anhaltspunktes unterstellt werden müßte, daß das Aufgriffsrecht auch in dem im § 1266, vorletzter Satz ABGB behandelten Fall zustehen sollte.

Nach den Beurkundungen des Gerichtskommissärs (AS 48 und 110) hat der Erblasser seiner nunmehrigen Witwe mit den Ehepakten vom 14. Juni 1947 ein Aufgriffsrecht am Nachlaßvermögen eingeräumt. Die Ehepakte wurden zwar kundgemacht (AS 24), ihr Inhalt ist aber nicht aktenkundig. Das Rekursgericht hat den Inhalt eines Vertragspunktes wiedergegeben, aber ohne Kenntnis des gesamten Inhaltes aller im Notariatsakt vom 14. Juni 1947 getroffenen Regelungen ist die inhaltliche Bedeutung, der rechtliche Charakter, die Wirksamkeit und damit die Widerruflichkeit des Aufgriffsrechtes und die Bedeutung der Widerrufsklausel im Testament vom 13. Oktober 1983 nicht verläßlich zu beurteilen.

Sollte eine die Teilung des Gütergemeinschaftsvermögens betreffende Anordnung als Gegenstand des über die Gütergemeinschaft geschlossenen Ehepaktes angenommen werden, hätte der Erblasser einseitig diese Regelung nicht wirksam widerrufen können. Dann hinge es von der Inanspruchnahme des Aufgriffsrechtes durch die Witwe ab, ob der Anteil des Erblassers am gütergemeinschaftlichen Vermögen, also vor allem sein Anteil am landwirtschaftlichen Gut, als solcher oder nur die von der aufgriffsberechtigten Witwe zu erbringende Gegenleistung in den Nachlaß fällt.

Die Witwe hat sich trotz Vorhaltes des ihr eingeräumten Aufgriffsrechtes bisher über eine Ausübung oder Ausschlagung ihres Rechtes nicht geäußert.

Rechtliche Beurteilung

Hätte das Aufgriffsrecht im Zeitpunkt des Erbfalles infolge eines wirksamen Widerrufes aber nicht mehr bestanden oder machte die Witwe von einem zu ihren Gunsten bestehenden Aufgriffsrecht keinen Gebrauch, kämen die sondergesetzlichen Erbteilungsregeln des Anerbengesetzes nach dessen § 8 keinesfalls zur Anwendung. In einem solchen Fall hätte die beschlußmäßige Feststellung der Erbhofeigenschaft rein theoretische Bedeutung, weil eine solche von der Praxis zugelassene Beschlußfassung über das Vorliegen einer wesentlichen Voraussetzung für die Anwendung der besonderen Teilungsvorschriften nicht Selbstzweck, sondern nur im Hinblick auf eine Erbteilung nach dem dritten Abschnitt des Anerbengesetzes erheblich sein kann. Voraussetzung einer positiven Entscheidung über das Vorliegen der Erbhofeigenschaft nach § 1 Abs. 1 Z 2 AnerbenG ist eine Klärung der sonstigen Voraussetzungen für die Anwendung der Erbteilungsvorschriften des Anerbengesetzes.

Im Falle einer Anwendbarkeit der Erbteilungsregeln nach dem Anerbengesetz kraft Gesetzes hat die Erbteilung noch im Abhandlungsverfahren zu erfolgen und ist daher für die Gestaltung dieses Verfahrens von ähnlicher Bedeutung wie die Geltendmachung des Beteiligungsanspruches eines zur Erbschaft Berufenen durch die Erbserklärung. Hinge daher die Anwendung der Erbteilungsregelungen nach dem Anerbengesetz von der Ausübung eines Aufgriffsrechtes ab, wäre dem aufgriffsberechtigten Miterben vom Abhandlungsgericht in analoger Anwendung der §§ 115 ff AußStrG eine Frist zur Abgabe der Erklärung zu bestimmen, ob er das Aufgriffsrecht ausübe oder nicht. Im Falle einer Verneinung oder eines fruchtlosen Verstreichens der gesetzten Frist müßte die Abhandlung in analoger Anwendung des § 120 Abs. 1 AußStrG ohne Bedachtnahme auf die Erbteilungsregeln nach dem Anerbengesetz fortgeführt werden. Welche materiellrechtliche Bedeutung einem Zuwarten mit der Ausübung eines Aufgriffsrechtes zukäme, müßte dessen Anordnung, gegebenenfalls durch ergänzende Auslegung einer diesbezüglich vorliegenden Lücke, entnommen werden.

Das Rekursgericht hat die Anwendung der Erbteilungsvorschriften nach dem Anerbengesetz mit der Verneinung der Erbhofeigenschaft des landwirtschaftlichen Betriebes, an dem dem Erblasser das gütergemeinschaftliche Anteilsrecht zustand, ausgeschlossen und sich daher im gegebenen Zusammenhang mit der Frage des Aufgriffsrechtes der Witwe nicht auseinanderzusetzen gehabt.

Das Rekursgericht hat nach dem Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen angenommen, daß die im § 1 Abs. 1 Z 2 AnerbenG umschriebene Untergrenze der Ertragsfähigkeit des Hofes nicht erreicht würde.

Das Rekursgericht hat seiner Beurteilung ungeachtet der bereits vor dem Abhandlungsgericht vorgebrachten Einwendungen gegen die Berücksichtigung der vollen nominellen Verzinsung der Betriebskredite als reinertragsmindernde Belastungen das Gutachten der Sachverständigen ohne erkennbare Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Zinsbelastung zugrundegelegt. Das stellt einen Feststellungsmangel dar, der nur nach neuerlicher Erörterung des gegebenenfalls zu ergänzenden Gutachtens behoben werden kann. Dabei wird zur Auslegung `es § 1 Abs. 1 Z 2 AnerbenG zu beachten sein: Die dort umschriebene Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes wurde vom Gesetzgeber zur Kennzeichnung der Betriebsgrößen gewählt, deren Erhaltung angestrebt und die zu diesem Zweck erbrechtlichen Sondervorschriften unterworfen werden sollten. Dabei konnte der Gesetzgeber nur die zur Zeit der Gesetzeswerdung festzustellenden betriebswirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in der Landwirtschaft berücksichtigen. Infolge einer signifikanten Änderung dieser Voraussetzungen in den vergangenen drei Jahrzehnten trat eine erhebliche Verfälschung der Kennzeichnungskraft des gesetzlich umschriebenen Mindestertrages für das Vorliegen eines "mittleren Bauerngutes" ein. Wenn das Verhältnis des Aufwandes zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Bauernfamilie zu dem bei anerkannten Bewirtschaftungsmethoden erzielbaren Reinertrag (unter Beachtung der Ertragsminderung aber auch der Bedarfsminderung durch Selbstverbrauch) als bestimmendes Merkmal gewählt wurde, änderte sich die Auswahl der einer Sonderregelung unterworfenen landwirtschaftlichen Betriebe in einer der offenkundigen gesetzgeberischen Absicht zuwiderlaufenden Weise etwa dadurch, daß in einem bedeutenden Maße menschliche Arbeitskraft durch einen kostenintensiven Einsatz von Maschinen ersetzt wird, der volle Aufwand für die Betriebsmittel und die Amortisation der Maschinen als reinertragsmindernd angesetzt und dennoch vom Erfordernis der angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Bauernfamilie ausgegangen wird. Die diesbezüglichen Bestrebungen zu einer Gesetzesnovellierung, die bereits bis zur Ausarbeitung einer Regierungsvorlage geführt haben, können die Annahme einer durch die einschneidenden Änderungen der Verhältnisse eingetretenen Gesetzeslücke nur bekräftigen. Da en der Gesetzgeber unterlassen hat, die seiner Sonderregelung unterworfenen "mittleren" landwirtschaftlichen Betriebe nach festen Größen des Flächenmaßes, des Einheitswertes, des Ertragswertes oder sonstiger meßbarer Bestimmungsmerkmale zu umschreiben, sondern mit Absicht ein von der Betriebsart, der örtlichen Lage und wohl auch von dem in den Zeitläufen wechselnden Lebensstandard abhängiges Bestimmungsmerkmal gewählt hat, sind zwar grundsätzlich die jeweiligen örtlichen und zeitlichen Verhältnisse als maßgebend zu erkennen, allerdings mit der Einschränkung, daß schwerwiegende Verzerrungen durch den Indikator infolge nicht bedachter Veränderungen auszuschalten sind. Dies darf zwar nicht in einer Art Versteinerung geschehen, wie dies offenbar der Äußerung der Bezirksbauernkammer (ON 18) zu unterstellen ist, muß aber in Grenzfällen wie dem vorliegenden, doch zu einer Berücksichtigung der hypothetischen Ertragslage unter den Verhältnissen, die der Gesetzgeber als feststehend zugrunde legte, führen. In diesem Sinne ist es im vorliegenden Fall erheblich, ob bei Verzicht auf einen vor 30 Jahren noch nicht üblichen Maschineneinsatz mit der Arbeitskraft einer fünf erwachsene Personen nicht übersteigenden Bauernfamilie der zu ihrer Erhaltung erforderliche Natural- und Geldertrag erwirtschaftet werden könnte, wobei die Angemessenheit der Erhaltung am tatsächlichen regionalen Durschnittsstandard der mittleren Betriebe zu messen wäre. Insofern können die vom Rekursgericht verwerteten Kollektivvertragslöhne für Landarbeiter nur eine höchst vage Vergleichsgröße abgeben. Zu dieser Frage kommt vor allem der gemäß § 19 AnerbenG einzuholenden Äußerung Bedeutung zu. Freilich sind solche Äußerungen nie mehr als ein Beweismittel und müssen vom entscheidenden Gericht auf ihren Gehalt überprüft werden. Das hat ebenso wie bei einem Sachverständigengutachten eine nachvollziebare Aufdeckung der tatsächlichen Wertungsgrundlagen zur Voraussetzung. Die Frage nach der Erzielbarkeit eines im § 1 Abs. 1 Z 2 AnerbenG umschriebenen Mindestertrages kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Diesbezüglich ist eine Verfahrensergänzung in erster Instanz erforderlich. In Stattgebung des Revisionsrekurses der Witwe waren daher die Entscheidungen beider Vorinstanzen aufzuheben; die Abhandlungssache war zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung über die Anwendbarkeit der Erbteilungsregeln nach dem Anerbengesetz an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

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