Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Einstweilige Verfügung:
Zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung unrichtiger und persönlichkeitsverletzender Äußerungen wird der beklagten Partei die Verbreitung der Äußerung "Der Sohn des Vorstand-Stellvertreters Johann T***** ist designiertes Mitglied des Aufsichtsrates und soll in den Aufsichtsrat gehievt werden" sowie gleichsinniger Äußerungen verboten.
Das auf das Verbot der Verbreitung der Äußerung "Die Kredite für die Liegenschaft Im Gestockert in 1220 Wien sind nicht marktkonform und zu äußerst schlechten Konditionen vergeben worden" sowie gleichsinniger Äußerungen gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.
Die einstweilige Verfügung wird bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils erlassen.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 3.809,70 S (darin 634,95 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei hat ihre darüber hinausgehenden Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei hat eine Hälfte ihrer Kosten vorläufig, die andere Hälfte dieser Kosten endgültig selbst zu tragen."
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 4.761,90 S (darin 793,65 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei hat die darüber hinausgehenden Kosten des Rekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei hat die Hälfte der Kosten im Rekursverfahren vorläufig, die andere Hälfte dieser Kosten aber endgültig zu tragen.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 5.715,- S (darin 952,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei hat die darüber hinausgehenden Kosten des Revisionsrekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei hat die Hälfte der Kosten im Revisionsrekursverfahren vorläufig, die andere Hälfte dieser Kosten aber endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist eine in der Zwischenkriegszeit von Mitgliedern der ***** Partei Österreichs gegründete Genossenschaft. Sie erhält teilweise Bauaufträge von öffentlich-rechtlichen Bauträgern. Teilweise sind Mitglieder der ***** Partei Österreichs Organe der Klägerin.
Die Klägerin hat vor dem Jahr 1993 unter Heranziehung von Eigenmitteln eine Liegenschaft in Wien erworben. Zur Errichtung von sechs Reihenhäusern auf dieser Liegenschaft hatte sie bei der Bank ***** AG im Jahr 1993 ein Hypothekardarlehen von 7,226.400 S aufgenommen. Der vereinbarte Gesamtjahreszinssatz betrug 8,98 %. Er konnte aufgrund von Vergünstigungen für das Jahr 1996 auf 7,01 % dekursiv gesenkt werden. Im Grundbuch wurde ein Pfandrecht zugunsten der Darlehensgeberin für den gewährten Kredit eingetragen zuzüglich 18 % Zinsen, 18 % Verzugs- und Zinseszinsen und eine Nebengebührensicherstellung im Höchstbetrag von 2,890.560 S.
Ab November 1994 war in mehreren Artikeln einer Lokalzeitung über verschiedene Vorgänge und das Verhältnis der Klägerin zu ihren Mitgliedern (den "Siedlern") berichtet worden. Es wurden Vermutungen über strafbare Handlungen geäußert. In einer Sitzung des Wiener Gemeinderates vom 19.5.1995 erhob eine Politikerin den Vorwurf, daß in den Aufsichtsrat der Klägerin ein Sohn des (Vorstands-)Vorsitzenden gewählt worden sei, also der Sohn den Vater kontrolliere. In mehreren politischen Presseaussendungen zweier im Gemeinderat vertretenen Parteien wurde der Klägerin ua eine unvereinbare Personalunion von Partei und Genossenschaft vorgeworfen.
Am 20.9.1995 verbreitete der Beklagte über das zweite Netz der APA eine Aussendung, die ua die Äußerungen enthielt:
"Der Sohn des Vorstand-Stellvertreters und SPÖ-Funktionärs Johann T***** solle nunmehr in den Aufsichtsrat der Siedlungsunion gehievt werden und sei bereits designiertes Mitglied des Aufsichtsrates" sowie "Diese Kredite - Im Gestockert, 1220 Wien - seien nicht marktkonform, da sie zu äußerst schlechten Konditionen vergeben worden seien".
Mit ihrer am 11.10.1995 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Unterlassung der Behauptungen, die Klägerin sei nicht gemeinnützig, sondern gemein und eigennützig, bei ihr träten skandalöse Machenschaften zutage, sie mißachte das statutarische Erbrecht, der Sohn des Vorstand-Stellvertreters Johann T***** solle in den Aufsichtsrat gehievt werden und sei bereits designiertes Mitglied, die für die Liegenschaft Im Gestockert in 1220 Wien aufgenommenen Kredite seien nicht marktkonform, sondern zu äußerst schlechten Konditionen vergeben worden, es zeichne sich ein katastrophales Finanzdebakel bzw ein Milliardendebakel ab sowie die Unterlassung gleichsinniger Äußerungen. Die Klägerin stellte ferner das Begehren auf Widerruf der Behauptungen und auf Veröffentlichung des Widerrufs und verband die Klage mit einem auf die Unterlassung der Äußerungen "Der Sohn des Vorstand-Stellvertreters Johann T***** sei designiertes Mitglied des Aufsichtsrates und solle in den Aufsichtsrat gehievt werden und "Die Kredite für die Liegenschaft Im Gestockert in 1220 Wien seien nicht marktkonform und zu äußerst schlechten Konditionen vergeben worden" sowie auf die Unterlassung gleichsinniger Behauptungen gerichteten Sicherungsantrag. Die wahrheitswidrigen Äußerungen des Beklagten seien ehrenbeleidigend und rufschädigend. Der Beklagte unterstelle der Klägerin ua, daß in ihren Reihen Nepotismus herrsche, was mit der Situation in Rumänien unter Ceausescu verglichen werde. Unrichtig und kreditschädigend sei auch die Behauptung, die Kredite für eine Liegenschaft seien zu schlechten und nicht marktkonformen Konditionen vergeben worden. Diese Anschuldigungen seien geeignet, den Kredit, den Erwerb und das Fortkommen der Klägerin zu beeinträchtigen. Sie seien auch ehrenrührig. Es bestehe die Gefahr, daß der Beklagte seine Äußerungen in anderen politischen Veranstaltungen wiederholen werde.
Der Beklagte bestritt das Klagevorbringen und beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages. Es handle sich nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Werturteile, die nicht ehrenbeleidigend und kreditschädigend seien. Es sei eine Interessenabwägung vorzunehmen. Es bestehe keine Gefährdung der Klägerin.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Aus seinen über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehenden Feststellungen sind die Negativfeststellungen hervorzuheben, daß nicht festgestellt werden könne, daß der Sohn des Vorstand-Stellvertreters Johann T***** designiertes Mitglied des Aufsichtsrates der Klägerin sei und daß dieser in den Aufsichtsrat der Klägerin "gehievt" werden sollte. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen gemäß § 381 Z 2 EO einstweilige Verfügungen nur getroffen werden könnten, wenn sie zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig seien. Dies habe die gefährdete Partei zu bescheinigen. Bei der Ehre einer natürlichen oder juristischen Person oder deren wirtschaftlichem Ruf handle es sich um absolute Rechte, die auch ohne besondere Gefahrenbescheinigung "in der Regel" gesichert werden könnten, weil die Verletzung sich nicht in den wirtschaftlichen Auswirkungen erschöpfe und demnach durch Geld nicht adäquat ausgeglichen werden könnte. Dies treffe aber im vorliegenden Fall nicht zu. Es sei denkbar, daß die Klägerin durch die unrichtigen Äußerungen einen Vermögensschaden erleide, nicht jedoch, daß ihr dadurch darüber hinaus ein nicht durch Geldersatz auszugleichender Schaden erwachse. Die Klägerin habe nicht behauptet, worin der drohende, unwiederbringliche Schaden bestehen sollte.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es vertrat die Auffassung, daß die Klägerin eine im Wirtschaftsleben stehende juristische Person sei, die Auftragnehmer öffentlicher Stellen und öffentlicher Bauträger sei. Sie stehe mit anderen Bauträgern in Wettbewerb. Es liege auf der Hand, daß die Behauptungen, die Klägerin besetze wichtige Funktionen im nepotischischen Auwahlverfahren und nehme Kredite zu nicht marktkonformen, sondern zu äußerst schlechten Konditionen auf, andere Wirtschaftssubjekte dazu veranlassen könnten, Geschäftsbeziehungen abzubrechen bzw gar nicht erst aufzunehmen. Der Vorwurf "Nepotismus" könne dahin gedeutet werden, daß allenfalls Machenschaften, ein Wirtschaften in die Taschen der Funktionäre infolge der familiären Beziehungen im Vorstand und Aufsichtsrat nicht aufgedeckt werden könnten. Der Vorwurf zu hoher Kreditzinsen sei der Vorwurf eines schlechten Wirtschaftens. Die Vorwürfe bedeuteten eine Schädigung der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs der Klägerin. Nach der oberstgerichtlichen Judikatur sei bei einer Schädigung des wirtschaftlichen Rufs im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB die nach § 381 Z 2 EO erforderliche Gefahrenbescheinigung dann entbehrlich, wenn nach der Art und der Intensität des Eingriffs nach der Lebenserfahrung eine Gefährdung nicht durch Geld zur Gänze wiedergutzumachen sei. Die Auswirkungen einer Ehrenverletzung oder Rufschädigung seien kaum zu überblicken. Die Gefährdung sei prima-facie nachgewiesen.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, daß der Sicherungsantrag abgewiesen wurde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Mit der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.
Im Revisionsrekursverfahren ist die von den Vorinstanzen zutreffend bejahte passive Beleidigungsfähigkeit der klagenden juristischen Person nicht mehr strittig (MR 1993, 57 uva).
Entgegen den Rekursausführungen ist das Rekursgericht bei der Verneinung des Erfordernisses einer besonderen Gefahrenbescheinigung nicht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß dem Betroffenen wegen der mit einer Verletzung der Ehre im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB verbundenen Beeinträchtigung ein unwiederbringlicher Schaden droht, sodaß ein darauf gestützter Unterlassungsanspruch durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden kann, ohne daß es einer gesonderten Gefahrenbescheinigung bedarf (SZ 61/193; 4 Ob 5/94 mwN). Die Frage, ob dies nur für den zweifelsfrei als ehrenbeleidigend zu qualifiziertenden Vorwurf des "Nepotismus" gilt oder auch für die nur als rufschädigende Tatsachenbehauptung (Vorwurf der Aufnahme eines Darlehens zu ungünstigen Bedingungen) zu qualifizierende zweite Behauptung muß hier nicht entschieden werden, weil der Sicherungsantrag hinsichtlich dieser Behauptung ohnehin abzuweisen ist.
Zum Verbot der Behauptung, der Sohn des Vorstand-Stellvertreters sei designiertes Mitglied des Aufsichtsrates der Klägerin und solle in den Aufsichtsrat "gehievt" werden, wiederholt der Beklagte nur seinen Standpunkt, daß die Äußerung als politisches Werturteil zu qualifizieren und im Rahmen einer Interessenabwägung zulässig sei. Abgesehen davon, daß die Klägerin nicht selbst im politischen Meinungskampf steht und daher die vom Beklagten zitierte Judikatur über die Zulässigkeit politischer Kritik im politischen Wettstreit nicht ohne weiteres anwendbar ist, ist dem Beklagten schon nicht zu folgen, daß die Äußerung als Werturteil aufzufassen wäre. Es liegt nämlich eine überprüfbare Tatsachenbehauptung vor. Das Erstgericht hat zur Wahrheit dieser Tatsachenbehauptung eine Negativfeststellung getroffen. Die Behauptung des Beklagten beinhaltet nach dem Grundsatz, daß der Täter die Äußerung in der ungünstigsten Auslegung gegen sich gelten lassen muß, den Vorwurf, bei der Klägerin würden die Organe nicht nach sachlichen sondern nach unobjektiven Kriterien (aufgrund von Verwandtschaftsverhältnissen) bestellt werden. Dieser Vorwurf ist nicht nur rufschädigend, sondern auch ehrenbeleidigend im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB. Bei solchen Tatsachenbehauptungen trifft den Täter die Beweislast für die Wahrheit der Tatsachenbehauptung (MR 1995, 16 mwN; zuletzt 6 Ob 2281/96a). Die erwähnte Negativfeststellung geht daher zu Lasten des Beklagten, was auch für den (nicht vorliegenden) Fall eines politischen Werturteils gelten würde, weil die Herabsetzung des Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen die zulässige politische Kritik überschreitet und nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden kann (MR 1993, 14; zuletzt 6 Ob 2350/96y).
Hingegen ist der Vorwurf einer ungünstigen Kreditaufnahme zu marktunüblichen und für die Klägerin ungünstigen Darlehensbedingungen nur eine (allenfalls) rufschädigende, nicht aber gleichzeitig auch ehrenbeleidigende Tatsachenbehauptung. Bei der Rufschädigung nach § 1330 Abs 2 ABGB trifft den Verletzten die Behauptungs- und Beweislast der Unwahrheit (Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 66; MR 1993, 55, 1994, 111; 6 Ob 31/95). Das Erstgericht hat zwar die Darlehensbedingungen detailliert festgestellt, die Frage der Marktüblichkeit dieser Bedingungen steht aber keineswegs (etwa als notorisch) fest. Dies hätte aber die Klägerin im Sicherungsverfahren bescheinigen müssen. Das Rekursgericht ist von marktunüblichen zu hohen Kreditzinsen ausgegangen, ohne daß diese rechtliche Beurteilung in den Feststellungen des Erstgerichtes Deckung finden könnte. Dies gilt auch für die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffene Annahme des Erstgerichtes (S 9 in ON 10) über die Unrichtigkeit der (beiden) Äußerungen des Beklagten. Für eine verläßliche Beurteilung der Darlehenskonditionen hätte es entsprechender Feststellungen über die Situation am Kreditmarkt zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme durch die Klägerin bedurft. Da die Klägerin in ihrem Rekurs (ON 11) gegen die Abweisung des Sicherungsantrages nur eine Rechtsrüge erhoben hat, ist ausschließlich von den getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes auszugehen. Die Unvollständigkeit der Feststellungen zum Thema der Marktüblichkeit der Darlehensbedingungen geht daher zu Lasten der bescheinigungspflichtigen Klägerin. In diesem Punkt ist der Revisionsrekurs des Beklagten daher berechtigt.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, hinsichtlich des teilweise obsiegenden Beklagten auf den §§ 41 und 50 ZPO sowie den §§ 78 und 402 EO. Mangels gesonderter Bewertung der zu verbietenden beiden Äußerungen ist für die Kostenentscheidung von einer Gleichwertigkeit der Äußerungen auszugehen. Dies bedeutet, daß der Beklagte in allen Instanzen zur Hälfte obsiegt hat. Auf dieser Grundlage und auf der Basis des Streitwertes für die Unterlassungsklage (240.000 S) waren ihm Kosten zuzusprechen.
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