OGH 6Ob127/02y

OGH6Ob127/02y11.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Mabroka Assalhin A*****, Private, 2. mj. Mohamed Raaf-Allah M*****, Schüler, 3. mj. Oum-Alhanah Raaf-Allah M*****, Schüler, 4. mj. Rajaa Raaf-Allah M*****, Schülerin, *****, alle vertreten durch Dr. Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Ewa L*****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen 53.198,55 EUR und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2002, GZ 16 R 3/02g-34, womit über die Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, vom 27. September 2001, GZ 4 Cg 209/99f-30, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die in Libyen wohnhaften Kläger sind die Witwe und die Kinder des am 21. 12. 1996 in Wien verstorbenen Rafalla E*****. Dieser hatte sich im Jahr 1988 in Wien einer Zahnbehandlung unterzogen, die über seinen Wunsch unter Anwendung einer Vollnarkose durchgeführt wurde. Diese hatte die beklagte Fachärztin vorgenommen. Im Zuge der Behandlung kam es zu einem Herzstillstand. Es wurde eine Reanimation durchgeführt. Der Patient fiel in ein Koma, aus dem er bis zu seinem Ableben im Jahr 1996 nicht mehr erwachte. Der Patient klagte die Fachärztin für Anästhesie auf Zahlung eines Schmerzengeldes von 900.000 S und Feststellung ihrer Haftung für alle Schäden aus dem Narkosezwischenfall von 1988. Diese Klage wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. 11. 1996, AZ 13 R 63/96x, zur Gänze abgewiesen. Die außerordentliche Revision des Klägers wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 4. 9. 1997, AZ 2 Ob 235/97s, zurückgewiesen.

Mit der am 20. 12. 1999 beim Erstgericht eingelangten Klage begehren die Kläger von der beklagten Fachärztin jeweils einen laufenden Unterhalt und einen Unterhaltsrückstand sowie die Feststellung, dass die Beklagte den Klägern für alle künftigen Schäden aus dem Ableben des Rafalla E***** hafte. Der Ehegatte bzw Vater sei über die Narkoserisken unzureichend belehrt worden. Hätte er das Risiko gekannt, hätte er sich nicht einer Vollnarkose unterzogen. Im Zuge der Durchführung der Narkose hätte der Herzstillstand viel früher auffallen müssen, wobei die Folgen dieses Herzstillstandes zur Gänze hätten vermieden werden können. Die Reanimation sei nicht dem Stande der Wissenschaft im Zeitpunkt ihrer Vornahme entsprechend durchgeführt worden. Es seien ungeeignete Medikamente verwendet worden. Das Medikament "Alupent" sei wegen der ungesicherten Ursache des Herzstillstandes kontraindiziert gewesen. Die Vollnarkose wäre nach Art der beabsichtigten Zahnheilbehandlung überhaupt nicht durchzuführen gewesen. Die nach dem damaligen medizinisch technischen Standard erforderliche Geräteausrüstung am Ort der Behandlung - in der Ordination - sei nicht vorhanden gewesen, sodass die Beklagte mit der Vollnarkose gar nicht hätte beginnen dürfen. Der Narkoseapparat habe nicht dem Stand der ärztlichen Kunst entsprochen; weiters hätten alle Geräte für das erforderliche Monitoring, insbesondere ein EKG-Gerät, gefehlt. Die Fehlbehandlung der Beklagten hätte zunächst zu einer zentralen respiratorischen Insuffizienz geführt. In der Folge sei Rafalla E***** in ein Koma vigile gefallen und habe das Bewusstsein bis zu seinem Ableben nicht wieder erlangt. Ohne Einschränkung auf den Rechtsgrund stützten die Kläger ihre Klage jedenfalls auf § 1327 ABGB. Der Unterhaltsanspruch der Erstklägerin betrage 250 libysche Dinar, derjenige der Kinder je 150 libysche Dinar jeweils monatlich. Hilfsweise stellten die Kläger ein Begehren von jeweils 4.357 S monatlich.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren und brachte im Wesentlichen vor, dass das Ableben des Patienten nicht auf eine Fehlbehandlung der Beklagten zurückzuführen wäre. Die Kläger setzten sich mit ihren Klagebehauptungen in diametralen Widerspruch zum Ergebnis des Verfahrens 25 Cg 95/93 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, in dem rechtskräfig festgestellt worden sei, dass der Beklagten keinerlei Vorwurf gemacht werden könne, weil die Vorbereitung zur Narkose sowie die Beratung des Patienten regelrecht, die von ihm gewünschte Vollnarkose zulässig und unbedenklich gewesen sei und dass das verwendete Narkosegerät dem Stand der medizinischen Technik und Wissenschaft entsprochen habe. Der eingetretene Herzstillstand frühestmöglich erkannt worden. Die daraufhin eingeleiteten Wiederbelebungsmaßnahmen seien korrekt gewesen und hätten dem Stand der ärztlichen Kunst entsprochen. Die im Zuge der Wiederbelebung eingesetzten Medikamente seien indiziert gewesen. Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es traf Feststellungen aus den Urteilen des Vorprozesses 25 Cg 95/93m des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien. Das Erstgericht hatte dort mit Zwischenurteil die Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die Folgen aus dem Narkosezwischenfall festgestellt. Das Berufungsgericht hatte nach Beweiswiederholung und Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens die Klagebegehren abgewiesen. Aus dem Berufungsurteil des Vorprozesses zitierte im vorliegenden Prozess das Erstgericht aus den Entscheidungsgründen folgendes:

"Der Kläger begehrte die Vornahme des Eingriffes in Vollnarkose, da

er unter Würgeanfällen litt, die eine andere Behandlungsmöglichkeit

ausschlossen. Der Zahnarzt belehrte den Kläger über die Möglichkeit

einer Lokalanästhesie. Der Kläger bestand jedoch auf eine

Vollnarkose. ... Unter Beiziehung eines Dolmetschers, gegen dessen

Qualifikation keine Einwendungen bestanden, befragte die Beklagte den

Kläger nach früheren und akuten Erkrankungen ... alle diesbezüglichen

Fragen verneinte der Kläger. ... Die Vorbegutachtung und

Narkosevorbereitung war regelrecht. Von einer Anfallsneigung hatte

die Beklagte trotz ausreichender Einholung von Befunden und Befragen

des Klägers keine Kenntnis. ... Der im Zivilverfahren beigezogene

Sachverständige Univ. Prof. Dr. Gernot P***** erstattete ein

Gutachten, das in wesentlichen Umständen unschlüssig war ... Das

Gericht folgte daher dem Gutachten des Sachverständigen Prof. DDr.

Karl S*****, das in sich geschlossen ist und alle aufgeworfenen Fragen jeweils mit sorgfältiger Begründung beantwortet. Das Gutachten steht auch in Übereinstimmung mit dem Privatgutachten von Univ. Prof. Dr. M***** und den Stellungnahmen von Univ. Prof. Dr. Silvia S*****.

... Selbst wenn man rechtlich davon ausgeht, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber grundsätzlich für Kunstfehler haftete, ... ist mit

einer Abweisung der Klage vorzugehen. Auch bei Anlegung des strengen Haftungsmaßstabes nach § 1299 ABGB hat das Beweisverfahren keine Anhaltspunkte für einen Fehler der Beklagten ergeben. Auch wenn § 1298 ABGB die Beweislast hinsichtlich des Verschuldens zu Lasten der Beklagten umkehrt, ist es Aufgabe des Geschädigten, den Beweis des ärztlichen Kunstfehlers, das heißt den Beweis der objektiven Sorgfaltsverletzung zu erbringen. Erst wenn der Kunstfehler feststeht, kehrt sich die Beweislast nach den §§ 1299 und 1297 ABGB um ... Nachdem das Beweisverfahren ein (richtig: kein) fehlerhaftes Verhalten der Beklagten ergeben hat, ist ihre Haftung zu verneinen". In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass ein Sonderfall der Präjudizialität vorliege und eine Bindungswirkung an das die Klagebegehren des verstorbenen Patienten abweisende rechtskräftige Urteil bestehe. Die auch hier behaupteten Aufklärungs- und Behandlungsfehler der Beklagten seien Gegenstand des Vorprozesses gewesen. Fehler der Beklagten seien verneint worden. Das Urteil habe Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren, zumal die Kläger als Erben Universialsukzessoren des mittlerweile Verstorbenen seien. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Es verneinte eine Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozess. Die materielle Rechtskraft wirke grundsätzlich nur bei Identität des Anspruchs, der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhalts. Eine Identität des im Vorprozess erledigten Klageanspruchs und des hier geltend gemachten Anspruchs nach § 1327 ABGB sei nicht gegeben. Es fehle sowohl die Identität des Anspruchs als auch die Identität der Parteien, weil es fraglich sei, ob die Kläger als Erben nach libyschem Recht an die Vorentscheidung, die den verstorbenen Ehegatten bzw Vater betroffen habe, tatsächlich gebunden seien. Der Oberste Gerichtshof habe ausgesprochen, dass die Grenzen der materiellen Rechtskraft allein aus den Gründen der "Entscheidungsharmonie" nicht ausgeweitet werden können und es mit dem Gedanken der Rechtssicherheit vereinbar sei, wenn eine für unrichtig erkannte Sachverhaltsgrundlage des Urteils im Vorprozess der Entscheidung im Folgeprozess über weitere Ansprüche nicht mehr zugrundegelegt werde. Dies müsse auch dann gelten, wenn eine unvollständige Sachverhaltsgrundlage aufgrund unvollständiger Beweisaufnahme im Vorprozess behauptet werde und im Folgeprozess die Aufnahme zusätzlicher Beweismittel betragt werde. Das Erstgericht werde im fortzusetzenden Verfahren die Fragen der Fehlbehandlung und fehlenden Aufklärung des Patienten neuerlich zu beurteilen haben. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Mit ihrem "Revisionsrekurs" (Rekurs) beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt werde.

Die Kläger beantragen, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Die Bindungswirkung eines Urteils ist Ausfluss der materiellen Rechtskraft und setzt grundsätzlich die Identität des Anspruchs und der Parteien voraus. Auch wenn die Begehren im Vorprozess und im Nachfolgeprozess nicht identisch sind, kann ausnahmsweise dennoch eine Bindungswirkung dann bejaht werden, wenn ein Fall der Präjudizialität vorliegt, dass die im Spruch der Vorentscheidung entschiedene Hauptfrage Vorfrage für den neu geltend gemachten Anspruchs ist (RIS-Justiz RS0041567), also der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der mit der neuen Klage begehrten Rechtsfolge gehört (6 Ob 59/99s mwN). Die allgemeinen Rekursausführungen der Kläger zum Thema der Identität der Ansprüche und die dazu zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen treffen grundsätzlich durchaus zu. Auch das Berufungsgericht verneinte keineswegs die Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts. In beiden Prozessen ist das Thema, ob die Beklagte einen ärztlichen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu vertreten hat, entscheidungswesentlich. Die Haftungsfrage ist dieselbe. Es liegen allerdings unterschiedliche Leistungsbegehren vor (Schmerzengeld des Verstorbenen; Unterhaltsansprüche der Kläger), sodass mit der grundsätzlichen Beachtlichkeit der Präjudizialität des Haftungssachverhalts die Frage der Bindungswirkung noch nicht im Sinne der Rekurswerberin entschieden ist.

II. Grundsätzlich setzt die Bindungswirkung auch Parteienidentität voraus. Nach dem Spruch der Vorentscheidung wird nur "zwischen den Streitteilen" des Vorprozesses die Haftung der Beklagten aus dem Narkosezwischenfall vom 19. 8. 1988 verneint. Die Einschränkung auf die Prozessparteien hat ihren wesentlichen Grund schon im Grundsatz des Parteiengehörs. Eine Erstreckung der Bindungswirkung auf verfahrensfremde Personen ist nach diesem Grundsatz grundsätzlich zu verneinen (anderes könnte nur für den Fall der Nebenintervention gelten: dazu SZ 70/60).

III. Die fehlende Parteienidentität will die Rekurswerberin durch die Gesamtrechtsnachfolge der Erben ersetzt wissen. Dazu ist folgendes auszuführen:

1. Die Kläger stützen ihre Leistungsklage auf Unterhaltsrecht bzw Schadenersatzrecht (§ 1327 ABGB). Der familienrechtliche Anspruch auf Unterhalt wäre nach dem Personalstatut der Kläger wohl nach libyschem Recht zu beurteilen (für die Kinder Art 24 IPRG; Schwimann in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 24 IPRG; für die Ehefrau § 18 IPRG; Schwimann aaO Rz 1), ebenso die erbrechtlichen Fragen der Sukzession von Erben nach dem Personalstatut des Erblassers (§ 28 IPRG). Außervertragliche Schadenersatzansprüche sind allerdings nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wurde, es sei denn es bestünde eine stärkere Beziehung der Beteiligten zum Recht eines anderen Staats (§ 48 Abs 1 IPRG). Die Erforschung des ausländischen materiellen Rechts (§ 4 IPRG) und dessen allfällige Rückverweisungen können aber dahingestellt bleiben, wenn selbst ein vom österreichischen Recht unterschiedliches libysches Familienrecht und Erbrecht für die jedenfalls nach österreichischen Recht zu beantwortende Rechtsfrage nach dem Umfang der Rechtskraft der Vorentscheidung ohne Einfluss wäre. Der Beurteilung der Bindungswirkung ist daher zugunsten der Rekurswerberin zu unterstellen, dass die Witwe und die ehelichen Kinder nach dem verstorbenen Ehegatten bzw Vater erbberechtigt und unterhaltsberechtigt sind und dass sie mit dem Tod (oder infolge einer hier ebenfalls zu unterstellenden behördlichen Entscheidung) Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen wurden.

2. Die Gesamtrechtsnachfolge des Erben bedeutet materiell-rechtlich, dass alle Rechte und Verbindlichkeiten des Erblassers auf den Erben übergehen, der die volle Herrschaft über den Nachlass erhält (Welser in Rummel ABGB3 Rz 5 zu §§ 797, 798; Koziol/Welser Bürgerliches Recht II12 528) und insofern die Person des Erblassers fortsetzen (5 Ob 24/89 ua). Aus der Gesamtrechtsnachfolge kann abgeleitet werden, dass ein zugunsten oder zu Lasten eines Erblassers ergangenes Urteil Bindungswirkung für oder gegen die Erben entfaltet, weil die Erben die gesamte vermögensrechtliche Lage des Erblassers übernehmen. Dies würde beispielsweise für die auf die Erben übergegangenen Schmerzengeldansprüche gelten (zur Vererblichkeit: SZ 69/217), die Gegenstand des Vorprozesses waren. Für die von den Klägern geltend gemachten eigenen Schadenersatzansprüche wegen entgangenen Unterhalts, die sie von der Beklagten nun fordern, gilt jedoch anderes:

Ansprüche nach § 1327 ABGB entstehen erst mit dem Tod des Erblassers,

gehören also nicht zu den in den Nachlass fallenden Vermögenswerten.

Es handelt sich um eigene Ansprüche der Erben, die nicht im Wege der

Gesamtrechtsnachfolge auf sie übergegangen sind. Auch wenn daher der

Sachverhalt, der im Vorprozess zur Haftungsfrage geltend macht wurde

und zur Abweisung des Feststellungsbegehrens führte, auch für den

Schadenersatzanspruch nach § 1327 ABGB entscheidungswesentlich und

identisch ist, ändert dies nichts an der Tatsache, das keine

Parteienidentität vorliegt, was nur ausnahmsweise der Bejahung der

Bindungswirkung nicht entgegensteht, nämlich dann, wenn sich schon

aus dem materiellen Recht oder aus dem Spruch der Entscheidung eine erweiterte Rechtskraftwirkung oder Rechtskrafterstreckung ergibt, sei es eben im Fall der schon behandelten Rechtsnachfolge (dazu auch Fasching ZPR2 Rz 1525 f mwN) oder in dem Fall, dass die Rechtskraftwirkung auf einen verfahrensfremden Dritten schon aus dem Spruch der Entscheidung klar ableitbar ist. Der von der Rekurswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten

Entscheidung 1 Ob 330/98f = EvBl 1999/188 = SZ 72/89) lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Dort war ein Hauseigentümer und Vermieter im Vorprozess von seinem Mieter auf Zustimmung zu einer konkreten Bauführung Dritter (der Untermieter) geklagt und verurteilt worden. In der Folge stützten die Untermieter als Kläger im Folgeprozess ihr Schadenersatzbegehren (auf Ersatz frustrierter Planungskosten) auf die nicht erteilte Zustimmung des Beklagten zur Bauführung. Der Oberste Gerichtshof bejahte die Bindungswirkung der Vorentscheidung, obwohl die Kläger am Vorprozess nicht beteiligt waren. Die Wirkungen der materiellen Rechtskraft erfasse nach ihren subjektiven Grenzen die Prozessparteien auch dann, wenn sie im Folgeprozess anderen Personen und nicht den Prozessgegnern des Vorverfahrens gegenüber stünden. Ausdrücklich betont wurde in dieser Entscheidung aber neuerlich, dass den am Vorverfahren nicht Beteiligten keine Bindungswirkung treffe. Dies ist auch der wesentliche Unterschied zum vorliegenden Fall, weil die Kläger nicht am Vorprozess beteiligt waren und im Folgeprozess eigene, von den Ansprüchen ihres Vaters bzw Ehegatten verschiedene Ansprüche geltend machen und diese Ansprüche auch nicht vom Spruch der Vorentscheidung umfasst sind, der - wie ausgeführt - sogar ausdrücklich nur eine Feststellung "zwischen den Streitteilen" trifft. Auf verfahrensfremde Personen kann sich die Rechtskraft einer Gerichtsentscheidung schon wegen der tragenden Verfahrensgrundsatzes des Parteiengehörs nicht erstrecken. Die fehlende Parteienidentität und die verschiedenen Ansprüche führen zur Verneinung einer Bindungswirkung trotz Relevanz desselben Sachverhalts in beiden Prozessen, wie dies beispielsweise schon für die Beurteilung des Mitverschuldens an einem Unfall im Haftpflichtprozess (mit einem Versicherer als Beklagten) und einem nachfolgenden Prozess eines der Unfallsbeteiligten als Kläger ausgesprochen wurde (7 Ob 196/99w = ZVR 1999/101).

Aus den dargelegten Gründen entfaltet ein Feststellungsurteil in Schmerzengeldprozess des später verstorbenen Patienten gegen seinen Arzt, womit dessen Haftung verneint wurde, mangels Parteienidentität und Identität der Ansprüche keine Bindungswirkung für den nach dem Tod des Patienten von der Witwe und den Kindern gegen den Arzt auf denselben Sachverhalt gestützten, auf Unterhaltszahlungen gerichteten Schadenersatzprozess.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den § 52 Abs 1 ZPO.

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