Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes, der in Ansehung der Verwerfung des Nichtigkeitsvorwurfes als unangefochten unberührt bleibt, im übrigen dahin abgeändert, daß er wie folgt zu lauten hat:
"Der Antrag der Miterbin Irmgard W*****, ihren Anspruch aus der Nachtragsabhandlung mit 740.309,-- S festzustellen und dem Anerben die Zahlung dieses Betrages binnen 14 Tagen beschlußmäßig aufzuerlegen, wird abgewiesen."
Text
Begründung
Hälfteeigentümer eines 11,6737 Hektar großen Erbhofes in der Steiermark waren Herbert G***** (im folgenden Anerbe) und seine am 25. August 1980 verstorbene Gattin (im folgenden Erblasserin). Ihr Nachlaß wurde auf Grund des Gesetzes mit Einantwortungsurkunde vom 2. September 1982 unter Anwendung des AnerbenG zu einem Drittel dem Anerben und zu jeweils 2/15tel den erblasserischen fünf Kindern (ein sechstes Kind verzichtete auf seine gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte) - wozu auch die nunmehrige Antragstellerin und ihre nachverstorbenen Brüder Heinz und Erwin zählen - eingeantwortet. Die Forderung der Verlassenschaft gegen den Anerben (Übernahmspreis) für den mit 1,200.000,-- S geschätzten Hälfteanteil des Erbhofes wurde mit 130.000,-- S angenommen. Die übrigen fünf (weichenden) Miterben sollten ursprünglich Abfindungszahlungen von je 12.827,17 S erhalten, erhielten aber tatsächlich entsprechend einer vom Verlassenschaftsgericht genehmigten Vereinbarung aus dem Gutsbestand des Erbhofes gleich große Bauparzellen (je 789 m2) im Schätzwert von je 307.710,-- S (ausgehend von einem Quadratmeterpreis von 390,-- S). In der Einantwortungsurkunde vom 2.September 1982 wurde die Abschreibung der im einzelnen genannten Bauparzellen, die Eröffnung neuer EZ und die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Miterben einschließlich der Antragstellerin angeordnet. In Ansehung des am 7. August 1981 nachverstobenen minderjährigen Bruders der Antragstellerin (Heinz) verpflichtete sich der Anerbe, den Betrag von 307.710,-- S in den Verlaß seines Sohnes einzubringen (ON 21 AS 79). Die Erbquote der Antragstellerin beträgt nach ihrer erblasserischen Mutter 2/15 sowie weiters infolge Beerbung ihrer nachverstorbenen Brüder a) Heinz (verstorben am 7.August 1981) laut Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Irdning vom 2.Dezember 1982, GZ A 60/81-8, 1/10 (von 2/15), und b) Erwin (verstorben am 16. März 1985) laut Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Rottenmann vom 1.Oktober 1986, GZ A 85/85-41, 1/8 (von 2/15), insgesamt somit 49/300.
Bereits ab 1982 verkaufte der Anerbe den weitaus überwiegenden Teil der zum Erbhof gehörigen Liegenschaften und am 5.April 1984 auch die Hofstelle. Bis zur Volljährigkeit der Antragstellerin waren die Verkäufe jeweils pflegschaftsbehördlich genehmigt. Verbesserungen des Anerben am Erbhof sind nicht feststellbar, ein Ersatzbetrieb wurde nicht angeschafft. Eine Einigung zwischen dem Anerben und der Antragstellerin über die Leistung eines Abfindungsbetrages kam nicht zustande.
Die Vorinstanzen wiesen im dritten Rechtsgang den knapp nach erlangter Volljährigkeit (8.August 1986) am 19.September 1986 gestellten, auf die Verkäufe des Anerben gestützten Antrag (ON 40a, 100) der Antragstellerin, ihren Anspruch aus der Nachtragsabhandlung (§ 18 AnerbenG) mit 740.309,-- S festzustellen und dem Anerben zur Zahlung aufzuerlegen, zurück und verwiesen sie auf den Rechtsweg. Der erkennende Senat trug mit Beschluß vom 27.Februar 1992, GZ 6 Ob 5/92-108 (veröffentlicht in JBl 1993, 120), dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Maßgebliche Verfahrensart sei das Außerstreitverfahren.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat nun das Erstgericht den korrigierten Übernahmspreis für die von der Nachtragserbteilung iS des § 18 AnerbenG betroffenen Liegenschaftsteile mit 104.374,02 S festgesetzt und den Anerben für schuldig erkannt, der Antragstellerin eine Abfindung von 384.573,22 S zu bezahlen.
Die zweite Instanz hob über Rekurs des Anerben diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und der Rekurs gegen diese Entscheidung zuässig sei. Rechtlich ging das Rekursgericht im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus: Bei der Berechnung des korrigierten Übernahmspreises habe das Erstgericht zunächst auf der Grundlage des Gutachtens ON 8 den auf das Jahr 1980 bezogenen Teilschätzwert jener Liegenschaftsteile ermittelt, deren Verkaufserlöse in die Nachtragserbteilung einfließen, diesen in Relation zum Gesamtschätzwert gesetzt, den dabei ermittelten Prozentsatz auf den ursprünglichen Übernahmspreis von 130.000,-- S angewendet und das Ergebnis dann in nicht näher dargestellter Weise, aber offenbar nach dem Verbraucherpreisindex 1976 valorisiert. Diese Art der Berechnung und Wertanpassung werde von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und sei - abgesehen vom Endzeitpunkt der Valorisierung und der Auswirkungen im Hinblick darauf, daß nicht feststehe, wann gewisse Grundstücke aus dem Gutsbestand des Erbhofes ausgeschieden seien - nicht zu beanstanden, weil der Begriff "innerer Wert" ja nicht ausreichend bestimmbar sei. Zutreffend habe das Erstgericht bei der Ermittlung des der Nachtragserbteilung unterliegenden Verkaufserlöses vom halben Gesamtbetrag der Kaufpreise der einzubeziehenden Liegenschaftsteile den auf diese kongruent entfallenden aufgewerteten Teilübernahmspreis abgezogen (Punkt 5. der Rekursentscheidung). Bezüglich des Ausmaßes der in die Nachtragserbteilung einzubeziehenden Verkäufe bzw Erlöse bedürfe es noch weiterer Feststellungen. Die anschließende Teilung durch zwei (in den Verlaß fallende Hälfte) sei selbstverständlich (Punkt 6. der Rekursentscheidung). Der Umfang des Anspruches eines (gewichenen) Miterben auf einen Teil des der Nachtragserbteilung unterliegenden Vermögens bestimme sich grundsätzlich nach seiner (ursprünglichen) Erbquote. Dazu kämen jedoch noch weitere Ansprüche, nämlich insoweit dieser Miterbe Rechtsnachfolger anderer (gewichener) Miterben geworden sei. Die so erfolgte Bestimmung des Anspruches der Antragstellerin mit insgesamt 49/300 Anteilen sei rechtlich zutreffend und mathematisch richtig. Bei der Nachtragserbteilung sei aber von realen und nicht von fiktiven Gegebenheiten auszugehen. Daher müsse sich die Antragstellerin nicht bloß das auf ihren Anspruch anrechnen lassen, was sie ursprünglich hätte erhalten sollen (12.827,17 S), sondern, was sie tatsächlich erhalten habe (307.710,-- S), vermehrt um die jetzt auf sie entfallenden Anteile ihrer verstorbenen Geschwister. Billige man ihr einen erhöhten Anteil von 49/300stel zu, dann müsse sie sich auch das entsprechend Erhöhte anrechnen lassen. Das werde verständlich, weil ja auch ihre Geschwister, wären sie nicht zwischenzeitig verstorben, nur Anspruch auf die Differenz zwischen Mehrerlös und tatsächlich zugekommenem Vermögen gehabt hätten. Entsprechen 2/15stel Anteile 307.710,-- S, dann ergäben 49/300stel Anteil gerundet 376.945,-- S. Darin stecke auch jener ihr zustehende Anteil, der auf die von der Nachtragserbteilung nicht erfaßten Liegenschaftsanteile entfalle, den das Erstgericht mit 47,12 % ermittelt habe, was bei der Neuberechnung zu berücksichtigen sei. Der solcherart gewonnene Betrag sei dem Ergebnis gemäß Punkt 6.) und nicht dem iS Punkt 5.) ermittelten gegenüberzustellen. Ein vorheriger Abzug des aufgewerteten Teilübernahmspreises (Punkt 5.) erscheine hier nicht zutreffend bzw im Widerspruch zur Anrechnung des gesamten tatsächlich zugekommenen Wertes, weil die Antragstellerin genauso wie ihre Geschwister vom Übernahmspreis ja effektiv nichts erhalten habe bzw ihr die 12.827,17 S in dieser Form nicht ausgezahlt worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der antragstellenden Miterbin ist iS einer Abänderung des rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses freilich zu ihrem Nachteil - iS einer Antragsabweisung gerechtfertigt.
In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des erkennenden Senates in 6 Ob 5/92 ist das Rekursgericht davon ausgegangen, daß zufolge der Übergangsbestimmung des Art III Z 2 Abs 3 der AnerbenG-Novelle 1989, BGBl 1989/659, § 18 AnerbenG idF vor dieser Novelle (folgend AnerbenG aF) anzuwenden ist. Verkauft der Anerbe binnen sechs Jahren nach der Rechtskraft der Einantwortungsurkunde auf einmal oder stückweise den ganzen Erbhof oder dessen wesentliche Teile, so ist ein den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises (§ 11) übersteigender Mehrerlös auf Antrag als nachträglich hervorgekommenes Verlassenschaftsvermögen zu behandeln und hierüber eine Nachtragserbteilung einzuleiten. Ein Mehrerlös liegt erst vor, wenn und soweit sich nach Hinzurechnung des Wertes allfälliger vom Anerben bewirkter Aufwendungen zum Übernahmspreis etwas erübrigt (§ 18 AnerbenG aF). Da der Anerbe am 5.April 1984 auch die Hofstelle verkaufte, ist entgegen der Rechtsauffassung der Revisionsrekurswerberin die Voraussetzung eines Verkaufes des "wesentlichen Teils des Erbhofes" erfüllt, weil ohne Hofstelle ein lebensfähiger bäuerlicher Betrieb iS des § 1 AnerbenG nicht mehr fortgeführt werden konnte (SZ 34/191 = RZ 1962, 141; NZ 1972, 201 zur vergleichbaren Bestimmung des § 14a Kärntner ErbhöfeG aF; Kralik Erbrecht3 398).
Zweck der anerbenrechtlichen Sonderbestimmungen ist die Bewahrung lebensfähiger bäuerlicher Betriebe vor den Gefahren der Zerstückelung und einer untragbaren Belastung des Besitznachfolgers eines Bauern im Erbfall. Dieses im Allgemeininteresse gesteckte Ziel strebt der Gesetzgeber dadurch an, daß er die erbrechtliche Besitznachfolge in den Hof nur durch einen Angehörigen des Erblassers zuläßt und gleichzeitig als Berechnungsgrundlage für die Auseinandersetzungsansprüche der weichenden Miterben und Pflichtteilsforderungen einen im Regelfall unter dem Verkehrswert liegenden Übernahmspreis festlegt (JBl 1990, 109; EvBl 1982/345; vgl auch Webhofer in Klang2 III 761). Der Anerbe wird in der bäuerlichen Erbteilung nicht um seiner selbst willen, sondern im Interesse des Hofes begünstigt (EvBl 1972/345; Kralik aaO 397; Kathrein, Anerbenrecht, Anm 1 zu § 18 AnerbenG). Diese Rechtfertigung für die Bevorzugung gegenüber den anderen Erben durch einen besonders günstigen Übernahmspreis fällt weg, wenn der Anerbe den Hof oder dessen Teile ohne wirtschaftliche Notwendigkeit veräußert. Für diesen Fall hat der Anerbe seinen Vorteil in einer Nachtragserbteilung an die weichenden Miterben und Noterben herauszugeben.Weil § 18 AnerbenG eine Bestimmung gegen den Mißbrauch der erbrechtlichen Begünstigung durch den Anerben ist (Koziol-Welser9 II 312), ist Voraussetzung für eine Nachtragserbteilung eine Verkürzung (gegenüber der "normalen" nichtbäuerlichen Erbfolge) des weichenden Miterben. Dies war hier bei keinem der weichenden Miterben der Fall, sodaß die teilweise Beerbung von zwei nachverstorbenen Miterben durch die Antragstellerin bedeutungslos ist.
Gesetzliche Erben der Erblasserin waren der Anerbe zu einem Drittel und fünf Kinder - einschließlich der Antragstellerin und ihrer Brüder Erwin und Heinz - zu je 2/15tel. Das reine Nachlaßvermögen unter Vernachlässigung der vom Anerben getragenen Gerichtskommissionsgebühren betrug 1,073.156,38 S (ON 21 AS 77), sodaß auf jedes der fünf Kinder bei einer Erbquote von je 2/15tel ein Betrag von je 143.887,51 S entfiel. Der Gesamtverkehrswert des Erbhofes betrug 2,400.000,-- S, in die Verlassenschaft fiel die auf die Erblasserin entfallende Hälfte von 1,200.000,-- S. Ungeachtet der Bestimmung des Übernahmspreises mit 130.000,-- S vereinbarte der Anerbe mit verlaßbehördlicher Genehmigung statt der Zahlung eines diesem Übernahmspreis entsprechenden Abfindungsbetrages von 12.827,17 S an jeden der fünf weichenden Miterben deren anderweitige Befriedigung durch Zuweisung einzelner Grundstücke (§ 10 Abs 2 AnerbenG), nämlich je einer Bauparzelle im Wert von je 307.710,-- S. Daß der Anerbe bei seinen Verkäufen einen Quadratmeterpreis von 390,-- S nicht erzielte, ist entgegen einem Einwand der Revisionswerberin unerheblich, weil die Miterben Bauparzellen erhielten, der Anerbe aber land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke verkaufte, die - wie gerichtsbekannt ist - billiger sind als Bauparzellen. Vier Miterben einschließlich der Antragstellerin erhielten solche Bauparzellen aus dem Gutsbestand des Erbhofes; lediglich in Ansehung des am 7.August 1981 nachverstorbenen Bruders der Antragstellerin wurde keine fünfte Bauparzelle geschaffen. Dafür verpflichtete sich der Anerbe, den Betrag von 307.719,-- S in den Nachlaß dieses Miterben (als Abfindungszahlung) einzubringen. Von diesem, allen fünf Miterben zugekommenen Wert bzw Betrag von 307.710,-- S ist die Hälfte hier nicht zu berücksichtigen, weil ja die Erblasserin nur Hälfteeigentümerin des Erbhofes war. Es verbleibt somit ein zu berücksichtigender Betrag von je 153.855,-- S, der jedem der fünf Miterben aus der Verlassenschaft nach ihrer erblasserischen Mutter zugekommen ist und die gesetzliche Erbquote von 143.887,51 S übersteigt. Damit bleibt mangels Bevorzugung des Anerben und Verkürzung der weichenden Miterben für eine Nachtragserbteilung kein Raum.
Da im Verfahren außer Streitsachen - sofern nicht Teilrechtskraft besteht - eine Schlechterstellung des Rechtsmittelwerbers (sogenannte reformatio in peius), zumal bei Bekämpfung einer aufhebenden Entscheidung, zulässig ist (EFSlg 58.309, 55.538 ua), war in Abänderung der vorinstanzlichen Beschlüsse der Antrag der antragstellenden Miterbin auf Nachtragserbteilung abzuweisen.
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