Normen
Tiroler Höfegesetz §17 Z4
Tiroler Höfegesetz §17 Z4
Spruch:
Die vor der Entscheidung erster Instanz abgegebene und als glaubwürdig erkannte Erklärung des Anwärters auf das Anerbenrecht, seinen die persönliche Bewirtschaftung des Hofes von der Hofstelle aus hindernden Beruf nach Klarstellung seines Anerbenrechtes aufzugeben und den Hof mit voller Arbeitskraft persönlich bewirtschaften zu wollen, beseitigt den Ausschließungsgrund des § 17 Z. 4 lit. d Tiroler Höfegesetz
OGH 24. November 1977, 6 Ob 12/77 (LG Innsbruck 4 R 147/77; BG Kufstein A 279/75)
Text
Der am 16. April 1975 verstorbene Landwirt Sebastian P sen. war Eigentümer des geschlossenen Hofes "Unterg." in S. Eine letztwillige Verfügung über diesen geschlossenen Hof liegt nicht vor. Als gesetzliche Erben hinterließ Sebastian P die Witwe Nothburga P sowie die ehelichen Söhne Sebastian P und mj. Andreas P, letzterer vertreten durch seine Mutter als Vormunderin. Die auf Grund des Gesetzes von Nothburga P zu einem Viertel und von den ehelichen Söhnen zu je drei Achtel abgegebenen bedingten Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen.
Das vorliegende Rechtsmittelverfahren bezieht sich auf die Frage des Anerbenrechtes nach dem Tiroler Höfegesetz, welches von beiden erblasserischen Söhnen in Anspruch genommen wird. Hinsichtlich des Anerbenrechtes des älteren Sohnes Sebastian P brachten die anderen Erben vor, er sei im Sinne des § 17 des Tiroler Höfegesetzes ausgeschlossen. Er lebe schon seit Jahren nicht mehr auf dem Hofe und sei zur persönlichen Bewirtschaftung des Hofes unfähig. Durch seinen eigenen Beruf als Kraftfahrer sei er verhindert, das Anerbenrecht auszuüben. Es fehle ihm auch die entsprechende Einstellung und Liebe zum bäuerlichen Beruf. Sebastian P habe sich auch in abfälliger und verächtlicher Weise über den Bauernstand und die Bauernarbeit geäußert. Seine Frau betreibe in K eine Pension. Der Erblasser habe wiederholt gegenüber verschiedenen Personen seinen Willen geäußert, daß der mj. Andreas P den Hof übernehmen solle.
Sebastian P bestreitet das Vorliegen von Ausschließungsgrunden. Er beruft sich auf persönliche landwirtschaftliche Ausbildung und auf mehrjährige Mitarbeit am väterlichen Hof. Seinen derzeitigen Beruf als Kraftfahrer wolle er aufgeben und sich mit ganzer Kraft der Arbeit auf dem väterlichen Hof widmen, doch müsse er zunächst die gerichtliche Entscheidung über sein Anerbenrecht abwarten. Er sei von der zweiten Ehefrau des Erblassers in erniedrigender und entwürdigender Weise behandelt und nur dadurch veranlaßt worden, den väterlichen Hof zu verlassen. Auch während seiner Tätigkeit als Kraftfahrer habe er immer noch auf zwei Höfen in K in seiner Freizeit und am Wochenende landwirtschaftlich gearbeitet und tue dies heute noch.
Das Erstgericht holte ein Gutachten der Höfekommission ein und sprach aus, daß hinsichtlich des Sebastian P keine Gründe vorlägen, die ihn von der Übernahme des geschlossenen Hofes "Unterg."
ausschlössen. Es stellte fest:
Sebastian P arbeitete bis zu seinem 20. Lebensjahr am Hof des Erblassers und führte dabei sämtliche einschlägige Arbeiten aus, wie sie beim Betrieb einer Landwirtschaft vorkommen. Nach der zweiten Eheschließung des Erblassers kann es zu immer heftigeren innerfamiliären Auseinandersetzungen, so daß Sebastian P schließlich den elterlichen Hof verließ. Er wohnt derzeit in K, ist verheiratet und übt den Beruf eines Kraftfahrers aus. Seine Familienverhältnisse sind geordnet. In seiner Freizeit arbeitet er bei Verwandten seiner Frau in der Landwirtschaft mit.
Das Erstgericht verneinte das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nach § 17 Z. 4 lit. b und d des Tiroler Höfegesetzes. Da keine letztwillige Verfügung des Erblassers vorliege, sei auch ein Ausschließungsgrund im Zusammenhang mit § 25 des Tiroler Höfegesetzes nicht gegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß änderte das Rekursgericht die Entscheidung erster Instanz dahin ab, daß es aussprach, Sebastian P sei von der Übernahme des geschlossenen Hofes "Unterg." in S als Anerbe ausgeschlossen. Es führte aus:
Der Rekurs mache zu Recht geltend, daß vorliegende Ausschließungsgrunde unrichtig beurteilt worden seien. Der Antrag auf Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft sei nicht ausreichend, um ein ernsthaftes Interesse an der Führung eines Bauernhofes zu dokumentieren, und es stehe fest, daß Sebastian P zumindest seit dem Tod des Erblassers, also über zwei Jahre lang, keine wie immer gearteten Anstalten getroffen habe, um den Hof zu bewirtschaften. Damit habe er sich selbst als Anerbe ausgeschlossen.
Auszugehen sei von der nicht streitigen Feststellung, daß Sebastian P derzeit einem Beruf als Kraftfahrer nachgehe und daß er diesen Beruf nicht aufgekundigt habe. Nach § 17 Z. 4 lit. d des Tiroler Höfegesetzes sei jeder von der Übernahme des Hofes ausgeschlossen, der durch seinen Beruf verhindert sei, den Hof von der Hofstelle aus persönlich zu bewirtschaften. Die Aufgabe des die Selbstbewirtschaftung hindernden Berufes oder die Bereitschaft dazu beseitige den Ausschließungsgrund noch nicht (Webhofer, Tiroler Höfegesetz, 84). Daß Sebastian P unselbständig erwerbstätig sei und seinen Beruf kurzfristig wechseln könne, sei für die Beurteilung der persönlichen Verhältnisse des Anerben im Sinne der vorzitierten Gesetzesstelle unerheblich. Es komme nur darauf an, ob die mit dem Beruf als solchem verbundene Tätigkeit verhindere, den Hof von der Hofstelle aus persönlich - und zwar entsprechend - zu bewirtschaften. Der Sachverhalt sei dabei nach der zur Zeit der Erlassung des Beschlusses bestehenden Lage zu beurteilen, und diese lasse eine Behinderung der persönlichen Bewirtschaftung erschließen. Es dürfe nicht übersehen werden, daß die Tätigkeit als Kraftfahrer die Verpflichtung zu längeren Abwesenheiten vom Hof mit sich bringe, welche eine Tätigkeit als Bauer fallweise empfindlich stören könne. Auch nach der Rechtsprechung reiche es nicht aus, den die Selbstbewirtschaftung hindernden Beruf aufzugeben oder die Bereitschaft dazu zu bekunden, um den Ausschließungsgrund zu beseitigen (SZ 23/206).
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Sebastian P Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die Entscheidung des Gerichtes erster Instanz wiederhergestellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Höfekommission hat Sebastian P gutachtlich als geeignet beurteilt und die Ansicht vertreten, daß Ausschließungsgrunde im Sinne des Tiroler Höfegesetzes nicht vorliegen, was auszusprechen allerdings nicht Sache der Höfekommission, sondern Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung ist. Eingehender Überlegungen bedarf nur der Ausschließungsgrund des § 17 Z. 4 lit. d des Tiroler Höfegesetzes, dessen Vorliegen von den Untergerichten verschieden beurteilt wurde. Richtig ist jedenfalls, daß der Beruf eines Kraftfahrers dann rechtliche Bedeutung hat, wenn er den Anerben verhindert, den Hof von der Hofstelle aus persönlich - und zwar entsprechend - zu bewirtschaften (SZ 23/206). Ob die vorliegenden Feststellungen ausreichen würden, um sagen zu können, daß der Beruf eines Kraftfahrers Sebastian P daran hindert, mit seiner über die Inanspruchnahme durch diesen Berufung hinausgehenden Arbeitskraft unter Mitwirkung seiner dem landwirtschaftlichen Milieu zuzurechnenden Ehefrau den geschlossenen Hof entsprechend zu bewirtschaften, ist eine Frage, die im vorliegenden Fall aus noch darzustellenden rechtlichen Gründen auf sich beruhen kann.
Vorrang hat die Frage, ob bei der Beurteilung der berufsbedingten Verhinderung überhaupt davon ausgegangen werden muß, daß die Arbeitskraft des Revisionsrekurswerbers auf seine Pflichten als Kraftfahrer und auf seine Pflichten als Bauer verteilt werden müßte. Dies hängt wieder von der Beantwortung der Frage ab, ob seiner Erklärung, den Beruf als Kraftfahrer aufgeben und sich vollständig der Hofbewirtschaftung widmen zu wollen, Bedeutung zukommt oder nicht. Der erkennende Senat vermag der diesbezüglichen Auffassung des Rekursgerichtes nicht beizutreten. Zu den Verhältnissen, die bei Beschlußfassung vorliegen (vgl. dazu SZ 28/105; SZ 37/139), gehört nicht nur die unstrittige Tatsache, daß Sebastian P den Beruf eines Kraftfahrers ausübt, der Zeit und Arbeitskraft in Anspruch nimmt, sondern auch seine im Verlassenschaftsverfahren abgegebene Erklärung, den Beruf als Kraftfahrer aufgeben und den geschlossenen Hof mit ungeteilter Arbeitskraft bewirtschaften zu wollen. Die Höfekommission hat diese Erklärung in Erwägung der gesamten familiären und persönlichen Umstände als glaubwürdig beurteilt, und das Erstgericht ist dieser Beurteilung gefolgt. Die Beweisrüge, die das Rekursgericht auf Grund rechtlicher Überlegungen auf sich beruhen ließ, betraf nicht die erwähnte Absichtserklärung des Revisionsrekurswerbers, sondern angebliche Äußerungen in früherer Zeit, auf die es aber nicht ankommt.
Es würde nicht dem Sinn des § 17 Z. 4 lit. d entsprechen, einen Ausschließungsgrund nur deshalb anzunehmen, weil Sebastian P seinen Beruf als Kraftfahrer nicht schon vor der Beschlußfassung des Erstgerichtes aufgegeben hat, da sein Standpunkt, er wolle zwar den Beruf aufgeben, müsse aber die Entscheidung über sei Anerbenrecht abwarten, vollkommen einwandfrei ist. Die Ausübung des Berufes eines Kraftfahrers stellt ja keine Abkehr vom väterlichen Hof dar, wenn er wegen innerfamiliärer Schwierigkeiten mit seiner Stiefmutter den Hof verließ. Der in der Entscheidung SZ 23/206 vertretenen Ansicht, es würde selbst das Aufgeben des die Selbstbewirtschaftung hindernden Berufes oder die Bereitschaft hiezu den Ausschließungsgrund nicht beseitigen, kann nicht gefolgt werden (vgl. die überzeugende Kritik Dietrichs an der zitierten Entscheidung und der Ansicht Webhofers in NZ 1952, 115 ff.). Die Ansicht Webhofers im "Tiroler Höferecht", 84 läßt eine Begründung vermissen. Der nämliche Autor zitiert in Klang[2] III, 809 in FN 32 eine alte Entscheidung, ohne aber die in seinem eigenen Werk vertretene Auffassung auch hier darzulegen, obwohl die Zitierung dies geradezu herausgefordert hätte. Es kann auch keinen Rechtsverlust hinsichtlich des Anerbenrechtes bedeuten, daß Sebastian P nach dem Tod des Erblassers unterließ, hauptberuflich auf dem Hof zu arbeiten. Solange er nicht durch gerichtliche Entscheidung Anerbe ist, fehlt ihm ja auch die Verfügungsmacht über den Hof im Umfange einer hauptberuflichen landwirtschaftlichen Betätigung, da er in diesem Fall nichts anderes ist, als gesetzlicher Erbe mit einer Quote von drei Achtel des Nachlasses. Schließlich war Sebastian P doch wohl genötigt und berechtigt, einem Verdienst nachzugehen und dies bis zu dem Zeitpunkt, in dem über seinen Anspruch auf das Anerbenrecht endgültig entschieden wurde. Es wäre lebensfremd und unbillig, einem Kraftfahrer oder sonst Berufstätigen zuzumuten, er müsse vor Beschlußfassung des Gerichtes seinen Verdienst aufgeben, um in Ungewißheit während eines im voraus nicht absehbaren Zeitraums bis zur Klarstellung seiner Rechte untätig zu warten, andernfalls er sein Anerbenrecht verlöre.
Zusammenfassend ergibt sich, daß die gegenwärtige Berufsausübung als Kraftfahrer nicht die Annahme des Ausschließungsgrundes nach § 17 Z. 4 lit. d des Tiroler Höfegesetzes rechtfertigt und davon auszugehen ist, daß Sebastian P nach Klarstellung seiner Anerbenrechte im Sinne seiner Erklärung den geschlossenen Hof "Unterg." unter Mitwirkung seiner hiezu geeigneten Ehefrau mit voller Arbeitskraft persönlich
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